Titel: | Apparat des Doctors Cottereau, um Lungensüchtige und Brustkranke Chlorgas einathmen zu lassen. |
Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. LXXV., S. 314 |
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LXXV.
Apparat des Doctors Cottereau, um Lungensuͤchtige und Brustkranke
Chlorgas einathmen zu lassen.Die Medizin hat, wie Alles, was auf Meinungen und Spekulationen beruht, ihre
Moden. Gegenwaͤrtig ist es in derselben Mode, die Lungensucht, eine
Krankheit, die den fuͤnften Theil der Gestorbenen jaͤhrlich dahin
rafft; die die Natur zuweilen, der Arzt nie, zu heilen vermag) die man so oft
verkennt und dort zu sehen glaubt, wo sie nicht ist, waͤhrend sie
oͤfters wieder dort ist, wo man sie nicht sieht oder sehen will; es ist
in Frankreich und England heute zu Tage Mode, diese furchtbare und unheilbare
Krankheit mit Chlor zu behandeln, und sich einzubilden, man habe sie geheilt,
wenn sie auch wirklich in dem Kranken, welchen man mit diesem neuen Mittel
behandelte, gar nicht vorhanden gewesen ist. Nirgendwo als in der Medizin (die
Philosophie vielleicht allein ausgenommen) schließt man haͤufiger eben
so, wie jener fromme Capuciner, der den ersten Theil seiner Predigt mit dem Saze
begann: „dieweil der Loͤwe des Evangelisten ein grimmig Thier
ist, also muͤsset ihr Gott den Herrn anbeten.“ Eben so oft
schließt man auch so: „ich sag' es euch Leute, es stekt eine Kaze in
euerem Ofen; denn ich habe sie selbst hineingestekt.“ Und eben
so: „weil meine Mutter sagt, der ist mein Vater; also bin ich sein
Sohn.“ Auf solchen Schluͤssen beruhen so ziemlich neun
Zehntheile der gesammten Medizin, vorzuͤglich die Systeme und die Moden
in derselben. Die Mode, Lungensucht mittelst Chlor zu curiren, ist bereits auch
bis nach Deutschland gedrungen, wie alle Moden von der Themse und von der Seine
nach Deutschland kommen, und wird vielleicht bei uns noch Mode seyn, wann sie es
an der Themse und an der Seine laͤngst nicht mehr ist. Das Einathmen
verschiedener Gasarten in der Lungensucht und bei chronischen Brustbeschwerden
ist nichts weniger als neu. Die Moden sind in der Medizin, wie in der Toilette;
waͤhrend die neue veraltet, wird die alte, laͤngst vergessene und
verbannte, wieder zur neuen Mode. Schon vor 30 Jahren hoffte Beddoes die Lungensucht durch eingeathmete Gasarten
zu heilen, und hat hierzu nicht bloß aͤhnliche Apparate, sondern
hermetisch geschlossene Zimmer erbaut, die mit der vermeintlich heilbringenden
Gasart gefuͤllt wurden. Einige wenige Kranke, welche nicht
lungensuͤchtig waren, wurden in diesen Zimmern eben so gesund, wie sie es
in jedem anderen geworden seyn wuͤrden; die meisten aber starben. Ein so
vortreffliches Mittel auch das Chlor in manchen Faͤllen,
vorzuͤglich in chirurgischen, seyn mag; so sehr es selbst den Gestank
fauler Fische zu verbessern vermag, so wird es doch sicher faule Lungen nicht
wieder frisch machen. „Wo Lunge und Leber faul ist, hat alle Medizin
ihr Ende,“ sagt ein großer weiser Mann: Friedrich der Einzige
unsterblichen Andenkens. So wenig Chlor die Kraͤze zu heilen vermag, so
wenig wird es Lungensucht heilen, wenn es auch den Gestank des Athems und des
Auswurfes mildert. Uebrigens ist dieser Apparat sehr zwekmaͤßig, und
laͤßt sich, wo man denselben nicht besonders elegant haben will, aus
alten Woolfe'schen Flaschen, unter welchen man eine Lampe anbringt, und aus
einem alten gebrochenen Sicherheitsrohre sehr leicht in jeder Apotheke ex tempore zusammenstoͤpseln. A. d. Ue.
Aus dem Recueil industriel. N. 34. S.
59.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Cottereau, uͤber einen Apparat fuͤr um
Lungensuͤchtige etc.
Wir theilen diesen Apparat hier bloß in der Absicht mit, um diejenigen Kranken, deren
Arzt oder deren Einbildung sie in der Anwendung des Chlorgases ein Mittel gegen ihre
Krankheit erwarten laͤßt, nicht sehnsuchtsvoll harren zu lassen bis der
kostbare Apparat aus Paris kommt, um unsere Instrumenten- und Glasmacher in
den Stand zu sezen, denselben auf der Stelle zu verfertigen. Der neueste Apparat in
dieser neuesten Curart, der Apparat des Hrn. Drs.
Cottereau, Professor zu Paris, besteht aus zwei Theilen.
„1) aus einer Flasche, A, Fig. 3., welche
ungefaͤhr Ein Pfund Wasser haͤlt, und mit drei Tubulirungen
versehen ist. Durch die mittlere dieser Tubulirungen, O, laͤuft eine glaͤserne Roͤhre, F, die in ihrem inneren Durchmesser 6 Linien weit
ist, und ein hundertgradiges Thermometer, G,
aufnimmt. Die obere Muͤndung dieser Roͤhre steht mit der
atmosphaͤrischen Luft in Verbindung; die untere reicht bis in eine
Entfernung von 3 Linien von dem Boden der Flasche. Die zweite dieser
Tubulirungen, P, wird von einem Stoͤpsel, E, geschlossen, der nach der Richtung seiner Achse
hohl ist, mit einer Furche versehen ist, und sich auf ungefaͤhr zwei Zoll
Tiefe in die Hoͤhlung der Flasche verlaͤngert, in welcher er sich
in Form eines Mundstuͤkes einer Flaute endet. Dieser Pfropfen
stuͤzt ein Gefaͤß, B, welches mit
schwarzem Papiere oder mit einer Lage schwarzen undurchsichtigen Firnisses
versehen ist, und ungefaͤhr eine Unze Wassers faßt. Ein Hahn, C, oͤffnet und schließt nach Belieben die
Hoͤhlung des Pfropfens, nur daß auf dem krystallnen Zapfen D und D' (Fig. 4.)
dieses Hahnes sich eine kleine Furche befindet, deren Grad der Vertiefung die
Menge der Fluͤssigkeit bestimmt, welche ausfließen kann. Der Pfropfen N und N', Fig. 5.,
des Gefaͤßes B hat eine kleine Furche, durch
welche die Luft eintritt, ohne welche das Chlor sich nicht entwikeln kann. In
der dritten Tubulirung, Q, endlich ist eine
gekruͤmmte Roͤhre, H, die mittelst
eines Hahnes, I, nach Belieben geoͤffnet oder
geschlossen wird, und durch welche der Kranke athmet.
2) aus einem Fußgestelle, L, aus Eisen oder
Kupferblech, welches als Ofen dient, der mittelst einer Weingeist- oder
Kohlenlampe, M, welche unter die mittlere
Scheidewand R gestellt wird, geheizt wird.
Man gießt nun in die Flasche A vier bis fuͤnf
Unzen Wasser, so daß dasselbe bis nach K steigt, und
die untere Oeffnung der Roͤhre F, in welcher
sich das Thermometer G befindet, in dasselbe
eintaucht. Man fuͤllt das auf der Tubulirung P angebrachte Gefaͤß B mit sehr
reinem Chlor, welches bei einer Temperatur von 15° am hundertgradigen
Thermometer bereitet wurde, und laͤßt dasselbe, mittelst der Furche des
Hahnes, D, tropfenweise in das Wasser der Flasche,
A, fallen, welches die Lampe M des kleinen Ofens L
erwaͤrmt, und durch dieselbe immer in einer Temperatur von 50 bis
60° am hundertgradigen Thermometer erhalten wird. Nun nimmt der Kranke
das Rohr, H, zwischen seine Lippen, und athmet, ohne
alle Anstrengung, durch dasselbe. Die Luft, welche durch die Roͤhre, F, eintritt, kommt mit Chlor- und
Wasserdaͤmpfen beladen in seine Lungen.
Der Ofen, der die Form des Fußgestelles einer Saͤule hat, ruht auf einem
hoͤlzernen Untergestelle, S, welches an einer
seiner Seiten mit
zwoͤlf kleinen Oeffnungen, TTT etc.
versehen ist, an welchen der Kranke die Zahl der Einathmungen, die er
taͤglich machte, mittelst eines kleinen elfenbeinernen Stiftes, U, bemerkt.
Dieser Apparat ist, nach dem Ausspruche mehrerer Commissionen, welche
verschiedene gelehrte Gesellschaften hierzu ernannten, besser als jener des
Chemikers Gannal, indem 1) das Chlor nur langsam aus
seinem Gefaͤße und im Verhaͤltnisse des Athemholens ausfließt,
wodurch der Kranke gegen alle Nachtheile geschuͤzt wird, die dadurch
entstehen koͤnnten, daß er auf ein Mal zu viel Chlor einathmet. 2) daß
die Temperatur des Wassers hier immer auf demselben Grade erhalten wird; was ein
wesentlicher Umstand ist, indem es bei einer niedrigeren Temperatur reizend
wirkt. 3) daß kein Gas umsonst verloren geht, da keines entweichen kann, und man
daher nicht, nach jedem Einathmen, das Wasser erneuern muß. Hierdurch ist man
auch in den Stand gesezt, die Menge des angewendeten Chlores genau zu bestimmen.
4) daß der Kranke endlich, welcher sich dieser Vorrichtung bedient, durch den
Gebrauch derselben nicht ermuͤdet wird, und daß er das Einathmen des
Gases auf der Stelle unterbrechen kann, wenn es ihm nicht zutraͤglich
ist, ohne daß waͤhrend dieser Unterbrechung Chlorgas verloren
geht.“