Titel: | Neues (?) musikalisches Instrument, das Töne wie eine Aeolsharfe gibt. Von Hrn. Gill. |
Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. CVI., S. 387 |
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CVI.
Neues (?) musikalisches Instrument, das
Toͤne wie eine Aeolsharfe gibt. Von Hrn. Gill.
Aus dessen technological Repository. Mai 1828. S.
279.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Gill's neues musikalisches Instrument.
Ein Freund, der dieses Instrument von dem festen Lande
mitbrachte, erlaubte uns die Ansicht und Beschreibung desselben.
Es besteht aus einer Metallplatte von der Groͤße, wie in Fig. 26., durch welche
vier parallele Oeffnungen laufen. Auf dieser Platte ist eine andere Platte
aufgenietet, die an einem Theile sehr duͤnn zugefeilt ist, und dieser
verduͤnnte Theil laͤuft in vier schmale Zungen oder Federn aus, die in
obige vier Loͤcher der anderen Platte sehr genau passen, aber doch frei darin
spielen, wenn die beiden Platten auf einander genietet sind, wie Fig. 26. sie zeigt. Fig. 29. zeigt
die Platte mit den Zungen. Fig. 27. ist ein
Durchschnitt desselben, und Fig. 28. ein Durchschnitt
des ganzen Instrumentes, wenn beide Platten auf einander sind.
Die vier duͤnnen Platten oder Zungen, die an einem Ende fest gemacht sind,
liegen in gleicher Hoͤhe mit der oberen Platte, und spielen, wie gesagt, frei
in den parallelen Oeffnungen. Wenn man das Instrument in den Mund nimmt, und in
dasselbe athmet oder blaͤst, die Platte gegen den Mund gehoͤrt, so
entstehen mehr oder minder sanfte Toͤne, und entweder Accorde oder Discorde,
wie an der Aeolsharfe, je nachdem man in das Instrument athmet oder stark
blaͤst.
Die Toͤne lassen sich an diesem Instrumente so wenig als an der Aeolsharfe
moduliren; aber selbst diese Wildheit des Tones hat einen eigenen Reiz, da die
Toͤne ganz aͤtherisch klingen, und aus den Wolken herabzukommen
scheinen. Die Leichtigkeit und Tragbarkeit dieses Instrumentes empfiehlt dasselbe
sehr zum Gebrauche.
Wir erinnern uns nicht, in irgend einem Instrumente die Toͤne auf diese Weise
erzeugt gesehen zu haben. Wahrscheinlich wird der Bau desselben sich auf
Orgelpfeifen anwenden lassen, die dadurch nur gewinnen koͤnnen, indem die
Toͤne, wenn sanft in das Instrument gehaucht wird, ungemein lieblich und
zart, uͤber auch sehr scharf sind, wenn stark in dasselbe geblasen wird.Nicht bloß bei Orgeln, sondern auch an vielen anderen blasenden
Instrumenten wird sich dieses Instrument, unter den
gehoͤrigen Modifikationen, als Mundstuͤk anbringen, und der
Grundton desselben wird sich durch die Loͤcher und Klappen eben so
modificiren lassen, wie der Grundton des Mundstuͤkes eines jeden
anderen blasenden Instrumentes. Da dieses Instrument bereits uͤber
ein Jahr in dem Maule aller Jungen zu Muͤnchen ist (es kostet nur 24
kr.), so ist es in der That unbegreiflich, daß es noch nicht bei blasenden
Instrumenten angewendet wurde. Dieses Instrument ist nicht neu; es muß uralt seyn, denn es fand sich in dem Rumpelkasten
des sogenannten physikalischen Cabinettes des aufgehobenen Muͤnchner
Lycaͤums, wo der Uebersezer es vor einem Jahre in Holz gefaßt sah.
Diese Fassung in Holz ist sehr noͤthig, da' das Messing zwischen den
Lippen hoͤchst unangenehm ist. Hr. Gill
scheint nicht zu wissen, daß man dieses Instrument aus Silber, Messing, und
auch aus Silber und Messing mit staͤhlernen Zungen hat, da er bloß
von Metall allein spricht. Wenn dieses Instrument
sich auch wirklich nicht an blasenden Instrumenten oder Orgeln anwenden
ließe, so koͤnnte man mittelst desselben, wenn man jedem Accorde, der
durch ein solches Instrument erzeugt wird, einen bestimmten Ton, c, d, e, f, g, a, h, gaͤbe, die alte
famose russische Jagdhornmusik wieder vom Tode erweken. Dieses Instrument
wird jezt zu Muͤnchen Harmonika genannt,
eine Benennung, unter welcher, da die Stahl und Glasharmonika ganz andere
Instrumente sind, Niemand das vorliegende Instrument vermuthen wird. Da der
Ton durch die Schwingungen der metallen Zungen erzeugt wird, und der Bau
derselben dem Kehldekel auf der Stimmrize nachgebildet zu seyn scheint, so
koͤnnte man dasselbe vielleicht mit Recht Glossophon nennen.