Titel: | Ueber die Wirkung des Dampfes und gebrannten Kalkes auf erhizten Bleiglanz, von Hrn. H. L. Pattinson. |
Fundstelle: | Band 32, Jahrgang 1829, Nr. LV., S. 286 |
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LV.
Ueber die Wirkung des Dampfes und gebrannten
Kalkes auf erhizten Bleiglanz, von Hrn. H.
L. Pattinson.
Aus dem Philosoph. Mag. and Annals of Philos.
Maͤrz 1829, S. 172.
Pattinson, über die Wirkung des Dampfes und gebrannten Kalkes auf
erhizten Bleiglanz.
Die folgenden zwei Versuche, welche ich neulich uͤber Reduction des
Bleiglanzes (natuͤrlichen Schwefelbleies) anstellte, scheinen mir der
oͤffentlichen Bekanntmachung werth zu seyn.
Erster Versuch. – Eine irdene Roͤhre von 18
Zoll Laͤnge und 3/4 Zoll innerem Durchmesser, wurde auf geeignete Weise
beschlagen, und durch einen Ofen gelegt, worin zehn Zoll ihrer Mitte stark erhizt
werden konnten. An einem Ende war eine gebogene Roͤhre angebracht, welche
sich in einer pneumatischen Wanne endigte und an dem anderen eine Retorte, welche
Wasser enthielt, das man durch die Flamme einer Lampe in's Kochen brachte.
Tausend Gran, sehr reiner, in Wuͤrfeln krystallisirter Bleiglanz wurden mit
einem Papiercylinder umwikelt und in die Mitte der Roͤhre vorgeruͤkt,
als diese sehr heiß war; uͤber diese leitete man sodann einen Strom
Wasserdampf. Es entband sich eine reichliche Menge Schwefelwasserstoffgas und das
Wasser in der pneumatischen Wanne wurde vor Beendigung der Operation so weiß wie
Milch: nachdem dieses Wasser vier und zwanzig Stunden lang gestanden hatte, zeigte
sich kein Niederschlag und es war noch milchig und truͤbe. Die Operation
wurde eine Stunde lang fortgesezt und waͤhrend dieser ganzen Zeit entwikelte
sich dieselbe Gasart, jedoch gegen das Ende langsam.
Als ich die Roͤhre nach dem Erkalten zerbrach, zeigten sich folgende
Erscheinungen:
a. Ein Kuchen von geschmolzenem und theilweise
reducirtem Bleiglanze, oben flach, unten von der Gestalt der Roͤhre, nahm
drei Zoll des
zunaͤchst an der Retorte befindlichen Theiles der Roͤhre ein. Diese
Masse war glaͤnzend; sie konnte mit einem Messer geschnitten werden, aber es
war kein metallisches Blei darin zu entdeken. Diese Substanz war sehr wahrscheinlich
ein Subsulphuretum des Bleies.
b. Sechs Zoll der Witte der Roͤhre waren ganz
leer, bis auf wenige glaͤnzende cubische Krystalle, welche sublimirter
Bleiglanz zu seyn schienen.
c. Drei Zoll des mit der Wanne verbundenen Endes der
Roͤhre waren fast ganz mit sublimirtem Bleiglanz angefuͤllt, welcher
schoͤn in Wuͤrfeln von betraͤchtlicher Groͤße
krystallisirt war und ein glaͤnzendes Aussehen hatte.
Diese Krystalle zerbrachen wieder in andere cubische Stuͤke mit sehr
glaͤnzenden Flaͤchen und waren in dieser Hinsicht genau dem
natuͤrlichen Erze aͤhnlich, ehe dieses dem Dampf ausgesezt worden war.
Eine kleine Menge Erz hatte sich in dem kaͤltesten Theile der Roͤhre
nahe an dem aus dem Ofen hervorstehenden Ende als ein feines,
blaͤulichgraues, nicht zusammenhaͤngendes Pulver abgesezt. Bei dieser
Operation erhielt man auch nicht die geringste Menge wirklich metallischen
Bleies.
Zweiter Versuch. – Es wurde eine andere
Roͤhre beschlagen und genau so wie in dem vorhergehenden Versuche durch den
Ofen gelegt. Neun Zoll des zunaͤchst der Wanne befindlichen Theiles wurden
mit Stuͤkchen frisch gebrannten Kalkes gefuͤllt, wovon jedes
ungefaͤhr die Groͤße einer Erbse hatte, und nachdem die Roͤhre
weißgluͤhend gemacht worden war, 600 Gran Bleiglanz in das mit der Retorte
verbundene Ende der Roͤhre gebracht; und nach hinreichendem Erhizen wurde
derselbe durch einen Strom Wasserdampf uͤber den weißgluͤhenden Kalk
geleitet. Waͤhrend dieser Operation entband sich eine große Menge
Schwefelwasserstoffgas, aber das Wasser in der Wanne wurde nie so milchig, wie in
dem vorhergehenden Versuche.
Als man die Roͤhre nach beendigter Operation untersuchte, zeigte sich
Folgendes:
d. Aller Bleiglanz war aus dem Ende der Roͤhre,
in welches man ihn hineingebracht hatte, ausgetrieben, ohne daß auch nur der
geringste Ruͤkstand geblieben waͤre.
e. Der Kalk in der Mitte der Roͤhre hatte sein
Aussehen nicht veraͤndert, mit Ausnahme eines oder zweier Stuͤkchen,
welche auf der Oberflaͤche eine gelbe Farbe angenommen hatten, die aber nicht
weiter hineindrang; wenn diese durch Bildung von Schwefelkalk verursacht war, so muß
seine Quantitaͤt sehr unbetraͤchtlich gewesen seyn.
f. Einige Stuͤke Kalk gegen das Ende der
Roͤhre hatten anscheinend eine Portion Bleiglanz verschlukt, denn ihr Gewicht
hatte betraͤchtlich zugenommen und ihr Bruch war grau und koͤrnig wie
der des Stahls. Auf der Außenseite hatten diese Stuͤke eine schoͤne
dunkelindigblaue Farbe.
g. Gegen das Ende des erhizten Theiles der Roͤhre
hatte sich eine Quantitaͤt des angewandten Erzes in krystallinischer Gestalt,
wie zuvor, abgesezt; es unterschied sich aber von dem in dem ersten Versuche
erhaltenen dadurch, daß es aͤußerlich eine sehr dunkle indigblaue Farbe
besaß.
h. Wie zuvor fand man auch eine Quantitaͤt des
Erzes nahe am Ende der Roͤhre als ein graulichschwarzes Pulver.
i Einige kleine Tropfen geschmolzenen Erzes, welche dem
bei dem ersten Versuche erhaltenen unvollkommen reducirten Erze a sehr aͤhnlich waren, fanden sich auf dem Boden
der Roͤhre unmittelbar am Ende des Kalkes; in keinem Theile der Roͤhre
fand sich jedoch etwas reines Blei.
k. Vierhundert Gran der in Paragraph f beschriebenen graufarbigen Stuͤke wurden mit
Borax und Weinstein probirt und ein 138 Gran schweres Bleikorn erhalten; aus diesem
Korn erhielt man durch Kupellation ein 33/1000stel Gran schweres
Silberkuͤgelchen, was fuͤr einen Avoidupois-Zentner Blei einen
Gehalt von 13 Unz., 3 Drachmen, 10 Gran anzeigt und nicht wehr betraͤgt, als
man von dem angewandten Bleierz erwarten konnte.
Aus diesen Versuchen geht hervor, 1) daß der Wasserdampf, wenn er uͤber
erhizten Bleiglanz streicht, zersezt wird; sein Wasserstoff verbindet sich mit einem
Theil Schwefel zu Schwefelwasserstoffgas und sein Sauerstoff vereinigt sich mit
einer entsprechenden Menge Bleiglanz und bildet schwefelsaures Blei, welches, wie
man annehmen muß, das Wasser in den beiden Versuchen milchig machte. Der Bleiglanz,
welcher durch die Bildung von Schwefelwasserstoff einen Theil seines Schwefels
verloren hat, ist wahrscheinlich in ein Subsulphuretum des Bleies
umgeaͤndert. 2) Im Großen wendet man gebrannten Kalk an, um die
Bleierz-Schlafen in einen teigartigen Zusaz zu versezen, so daß man sie
leichter von dem Herde oder aus dem Ofen wegschaffen kann; er scheint jedoch die
Reduktion des Bleiglanzes sehr unbedeutend zu beguͤnstigen und daher sollte
man nicht mehr davon anwenden als zur Erreichung des beabsichtigten Zwekes, zu
welchem er angewandt wird, gerade noͤthig ist. 3) Daß der Bleiglanz, wenn er
in dampffoͤrmigem Zustande mit Wasserdampf in Beruͤhrung kommt, sich
in sehr krystallinischer Gestalt verdichtet, ist ein interessanter Umstand. Diese
Krystalle gleichen im Aussehen genau vielen Exemplaren von den zahlreichen
Bleierz-Adern, welche das Kalkstein-Gebirge dieses Distriktes
durchziehen und koͤnnen die Vermuthung, daß der Bleiglanz dieser Adern in
einigen Faͤllen durch Sublimation von unten gebildet wurde,
unterstuͤzen.
Lowleyer-Alston, 13. Januar 1829.