Titel: | Bemerkungen über den anfänglichen und zukünftigen Widerstand der Mörtel, von Hrn. Raucourt de Charleville. |
Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. CXXV., S. 435 |
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CXXV.
Bemerkungen uͤber den anfaͤnglichen
und zukuͤnftigen Widerstand der Moͤrtel, von Hrn. Raucourt de
Charleville.
Aus den Annales de Chimie et de Phys. Oktbr. 1828. S.
186.
Raucourt de Charleville, Bemerkungen uͤber
Moͤrtel.
Man begreift leicht, daß die Kunst Moͤrtel zu verfertigen, erst dann den
groͤßtmoͤglichen Nuzen gewahren wuͤrde, wenn man gewisser Maßen
Tag fuͤr Tag die Kraft, welche sie mit der Zeit bis zu ihrer voͤlligen
Reife entwikeln, voraus bestimmen und sie dann nach Belieben je nach dem
erwuͤnschten gegenwaͤrtigen und kuͤnftigen Widerstaͤnde
zusammensezen koͤnnte.
Das einzige in dieser Hinsicht bekannt gewordene Pruͤfungsmittel, welches man
dem Hrn. Ingenieur Vicat
verdankt, ist bereits durch mehrere Beobachtungen einiger Maßen zweifelhaft geworden;
man koͤnnte glauben, daß der kuͤnftige Widerstand der Moͤrtel
sich nur aus directen Beobachtungen ergeben koͤnne, welche man bei Versuchen
macht, die wenigstens ein oder zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Wenn sich dieses so verhielte, wuͤrde die Kunst Moͤrtel zu verfertigen,
in vielen Faͤllen von geringem Nuzen seyn, fuͤr's Erste, weil die
Aufklaͤrung, welche man von der Zeit erwarten muͤßte, oft zu
spaͤt kaͤme, wenn man ihrer nicht mehr beduͤrfen wuͤrde,
besonders aber, weil es unmoͤglich waͤre sich auf der Stelle zu
versichern, ob man in der That denselben Moͤrtel wieder hervorgebracht hat;
denn die Erfahrung hat gelehrt, daß die Beschaffenheit des Kalks und des
Moͤrtels von zwei wandelbaren Umstaͤnden abhaͤngen, der
Zusammensezung und der Manipulation, so daß Veraͤnderungen in den Adern
desselben Steinbruches und in der Wahl der Arbeiter hinreichen, um sehr große in den
Resultaten herbeizufuͤhren.
Nun kann man aber alle wissenschaftliche Sachkenntniß entbehren, wenn man bloß von
Zeit und Zufall Aufklaͤrung erhalten will; soll hingegen der Ingenieur eine
wissenschaftliche Sachkenntniß besizen, so muß sie in einer unmittelbaren Erkenntniß
der Gegenstaͤnde und einer untruͤglichen Voraussicht bestehen. Wenn
daher die positiven Erfahrungen, welche wir uͤber die Verfertigung der
Moͤrtel gesammelt haben, eine nuͤzliche und kritische Anwendung
gestatten sollen, so muß die Frage, ob es Methoden gibt, um die Beschaffenheit der
Moͤrtel sogleich bei ihrer Verfertigung zu erfahren, bejahend beantwortet
werden koͤnnen.
Das Verfahren, welches Hr. Ingenieur Vicat im Jahre 1818 angab, besteht darin, die Moͤrtel unter
Wasser zu tauchen und sie nach der Zeit der Erhaͤrtung zu klassificiren, d.h.
nach der Zeit, wo sie ohne merkliches Eindruͤken eine mit einem gewissen
Gewicht belastete Spize tragen koͤnnen.
Bekanntlich werden die besten Moͤrtel, diejenigen, welche dem Wasser und der
Luft gut widerstehen, sehr hydraulische (trés hydrauliques) genannt, und erhaͤrten
im Wasser den zweiten Tag nach dem Eintauchen; die geringeren Moͤrtel
erhaͤrten vom achten bis zum zwanzigsten Tage, und die schlechten
Moͤrtel erhaͤrten niemals.
Da dieses sinnreiche Verfahren das einzige ist, welches man kennt, um einen guten
Moͤrtel von einem schlechten zu unterscheiden und daher einzig und allein bei
der Moͤrtelbereitung als Leitfaden dienen kann, so habe ich es zum
Gegenstande einer besonderen Pruͤfung gemacht; der Erfinder hatte seine Idee
nicht ganz detaillirt und wie alles, was ganz neu geschaffen wird, trug auch diese
Vorschrift einen
allgemeinen Charakter; es blieb noch zu untersuchen, innerhalb welcher
Graͤnzen sie anwendbar ist.
Dieses war jedoch eine schwierige Arbeit, weil man mit dem Namen Kalk und Moͤrtel
Substanzen bezeichnete, welche verschiedene Eigenschaften und eben so
verschiedenartigen Widerstand besaßen, so daß man, wenn man in allgemeinen
Ausdruͤken sprach, auf die entgegengeseztesten Schluͤsse
fuͤhren konnte. Demzufolge mußten vor Allem die Substanzen genau bestimmt
werden, woraus man die Moͤrtel zusammensezt und wodurch ihr Widerstand
erzwekt wird.
Wir theilen, wie man dieses aus der in den Ann. de Chim.
Jahrg. 1828 bekannt gemachten Abhandlung ersehen kann, alle Substanzen, woraus man
die Moͤrtel zusammensezt, in chemische und in physische Bestandtheile.
Die chemischen Bestandteile, mit Wasser gemengt, bilden den umhuͤllenden Theil
der Moͤrtel und ihr Widerstand ist wandelbar. Die physischen Bestandtheile,
in Pulverform oder in Koͤrnern, sind die umhuͤllten Theile und ihr
Widerstand ist sich ziemlich gleich bleibend.
Alle chemischen Bestandtheile, welche die Eigenschaft haben, mit dem Kalk
unaufloͤsliche Verbindungen zu bilden, nennt man hydraulische Basis. Dieses angenommen, kann man daraus vorlaͤufig
schließen: daß der Widerstand der Moͤrtel nothwendig eine Funktion aus dem
constanten Widerstande der umhuͤllten Theile und dem wandelbaren Widerstande
der umhuͤllenden Theils ist; daß das einzige Mittel, ihren Einfluß richtig zu
schaͤzen und nicht mit einander zu vermengen, darin bestuͤnde, jeden
derselben vorher besonders zu bestimmen; daß, da die umhuͤllten Theile immer
fest sind, man nur von den umhuͤllenden Theilen sagen kann, daß die Zeit
ihrer Erhaͤrtung das Maaß ihres kuͤnftigen Widerstandes ist.
Durch diese einfache Eintheilung verschwinden, ohne daß es noͤthig
waͤre tiefer in die Natur der Bestandtheile einzudringen, alle Anomalien,
welche mit dem von Hrn. Vicat
aufgestellten Princip in Widerspruch standen, vollkommen; und unter allen Kalksalzen
gibt immer dasjenige, welches am schnellsten im Wasser erhaͤrtet, den besten
umhuͤllenden Moͤrtel; endlich werden diejenigen Zusammensezungen,
welche am besten dem Druk, der Reibung u.s.w. widerstehen, immer aus diesem
umhuͤllenden Theile und demjenigen umhuͤllten Theile oder Sand
gebildet, welcher am geeignetsten ist, den zerstoͤrenden Einfluͤssen,
welchen der Moͤrtel ausgesezt werden kann, zu widerstehen.
Diese Schluͤsse haben zwar keine mathematische Schaͤrfe, aber sie sind
doch genau genug, um den Baumeistern als Richtschnur zu dienen; denn die
umhuͤllenden Theile widerstehen von 1 bis 10, und die umhuͤllten
Theile von 10 bis 100; man begreift also, daß ein Irrthum von einigen Zehntheilen bei der
Schaͤzung des wandelbaren Theiles in Bezug auf den Widerstand des Gemenges
keinen erheblichen Einfluß haben kann. In der That haͤngt der Widerstand der
Moͤrtel bei ein und denselben Substanzen von der Groͤße der
umhuͤllenden Theile ab; bei gleichem Volum ist aber die aus den
staͤrksten Bestandtheilen zusammengesezte Masse immer diejenige, welche den
groͤßten Widerstand leistet: was die Adhaͤsion der umhuͤllenden
Theile an die umhuͤllten Theile betrifft, so laͤßt sie sich immer aus
dem Zeitpunkt der Erhaͤrtung ableiten; die Erfahrung lehrt, daß die
umhuͤllenden Theile, welche denselben Tag erhaͤrten, ziemlich dieselbe
Adhaͤsion zu dem am gewoͤhnlichsten angewandten Sand haben.
Bei den Puzzolanen findet man einige Abweichungen, es ist aber unnuͤz sie zu
beruͤksichtigen, weil man wegen eines doppelten Vortheiles sie in ein
unfuͤhlbares Pulver zu verwandeln und so ihre Beruͤhrungspunkte mit
dem Kalk zu vermehren bemuͤht ist, naͤmlich um sie mehr hydraulische
Basis entwikeln zu lassen und eine umhuͤllende Substanz zu erhalten, welche
mit Kieselsand gemengt, einen wohlfeileren und widerstehenderen Moͤrtel gibt,
als eine Substanz aus pulveriger Puzzolane.
Einige Beobachter, welche auf den Einfluß der physischen Bestandtheile nicht
achteten, glaubten einen starken Einwurf gegen das Verfahren des Hrn. Vicat, wodurch allein der
kuͤnftige Widerstand ausgemittelt werden kann, in der Bemerkung gefunden zu
haben, daß Moͤrtel aus Kalk und schwach gebrannter Erde, welche die
Eigenschaft haben, schneller als Moͤrtel aus staͤrker gebrannter Erde
zu erhaͤrten, daß diese, sage ich, mit der Zeit dennoch weniger Widerstand
darbieten koͤnnen. Diese Thatsache war aber leicht vorauszusehen; denn die am
schwaͤchsten gebrannten Erden gaben weniger widerstehende umhuͤllende
Theile als staͤrker gebrannte Erden; die daraus verfertigten Moͤrtel
koͤnnen daher mit der Zeit weniger widerstehend seyn, ohne daß man daraus mit
Recht schließen koͤnnte, daß diese Schwaͤchung von dem
umhuͤllenden Theile herruͤhrt.
Ich koͤnnte noch viele eben so wenig gegruͤndete Einwuͤrfe
anfuͤhren, welche alle aus der angenommenen Gewohnheit hervorgingen, die
physischen und chemischen Bestandtheile, die umhuͤllten Theile der
Moͤrtel und die umhuͤllenden Theile nicht zu unterscheiden; so lange
man dieses nicht thut, wird es offenbar unmoͤglich seyn, dem Praktiker
verlaͤssige und bestaͤndig anwendbare Methoden an die Hand zu geben,
bei der großen Verschiedenheit der Mineralien, den verschiedenartigen
Behandlungsweisen, welche sie erfordern, und den unendlich verschiedenartigen
Verhaͤltnissen, in welchen sie gemengt werden muͤssen; waͤhrend
bei der angegebenen Einteilung der Bestandtheile, welche mich die Erfahrung
anzunehmen zwang, nur eine einzige und immer dieselbe Methode bleibt, um zu dem
besten Resultate zu gelangen, von welcher Beschaffenheit auch immer die zur
Disposition vorhandenen Materialien seyn moͤgen, als Kalksteine, Puzzolanen,
Sandsteine, verschieden calcinirte Erden, und diese Methode besteht darin, in
denselben durch das Brennen, die Zerreibung und Manipulation, moͤglichst viel
hydraulische Basis hervortreten zu lassen, um durch ihre Vermengung mit dem Kalk den
besten umhuͤllenden Theil zu erhalten. Alsdann ist man immer sicher, durch
Vermengung derselben mit dem widerstehendsten Sande, in einem Verhaͤltnisse,
das mehr oder weniger dem Volum ihrer leeren Raͤume entspricht, denjenigen
Moͤrtel zu erhalten, welcher fuͤr die gefundenen Bestandtheile der
moͤglichst beste ist.
Wenn man die Frage aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, findet man schon a priori, daß der an der Luft zerfallene Kalk, daß die
erst einige Zeit nach ihrer Bereitung angewandten, ausgetrokneten und neuerdings
benuzten Moͤrtel, daß die aus schwach gebrannten Erden oder halb gebranntem
gepulvertem Kalkstein bestehenden Moͤrtel immer Moͤrtel von geringerer
Qualitaͤt geben muͤssen; denn das Aussezen an die Luft, der Uebergang
vom troknen in den feuchten Zustand, der Mangel an gehoͤriger Calcination
u.s.w. sind eben so viele Ursachen, welche pulverigen Sand hervorbringen, der viel
weniger widersteht, als der Kieselsand und Kalksand. Man darf nicht vergessen, daß
Wasser und Kohlensaͤure viele chemische Bestandtheile in umhuͤllte
Theile umaͤndern, so zwar, daß diese Moͤrtel oft der
umhuͤllenden Theile entbehren; sie stellen dann nur noch hoͤhlige
Aggregate dar, welche im Wasser schnell erhaͤrten koͤnnen, aber
niemals großen Widerstand haben.
Von diesen verschiedenen Methoden, hydraulische Basis hervorzubringen, kann man
jedoch nuͤzliche Anwendungen machen; denn es gibt Arbeiten in Wasser,
fuͤr welche die unmittelbare Erhaͤrtung der Moͤrtel so
schaͤzbar ist, daß man ihr ohne Anstand einen langdauernden Widerstand
aufopfern darf.
Bei den vorhergehenden Betrachtungen haben wir als Richtschnur fuͤr die
Moͤrtel-Verfertigung die Bestimmung des kuͤnftigen Widerstandes
durch die Erhaͤrtung der umhuͤllenden Theile und die Natur der
umhuͤllten Theile mit Ruͤksicht andererseits auf die Groͤße der
Koͤrner und die Adhaͤsion, angenommen. Sollen wir aber bei unseren
Versuchen einen guten Leitfaden haben, so ist ein unmittelbares
Pruͤfungsmittel noͤthig, und weil das sich zur Bestimmung der Zeit des
Erhaͤrtens eignende Verfahren zwei bis zwanzig Tage Aufmerksamkeit erfordert,
so suchte ich ein schleunigeres aufzufinden. Dazu gelangte ich, indem ich Versuche
mit gebrannten Kalksteinen anstellte; sobald man sie kalt und in ganzen Stuͤken in
Wasser taucht, kann man ihre hydraulische Beschaffenheit aus der Art und Weise
erkennen, wie die Oberflaͤche der Proben sich veraͤndert; die guten
Moͤrtel veraͤndern sich nicht und die schlechten verwandeln sich in
einen Brei. Man kann folglich auf der Stelle den Zeitpunkt der Erhaͤrtung des
gepruͤften umhuͤllenden Theiles erkennen; sollte er nicht die
gewuͤnschte Energie haben, so kann man ihn augenbliklich durch die
Zusammensezung und die Manipulation veraͤndern, von deren maͤchtigem
Einfluͤsse man ohne diese schleunige Untersuchung, wodurch man jeden
Augenblik die Eigenschaften der geschaffenen Producte erkennt, keinen Vortheil
ziehen koͤnnte.
Diejenigen, welche eine ausfuͤhrlichere Entwikelung der vorhergehenden
Betrachtungen zu lesen wuͤnschen, finden sie in der zweiten Ausgabe meines
Traité des Mortiers, librairie de Malher et comp.,
rue et passage Dauphine.