Titel: | Mündlicher Bericht des Hrn. Gay-Lussac vor der Académie des Sciences am 2. November 1829. über die Apparate des Hrn. Aldini, den Körper gegen die Einwirkung der Flamme zu schüzen. |
Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. LXXXVIII., S. 364 |
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LXXXVIII.
Muͤndlicher Bericht des Hrn. Gay-Lussac vor der
Académie des Sciences am 2. November 1829. uͤber
die Apparate des Hrn. Aldini, den Koͤrper gegen die Einwirkung der Flamme zu
schuͤzen.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. T. XLII. S.
214.
Aldini, uͤber die Apparate den Koͤrper gegen die
Einwirkung der Flamme zu schuͤzen.
Die Akademie hat auf Verlangen des Hrn. Aldini eine
Commission, bestehend aus den HHrn. Fourier, Dulong, Chevreul,
Flowrens und mir, ernannt, um einen Apparat zu pruͤfen, der bei
Feuersbruͤnsten die Loͤscher (Sapeurs-pompiers) gegen die Einwirkung der Flamme sichert, und
hieruͤber Bericht zu erstatten. Hr. Aldini hat, in
dieser Absicht, der Commission in einer Unterredung die Grundsaͤze
erklaͤrt, auf welchen sein Apparat beruht, und sie eingeladen einem Versuche
beizuwohnen, der in der Kaserne der Loͤscher (Sapeurs-Pomiers) rue de la Paix, in
Gegenwart der administrativen Behoͤrde und einer gewissen Anzahl von
Zuschauern vorgenommen werden sollte. Die Commission entsprach der Einladung des Hr.
Aldini: da aber dieser Gelehrte seinem Apparate
bereits eine große Publicitaͤt gegeben hat, und derselbe bereits beurtheilt
wurde; so glaubte sie, nach den Statuten der Akademie, die ihr alle Pruͤfung
uͤber einen oͤffentlich bekannt gemachten oder bereits
gepruͤften Gegenstand verbieten, sich eines schriftlichen Berichtes enthalten
zu muͤssen, indem dadurch ihr Urtheil in Anspruch genommen seyn
wuͤrde.„La Commission a pensé que,
conformément aux réglemens de l'Académie que
lui interdisent tout examen sur un objet publié ou
déjà examiné, elle devait s'abstenir de lui
présenter un rapport écrit, parcequ'il aurait
appelé son jugement.“ Wir schreiben hier den
Text des Originales unter unsere Uebersezung, weil es manchem Leser scheinen
koͤnnte, daß wir schlecht uͤbersezten, wenn es heißt
„die Statuten der Akademie verbieten ihr alle Pruͤfung
uͤber einen oͤffentlich bekannt gemachten oder bereits
gepruͤften Gegenstand,“ und „die Commission
muͤsse sich eines schriftlichen Berichtes enthalten, indem
dadurch ihr Urtheil, das Urtheil der Akademie, in Anspruch genommen seyn
wuͤrde.“ Wenn wir auch mit Hrn. Gay-Lussac vollkommen einverstanden sind, daß man so wenig
unnuͤze Schreiberei auf der Welt machen muͤsse, als
moͤglich – (und wollte Gott die gelehrten Akademien
waͤren in dieser Hinsicht der uͤbrigen Welt mit einem guten
Beispiele vorgegangen) – so koͤnnen wir doch nimmermehr
begreifen, wie die Académie des Sciences
sich ihr Gebiet selbst so muthwillig verengen sollte, daß sie sich alles
Urtheiles uͤber bereits bekannte Gegenstaͤnde enthaͤlt;
wir vermoͤgen weder den Sinn noch den Grund eines Statutes zu fassen,
nach welchem eine Akademie ihr Urtheil uͤber einen der Menschheit
wichtigen Gegenstand auf Null reduciren, sich nicht einmal schriftlich
uͤber denselben berichten lassen will. Daß die Akademie sich
uͤber bereits bekannte Gegenstaͤnde, z.B. uͤber Werke,
die in Frankreich und im Auslande erschienen sind, also uͤber bereits
bekannte Dinge Bericht erstatten laͤßt; daß der Berichterstatter
uͤber diese Werke sein Urtheil, beifaͤllig oder
mißfaͤllig, ausspricht; daruͤber liefern uns alle
wissenschaftlichen Journale Frankreichs, die Annales
de Chimie et de Physique selbst, monatlich Beweise. Wenn nun das
Urtheil des Berichterstatters, der seinen Bericht entweder muͤndlich
oder schriftlich vortraͤgt, und der Mitglied der Akademie ist,
oͤffentlich ausgesprochen wird; wenn es in allen gelehrten
Zeitschriften wiederholt wird; wenn die Akademie in ihrer hohen Weisheit und
Thaͤtigkeit dazu nicht Ja und nicht Nein sagt; ist dieß dann nicht das Urtheil der
Akademie? Ist es nicht eine Art von Jesuitismus, von Schaukelsystem, von
Fegfeuersystem, und doch zugleich von Anspruch auf Infallibilitaͤt,
auf Unfehlbarkeit, wenn die Akademie ein Urtheil von einem Mitgliede, oder
sogar von mehreren Mitgliedern aussprechen laͤßt, ohne demselben
weder mit dem Kopfe zuzuniken, noch den Kopf daruͤber zu
schuͤtteln? Die Commission hat sich muͤndlich beifaͤllig ausgesprochen; sie hat sich
gehuͤtet sich schriftlich zu aͤußern: ist es in Frankreich
anders, als in Deutschland, wo ein Wort ein Mann ist, und wo jeder ehrliche
Mann keinen Anstand nimmt, das zu unterschreiben, was er sprach, und sich
muͤndlich vor jedem zu jedem Worte zu bekennen, das er dem Papiere
anvertraute? Wehe dem Lande und der Zeit, wo zwischen Schrift und Wort ein
Unterschied gemacht wird. Das in diesem muͤndlichen Berichte (Rapport verbal) ausgesprochene Urtheil der
Commission der Académic des Sciences hat
also nicht den Werth eines schriftlichen; es hat nicht das Urtheil (le jugement – oder haͤtte man
vielleicht uͤbersezen sollen, die Urtheilskraft?) der Akademie in
Anspruch genommen. Die Commission steht also, wie man sieht, der Akademie
vor die Luͤke. Sie ist eine verlorne Schildwache, un enfant perdu. Waͤre es
moͤglich, daß Cavaliere Aldini's Apparate
aus was immer fuͤr einem Grunde, den man vielleicht im Stillen
herbeifuͤhrt, mißlaͤngen; die allwissende Académie des Sciences hat ihnen ihre
Weihe nicht gegeben: gelingen sie; ihre Commission hat sie einstimmig gut
geheißen. Wahrhaftig, es waͤre ein neuer Mich. Lilienthal noͤthig, der im J. 1713 zu Koͤnigsberg
aͤs Machiavellismo litterario schrieb;
ein neuer Joh. Burc. Mencken, der im J. 1715
seine zwei Declamationen de charlataneria
eruditourum zu Leipzig hielt. Es ist gewiß sonderbar, daß,
waͤhrend man immer von einer Gelehrtenrepublik sprechen hoͤrt, man nirgendwo einen
groͤßeren Despotismus, einen groͤßeren Machiavellismus findet,
als gerade in dieser Republik, wo „nul
n'aura d'esprit, que nous et nos amis.“ Eine
Geschichte der gelehrten Akademien in Europa, die noch ihren Gibbon und Hume
erwartet, wird ein schoͤner Beitrag zur Geschichte der Verirrungen
des menschlichen Geistes und Herzens werden. Es waͤre an der Zeit,
daß diese gelehrten Zuͤnfte sich erinnerten, daß sie, weit entfernt
die Wissenschaften zu foͤrdern, dieselben vielmehr mit der ganzen
Gewalt, die der Hebel des Stolzes und das Raͤderwerk der Intrigue dem
maͤchtigen Arme des Monopolgeistes zu leihen vermag, die
Wissenschaften in ihrem Fortschreiten aufhielten und sogar still stehen
ließen. Man kann ihnen dieses, wenn sie es laͤugnen sollten, aus
ihren eigenen Acten und Denkschriften erweisen. Welche Erfindung von irgend einem
bedeutenden Werthe fuͤr die Menschheit ist aus ihrem Schooße
hervorgegangen? Haben sie nicht selbst die wichtigsten Erfindungen ihrer
eigenen Mitglieder ad Acta gelegt, und sie
Jahrhunderte lang liegen gelassen, ohne sie zu benuͤzen, ohne sie
auch nur der weiteren Ausfuͤhrung werth zu halten? Haben sie nicht
selbst in den neuesten Zeiten sogar die Erfindung des Dampfbothes aus Europa
verstoßen und nach America verbannt, von wo sie erst nach langen
Kaͤmpfen nach Europa zuruͤkgefuͤhrt wurden? Wahrlich,
gar so stolz duͤrfen unsere Akademien nicht thun. Sie duͤrfen
nie vergessen, was einer der weisesten Maͤnner von ihnen aussprach,
der unsterbliche Bacon von Verulam: „Academiae sunt uti virgines steriles, quae nil
pariunt.“ Wir koͤnnen sie auf ihre Acten
verweisen, und ihnen mit dem alten Roͤmer zurufen: Tecum habita, ut videas, ut videas quam sit tibi
curta supellex!“
Indessen wollte die Commission, obschon sie diesen Beschluß faßte, die Akademie nicht in
Unwissenheit uͤber die guͤnstige Meinung lassen, welche sie
uͤber die Apparate des Hrn. Aldini faßte, und ich
erhielt von meinen Collegen den Auftrag, derselben muͤndlich das Resultat der
unter ihren Augen dargestellten Versuche mitzutheilen.
Der Schuzapparat des Hrn. Aldini besteht aus zwei
Kleidungsstuͤken: das eine ist aus einem dichten Gewebe von Amiant (Asbest), oder aus Wolle, die
durch eine Salzaufloͤsung unverbrennlich gemacht wurde; das andere aus einem
Eisendrathgewebe, welches uͤber das vorige angezogen wird.
Man weiß aus Davy's schoͤnen Versuchen, daß ein
Metallgewebe, wenn seine Maschen gehoͤrig eng sind, die Flamme vollkommen
aufhaͤlt, selbst dann, wenn sie mittelst eines starken Drukes, wie bei
Mischungen, welche eine Explosion erzeugen, an dasselbe angedruͤkt wird.
Diese Wirkung entsteht durch die Abkuͤhlung der Flamme, welche das Metall
erzeugt, und kann folglich nie Statt haben, ohne daß die Temperatur des lezteren in
dem Verhaͤltnisse erhoͤht wird, als die Beruͤhrung der Flamme
an dem Metallgewebe laͤnger Statt hat.
Diese leztere Bekleidung, deren Masse nicht sehr bedeutend ist, waͤre also
fuͤr sich allein nicht im Stande den Koͤrper gegen die Wirkung der
Hize zu schuͤzen; das Gewand aus Amiant oder aus Wolle widersteht durch seine
Dichtheit und seine geringe Leitungskraft der Hize, und laͤßt diese nicht bis
auf die Oberflaͤche des Leibes gelangen: es vollendet, zugleich mit dem
Metallgewebe, eine so lang undurchdringliche Schuzwand, als der Loͤscher sich
der Flamme nothwendig aussezen muß. Dieses Gewand ist durchaus nothwendig und weit
unerlaͤßlicher, als das Metallgewebe selbst. Es ist kein Zweifel, daß, in
vielen Faͤllen, es einzig und allein den Loͤscher gegen die Gewalt der
Flamme schuͤzt.
Mit diesen beiden Huͤllen umkleidet ging Hr. Aldini
voran in die Flammen, und seinem Beispiele folgten die uͤbrigen
Loͤscher: sie trozten den brennendsten Flammen. Es wird hinreichen nur zwei
der wichtigsten Faͤlle hier anzufuͤhren, von welchen die Commission
hier Zeuge war, um die guͤnstige Meinung, welche die Commission uͤber
die Wirksamkeit dieses Schuzmittels gefaßt hat, annehmbar zu machen.
Ein Loͤscher, doppelt eingehuͤllt in das undurchdringliche Gewebe und
in das Metallgewebe, bot sein Gesicht der Einwirkung einer Flamme dar, welche aus
einem Kessel emporschlug, der mit Stroh gefuͤllt war, und hielt die
Einwirkung derselben 1 1/3 Minute lang ohne allen Nachtheil aus. Ein anderer,
welcher eben so, wie der vorige, bekleidet war, und noch uͤberdieß einen
Schirm von Amiant vor der Stirne hatte, widerstand dieser Flamme zwei Minuten und
sieben und dreißig Secunden lang ohne alle schmerzhafte Empfindung. Die
Pulsschlaͤge vermehrten sich bei dem Elfteren in Einer Minute waͤhrend
des Versuches von 80 auf 120, bei dem Lezteren von 72 auf 100.
Doch dieser Versuch war nur ein Vorspiel eines anderen, der noch weit mehr Erstaunen
erregte: die Loͤscher gingen auf einer Streke von 10 Meter (31 Fuß) durch die
Flammen.
Man hatte zwei parallele Reihen von Stroh und klein gespaltenem Holze, durch
Eisendrath unter einander verbunden, in einer Entfernung von Einem Meter von
einander aufgerichtet. Als diese brennbaren Stoffe angezuͤndet waren, mußte
man sich in einer Entfernung von 8 bis 10 Schritten von denselben halten, wenn man
nicht von der Hize leiden wollte. Die vereinten Flammen dieser beiden Reihen stiegen
wenigstens drei Meter hoch in die Hoͤhe, und schienen den ganzen Zwischenraum
zwischen beiden auszufuͤllen. In diesem Augenblike gingen sechs
Loͤscher, mit dem Apparate des Hrn. Aldini
ausgeruͤstet, langsamen Schrittes mehrere Male nach einander durch die beiden
in Flammen stehenden Reihen, in welchen das Feuer immer unterhalten wurde, hin und
her. Einer derselben trug ein Kind von acht Jahren in einem Korbe von Weiden, der
außen mit Metallgewebe uͤberzogen war; das Kind war nur mit einer Maske von
unverbrennlichem Stoffe bekleidet. Dieser Versuch, von welchem die Zuschauer nur mit
einem Gefuͤhle des Schrekens Zeugen waren, haͤtte das
gluͤklichste Resultat. Wir wuͤrden ihn fuͤr entscheidend
halten, wenn er mitten im Rauche vorgenommen worden waͤre. Kein
Loͤscher erhielt auch nur den mindesten Brandschaden. Derjenige, welcher das
Kind trug, zog sich nach Einer Minute zuruͤk, indem das Kind anfing zu
schreien, da es uͤber eine rasche Bewegung erschrak, welche der
Loͤscher machte, um den Korb bequemer auf seine Schultern zu stellen. Das
Kind hat uͤbrigens durchaus nicht gelitten; seine Haut war, als es aus dem
Korbe stieg, ganz frisch, und sein Puls hatte sich nur von 84 auf 98 gehoben. Die
uͤbrigen Loͤscher haben diese ermuͤdende Probe zwei Minuten
zwei und zwanzig Secunden lang ausgehalten.
Die Pulsschlaͤge des
Loͤschers, welcher das Kind trug, erhoben sich von
92 auf 116
Die Pulsschlage des zweiten
Loͤschers stiegen von
88 – 152
– – – dritten – – –
84 – 138
– – – vierten – – –
78 – 124
Die Pulsschlage der uͤbrigen hat man
nicht gezaͤhlt.Man kann aus diesen Unterschieden in der Zahl der Pulsschlaͤge
vor und nach dem Versuche keine Folgen ziehen. Ohne Zweifel sind sie
zum Theile Wirkung der Hize; es muß aber auch der Seelenzustand in
einer so neuen und schreklichen Lage hierbei eine wichtige Rolle
spielen. A. d. O.
Der Umstand, welcher die Zuschauer am meisten beunruhigte und schreite, war die
Furcht, daß das Athemholen nicht dadurch in Gefahr geriethe. Wie, fragte man sich,
kann man mitten in den Flammen athmen?
Wenn man sagt, daß die Loͤscher durch die Flammen gingen, und man glaubte nun
buchstaͤblich, daß sie zwei oder drei Minuten lang bestaͤndig in
Flammen eingehuͤllt waren; so wuͤrde ihre Lage allerdings
hoͤchst gefaͤhrlich haben erscheinen muͤssen. Hr. D'Arcet und ich haben beide uns durch eine große Anzahl von
Versuchen uͤberzeugt, daß, sobald ein hinlaͤnglich geheizter Ofen
raucht, oder Flamme ausfahren laͤßt, die Luft in dem Inneren dieses Ofens
gaͤnzlich von allem Sauerstoffe beraubt ist. Es ist also gewiß, daß, in der
Flamme, selbst wenn sie durch das Drathgewebe ausgeloͤscht worden
waͤre, kein Athemholen mehr Statt haben koͤnnte, und daß hier Asphyxie
zu besorgen stuͤnde. Wenn die Loͤscher keine Schwierigkeit bei dem
Athemholen fanden, so mußte eine ziemlich reine Luft bis zu ihnen gelangt seyn, und
die Moͤglichkeit, wie dieß geschehen seyn konnte, laͤßt sich auf
verschiedene Weise erklaͤren.
Erstens ist es gewiß, daß die Loͤscher nicht immer den Kopf in den Flammen
hatten, und daß die Flammen nach dem leisesten Luftzuge aͤußerst beweglich
sind; daß sich also Augenblike finden konnten, die zum Athmen guͤnstig
waren.
Zweitens wenn man auch annimmt, daß die Loͤscher laͤnger in den Flammen
standen, als zu einem leichteren Athemholen noͤthig war, so laͤßt sich
dann begreifen, daß frische Luft zwischen den beiden Kleidern, die sich nicht
unmittelbar beruͤhren, aufsteigen und so zum Athmen dienen konnte.
Ueberdieß ist es auch nicht schwer, das Athemholen dreißig oder sechzig Secunden lang
zuruͤkzuhalten, und selbst noch laͤnger. Obschon wir nicht glauben,
daß die Loͤscher, waͤhrend sie durch die Flammenreihen gingen, zu
diesem Mittel ihre Zuflucht nahmen; so gab doch die kurze Zeit, die sie
noͤthig hatten, um 10 Meter zu durchschreiten, die Moͤglichkeit
hierzu.
Wenn es aber durch die Versuche, von welchen wir Zeugen waren, erwiesen ist, daß in
den meisten Faͤllen und in freier Luft das Athemholen ohne Gefahr
moͤglich ist; so steht doch sehr zu besorgen, daß, in einem mit Rauch
erfuͤllten Raume, dergleichen es bei Feuersbruͤnsten so viele gibt,
das Athemholen sehr erschwert werden duͤrfte. Waͤre es da nicht gut,
wenn der Loͤscher frische Luft athmen koͤnnte, die er entweder aus
einem tragbaren Behaͤlter schoͤpfen koͤnnte, oder bloß durch
eine biegsame Roͤhre, die sich von seinen Fuͤßen an um den
Koͤrper bis zum Munde hinaufwindet?Diese Roͤhre ist nicht eine Erfindung der Commission. Sie ist der
Schlauch des armen schottischen Bergmannes, Robert mit der Feurkappe, von welchem wir bereits so oft im Polyt. Journ. sprechen mußten. A. h. Ue. Man weiß in der That, daß in einem erhizten und offenen Zimmer die Luft von
unten eintritt, waͤhrend die erhizte Luft von oben entweicht; daß also der
Loͤscher auf obige Weise wehr Mittel faͤnde leichter zu athmen. Wir
glauben auf diesem Punkte bestehen zu muͤssen, indem wir wissen, daß das Athemholen durch nichts so
sehr erschwert wird, als durch einen dichten Rauch. Wir glauben selbst, daß es gut
waͤre, wenn man die Loͤscher dazu abrichtete, den Athem lange Zeit
uͤber zuruͤkhalten zu koͤnnen. Diese Kunst muͤssen sie
den Tauchern ablernen.
Wir haben gesagt, daß Hr. Aldini zu seinen Apparaten
Amiant oder Wolle nimmt, die durch eine Salzaufloͤsung unverbrennlich gemacht
wurde; wir wollen jezt die Vortheile untersuchen, die jedes dieser Materialien
gewaͤhrt.
Der Amiant ist, seiner Natur nach, unverbrennlich. Man findet ihn, vorzuͤglich
in Corsica, haͤufiger, als man geglaubt hat. Seit Mad. Lena-Perpenti zu Como aus demselben verschiedene Gewebe
verfertigte, und selbst Spizen (Vergl. Bulletin de la
Société d'Encouragement, Ann. 1813. S. 166), kann man nicht
mehr daran zweifeln, daß dieses Material sich zu allerlei Zweken spinnen und weben
laͤßt. Hr. Aldini beschaͤftigte sich damit,
diese Verarbeitung des Amiantes zu erleichtern, und er zeigte der Commission ein
Stuͤk Zeug, das zwanzig Decimeter lang und sechzehn breit, d.h. beinahe so
groß war, als dasjenige, das man im Vaticane aufbewahrt. Indessen werden diese Zeuge
doch immer zu theuer zu stehen kommen, um im Großen benuͤzt werden zu
koͤnnen, und aus diesem Grunde suchte Hr. Aldini
Wollengewebe dafuͤr zu gebrauchen.
Dieses Gewebe ist, selbst ohne vorlaͤufige Zubereitung, schon fuͤr sich
wenig brennbar, und sollte, aus diesem Grunde, zu Winterkleidern fuͤr Kinder
den Baumwollenzeugen vorgezogen werden, indem leztere bei ihrer großen
Verbrennbarkeit so leicht die traurigsten Unfaͤlle veranlassen. Wenn aber die
Wolle mit Salmiak und Borax gebeizt wurde (Siehe Annales
Chimie. XVIII. 211), so faͤngt sie nicht mehr Feuer; sie verbrennt
ohne die Glut weiter fortzupflanzen, und laͤßt die Hize nur langsam
durchdringen. Sie hat, in Hinsicht auf die leztere Eigenschaft, selbst
Vorzuͤge vor dem Amiant: denn nach Hrn. Flourens
Beobachtung empfindet der Finger, wenn er mit Amiant bekleidet und in die Flamme
einer Kerze gehalten wird, die Einwirkung der Hize schneller, als wenn er mit einem
gleich diken Ueberzuge von Wolle bekleidet ist. Die Wolle besizt also in Hinsicht
auf Wohlfeilheit, leichtere Zubereitung, bequemere Anwendung, weit groͤßere
Leichtigkeit und geringere Leitungskraft der Hize wesentliche Vorzuͤge vor
dem Amiant; obschon der Widerstand, den sie gegen das Feuer leistet, ohne Vergleich
geringer ist, als am Amiant, so ist er doch noch stark genug, um eine ziemlich hohe
Temperatur zu ertragen, und denselben unter allen Verhaͤltnissen zu ersezen,
die bei Feuersbruͤnsten Statt haben.
Die Gewebe aus Amiant und aus Wolle verdienen eine besondere Aufmerksamkeit, indem
sie in der That den wesentlichsten Theil an dem Apparate des Hrn. Aldini ausmachen. Fuͤr sich allein angewendet
koͤnnen sie, in den meisten Faͤllen, den Koͤrper gegen die
Einwirkung der Flamme und der Hize schuͤzen, waͤhrend die
Metallgewebe, indem sie die Flamme loͤschen, die Hize nicht
hinlaͤnglich aufzuhalten vermoͤgen. Diese lezten Gewebe haben, bei
ihrer großen Steife, den bedeutenden Nachtheil, den Loͤscher in seiner freien
Bewegung zu hindern, da es doch fuͤr dieselben von der hoͤchsten
Wichtigkeit ist, in allen ihren Bewegungen die groͤßte Leichtigkeit und
Sicherheit zu behalten. Wir glauben daher nach diesen Betrachtungen, daß Kleidungen
aus Wolle, wenn das Gewebe derselben gehoͤrig dik und fest geschlagen (serré) ist, wenn es
gehoͤrig in den Salzaufloͤsungen getraͤnkt wurde, oder wenn,
was vielleicht noch besser waͤre, Kleider aus mehreren leichten, uͤber
einander gelegten Geweben, die aber immer so fest anliegen muͤßten, daß sie
die Luft nicht durchziehen lassen, fuͤr sich allein hinlaͤnglich
schuͤzen wuͤrden, und daß es noch uͤberdieß in einigen
Faͤllen nothwendig waͤre, bewegliche Stuͤke aus Metallgewebe
beizufuͤgen, um diejenigen Theile des Koͤrpers zu schuͤzen,
welche der Hize am meisten ausgesezt sind; wobei man jedoch dafuͤr sorgen
muͤßte, daß zwischen diesen beiden Geweben immer ein gehoͤriger
Zwischenraum bleibt: denn wenn das Metallgewebe das Wollengewebe beruͤhrte,
wuͤrde das Metallgewebe mehr schaͤdlich als nuͤzlich seyn.
Außer diesen Kleidern aus unverbrennlichen Geweben und aus Metallgewebe bedient Hr.
Aldini sich auch mit dem besten Erfolge großer
Schilde aus Metallgewebe. Diese Schilde, von dem Loͤscher einem Flammenstrome
vorgehalten, daͤmmen denselben auf eine wunderbare Weise, und lassen so dem
Arbeiter den Weg sehen, den er zu betreten hat; durch Raͤume dringen, die mit
Flammen erfuͤllt sind, und in denselben ihre Arbeiten mit Sicherheit
verrichten. Sie sind ein hoͤchst nuͤzliches
Ergaͤnzungsstuͤck zu einem Anzuge aus unverbrennlicher Wolle, und eine
desto kostbarere Waffe fuͤr Loͤscher, die kein Kleid von
unverbrennlichen Geweben auf dem Leibe haben, als sie gar keine Ungelegenheit
versuchen; als man sie auf der Stelle und ohne alle Schwierigkeit weglegen und
wieder ergreifen kann. Rahmen mit Metallgewebe ausgefuͤllt, um mittelst
derselben eine Flamme aufzuhalten, die bei einer Thuͤre oder bei irgend einer
Oeffnung herausfaͤhrt, scheinen uns auch von sehr großem Nuzen zu seyn. Doch
es ist hier nicht der Ort, alle Anwendungen, welche Hr. Aldini von dem Metallgewebe und von den unverbrennlichen Geweben gemacht
hat, im Einzelnen aufzufuͤhren. Dieser weise Menschenfreund besorgt
gegenwaͤrtig die Ausgabe eines Werkes, in welchem er seine Apparate bekannt machen will,
und das alle noͤthigen Aufschluͤsse uͤber dieselben geben
wird.Es erschien bereits im J. 1828 ein Werk uͤber diesen Gegenstand zu
Mailand, das im Januar 1829 der Revue encycl.
angezeigt ist. Wir haben davon fruͤher Nachricht gegeben im Polyt. Journ. Bd. XXIX. S. 396. XXX. S.
228. A. d. Ue.
Hr. Aldini beschrankte sich nicht bloß darauf, diese
Schuzapparate in Feuersgefahr vorzuschlagen; er hat, was noch weit schwieriger und
gewiß auch seltener ist, dieselben selbst ausgefuͤhrt, und die
Einfuͤhrung derselben mit unermuͤdetem Eifer verfolgt. Bei den
haͤufigen Schwierigkeiten, mit welchen er hierbei zu kaͤmpfen hatte,
konnte er desto besser die verstaͤndige Mitwirkung des Baron Plazanet,
Obersten der Loͤscher (Pompiers-Sappeurs),
und die Willfaͤhrigkeit der lezteren, die sich zu den schwierigsten Versuchen
hingaben, schaͤzen und wuͤrdigen.
Die Commission, die mit eigenen Augen die Resultate dieser Versuche gesehen hat, ist
einstimmig der Ueberzeugung, daß die Apparate des Hrn. Aldini, unter leichten Modificationen, die sie bald erhalten werden, bei
Feuersbruͤnsten von großem Nuzen seyn werden, sowohl um in die
Gemaͤcher einzudringen, die im Brande stehen und daselbst Huͤlfe zu
leisten, als auch um Gegenstaͤnde von Werth aus denselben zu retten, und
vorzuͤglich die Ungluͤklichen zu retten, die in Gefahr sind ihr Leben
unter den grausamsten Martern zu enden. Hr. Aldini hat
sich demnach um die Menschheit verdient gemacht, und die Dienste, die er derselben
leistete, stehen ganz und gar in der Kategorie derjenigen, zu welchen die
Philanthropie des sel. Hrn. de Monthyon aufmunterte, und
die sie zu dem Kampfe um den Preis einlud. Der Gedanke, daß die Bemuͤhungen
des Hrn. Aldini hier ihre schoͤne Belohnung finden
werden, linderte unser Bedauern, daß wir dieselben nicht dem Urtheile der Akademie
unterlegen konnten, indem sie bereits beinahe allgemein bekannt waren.