Titel: Amerikanischer Dampfwagen.
Fundstelle: Band 35, Jahrgang 1830, Nr. II., S. 2
Download: XML
II. Amerikanischer Dampfwagen. Aus dem Mechanics' Magazine. N. 328. 21. Nov. S. 210. Mit Abbildungen auf Tab. I. Amerikanischer Dampfwagen. Die Vortheile der Eisenbahnen werden endlich in Nord-Amerika eben so lebhaft gefuͤhlt, als bei uns. Eine Eisenbahn von unerhoͤrter Laͤnge, von Baltimore bis an den Ohio mitten durch das Alleghany-Gebirge, ist bereits im Baue, und Eisenbahnen zwischen den Hauptoͤrtern der Vereinigten Staaten sind im Plane. Die Ingenieurs der Baltimore-Eisenbahn waren vor Kurzem in England, um unsere verschiedenen Eisenbahnen zu besichtigen, und da Jonathan So nennen die Englaͤnder die Nord-Amerikaner. A. d. Ue. ein schlauer Beobachter ist, so werden wir bald hoͤren, daß er Manches an unsern Anstalten zu verbessern und nachzuahmen fand. Wir muͤssen indessen gestehen, daß die Amerikaner bisher in Hinsicht auf Eisenbahnen und Dampfwagen hinter uns zuruͤck geblieben sind, und in diesem Falle, so wie in manchem andern, nur nach und nach zu einem Reciprocitaͤts-Systeme geneigt zu werden scheinen. Sie sammeln Alles, was sie diesseits des Oceans Brauchbares finden, und Haufen es in ihrem Lande auf, ohne uns etwas von dem Ihrigen dafuͤr zuruͤckzugeben.Dieß ist hoͤchst unrichtig. Niemand ist mittheilender, als der Nord-Amerikaner. Der Fehler liegt hier nicht am Nord-Amerikaner, sondern an dem Europaͤer, der oft weder Willen noch Geschik hat dasjenige zu brauchen, was ihm dieser gibt. A. d. Ue. Seit den letzten dreißig Jahren hat man in Europa mehr als 50 verschiedene Foͤrderungs-Vorrichtungen auf die Welt gebracht, und unter diesen sind kaum drei oder vier amerikanischen Ursprungs.Auch dieß ist, wie bloß unser Journal schon erweisen kann, unrichtig. A. d. Ue. Es ist um so sonderbarer, daß die Amerikaner in dieser Hinsicht so weit zuruͤckgeblieben sind, als man in Amerika zuerst die loͤbliche Kuͤhnheit hatte, die Moͤglichkeit, mit Dampfkraft zu Lande zu reisen, zu verkuͤnden. Die Englaͤnder verhalten sich in Hinsicht der Dampfwagen zu den Amerikanern, wie sich die Amerikaner in Hinsicht der Dampfbothe zu den Englaͤndern verhalten. Fulton hat, wie die ganze Welt weiß, auf den Seen und Stroͤmen der westlichen Hemisphaͤre den Plan der Dampfbothe ausgefuͤhrt, den man in Schottland aufgegeben hat, weil er nirgendwo die gehoͤrige Unterstuͤtzung fand; unsere heutigen Stephensons, Gurneys und Braithwaites fuͤhren dafuͤr jezt in England die ungereimten Projecte (chimerical projects) aus (so nannten wenigstens die hochgelehrten Weisen zu Philadelphia des geistreichen, ehrlichen, armen, alten Oliver Evans wohlgemeinte Vorschlage), die schon vor dreißig Jahren in Amerika gemacht wurden. Schon vor dreißig Jahren hat Oliver Evans den Muth gehabt zu erklaͤren, daß es mit Dampfkraft moͤglich ist, zu Lande zu reifen; daß dieß so leicht moͤglich ist, daß er keinen Anstand nimmt zu prophezeien: „es werden einst Dampfwagen allgemein in Gebrauch kommen, sowohl als Foͤrderungsmittel fuͤr Waaren als fuͤr Guͤter, und man wird 15 (engl.) Meilen mit denselben in Einer Stunde fahren.“ Diese Prophezeiung des guten alten verkannten Oliver Evans ist nun bereits in 30 Jahren in Erfuͤllung gegangen. Da indessen die Erdaͤpfel mehr denn 200 Jahre brauchten, bis sie aus Amerika sich uͤber das feste Land von Europa verbreiteten; so werden Dampfwagen vielleicht 200 Jahre noͤthig haben, bis sie in unserem Zeitalter, wo der Krebsgang Sitte geworden ist, nach dem festen Lande von Europa kommen werden. A. d. Ue. Seit Evans beschaͤftigten sich die HHrn. Winans und Howard vorzuͤglich mit Foͤrderungsmitteln „(terro-locomotion)“ in Nord-Amerika. Hr. Winans hat eine neue Art Raͤder erfunden, welche der Ausschuß der Mechaniker an der Baltimore-Eisenbahn anzunehmen beschloß, und an welchen die Reibung so sehr vermindert ist, daß, wenn wir Hrn. Sullivan (Compagnon des Hrn. Winans) im Franklin Journal April 1829 glauben duͤrfen, ein Dampfwagen mit diesen Raͤdern vier Mal so viel ziehen wird, als mit den gewoͤhnlichen. Er nahm ein Patent auf seine Erfindung in den Vereinigten Staaten, und laͤßt sich gegenwaͤrtig auch eines in England darauf ertheilen. Wir haben die Erklaͤrung desselben gelesen und seinen Wagen gesehen, haben auch einige Versuche mit demselben auf der Liverpool-Eisenbahn gesehen, und koͤnnen versichern, daß, wenn auch nicht so viel an Reibung gewonnen wird, wie Hr. Sullivan angibt, doch sehr viel dadurch gewonnen ist. Nach dem Liverpool-Chronicle wog der Wagen nur              11 Ztr. 1 Quart.  3 Pfd. Die Last, mit welcher er beladen war, betrug 3 Tonn.   0  –   1     –     21 – –––––––––––––––––––––––––– 3 Tonn. 11 Ztr. 2 Quart. 24 Pfd. Man bewegte diesen Wagen mit verschiedener Geschwindigkeit mit einer Kraft von 10, 12, 15, 19 Pfd., und erhielt hieraus folgende Resultate: 1 Pfd. bewegte 334 Pfd., und hielt den Wagen Geschwindigkeit von 1  –        –        470  –1  –        –        616  – im Gange mit einer   –     –     –     –  –     –     –     – 4 1/2 engl. Meil. 3        –      –2 1/2  –      – in EinerStunde.   Wenn vorlaͤufig der Wagen durch irgend eine     Kraft in Gang gebracht wurde, so reichte 1 Pfd. hin, um 617 bis 800 Pfd. zu bewegen   und im Gange zu erhalten mit einer   Geschwindigkeit von 4 1/2 engl. Meilen. Je groͤßer die Kraft, desto groͤßer war die Geschwindigkeit. Die Resultate fielen aͤußerst genuͤgend aus, und man uͤberzeugte sich, daß, mit diesem Wagen, ein Pferd auf einer Eisenbahn eben so viel zu ziehen vermag, als auf einem Canale. Da Hr. Winans Patent noch nicht gestaͤmpelt ist, so kann uͤber die Einrichtung dieses Wagens nichts Anderes gesagt werden, als daß die Verbesserung an demselben vorzuͤglich im Baue der Raͤder beruht. Die hier gegebene Zeichnung ist Howard's verbesserter Dampfwagen „(Howard's improved Locomotive Carriage).“ Fig. 5. zeigt ihn von der Vorderseite; Fig. 6. von der Ruͤkseite; Fig. 7 und 8. sind einzelne Theile der Raͤder. Hr. Howard hat schon fruͤher einen aͤhnlichen Wagen gebaut, der im Mechanics' Magazine N. 306 abgebildet wurde; er hat denselben aber zeither wieder verbessert. Der Hauptzwek seiner Verbesserung war, die Achsen so einzurichten, daß sie sich nach den Kruͤmmungen der Bahn richten koͤnnen. „Der gewoͤhnliche Balken,“ sagt er, „der mittelst Baken an den Achsen befestigt ist, ist in der Mitte getheilt, und ein Zahn und ein Stiefel gestattet einem Ende desselben freies Spiel in dem anderen. Auf diese Weise muͤssen die Hinterraͤder der Spur der Vorderraͤder folgen. Ueberdieß laͤuft ein Balken von einer Achse zu der andern, und dreht sich auf dem Mittelpunkte einer jeden derselben um einen starken Bolzen. An diesem Balken ist der Kessel, A, mit den Cylindern, BB, angebracht. Der Kessel koͤnnte zwar Statt dieses Balkens dienen, wenn man ihn auf Lager, HH, sezt, unter welchen die Achsen, GG, sich horizontal um Central-Bolzen bewegen. Zu jeder Seite des Kessels, an den Achsen und mit diesen zugleich beweglich, befinden sich senkrechte Stuͤzen oder Leiter, DD, mit Oeffnungen zur senkrechten Bewegung der Enden der Fesselstangen, OO, der Staͤmpelstangen. Jedes Paar dieser Stuͤzen oder Leiter ist oben mit einer eisernen Stange verbunden, in deren Mitte sich ein Bolzen befindet, durch welchen sie mit dem eisernen Rahmen, EE, verbunden wird. Dieser Rahmen laͤuft der Laͤnge nach von jedem Ende des Kessels her, an welchem er befestigt ist, und haͤlt die Stuͤzen oder Leiter in ihrer senkrechten Lage. Dieser leztere Bolzen befindet sich unmittelbar uͤber dem Bolzen des Wagenlagers, so wie uͤber dem Mittelpunkte der Cylinder, so daß, wenn die Achse sich horizontal um den Bolzen des Wagenlagers bewegt, die Stuͤzen oder Leiter, die sich mit demselben bewegen, die Verbindungsstange der Stuͤzen, die immer parallel mit der Achse ist, um den Bolzen in dem Rahmen uͤber dem Kessel und uͤber den Cylindern, die feststehen, drehen. Da die Fesselstange sich gleichzeitig mit ihren Leitern um das Haupt der Staͤmpelstange horizontal bewegt, welches so gebaut ist, daß es diese Bewegung gestattet, so hindert die horizontale Bewegung der Achse die Maschine nicht in ihrer Arbeit. Um Gleichfoͤrmigkeit der Bewegung zu unterhalten, wird ein Wagebalken, F, der von dem Kessellager getragen wird, mit der Fesselstange einer jeden Staͤmpelstange in Verbindung gebracht, so daß eine verticale Bewegung moͤglich bleibt, und zugleich auch eine horizontale, welche durch Abaͤnderung der Richtung der Bewegung entsteht. Der zweite Punkt, worauf Hr. Howard seine Aufmerksamkeit wendete, war, eine Vorrichtung zu finden, durch welche die aͤußeren Raͤder sich schneller bewegen koͤnnen, als die inneren, was auf folgende Weise geschieht: „Die Achse dreht sich auf die an Eisenbahnwagen gewoͤhnliche Weise, und ebenso drehen sich auch die Raͤder um diese Achse. An dem Ende der Achse ist aber ein Sperrrad befestigt, L, an dessen Rande die Verbindungsstange, C, der Fesselstange befestigt ist. Statt, wie gewoͤhnlich, an dem Wagenrade, K, selbst. An der Felge des Wagenrades, K, ist ein Sperrkegel und eine Feder, ED, Fig. 7, die in die Zahne des Sperrrades eingreifen, und beide Raͤder zu einem Rade verbinden, außer wenn es noͤthig ist, daß ein Wagenrad einen groͤßeren Kreis beschreiben, und folglich schneller laufen soll, als das andere, oder, in andern Worten, schneller laufen soll, als die Achse und das Sperrrad. Wenn nun das Wagenrad sich dann schneller bewegt, als das an der Achse befestigte Sperrrad, gleitet die Feder und der Sperrkegel uͤber die Zaͤhne des Sperrrades weg, bis, in Folge einer geradelinigen Bewegung, der Sperrkegel wieder in die Zahne eingreift, oder eine entgegengesezte krumme das entgegengesezte Rad auf dieselbe Weise wieder in Thaͤtigkeit sezt. Der Wagen laͤuft so, obschon nun die Geschwindigkeit seiner Raͤder wechselte, regelmaͤßig fort, indem die Geschwindigkeit der Sperrraͤder dieselbe bleibt.“ In Fig. 7 ist A das Wagenrad; D der Sperrkegel; E die Feder. In Fig. 8. ist A die Achse; B der Leiter; C die Schulter fuͤr das Wagenrad; D das Oktagon fuͤr das Sperrrad.

Tafeln

Tafel Tab.
                                    I
Tab. I