Titel: | Etwas über Mittel zur Verhütung des Schadens bei Eisgängen. |
Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. LXXXX., S. 317 |
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LXXXX.
Etwas uͤber Mittel zur Verhuͤtung
des Schadens bei Eisgaͤngen.
Auszug eines Schreibens an den Herausgeber.
Ueber Mittel zur Verhuͤtung des Schadens bei
Eisgaͤngen.
Der Schaden, den Eisgaͤnge an Bruͤken, Kayen und anderen
Wassergebaͤuden, an Gebaͤuden, die dem Strome nahe liegen, an Waaren
und Guͤtern und Menschenleben verursacht, ist leider nur zu bekannt.
Wenn hoͤlzerne Bruͤken jaͤhrlich durch Eisgange weggenommen
werden, so verdient der dadurch entstehende Schaden kein Bedauern; er ist nur
wohlverdiente Strafe fuͤr die Dummheit, daß man dasjenige aus Holz macht, was
aus Stein oder Eisen fuͤr ewige Zeiten geschaffen wurde. Die steinerne
Bruͤke uͤber die Donau steht seit Heinrich's Zeilen Jahrhunderte lang
unversehrt, waͤhrend die hoͤlzernen Bruͤken zu Vohburg,
Kellheim, Donaustauf, Straubing, Dekendorf beinahe jedes Jahr von dem Eisgange
weggenommen oder mindestens beschaͤdigt werden. Wenn man die
jaͤhrlichen Bau- und Ausbesserungs-Kosten dieser Bruͤken
seit 500 Jahrhunderten zusammen zaͤhlt, so wird sich ergeben, daß diese
elenden hoͤlzernen Bruͤken dem Lande zehn Mal hoͤher zu stehen
kamen, als die steinerne Bruͤke zu Regensburg. Man scheint es indessen so
haben zu wollen, und Narren muß man nach ihrem Willen thun, wenn sie nicht rasend
werden sollen.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn man die Minir-Kunst als Zweig der
Artillerie gehoͤrig bei den Eisgaͤngen anwenden wuͤrde, sehr
viele Nachtheile, die durch dieselben entstehen, gluͤklich beseitigt oder
verhuͤtet werden koͤnnen. Allein, es ist bei uns auf dem festen Lande
Sitte, den ehrenvollen Stand des Militaͤres in Friedens-Zeiten,
beinahe wie die Nuͤrnberger bleiernen Soldaten, in Schaͤchtelchen zu
hallen, und keine der vielen Zerstoͤrungs-Kuͤnste dieses
wahrhaft hochehrwuͤrdigen Standes zum Wohle des Landes zu benuͤzen.
Haß und Verachtung gegen die mannhafteste Klasse des Volkes, die sich dem Tode
fuͤr's Vaterland weiht, wird der Jugend in einigen Laͤndern schon auf
Universitaͤten eingefleischt; aus den Studenten werden Beamten, die das Land
administiren; der alte Haß nimmt mit den Jahren immer mehr und mehr zu, und, statt
sich der Vortheile zu bedienen, die dieser ehrenvolle Stand dem Lande auch mitten im
Frieden gewaͤhren koͤnnte, sucht man ihn von allem
wohlthaͤtigen Einflusse zu entfernen. Nur wenn das Uebel auf's Aeußerste
gekommen ist, sucht man zuweilen dort eine nuzlos gewordene Huͤlfe, die
fruͤher segensvoll fuͤr große Landstreken haͤtte werden
koͤnnen.
Da, wie ich aus vieljaͤhriger Erfahrung weiß, bei Eisgaͤngen dort so wenig Huͤlfe
gesucht wird, wo sie allein zu finden ist, bei den Mineurs, Sappeurs, Pontoniers und
Artilleristen, und nicht zu erwarten steht, daß man sich sobald dieser
Ehrenmaͤnner, die in ihrer Kunst wissenschaftlicher gebildet sind, als manche
Beamte in der Staats-Haushaltung, bedienen wird, schlage ich hier ein Mittel
vor, dessen man sich zur Verminderung einzelner groͤßerer Eismassen, die
Durchgaͤnge zwischen Bruͤken-Jochen, Schleußen etc. verlegen,
und uͤberhaupt zum sogenannten Luftmachen mit Vortheil bedienen kann, selbst
um Grundeis an solchen Stellen zu entfernen.
Dieses Mittel ist ganz einfach: ein Dampfkessel, aus welchem man den Dampf auf das
Eis durch eine Roͤhre hinleitet. Wenn der Dampfkessel auf einem
gewoͤhnlichen Windofen auf einen Wagen gestellt, und mittelst desselben an
denjenigen Stellen hingefahren wird, wo seine Wirkung nothwendig ist, wird man
mittelst desselben weit schneller und kraͤftiger, als mittelst Beilen und
Aexten, zu welchen man so oft seine Zuflucht nimmt, auf das Eis einwirken
koͤnnen! Man halte einen Eisklumpen vor die Dampfroͤhre einer
Dampfmaschine, und man wird sich von der maͤchtigen Wirkung desselben bald
uͤberzeugen. Ein Dampfkessel gibt einen maͤchtigen Thauwind; er macht
die Klumpen, die er nicht aufzuloͤsen vermag, wenigstens muͤrbe; und
dadurch schon ist oft genug gewonnen.
Ungeachtet einer langen Abhandlung, die uns ein Jesuit uͤber das Eis geliefert
hat (Mairan, Traité
sur la glace), wissen wir doch sehr wenig uͤber dasselbe, und das,
was uns der geistreiche Wallfischfaͤnger Scoresby
uͤber dasselbe gelehrt hat, ist das Einzige, was wir wissen; und ist leider
noch wenig. Die englischen, franzoͤsischen und italienischen Physiker, in
welchen der eigentliche Experimentir-Geist wohnt, liegen so zu sagen außer
dem Bereiche des Eises; sie lehrten uns daher bloß in der Waͤrme Eis machen,
nicht aber in der Kaͤlte Eis aufloͤsen. Wir wissen aber, daß ein
deutscher Physiker behauptete, man koͤnne mittelst Schwefelsaͤure und
aͤzenden Kalkes Eis schnell aufloͤsen, indem Eis bloß erstarrtes
Wasser ist, und Schwefelsaͤure und aͤzender Kalk, in Verbindung mit
Wasser, eine große Menge Waͤrmestoffes entwikeln. Ungluͤklicher Weise
vermindert aber, wie die Versuche des Hrn. Prof. Kaiser beurkunden, englische und
Nordhaͤuser Schwefelsaͤure die Temperatur der das Eis umgebenden Luft,
auf welches dieselbe gegossen wird, von + 12° R. auf – 4° R.;
und aͤzender Kalk von + 12° R. auf – 1° R. Man kann also
weder Schwefelsaͤure noch aͤzenden Kalk zum Schmelzen des Eisens
verwenden, und Wasser verhaͤlt sich im erstarrten Zustande gegen diese
Reagentien ganz anders, als im tropfbar fluͤssigen. Es scheint, daß wir noch
zu wenig uͤber das Eis und uͤber die verschiedenen Zustaͤnde
desselben, uͤber die zahllosen und maͤchtigen Unterschiede, die zwischen Eis und Eis
Statt haben, wissen. Es scheint, daß uͤber das Eis, dessen Bildung und
Eigenschaften bei verschiedenen Graden der Temperatur und dessen Schmelzbarkeit noch
viele Versuche uͤbrig gelassen sind.