Titel: | Practischer Unterricht, um die Bausteine auf ihren Widerstand gegen den Frost nach dem Verfahren des Hrn. Brard zu prüfen; abgefaßt von Hrn. Héricart de Thury. |
Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. VIII., S. 34 |
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VIII.
Practischer Unterricht, um die Bausteine auf
ihren Widerstand gegen den Frost nach dem Verfahren des Hrn. Brard zu pruͤfen;
abgefaßt von Hrn. Héricart
de Thury.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Bd. 38 S.
189.
Héricart's practischer Unterricht, um die Bausteine auf
ihren Widerstand gegen den Frost zu pruͤfen.
I. Man waͤhlt Probestuͤke von den zweifelhaften Stellen des
Steinlagers, welches man pruͤfen will, zum Beispiel von solchen Stellen,
welche Verschiedenheiten in der Farbe, dem Korn oder dem Aussehen zeigen.
II. Man zerschneidet oder zersaͤgt diese Probestuͤke in Wuͤrfel
von zwei Zoll Hoͤhe, mit scharfen Kanten, weil Stuͤke die bloß
gebrochen worden sind, durch den Stoß allein schon eine Verruͤkung ihrer
Theilchen erleiden und so taͤuschende Abnuzungen zeigen koͤnnten,
welche nicht durch die Qualitaͤt des Steines, sondern bloß durch die Kraft,
welche ihn zerbrochen hat, veranlaßt worden waͤren.
III. Man numerirt oder zeichnet jedes Probestuͤk mit Tusche oder einer Stahlspize, und
fuͤhrt genaue Bemerkungen uͤber den Ort und die Stelle, wovon jeder
Wuͤrfel genommen worden ist.
IV. Man laͤßt in einer der Anzahl der Probestuͤke, welche man
pruͤfen will, angemessenen Quantitaͤt Wasser so viel Glaubersalz
(schwefelsaures Natron) zergehen, als es in der Kaͤlte
aufloͤsen kann, und um ganz sicher zu seyn, daß dieses Wasser nichts
mehr davon aufnehmen kann, muß etwas Salz auf dem Boden des Gefaͤßes eine
oder zwei Stunden, nachdem man es hineingeworfen hat, noch zuruͤkbleiben: so
ist z.B. ein Pfund von diesem Salze hinreichend, um eine Bouteille von
gewoͤhnlichem Wasser, bei der Temperatur der Brunnen, oder ungefaͤhr
12° des Reaumuͤr'schen Thermometers, zu saͤttigen.
V. Man erhizt dieses mit Salz gesaͤttigte Wasser in irgend einem
Gefaͤße, bis es mit starkem Aufwallen kocht, und taucht alsdann alle
Probestuͤke hinein, ohne es von dem Feuer wegzunehmen, wobei man die
Wuͤrfel so legt, daß sie alle vollkommen hineintauchen.
VI. Man laͤßt die Steine eine halbe Stunde lang kochen. Die von Hrn. Vicat angestellten Versuche lehren, daß man sie nicht
laͤnger kochen lassen darf, ohne die Wirkung des Frostes zu
uͤberschreiten. Die Zeit von 30 Minuten muß also beim Kochen genau beobachtet
werden.
VII. Man nimmt jedes Probestuͤk, eines nach dem anderen heraus und
haͤngt sie so an Faͤden auf, daß sie keinen Gegenstand
beruͤhren und vollkommen isolirt sind. Unter jedes derselben stellt man ein
Gefaͤß, das mit der Aufloͤsung gefuͤllt ist, worin sie gekocht
wurden; vorher muß jedoch diese Aufloͤsung sich gesezt haben und der
Bodensaz, welcher immer Staub aber von den Probestuͤken losgerissene
Koͤrner enthaͤlt, weggeworfen worden seyn.
VIII. Wenn die Witterung nicht zu feucht oder zu kalt ist, wird man die
Oberflaͤchen dieser Steine vier und zwanzig Stunden, nachdem sie so
aufgehaͤngt worden sind, mit kleinen weißen salzigen Nadeln bedekt finden,
die im Aussehen dem Mauersalpeter ganz aͤhnlich sind. Man taucht dann diese
Steine in das Gefaͤß, welches unter jedem derselben steht, damit das zuerst
efflorescirte Salz hinabfaͤllt. Dieses thut man jedesmal von Neuem, wenn sich
die Nadeln gut gebildet haben; nach der Nacht besonders, findet man sie
laͤnger und reichlicher als im Laufe des Tages; es ist daher
raͤthlich, den Versuch in einem geschlossenen Gemach, in einem Keller u.s.w.
anzustellen.
IX. Wenn der Stein, welchen man gepruͤft hat, nicht eiskluͤftig ist
(durch den Frost nicht leidet), reißt das Salz nichts mit sich und man findet auf
dem Boden des Gefaͤßes weder Koͤrner noch Blaͤttchen, noch
Stuͤkchen des gepruͤften Steines, welchen man jedoch waͤhrend
des Versuches eben so wenig von seiner Stelle, verruͤken darf, als das
Gefaͤß, welches unter ihm ist.
Ist hingegen der Stein eiskluͤftig, so wird man finden, daß das Salz von dem
ersten Tage an, wo es erscheint, Steinstuͤkchen mit sich reißt, daß der
Wuͤrfel seine Winkel und seine, scharfen Kanten verliert; und zulezt wird man
auf dem Boden des Gefaͤßes alles dasjenige finden, was sich waͤhrend
des Versuches, der am Ende des fuͤnften Tages, von dem Augenblike an, wo das
Salz zum ersten Male auswittert, beendigt seyn muß, von dem Steine losgerissen hat;
denn diese Wirkung tritt je nach dem Zustande der Atmosphaͤre fruͤher
oder spaͤter ein.
Man kann die Auswitterung des Salzes beschleunigen, wenn man den Stein, sobald es auf
einigen Punkten zu erscheinen anfaͤngt, eintaucht und diese kleine Operation
taͤglich fuͤnf oder sechs Mal wiederholt.
Wir bestehen auf der vorher gemachten Bemerkung, daß man sich wohl huͤten muß,
das Wasser in der Waͤrme mit Glaubersalz zu saͤttigen; diese
Saͤttigung darf nur in der Kaͤlte vorgenommen werden, denn wir haben
schon gesagt, was auch die von der Inspection
générale des carrières angestellten Versuche erwiesen
haben, daß mancher Stein, welcher der Wirkung des Frostes und der Wirkung der in der
Kaͤlte gesaͤttigten Salzloͤsung gut widersteht, vollkommen
zerfaͤllt, wenn man ihn der Einwirkung der in der Waͤrme
gesaͤttigten Salzloͤsung aussezt, und dieses wuͤrde sogar auch
oft eintreffen, wenn man das Abwaschen uͤber den vierten Tag hinaus, wie wir
es oben vorgeschrieben haben, fortsezen wuͤrde.
X. Will man zwischen zwei Steinen, von denen jeder durch den Frost zersezt wird, eine
Vergleichung anstellen, wie weit dieses bei dem einen mehr als bei dem anderen der
Fall ist, so troknet man alle Theile, welche sich von den sechs Seiten des
Wuͤrfels losgerissen haben, und wiegt sie, aus dem Gewichte wird man sodann
ersehen, welcher von beiden am meisten durch den Frost leidet.
Endlich, wenn ein Wuͤrfel von 24 Quadratzoll Oberflaͤche 180 Gran
verloren hat, wuͤrde ein Quadratklafter von demselben Steine 3 Pfund 6 Unzen
in demselben Zeitraum verloren habenUm die Dauerhaftigkeit, welcher die aufzufuͤhrenden Gebaͤude
faͤhig seyn werden, beurtheilen zu koͤnnen, ist es
außerordentlich wichtig, durch schnell und leicht ausfuͤhrbare
Versuche bestimmen zu koͤnnen, ob die Steine, welche man anzuwenden
gedenkt, der zerstoͤrenden Einwirkung der Feuchtigkeit und des
Frostes widerstehen werden. Dieses Problem hat nun Hr.
Brard auf eine vollkommen genuͤgende Weise geloͤst.
Es waͤre unnuͤz, wenn wir hier die zahlreichen Versuche
anfuͤhren wollten, aus welchen Hr. Brard
obige schaͤzbare Regeln abgeleitet hat, die Ann. de Chim. et de Phys. enthalten dieselben a. a. O. (S.
160-189) nebst dem Berichte uͤber die Versuche, welche die
franzoͤsischen Bau-Ingenieurs (Vicat,
Vaucher de Lille, Conrad, Billaudel) mit den verschiedenartigsten
Baumaterialien zur Pruͤfung des von Hrn. Brard vorgeschlagenen Verfahrens anstellten; in allen Faͤllen
war die Wirkung der Auswitterung des Glaubersalzes der Wirkung des Frostes
auf dieselben Substanzen gleich, man mochte nun Marmor, Bausteine,
Ziegelsteine oder selbst Moͤrtel anwenden. A. d. R..