Titel: | Einige Worte über Caval. Morosi's Hypothese zur Erklärung des Berstens der Dampf-Kessel, von Dr. Ernst Alban. |
Autor: | Dr. Ernst Alban [GND] |
Fundstelle: | Band 32, Jahrgang 1829, Nr. LXXXVIII., S. 397 |
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LXXXVIII.
Einige Worte uͤber Caval. Morosi's Hypothese zur
Erklaͤrung des Berstens der Dampf-Kessel, von Dr. Ernst
Alban.
Alban, Erklaͤrung des Berstens der
Dampf-Kessel.
Es scheint, als wenn wir jezt in einem Jahrzehend leben, wo man Alles recht
geflissentlich aufsuchen will, eine der nuͤzlichsten Erfindungen fuͤr
unsere Industrie, die Dampf-Maschinen, nicht allein bei dem großen Publiko,
als auch selbst bei Eingeweihten in Mißkredit zu bringen, indem man dem bei weiten
schon zu großen Geschrei uͤber die bei Anwendung derselben obwaltende Gefahr, weniger
veranlaͤßt durch die Menge wirklich Statt gehabter Ungluksfaͤlle an
Dampf-Maschinen, als durch die Kurzsichtigkeit und Partheisucht mancher
Eiferer, noch mancherlei wissenschaftliche Hypothesen und Spekulationen
hinzufuͤgt, die bisher Statt gehabten Ungluͤksfaͤlle zu
erklaͤren und ihre Ursachen zu ergruͤnden, die als bloße Hypothesen
und zum Theil allein hinter dem Studirtische ergruͤbelt und von keiner der
bekannten Erfahrungen und Beobachtungen bestaͤtigt, leider zu keinem weitem
Resultate fuͤhren, als die Gemuͤther unnoͤthiger Weise noch
mehr zu beunruhigen als es schon geschehen ist. Ich fuͤrchte sehr, daß man
bei dieser Tendenz den wahren Gesichtspunkt, aus welchem man die
Gefaͤhrlichkeit der Dampf-Maschinen betrachten muß, immer mehr aus den
Augen verlieren und dadurch auf Abwege gerathen wird, die eine nach richtigen
Grundsaͤzen eingeleitete Reformation dieser Maschinen hindern und
verzoͤgern.
Da ich in einem fruͤhern Aufsaze mich der Dampf-Maschinen nach meinen
Kraͤften angenommen, und so manche, vorzuͤglich gegen die
Hochdruk-Maschine erhobenen Skrupel, so gut ich es vermocht,
gewuͤrdigt und widerlegt habe, so hoffe ich nicht ganz unberufen zu
erscheinen, wenn ich mich derselben ferner thaͤtig annehme und sie vor neuen
Anfechtungen zu schuͤzen suche. In dieser Hinsicht will ich meine
Gegengruͤnde gegen des Herrn Caval. Morosi zu
Mailand neue Hypothese zur Erklaͤrung der mit der Anwendung der
Dampf-Maschinen verbundenen Gefahr hier unverholen mittheilen, und wenn ich
mich auch gerne bescheide, daß der Caval. Morosi als
Gelehrter weit uͤber mir hervorrage, so mag er es mir doch nicht uͤbel
deuten, wenn ich ihm als Praktiker nachzusprechen und beizupflichten anstehen muß,
wenn ich sogar einige, vielleicht nicht unwichtige Einwendungen gegen seine
Hypothese laut werden lasse, und so einen neuen Grund zur Furcht vor den schon so
haͤufig verkezerten Hochdruk-Maschinen zu entfernen suche. Es scheint
mir, als wenn der Hr. Caval. wohl zu wenig Praktiker sey und Dampf-Maschinen
zu beobachten nicht Gelegenheit gehabt habe, sonst mochte er vielleicht gefunden
haben, daß seine neue Hypothese durch keine der beim Gange der
Dampf-Maschinen Statt findenden Erscheinungen Wahrscheinlichkeit erhalte,
noch durch besondere, beim Zerspringen der Dampfkessel gemachte Beobachtungen und
Erfahrungen gerechtfertigt werde, daß sie endlich sogar, bei genauer
Wuͤrdigung der physischen Eigenschaften elastischer Fluͤssigkeiten,
diesen zu widersprechen scheine.
Caval. Morosi meint naͤmlich, s. Polyt. Journ, Bd.
XXIV. S. 464., daß das Bersten der Dampfkessel nicht so sehr von einer zu großen
Spannung des darin eingesperrten Dampfes, als vielmehr von einer
ruͤkgaͤngigen Bewegung desselben in dem Augenblike, wo der
Staͤmpel stille steht, um die Richtung seiner Bewegung umzuaͤndern,
herruͤhre. Die ganze Dampfkraft, behauptet er, wuͤrde dann in ihrer
Bewegung aufgehalten, und stuͤrze mit Gewalt in den Kessel zuruͤk, wie
im hydraulischen Widder das Wasser, und stoße als fester Koͤrper an die
Waͤnde des Kessels. Nach seiner Berechnung soll dieser Stoß einer
Wassersaͤule gleich seyn, die den Kessel zur Grundflaͤche und eine mit
dem Druke des Dampfes gleichmaͤßige Atmosphaͤrenhoͤhe hat, und
mit gleicher Schnelligkeit sich bewegt. Es geschehe hier dasselbe, sagt er, was bei
dem Sprengen der Roͤhren durch Fluͤssigkeiten von hoher Hoͤhe
herab geschieht. Bei Dampf-Maschinen von hohem Druke soll diese Gefahr nach
seiner Meinung weit groͤßer als an denen mit niederem Druke seyn. Er will
gefunden haben, daß ein Kessel einer solchen Maschine, die nur mit einem Druke von
zwei Atmosphaͤren arbeitet, eine Staͤrke besizen muß, die einen Druk
von fuͤnfzehn Atmosphaͤren auszuhalten vermag, wenn er einem solchen
Stoße widerstehen soll. Selbst die sogenannten Sicherheit-Klappen sollen,
nach seiner Ansicht, sogar zur Veranlassung der Berstung beitragen, indem sie gerade
in dem Augenblike den Dampf zuruͤkjagen, wo er entweichen will (dieß verstehe
ich nicht). Die Metallplatten von leicht fluͤssiger Metallkomposition
haͤlt er deßhalb fuͤr unnuͤz, weil die Hize des Dampfes nicht
die Ursache der Berstung istDiese Behauptung laͤuft der neuen Perkins'schen Hypothesen zur Erklaͤrung des Berstens der
Dampfkessel, die alles Ungluͤk wieder von einem mit Hize
uͤbersaͤttigten Dampfe herleiten will, und deren ich
fruͤher schon Erwaͤhnung gethan habe, gerade entgegen.. Zur Vermeidung dieses vermeintlichen Uebelstandes schlaͤgt er
allerlei Mittel und Wege vor, die man im Polytechn. Journal a. a. D. nachlesen
kann.
Wenn Hr. Caval. Morosi den Dampf als einen elastisch
fluͤssigen Koͤrper in seinen physischen Eigenschaften mit einem
tropfbar fluͤssigen vergleicht, so scheint mir dieß ein Mißgriff in den
ersten Elementen seiner Hypothese zu seyn, der alle daraus gezogenen Folgerungen
schon von ferne her zweifelhaft macht. Ich fuͤr mein Theil wuͤrde viel
Bedenken tragen, das Stroͤmen elastischer Daͤmpfe in Roͤhren
und die durch ihre ploͤzliche Hemmung entstehenden Wirkungen mit denen des in
Roͤhren stroͤmenden und ploͤzlich darin aufgehaltenen
unelastischen Wassers vergleichen zu wollen, wie Hr. Caval. Morosi es thut, indem er den hydraulischen Widder in Parallele stellt.
Nach meiner Meinung wuͤrde dieser Vergleich nicht weniger unpassend seyn, als
wenn jemand die Kraft des aus einem Rohre gegen ein Rad blasenden Dampfes mit der
des Wassers gegen das naͤmliche Rad in Parallele stellen wollte. Gehemmte Bewegungen von
Koͤrpern, die nach dem Geseze der Traͤgheit ihre einmal angenommene
Bewegung fortzusezen streben, sind nur in dem Maße zerstoͤrend, als das
Gewicht und die Geschwindigkeit des bewegten Koͤrpers bedeutend sind. Wer
duͤrfte aber wagen das Gewicht eines, in einem Dampfrohre stroͤmenden,
Dampfes gegen das des im hydraulischen Widder wirkenden Wassers stellen zu wollen,
da das Gewicht des einfachen atmosphaͤrischen Dampfes nicht weniger als 1700
Mal geringer ist, als ein gleiches Volum Wasser? Wasser bekommt durch sein Gewicht
seinen Druk gegen einen Koͤrper, durch den es bei seiner Stroͤmung
unterbrochen wird, und der ausgeuͤbte Stoß des Wassers gegen diesen, den
Nachdruk durch dessen Masse. Der Dampf hat zwar Druk, aber kein dem Druke
entsprechendes Gewicht, und es fehlt ihm die Traͤgheit der Masse, die im
hydraulischen Widder die ganze Wirkung hervorbringt. Er gewinnt seinen Druk nur
durch Einschluß in verschlossenen Raͤumen, wo er nicht entweichen kann, da
das Wasser diesen schon in offenen Gefaͤßen allein durch die Schwere seiner
Masse erlangt, und dennoch sollte bei beiden die Ruͤkwirkung ihrer
ploͤzlich gehemmten Stroͤmung mit gleich zerstoͤrenden
Wirkungen verbunden seyn? –
Wie unbedeutend ist aber auch nicht die Geschwindigkeit der in den
Dampfroͤhren der Dampf-Maschinen stroͤmenden Dampfe?
Betraͤgt selbige doch selten mehr als 60 bis 70 Fuß per Sekunde, eine
Geschwindigkeit, die ein sehr maͤßiger Wind hat, und die bei einer so
allmaͤhlichen Hemmung, wie sie in Dampf-Maschinen beim Ende jedes
Kolbenhubes Statt findet, in gar keinen Betracht kommen kann.
Daß die Hemmung in einer Dampf-Maschine so ploͤzlich geschehe, wie
Caval. Morosi meint, ist naͤmlich ganz falsch. So
wie die Bewegung des Kolbens (bei Anwendung einer Kurbel an der
Dampf-Maschine) vom Anfange jedes Hubes an, bis zur Haͤlfte desselben,
allmaͤhlich beschleunigt wird, so nimmt seine Geschwindigkeit auch in
gleichem Verhaͤltnisse, und zwar ganz allmaͤhlich, wieder ab. Selbst
jede Steurung verschließt die Dampfkanaͤle nie ganz ploͤzlich, sondern
mehr oder minder langsam, wobei das Herzustroͤmen der Daͤmpfe nach und
nach gehemmt wird.
Wenn aber dessenungeachtet einiger Repuls der Daͤmpfe im Dampfrohre Statt
finden koͤnnte, sollte dieser in dem großen Dampfkessel, der mit einer sehr
bedeutenden Menge eines sehr elastischen Koͤrpers, des Dampfes,
angefuͤllt ist, nicht durch die Elasticitaͤt desselben sehr gemildert,
ja fast ganz aufgehoben werden? Sollte der Dampf nicht schon vollkommen die
Luftbehaͤlter unnoͤthig machen, die Hr. Caval. Morosi anwenden will, um die zerstoͤrende Wirkung jenes Repulses
fuͤr den
Dampfkessel aufzuheben? Daß der Hr. Caval. in allen Faͤllen bei seiner
Hypothese wohl zu wenig Ruͤksicht auf den Umstand genommen habe, daß Dampf,
von welcher Spannung gleich viel, ein elastischer und kein tropfbar
fluͤssiger Koͤrper sey, scheint aus dieser seiner Anempfehlung der
Luftbehaͤlter recht augenscheinlich hervorzugehen, sonst wuͤrde er
bemerkt haben, daß er fuͤr den Kessel in der ganzen Natur kein elastischeres
Praͤservativ haͤtte finden koͤnnen, als den Dampf desselben
selbst.
Und sollte ein etwaniger Repuls der Daͤmpfe sich an den Dampfkesseln nicht
durch unverkennbare Zeichen bemerkbar machen? Wuͤrde man z.B. an den
Sicherheits-Ventilen oder dem Dampfmesser, so wie an der in dem
Fuͤllrohre sich befindenden Wassersaͤule und dem darauf schwimmenden,
und das Register im Ofen regulirenden Schwimmer nicht augenbliklich die Wirkung
dieses Repulses wahrnehmen muͤssen? Muͤßten z.B. die
Sicherheits-Ventile nach Vollendung jedes Hubs der Maschine sich nicht heben
und Dampf auslassen, und das Queksilber aus dem Dampfmesser, so wie das Wasser aus
dem Fuͤllrohre herausgeworfen werden? Wuͤrden nicht haͤufige
Erschuͤtterungen im Kessel und seinem Ofen und selbst im Dampfrohre
verspuͤrt werden? Welcher Dampf-Maschinenbeobachter hat aber je
dergleichen wahrgenommen? Welche unbedeutende Schwingungen macht nicht das
Queksilber eines Dampfmessers mit jedem Hube der Maschine, wie wenig tanzt das
Wasser in einem Fuͤllrohre, wie ruhig und sicher liegt ein Dampfkessel,
selbst beim heftigsten Kochen, und steht ein Dampfrohr selbst beim schnellsten Gange
der Maschine? –
Oder sollte dem Hrn. Caval. Morosi das wenige Schaukeln
des Queksilbers im Dampfmesser, so wie des Wassers im Fuͤllrohre, vielleicht
gar zu seiner Hypothese verholfen haben? Unmoͤglich. Die Ursachen desselben
sind naͤmlich jedem Dampf- und Dampf-Maschinenkundigen zu
bekannt, als daß ich sie noch weitlaͤuftig aus einander zu sezen wagen darf.
Uebrigens scheint Hr. Caval. Morosi durch die mir
unverstaͤndliche Behauptung, daß die Sicherheits-Ventile zur
Veranlassung des Berstens der Kessel beitragen, indem sie gerade in dem Augenblike
den Dampf zuruͤkjagen, wo er entweichen will, auch andeuten zu wollen, daß er
uͤberhaupt an keine Wirkung des Repulses auf alle diese Organe glaube, sonst
wuͤrde er unmoͤglich zu der Idee kommen, daß Organe, die jede
widersezliche Erhoͤhung des Drukes der Dampfe im Kessel anzugeben bestimmt
sind, in dem Augenblike das Gegentheil der berechneten Wirkung hervorbringen
sollten, wo dieser Druk bis zur groͤßten Gefahr des Kessels gesteigert wird,
oder vielmehr nach Caval. Morosi's Berechnungen
gesteigert werden soll. Sollte das Sicherheits-Ventil eines Dampfkessels, um
des Caval. hydraulischen Widder auch ein Mal zu Huͤlfe zu rufen, nicht beim Repuls des
Dampfes fuͤr den Kessel das naͤmliche seyn, was das Ventil des
Steigerohrs fuͤr jenen ist? Warum springt Hr. Morosi da gerade vom Vergleiche zwischen Dampfkessel und hydraulischen
Widder ab, wo zwischen beiden doch noch die meiste Aehnlichkeit sich zeigt? –
Jagt doch jenes Ventil des Widders das andringende Wasser nicht zuruͤk, warum
soll denn das Sicherheits-Ventil das Gegentheil mit dem andringenden Dampfe
thun, da es doch im Verhaͤltniß zur Gewalt des andringenden Fluidums weit
weniger belastet erscheint, sich daher weit leichter oͤffnen wird? Was im
Widder naͤmlich die auf dem Ventile ruhende Wassersaͤule des
Steigrohrs ist, ist am Dampf-Ventile das darauf druͤkende Gewicht.
Lezteres uͤbertrifft den, waͤhrend der Abwesenheit des Morosi'schen Dampfrepulses Statt findenden, Druk der
Dampfe im Kessel nur um einige Pfunde, waͤhrend auf dem Ventile des Widders
eine Wassersaͤule ruht, deren Druk auf selbiges nur um ein Weniges unter dem
Druke des im Akte des Repulses sich befindenden Wassers im Widder steht.
Zulezt frage ich aber noch, wie kommt es, daß nur so wenige Dampfkessel und
vorzuͤglich Hochdruk-Maschinenkessel springen, da nach der Berechnung
des Hrn. Caval. Morosi doch in jedem Augenblike eine
Gewalt auf selbige wirken soll, die jeden Kessel, dessen Staͤrke nur auf das
Dreifache des in ihm waltenden, gesezlichen Dampf-Drukes berechnet ist,
sogleich unfehlbar zertruͤmmern muß? Wenn eine mit zwei Atmosphaͤren,
Druk wirkende Dampf-Maschine schon nach jedem Kolbenschlage ihren Kessel mit
einer Gewalt zu zerstoͤren sucht, die seine Staͤrke zur Ertragung
eines Druks von fuͤnfzehn Atmosphaͤren zu erheben noͤthig
macht, so moͤchte ich doch wissen, wie Hr. Caval. Morosi diese noͤthige Staͤrke bei einem Oliver Evans'schen Kessel bestimmen wuͤrde, der
fuͤr gewoͤhnlich einen Dampfdruk von acht bis zehn Atmosphaͤren
zu ertragen hat, und ihn so gut traͤgt, daß man nur erst von einem, an einen
Oliver Evans'schen Kessel Statt gehabten Ungluͤke
weiß? Ich zweifle, daß ein Kessel von den Evans'schen
Dimensionen einen einzigen Morosi'schen Dampfrepuls
aushalten wuͤrde und daß uͤberhaupt ein Kessel fuͤr eine so
zerstoͤrende Wirkung je stark genug gemacht werden koͤnne.
Wie komme es ferner, daß viele Kessel gerade waͤhrend des Stillstandes der
Maschine geborsten sind, wo des Caval. Morosi's Hypothese
doch alle Kraft an ihnen verliert?
Stubbendorf im Monate December 1828.