Titel: | Ueber die holländischen Kornbrantwein-Brennereien zu Schiedam. Von Hrn. Dubrunfaut. |
Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. CXVIII., S. 420 |
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CXVIII.
Ueber die hollaͤndischen
Kornbrantwein-Brennereien zu Schiedam. Von Hrn. Dubrunfaut.
Aus dem Industriel. Janvier. N. 9. S.
467.
Ueber hollaͤndische Kornbrantwein-Brennereien zu
Schiedam.
Zu Schiedam wird der groͤßte Theil des in Holland so beliebten und
beruͤhmten Genièvre's
(Wachholder-Brantwein) gebrannt. Dieser Genièvre oder Wachholder-Brantwein ist nichts anderes, als
Kornbrantwein (aus Roken und Gerste), der mit Wachholder-Beeren
gewuͤrzt wird. Dieser Schiedamer ist wirklich besser, als irgend ein anderer
Wachholder-Brantwein, wie ich mich auf meiner lezten Reise nach Holland
uͤberzeugte, wo ich das Verfahren und die Geraͤthe in den Brennereien
zu Schiedam untersuchte. Das Resultat dieser meiner Untersuchungen theile ich hier
den Lesern mit.
Schiedam ist ein kleines Staͤdtchen, drei franz.
Meilen von Rotterdam, das keine andere Industrie, als
seine Brantweinbrennereien besizt, deren man aber 160 in diesem Oertchen findet, und
die eine Quelle des Reichthumes fuͤr das Land geworden sind.
Diese Brennereien zerfallen, nach der Groͤße ihrer Apparate, in 3 ClassenEin Liter ist 0,7068 Wiener Maß; ein Hektoliter also 70,68 Wiener Maß;
folglich halten die Blasen erster Classe 1413 Maß
oder 23 Eimer! A. d. U.. Die erste Classe begreift diejenigen, deren
Blasen 20 Hektoliter fassen; die zweite diejenigen mit
Blasen zu 10 Hektoliter; die dritte die kleineren. Die
Gaͤhrungs-Bottiche fassen eben so viel als die Blasen.
Alles Korn, das man brennt, kommt aus den Laͤndern an der Ostsee: es ist
kleinkoͤrniger, aber besser, als das Korn aus unseren suͤdlichen
Laͤndern. Man mengt es mit einem Viertel geleimter Gerste (dem Gewichte
nach).
Man malzt, wie in Frankreich, und das Maischen und der Gaͤhrungs-Prozeß
geschieht wie bei unseren Kornbrantwein-Brennern.
Man maischt mit lauwarmem Wasser, das man durch einen eisernen durchloͤcherten
Loͤffel laufen laͤßt, und mit einer hoͤlzernen an einem Stoke
befestigten durchloͤcherten Scheibe, und laͤßt 2 bis 3 Stunden lang
bei einer Temperatur von 50° am 100° Thermom. (40° R.) weichen.
Die Gaͤhrung ist innerhalb 30 bis 40 Stunden vollendet.
Wenn die Gaͤhrung anfaͤngt sich zu zeigen, gießt man etwas klare
Fluͤssigkeit aus den Bottichen ab, und schuͤttet sie in einen kleinen
uͤber den Gaͤhrungs-Bottichen befindlichen Behaͤlter.
Diese Fluͤssigkeit, die fuͤr sich allein fortgaͤhrt, gibt
ziemlich reine, von allen groͤberen Koͤrner-Theilen freie,
Hefen. Sie fallen auf dem Behaͤlter zu Boden, und man preßt sie, um sie dann
zu verkaufen.
Die Administration verguͤtet 3 p. C. Abbruch (refraction) fuͤr die Brenner, die sich dieser Methode bedienen.
Dieser Abbruch ist nach dem Verluste an Alkohol berechnet, der bei dieser Methode
Statt hat.
Eine Brennerei hat drei Blasen von gleicher Groͤße; zwei derselben dienen nach
einander fort zum Brennen; die dritte zur Rectification. Man brennt wirklich zwei
Mal, waͤhrend man ein Mal rectificirt oder laͤutert. Man
erhaͤlt auf diese Weise nur Alkohol von 14 bis 15°; in diesem Zustande
verkauft man ihn den eigentlichen Destillirern (Destillateurs), die ihn bis auf 19 1/2° treiben. Man hat also hier
zwei Industrie-Zweige, die Brenner (Bouilleurs)
und die Laͤuterer
(Destillateurs rectificateurs).
Eine Brennerei fuͤhrt 16 bis 18 Gaͤhrungs-Bottiche, die auf
einem hoͤlzernen Geruͤste 5 bis 6 Fuß hoch uͤber der Erde
stehen, so daß ein Arbeiter mittelst eines Kessels und einer hoͤlzernen
Leitungs-Roͤhre leicht einen Bottich in die Blase uͤberleeren
kann.
Man gestattet den Brennern 9 Liter Mehl 100 Litern Wasser zuzusezen. Man besteuert
nur das Korn und den Bottich, in welchem gemaischt wird, und verlangt fuͤr 54
Liter die Abgabe fuͤr Einen metrischen Zentner Mehl. Gewoͤhnlich
erhaͤlt man aus dieser Masse Mehl nur 60 Liter Brantwein zu 19°.
Die Brenner ziehen das Wasser aus der Maas jedem anderen vor.
Eine Tagschicht wird zu 15 Stunden gerechnet; waͤhrend dieser Zeit werden 3
Bottiche aus Einer Blase, also 6 Bottiche aus zwei Blasen, uͤberzogen. Da nun
eine Brennerei 16 bis 18 Bottiche besizt, so sieht man, daß ein Bottich nur alle
drei Tage gefuͤllt wird. Man weicht gewoͤhnlich des Morgens ein, und
der gegohrene Maisch oder das Gut 'wird am dritten Tage in die Blase
uͤbergetragen. Der leere Bottich wird nur des anderen Tages Morgens wieder
gefuͤllt.
Die Blasen bestehen aus einem bloßen Kessel und aus einer Schlangenroͤhre; es
ist kein Mohrenkopf (cuve de vîtesse) angebracht.
Die Administration
leidet, wie es scheint, keinen zusammengesezten Apparat, der den Ertrag der
Steuer-Einnahme verwikeln koͤnnte. Der Destillir-Apparat ist
also in jeder Hinsicht der einfachste in diesen Werkstaͤtten, und in jeder
Hinsicht auch der unvollkommensteDer Finanzmann, der zuerst die gluͤkliche, rein aus dem Koran
aufgefaßte, Idee ergriff, geistige berauschende Getraͤnke zu
besteuern, mag von einem sehr lauteren und Sittlichkeit foͤrdernden
Grundsaze bei seiner Tranksteuer ausgegangen
seyn. Er mochte sich gedacht haben, die zwekmaͤßigste Steuer, die man
dem Menschen auflegen kann, ist diese, die seinen Koͤrper und seinen
Verstand gesund erhaͤlt; die es ihm erschwert, sich unter das Vieh
herabzuwuͤrdigen, sich zu besaufen, und sich physisch und moralisch
zu Grunde zu richten. Allein dieser gute Finanzmann scheint zugleich ein ministerieller Mann gewesen zu seyn, und, als
solcher, nach dem Buͤreau-Schlendrian, die nichts wie Unheil
gebaͤrenden halben Maßregeln einem
durchgreifenden Principe vorgezogen haben. Mahomed verbot, unter Strafe der Ehrlosigkeit, unerbittlich den Gebrauch
geistiger Getraͤnke, weil er den Mißbrauch kannte. Unser Finanzmann
verbot ihn nur zur Haͤlfte, er erschwerte den Gebrauch durch hohe
Abgaben, er ging zu einer halben Maßregel
uͤber, und sagte seinen Landsleuten: „wollt ihr physisch
und moralisch zu Grunde gehen, so muͤßt ihr Taxe dafuͤr
bezahlen.“ Was ist die Folge dieser halben Maßregel geworden? Das, was immer geschieht, wenn man Ein
Ganzes durch ein Halbes theilt: es kommt ein groͤßerer Quotient
heraus. Gegen diesen arithmetischen Beweis uͤber das Verderbliche
halber Maßregeln wird kein Finanz-Rechenmeister sich erheben
koͤnnen. Was ist nun die Folge dieser Tranksteuer und Accisen auf
berauschende Getraͤnke? Die Folgen sind, daß weniger
menschenfreundliche Finanzmaͤnner durch Einfuͤhrung von
Kirchweihen, Feiertagen etc. den Ertrag der Tranksteuer an Bier, Wein,
Brantwein zu erhoͤhen, also die Menschen mehr zu berauschen, als
nuͤchtern zu machen suchten, daß die Fabrikation des Bieres und
Brantweines, (wie aus obiger Angabe des Hrn. Dubrunfaut in Hinsicht auf Holland, aus
jedem Hefte eines technischen englischen Journales in Bezug auf England
hervorgeht) statt in ihrem technischen Verfahren gefoͤrdert zu
werden, und das Korn zu schonen, immer weiter zuruͤkgeworfen wird,
folglich immer mehr von diesem ersten Lebensbeduͤrfnisse
verwuͤstet wird; daß die Cultur des Bodens im suͤdlichen
Europa zuruͤkbleibt, waͤhrend im noͤrdlichen die
Gesundheit von Millionen durch das Gift des Brantweines zu Grunde gerichtet
wird; denn wenn im Suͤden keine Tranksteuer auf den Wein und im
Norden nicht ein solcher Zoll auf den Wein stuͤnde, der den Werth
einer Flasche, die im Suͤden 6 Xr. kostet, auf 3 fl. erhoͤht,
so wuͤrde der Nordlaͤnder nicht gezwungen seyn sich mit
Brantwein zu vergiften, und der Suͤdlaͤnder nicht halb
verhungern und verderben; daß der Staat in seiner Einnahme der Tranksteuer
beinahe um die Haͤlfte durch die Erzeuger und durch die
Steuer-Einnehmer betrogen wird, wie die Geschichte der Tranksteuer
aller Laͤnder beurkundet, daß also das moralische Wohl durch diese
Steuer eben so gefaͤhrdet wird, as das physische. Oesterreich hat, in
Bezug auf Verminderung des Betruges von Seite der Brauer und der
Biersteuer-Einnehmer und Foͤrderung der Moralitaͤt
wenigstens von dieser Seite, ein Beispiel gegeben, das in allen
Laͤndern der Erde in Hinsicht auf Bier- und
Brantwein-Accise nachgeahmt zu werden verdient. Die Regierung ließ
sich mehrjaͤhrigen Durchschnitt der Biertranksteuer, die die Brauer
jaͤhrlich zu Wien entrichten, von der Finanz-Kammer vorlegen.
Sie sah also den Durchschnitt des jaͤhrlichen Ertrages dieser Steuer.
Sie ließ nun die Brauer kommen, und fragte sie: wißt ihr guten Leute,
wieviel ihr jaͤhrlich bezahlt? Die Kluͤgeren gaben Summen an:
alle viel zu hoch. Als der Commissaͤr ihnen urkundlich zeigte,
wieviel sie bezahlen, schlugen alle die Haͤnde zusammen, und riefen:
Nimmermehr! Wir bezahlen wenigstens 1/3 mehr als hier steht. Der
Commissaͤr fragte sie: seit ihr zufrieden, wenn ihr jaͤhrlich
nicht mehr bezahlt, als was ich euch sagte, daß die Regierung von euch
erhaͤlt? Wollt ihr Alle fuͤr Einen stehen, daß ihr diese
Summe, die ihr unter Euch nach Eueren Brauereien vertheilen moͤget,
in vierteljaͤhrigen Raten baar in die Staats-Casse erlegt, und
ihr koͤnnt brauen wie ihr wollt? Mit segnendem Danke
verbuͤrgte sich ein Brauer fuͤr den anderen, und der Staat
gewinnt 1) das, warum ihn die Bierschreiber prellten; 2) das, was ihm diese
Leute an Besoldung kosteten; 3) die Prozente des hoͤheren
Wohlstandes, die immer auf anderen Wegen in die Staats-Casse
zuruͤkfließen; 4) eine hoͤhere Moralitaͤt.
Wuͤrde man die Brantweinbrenner zu Schiedam das Quantum, das sie
wirklich bezahlen, direct in die Staats-Casse bezahlen lassen, und
sie dann brennen lassen, wie sie wollen, so wuͤrde Holland nicht 3 p.
C. Alkohol durch seine Schornsteine jagen, und vielleicht wuͤrden 30
p. C. des Geldes, das fuͤr Getreide an die Ostsee geht, bei
Einfuͤhrung zwekmaͤßiger Destillir-Apparate in Holland
bleiben. Keine indirecten, die Industrie laͤhmenden Abgaben! Geradezu
gesagt: Mann, du zahlst so viel und treibst dann dein Gewerbe, wie die
Fortschritte der Kunst es dich lehren; dieß allein kann Gedeihen bringen. A.
d. U.. Indessen sind
die Producte selbst doch von ganz vorzuͤglicher Guͤte. Meine
Untersuchungen uͤber die Ursachen einer so auffallenden Anomalie ließen mich
nur in den Eigenschaften des Kornes, in dessen Auswahl die hollaͤndischen
Brenner so aͤußerst sorgfaͤltig sind, einige Wahrscheinlichkeit einer
Erklaͤrung finden.
98 p. C. des zu Schiedam erzeugten Wachholder-Brantweines werden nach Indien
verfuͤhrt, wo man den Genièvre jeder
anderen Art Brantweines vorzieht. Man schikt ihn in vierekigen Flaschen dahin, die
man in roth angestrichene Kisten pakt. Die leeren Flaschen kommen aus Ostindien
wieder zuruͤk nach Holland.
Alter hollaͤndischer Genièvre wird mild und
oͤhlicht; die Hollaͤnder schaͤzen ihn dann nicht mehr.
Man haͤlt viel auf die weiße Farbe des Genièvre und dieser Umstand macht den Destillateurs einige
Schwierigkeiten. Es kostet ihnen viele Muͤhe ein Holz zu finden, das dem
Alkohol keine Farbe mittheilt. Um diese Farbe zu beseitigen, wenden sie verschiedene
Mittel an; sie waschen das Holz mit siedendem Wasser, sie bedienen sich des
fluͤssigen Chlores, der Chloruͤre, des Eisen-Vitrioles etc.