Titel: | Bericht über die sogenannten Knallpulver, die man als Zündkraut auf Feuergewehre brauchen kann. Von dem Hrn. Obersten Aubert und den HHrn. Pelissier und Gay-Lussac. |
Fundstelle: | Band 36, Jahrgang 1830, Nr. V., S. 24 |
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V.
Bericht uͤber die sogenannten Knallpulver,
die man als Zuͤndkraut auf Feuergewehre brauchen kann. Von dem Hrn. Obersten
Aubert und den
HHrn. Pelissier und
Gay-Lussac.
Auszug aus den Archives de la Direction des poundres et
salpêtres. 1825. Aus den Annales de Chimie et de Physique, T.
XLII. S. 5.Wir haben einige Zeit uͤber Anstand genommen, diesen Aufsaz unseren Lesern
in einer Uebersezung mitzutheilen; theils weil er schon alt ist, (er lag 4 Jahre
im Archive, ehe er am Ende des vorigen Jahres in den Annales de Chymie
erschien), theils weil es uns scheint, daß die Sache selbst schon aus dem Grunde
allein von geringerer Bedeutung ist, weil sich das heutige franzoͤsische
Ministerium dafuͤr interessirt. Da indessen, wie wir in der A. Z. lasen,
die ganze jezige franzoͤsische Armee mit solchen Schlagflinten versehen
werden soll, so wollen wir unsere Leser in den Stand sezen nach obigem Berichte
uͤber diese Sache ihr eigenes Urtheil faͤllen zu koͤnnen.
Uns scheint dabei mehr Nachtheil und Gefahr fuͤr den Freund, als
fuͤr den Feind. Wir bitten uͤbrigens unsere Leser den Aufsaz
uͤber Knallsalze im Polyt. Journ. Bd. XIII. S. 474., so wie die vielen
Uebrigen uͤber Schlagflinten, wovon in jedem Jahrgange mehrere vorkommen,
zu vergleichen.A. d. Ue.
Bericht uͤber Knallpulver, als Zuͤndkraut auf
Feuergewehre.
Der Kriegsminister hat, als Hauptmann Vergnaud ihm eine
Schlagflinte (fusil à percussion)
uͤberreichte, die mit Howard's Knallqueksilber
abgefeuert wird, den Herrn Generaldirector des Pulver- und Salpeterwesens
(Hrn. Grafen Ruty) eingeladen, uͤber die
Knallpulver, und vorzuͤglich uͤber das Knallqueksilber alle
noͤthigen Untersuchungen und Versuche anstellen zu lassen, um uͤber
die Gefahren bei Verfertigung, bei dem Transport und bei der Anwendung dieser
Compositionen ein sicheres Urtheil fallen zu koͤnnen. Der Hr. Generaldirector
hat den Hrn. Oberst Aubert und die HHrn. Pelissier und Gay-Lussac mit dieser Arbeit beauftragt; der Bericht, den wir die
Ehre haben dem Ausschusse vorzulegen, enthaͤlt die Resultate derselben. Hr.
Hauptmann Tardy, Unterinspector der
Salpeter-Raffinerie zu Paris, war so gefaͤllig uns zu helfen und uns
mehrere Bemerkungen mitzutheilen, die die Frucht seiner eigenen Erfahrungen
sind.
Es gibt eine Menge Knallpulver, die sich mittelst eines Schlages entzuͤnden
und detoniren; in Hinsicht auf Anwendbarkeit auf Feuergewehre sind jene aus
chlorsaurem Kali und aus Knallqueksilber die einzigen, die eine besondere
Aufmerksamkeit verdienen; die uͤbrigen sind mit zu viel Unbequemlichkeiten
und Gefahren verbunden, theils bei ihrer Bereitung, theils bei ihrer Anwendung.
Pulver aus Chlorkali.
Dieses Pulver ist ein inniges Gemenge aus Schwefel, Kohle und Chlorkali. Man kann den
Schwefel oder die Kohle weglassen, und sie durch andere brennbare Substanzen
ersezen; allein das Pulver verliert dadurch mehr oder weniger an Starke. Auf Berthollet's Vorschlag welcher bekanntlich chlorsaures
Kali entdekte) fing man im J. 1786. an, solches Pulver auf den Pulvermuͤhlen
zu Essonne zu verfertigen: allein eine Explosion mit den schreklichsten Folgen
noͤthigte zur gaͤnzlichen Beseitigung desselben. Dieses Pulver ist
weit staͤrker, als das beste Pulver, das man aus Salpeter bereitet; der
Probemoͤrser wird mittelst desselben sehr bald unbrauchbar, indem die Kammer
desselben erweitert wird, und tiefe Risse bekommt. Als Hr. Welter zu Meudon sich desselben zum
Fuͤllen der Haubizen bediente, die er in der Erde eingegraben sprengte,
sprengte es dieselben immer in gleichfoͤrmige Stuͤke von der
Groͤße einer Kastanie, waͤhrend die Bruchstuͤke anderer
Haubizen, die mit gewoͤhnlichem Pulver gefuͤllt waren,
uͤbrigens aber unter gleichen Umstaͤnden mit den vorigen sich
befanden, weit weniger zahlreich waren. Dieses Pulver konnte demnach mit weit
groͤßerem Vortheile, als das gewoͤhnliche Pulver, zum Fuͤllen
der Haubizen, zum Einsprengen der Thore, zum Zerstoͤren der Bruͤten
verwendet werden.
Die Eigenschaft, die es besizt, sich durch Stoß oder Schlag zu entzuͤnden,
veranlaßte den Gebrauch desselben auch bei den sogenannten Schlagflinten: allein, es
wurde wegen seiner vielen Unbequemlichkeiten, vorzuͤglich wegen des Schmuzes,
den es zuruͤk laͤßt, und wegen der hoͤchst zerfressenden
Wirkung, die es auf das Eisen außen, bald mit dem Knallqueksilber vertauscht. Da
dieser lezte Nachtheil desselben von der schwefeligen Saͤure
herruͤhren kann, welche sich waͤhrend der Zersezung desselben
entwikelt, so versuchten wir die Wirkung der Saͤure dadurch zu neutralisiren,
daß wir dem Pulver eine hinlaͤngliche Menge getrokneter kohlensaurer Soda
beimengten. Der Versuch hatte den erwuͤnschten Erfolg; allein das Pulver
hatte durch diese Mischung viel von seiner Entzuͤndbarkeit verloren, und wir
fanden uͤberdieß sehr bald, daß das Potassium-Chloruͤre,
welches durch die Zersezung des chlorsauren Kali waͤhrend der
Entzuͤndung entsteht, das Eisen in feuchter Luft sehr bald anfrißt. Dieß ist
ein großer Fehler am chlorsauren Pulver, und es scheint uns schwer, demselben
abzuhelfen.
Wir halten es fuͤr uͤberfluͤssig, bei den Eigenschaften dieses
Pulvers laͤnger zu verweilen, dessen Anwendung man bereits aufgegeben hat;
wir beschraͤnken uns bloß auf die Bemerkung, daß, wenn die Artillerie sich
entschließen koͤnnte von demselben in einigen Faͤllen Gebrauch zu
machen, die Verfertigung dieses Pulvers, so wie der Transport desselben, unter der
noͤthigen Vorsicht mit keiner Gefahr verbunden waͤre.
Howard's Pulver, oder Knallqueksilber.
Dieses Pulver wird heute zu Tage bei Jagdflinten allgemein angewendet, weil es sich
sehr leicht entzuͤnden laͤßt und nicht auf das Eisen wirkt. Wir wollen
es unter den verschiedenen Bedingungen seiner Anwendung auf Feuergewehre
betrachten.
Howard's Pulver ist ein Salz, welches aus Queksilberoxyd
und aus einer besonderen Saͤure besteht, die Ein Atom Stikstoff, Ein Atom
Sauerstoff und zwei Atome Kohlenstoff enthaͤlt. Man nennt diese Composition
seit ihrer Bekanntmachung Knallqueksilber (fulminate de Mercure) oder knallsaures Queksilber. Wenn es entweder durch einen Schlag oder Stoß,
oder durch Hize verknallt, wird das Queksilber in Gestalt von Daͤmpfen frei,
so wie auch der Stikstoff, und nach dem kohligen Ruͤkstande, den man auf den
Oberflaͤchen bemerkt, auf welchen man es verknallen oder verpuffen ließ, ist
es hoͤchst wahrscheinlich, daß die Haͤlfte des Kohlenstoffes, welchen
es enthaͤlt, mit dem Sauerstoffe Kohlensaͤure bildet, und daß die
andere Haͤlfte sich absezt oder zerstreut wird. In dieser Voraussezung
gaͤbe Ein Gramm knallsaures Queksilber 0,155 Liter bleibendes Gas bei der
Temperatur des Eispunktes (des schmelzenden Eises) und unter einem Druke von 0,76
Meter.
Dieses Volumen ist aber in dem Augenblike der Explosion um vieles groͤßer,
indem es durch die Hize erweitert und noch mit den Queksilberdaͤmpfen gemengt
ist. Ein Gramm gewoͤhnliches Schießpulver gibt ungefaͤhr ein doppeltes
Volumen elastischer Fluͤssigkeiten.
Die Wiederherstellung des Queksilbers (revivification) im
Dampfzustande waͤre ein großer Nachtheil, wenn das Knallpulver als
Zuͤndkraut in groͤßerer Menge genommen werden muͤßte, als man
dasselbe wirklich braucht; indem der Queksilberdampf uͤbel riecht, und
zugleich der Gesundheit schaͤdlich ist. Die Jaͤger haben zwar
uͤber diesen Nachtheil noch keine Klage erhoben, er ist aber doch immer
vorhanden, und ehe man Knallcompositionen als Zuͤndkraut bei dem
Militaͤrdienste einfuͤhrt, erfordert die Klugheit den Einfluß zu
untersuchen, den sie auf das Moralische des Soldaten in Folge der Nachtheile haben
koͤnnen, die wir so eben andeuteten.
Verknallung des knallsauren Queksilbers durch den Stoß oder
Schlag.
Wir wollen diese Eigenschaft sowohl an dem vollkommen trokenen als sehr nassen
knallsauren Queksilber betrachten.
Trokenes knallsaures Queksilber verknallt sehr leicht durch Stoß oder Schlag von
Eisen auf Eisen; etwas weniger leicht, wenn Eisen auf Stuͤkgut
schlaͤgt oder stoͤßt, und noch weniger leicht, wenn Marmor auf Glas
oder Marmor auf Marmor stoͤßt oder schlaͤgt; es entzuͤndet sich
jedoch unter allen diesen Umstaͤnden ziemlich leicht, so daß man beinahe
sicher ist, daß es bei jedem Schlage oder Stoße los geht. Wenn Eisen auf Blei
stoͤßt, so entzuͤndet es sich nur mit Muͤhe, und wenn es auf
Holz schlaͤgt oder stoͤßt, beinahe gar nicht.
Das knallsaure Queksilber entzuͤndet sich immer sehr leicht durch Reibung,
besonders wenn Holz auf Holz sich reibt; es verknallt weniger leicht, wenn Marmor
auf Marmor und noch weniger wenn Eisen auf Eisen sich reibt, oder gar Eisen auf Holz
oder Marmor. Gepuͤlvertes knallsaures Queksilber verknallt weit schwerer,
zumal durch Reibung, als solches, welches sich im krystallisirten Zustande
befindet.
Wenn es mit 5 p. C. Wasser befeuchtet ist, so verliert es viel von seiner
Entzuͤndbarkeit, es verknallt indessen noch, wenn Eisen auf Eisen
stoͤßt oder schlaͤgt: der Theil, welcher gestoßen oder geschlagen
wird, brennt jedoch fuͤr sich allein und ohne Flamme, ohne die
Entzuͤndung jenem Theile mitzutheilen, welcher nicht gestoßen oder geschlagen
worden ist. Reibung von Holz auf Holz erzeugt eine aͤhnliche Wirkung; allein,
durch Stoß von Marmor auf Marmor entstand bei den Versuchen keine,
Entzuͤndung, auch nicht durch Reibung von Marmor auf Marmor und auf Holz.
Wenn das knallsaure Queksilber von einem heißen Koͤrper entzuͤndet
wird, so schmilzt es eben so langsam, wie gewoͤhnliches Schießpulver, das mit
15 p. C. Wasser befeuchtet wurde.
Wenn das knallsaure Queksilber mit 10 p. C. Wasser gemengt wurde, so
entzuͤndet sich dasselbe noch weit schwerer. Es verschwindet jedoch unter dem
Schlage von Eisen auf Eisen, aber ohne Flamme und ohne Knall: der Theil, welcher den
Schlag empfaͤngt, brennt allein, und wirft den anderen weg. Wenn es mit 30 p.
C. befeuchtet wird, verknallt es zuweilen unter dem Laͤufer (Holz auf Marmor)
waͤhrend der Arbeit: die Verpuffung geschieht jedoch nur theilweise, ohne der
uͤbrigen Masse sich mitzutheilen; der Laͤufer wird bloß unter dem Arme
des Arbeiters gehoben, und es entsteht nie ein Nachtheil. Aus diesen Versuchen geht
nun die Gewißheit hervor, daß, wenn man mit knallsaurem Queksilber zu thun hat,
welches mit Wasser gemengt ist, die Explosionen desselben nicht zu fuͤrchten
sind.Bei den neuen Anordnungen, die man in der Zuͤndkrautfabrik (Fabriques
d'amorces) in der Ebene von Ivry bei Paris seit
der lezten Explosion getroffen hat, durch welche dieselbe gaͤnzlich
zerstoͤrt wurde, hat man daselbst mehr als 2 Millionen Kapseln ohne
irgend einen anderen Schaden verfertigt, als daß ein Marmor unter dem
Laͤufer brach, wie oben angedeutet wurde. A. d. O.
Wirkung der Explosion des knallsauren Queksilbers. Es ist
eine Eigenheit aller hoͤchst entzuͤndbarer Pulver, daß sie in dem
Augenblike ihrer Entzuͤndung verknallen, selbst dann, wenn man nur sehr
geringe Mengen derselben anwendet, und auf die sie umgebenden Koͤrper wie
eine Triebkraft wirken; die mit einer sehr großen Geschwindigkeit begabt ist. Das
beste gewoͤhnliche Schießpulver ist unendlich weniger schnell
entzuͤndbar, als das knallsaure Queksilber, und besonders das knallsaure
Silber. Es gibt kein Feuergewehr von was immer fuͤr einer Art, das, mit einer
eben so großen Ladung dieser bei, den Knallpulver geladen, als man
gewoͤhnlich Schießpulver in dieselbe ladet, der Wirkung derselben widerstehen
koͤnnte, obschon das Volumen der elastischen Fluͤssigkeiten, die sich
aus jenen entwikeln, kleiner ist als das derjenigen aus dem Schießpulver.Man mag was immer fuͤr eine Menge Knallqueksilber in ein Feuergewehr,
aus irgend einem bekannten Metalle laden, so wird man dasselbe dadurch bald
zerstoͤren: denn, waͤhrend man die Zuͤndkapseln mit dem
knallsauren Queksilber ladet, das durch gewoͤhnliches Pulver
gemildert wurde, werden die hierzu noͤthigen Griffel, aus
gehaͤrtetem Gußstahle, mit welchen man dieses Zuͤndkraut in
den Grund der Kapseln eindruͤkt, sehr bald durch die mit jedem
Augenblike sich wiederhohlenden Explosionen ganz gefurcht, obschon die bei
denselben sich entwikelnden Gase auf den Seiten des Griffels ganz frei
hinziehen koͤnnen. A. d. O.
30 Gramm knallsaures Queksilber in einer kleinen Schachtel aus Kartenpapier
entzuͤndet auf einem Fasse, dessen Boden nur loker befestigt ist, schlugen
ein rundes Loch in denselben ohne ihn zu zerschmettern, gerade so, wie eine Kugel
eines Vierpfuͤnders dasselbe durchgeschlagen haben wuͤrde. Der Knall
bei der Explosion schien weit starker, als der einer Muskete.
Dieselbe Menge Schießpulvers unter denselben Umstaͤnden entzuͤndet ließ
kaum einiges Geraͤusch vernehmen, zerbrach den Boden nicht, und machte
denselben nicht einmal zittern.
25 Gramm knallsaures Queksilber in freier Luft auf ein auf der Erde befindliches
Brett gelegt zerrissen dasselbe in Stuͤke und schlugen noch uͤberdieß
unter dem Brette ein Loch in die Erde. Dieselbe Menge knallsaures Queksilber in ein
Faß von ungefaͤhr einem Hektoliter ohne Boden gethan zerschlug dasselbe bei
seiner Detonation in Stuͤke.
Eine kleine staͤhlerne Kammer von nur 3 Kubikmillimeter (1 1/2 Kubiklinien)
Hohlraum, deren Waͤnde 3 Millimeter dik waren, wurde oͤfters durch die
Explosion des in derselben enthaltenen Knallqueksilbers zerrissen.
25 Gramm in freier Luft entzuͤndetes Knallqueksilber theilten ihre
Entzuͤndung einer anderen Portion knallsaurem Queksilber mit, die 5 Centimeter (22,9 Linien)
davon entfernt lag; eine zweite Portion desselben, die 12 Centimeter davon entfernt
lag, wurde aber nicht mehr davon angegriffen.
Wenn man auf Papier neben einander oder selbst auf einander einen Strich knallsaures
Queksilber und einen Strich gewoͤhnliches Pulver wie ein Lauffeuer streut,
und das knallsaure Queksilber entzuͤndet, so zerstreut sich das Schießpulver
ohne eine Spur seines Verbrennens auf dem Papiere zuruͤkzulassen, und man
kann es beinahe ganz wieder zusammensammeln. Wenn man aber dafuͤr das
Schießpulver anzuͤndet, so geschieht, sobald die Entzuͤndung das
knallsaure Queksilber erreicht, die Verknallung augenbliklich, und zwar mit solcher
Heftigkeit und Schnelligkeit, daß lezteres noch Zeit genug findet, das
uͤbrige Schießpulver zu zerstreuen, ehe es sich entzuͤnden konnte, und
man wird keine Spur von Entzuͤndung an dem zerstreuten Schießpulver entdeken.
Wenn jedoch das knallsaure Queksilber mit dem Schießpulver, als Mehlpulver, innig
gemengt wird, so brennt die ganze Mischung vollkommen ab.
Dieses Resultat uͤber die Fortpflanzung der Entzuͤndung durch das
knallsaure Queksilber bei so kleinen Entfernungen, in freier Luft, scheint um so
mehr außerordentlich, als diese Fortpflanzung bei den Zuͤndkapseln der
Feuergewehre im Verhaͤltnisse der Menge des knallsauren Queksilbers ohne
Vergleich großer ist, indem sie sich weiter als auf Ein Centimeter (4,588 preuß.
Linien) erstrekt, und der Oberstlieutenant Chateaubrun die Entzuͤndung dem
Pulver in einem Vierundzwanzigpfuͤnder durch die ganze Dike des Metalles
mittelst eines Zuͤndloches von 10 Spizen mit 10 Centigramm knallsaurem
Queksilber mittheilte. Die Resultate, die wir so eben hier angefuͤhrt haben,
sind unbestreitbar, und man wird bald sehen, daß der Anomalie, die sie darzubieten
scheinen, nichts Wesentliches zum Grunde liegt.Unsere Marine hat ein Zuͤndkraut angenommen, welches aus demselben
Pulver bereitet wird und auf das Zuͤndloch der Kanone kommt: dadurch
kommt das Feuer nicht nur in die Patrone durch die ganze Metalldike, sondern
es zerreißt sie, wenn auch das Pergament oder die Huͤlle, aus der man
sie machte, noch so stark ist.A. d. O.
Die Staͤrke des knallsauren Queksilbers ist weit groͤßer als die des
besten Jagdpulvers; es laͤßt sich aber kaum bestimmen, um wie viel sie
groͤßer ist. Man beschraͤnkt sich, um beide zu schaͤzen und mit
einander zu vergleichen, darauf, daß man verschiedene Mengen von knallsaurem
Queksilber und von Schießpulver unter einer hohlen Kupfermasse verknallen ließ,
welche so vorgerichtet war, daß man bemerken konnte, um wie viel sie in die
Hoͤhe getrieben wurde. Man fand, daß unter gleichen Umstaͤnden das
knallsaure Queksilber die Kupfermasse um 15 bis 30 Mal hoͤher hob, als das
Schießpulver.
Die große Schnelligkeit, mit welcher die Explosion des Knallqueksilbers geschieht,
wodurch eine Wirkung entsteht, die derjenigen aͤhnlich ist, welche ein von
einem Feuergewehre abgeschossenes Geschoß hervorbringt, koͤnnte
Knallqueksilber unter einigen Umstaͤnden sehr brauchbar machen; z. V. zum
Einsprengen der Thore mittelst Petarden.
Mischung des knallsauren Queksilbers mit Pulver zu
Zuͤndkraut.
Die als Zuͤndkraut nothwendige Menge knallsauren Queksilbers ist so klein, daß
man sie so zu sagen gar nicht handhaben kann. Man wurde dadurch nothwendig auf die
Idee gebracht, dasselbe mit dem gewoͤhnlichen Schießpulver zu mengen, um die
Masse des Zuͤndkrautes zu vermehren. Indessen ist dieser Vortheil, den man
dadurch erhaͤlt, nicht der wichtigste. Das knallsaure Queksilber theilt seine
Entzuͤndung, wenn es rein ist, nur sehr schwer mit, und in weit geringerer
Entfernung, als wenn es mit Mehlpulver gemengt ist. Dieß ist eine Folge der
Augenbliklichkeit seiner Entzuͤndung. Wenn es allein ist, so haben die
elastischen Fluͤssigkeiten den groͤßten Theil ihres
Waͤrmestoffes verloren, ehe sie zu dem Pulver gelangen, und koͤnnen
dasselbe nicht mehr entzuͤnden; wenn es aber mit Mehlpulver gemengt ist, so
wird dieser noch brennend auf das Schießpulver geworfen, und entzuͤndet
dieses. Auf diese Weise lassen sich wenigstens, wie es uns scheint, die oben
erzaͤhlten Resultate uͤber die Fortpflanzung der Entzuͤndung
des knallsauren Queksilbers erklaͤren.Bei den Mischungsversuchen des knallsauren Queksilbers mit verschiedenen
Stoffen, die man mehr in der Absicht unternahm, das Zuͤndkraut gegen
Feuchtigkeit zu schuͤzen, als um die Mischung selbst
abzuaͤndern, hat man gefunden, daß mehrere derselben auch nur in
geringerer Menge dem knallsauren Queksilber zugesezt, der Explosion dieses
lezteren nachtheilig waren; wie z.B. Oehl, Talg, Harz.A. d. O.
Das beste Verhaͤltniß, in welchem das Knallqueksilber mit dem Pulverstaube zu
Zuͤndkraut in den Zuͤndkapseln gemengt werden kann, ist, dem Gewichte
nach, 10 Theile knallsaures Queksilber auf 6 Theile Mehlpulver. Weniger stark ist
es, wo man auf gleich viel Knallqueksilber 6 Theile Mehlpulver nimmt.
Bei dem mit Wachs geschuͤzten Zuͤndkraute (amorces cirées) muß man weniger Pulverstaub nehmen. Das
gewoͤhnliche kaͤufliche Zuͤndkraut dieser Art hat nur 5 Theile
knallsaures Queksilber, und beiden Zuͤndkapseln, die Hr. Vergnaud fuͤr
die gewoͤhnlichen Musketen im Felde vorschlug, finden sich gar nur 3,3.
Die fuͤr eine Jagdflinte hinreichende Menge knallsauren Queksilbers ist,
0,0166 Gramm; d.h., man kann aus einem Kilogramm, (2,13807 preuß. Pfund) 57,600
Zuͤndkapseln verfertigen. Fuͤr Musketen im Kriege braucht man jedoch
etwas mehr. Bei dem mit Wachs geschuͤzten Zuͤndkraute betraͤgt die
Menge knallsauren Queksilbers 3 Centigramm (1 Centigramm = 0,0125 preuß.
Graͤn), oder ungefaͤhr doppelt so viel als in den
Zuͤndkapseln.
Die Kraft, welche noͤthig ist um knallsaures Queksilber zu entzuͤnden,
nimmt in dem Maße zu, als man mehr Mehlpulver zur Mischung nahm, und als die
Schichte des knallsauren Queksilbers diker liegt. Man kann folglich mehr, oder
minder stark explodirendes Zuͤndkraut verfertigen; z.B. ein
Zuͤndkraut, das sich entzuͤndet, wenn der gespannte Hahn darauf
schlaͤgt, nicht aber wenn der Hahn aus seiner Ruhe darauf faͤllt. Man
hat sich, um diese Kraft zu bemessen, mit Vortheil einer kleinen Ramme bedient, die
man aus verschiedenen Hoͤhen auf die Zuͤndkrautmischung herabfallen
laͤßt; man hat aber zugleich auch die Notwendigkeit einsehen gelernt, zu
gleicher Zeit zu untersuchen, wie weit der entzuͤndete Strahl sich durch das
Zuͤndloch erstreken kann, durch welches er zu dem Pulver gelangt: denn, wie
wir bereits bemerkten, so ist es nicht das reine knallsaure Queksilber, das die
Entzuͤndung am weitesten in die Ferne treibt. Man kann uͤbrigens
Zuͤndkraut von der staͤrksten Explosionskraft anwenden, ohne
fuͤrchten zu duͤrfen, daß es bei dem Hahne in der Ruhe los geht, wenn
man nur zwischen demselben und dem Zuͤndloche eine sehr kleine Entfernung
laͤßt.
Untersuchung des Zuͤndkrautes aus Knallcomposition in
Hinsicht auf den Schmuz, den sie zuruͤk lassen, und auf ihre Wirkung
gegen das Eisen. Das knallsaure Queksilber laͤßt, wie wir bereits
bemerkten, einen kohligen Ruͤkstand auf den Koͤrpern, auf welchen man
es verknallen laͤßt. Dieser Ruͤkstand ist,
verhaͤltnißmaͤßig zu dem Gewichte des knallsauren Queksilbers,
ziemlich groß; er verursacht jedoch keine Ungelegenheit, weil die Menge des
knallsauren Queksilbers, die als Zuͤndkraut gebraucht wird, aͤußerst
klein ist. Es wird uͤberdieß nirgendwo fest zusammenhaͤngend und kann
sich nirgendwo anhaͤufen, ohne in Folge der Detonation selbst wieder
zerstreut zu werden. Er aͤußert uͤberdieß gar keine
zerstoͤrende Kraft auf das Eisen.
Das Zuͤndkraut hingegen aus Knallqueksilber, so wie man dasselbe wirklich
anwendet, naͤmlich als eine Mischung von Knallqueksilber und Pulverstaub,
verhaͤlt sich auf eine verschiedene Weise. Wenn man den Schmuz den sie
erzeugen, nach der Zahl des sogenannten Versagens beurtheilen wollte, was
uͤbrigens eine sehr genaue Methode ist, um die Nachtheile desselben
gehoͤrig zu beurtheilen, so koͤnnte man denselben als gar nicht
vorhanden, als Null, betrachten; denn, nach den Versuchen, die wir weiter unten
anfuͤhren werden, versagte das Gewehr unter hundert Schuͤssen, die man
nach einander abfeuerte, auch nicht ein einziges Mal, weder am Zuͤndloche noch im Lause,
waͤhrend man bei dem gewoͤhnlichen Schießpulver mit den alten
Schloͤssern annehmen muß, daß jeder siebente Schuß versagt.
Um die zerfressende Wirkung des knallsauren Zuͤndkrautes zu beurtheilen, ließ
man auf einem sehr schoͤn polirten Flintenlaufe ungefaͤhr gleiche
Mengen reinen knallsauren Queksilbers und knallsauren Queksilbers mit Mehlpulver
gemengt, chlorsaures Schießpulver und gewoͤhnliches Schießpulver verknallen.
Man benezte auch einen Theil des Laufes mit einer Kochsalzaufloͤsung, und
legte den Lauf sodann zu ebener Erde in einen feuchten Winkel. Nach vierundzwanzig
Stunden untersuchte man die Wirkung, die hierdurch auf das Eisen entstand. Das reine
knallsaure Queksilber ließ einen kohligen Ruͤkstand, der mehr
voluminoͤs zu seyn schien, als jener von dem gewoͤhnlichen
Schießpulver: das Eisen war aber unter demselben ganz unveraͤndert. Das
gewoͤhnliche Schießpulver gab weniger Ruͤkstand, und machte das Eisen
weniger rostig, als knallsaures Queksilber mit Pulverstaub gemengt. Die
Salzaufloͤsung und das chlorsaure Schießpulver hat am meisten Rost
erzeugt.
Untersuchung der Vortheile, welche bei den Schlagflinten in
Hinsicht auf Ersparung des Schießpulvers Statt haben. Bei der
gewoͤhnlichen Flinte hat am Zuͤndloche ein Verlust elastischer
Fluͤssigkeiten Statt, welcher bei den Schlagstinten nicht vorhanden ist, und
man hielt es der Muͤhe werth, die Groͤße dieses Verlustes zu
bemessen.
Man nahm zwei gleiche Flinten nach dem Modelle von 1816 fuͤr die Infanterie.
Wir wollen sie durch N. 1 und N. 2. bezeichnen. Man pruͤfte sie nach einander
am Pendel unter einer Ladung von 10 Gramm Musketenpulver bei einer Kugel von 19 auf
das Pfund, die zwischen zwei Lagen von glattem Papiere kam. Der Ruͤkstoß (le recul, das sogenannte Schlagen) war bei beiden
Flinten so ziemlich gleich. Man ließ an der Flinte N. 2. ein Schlagschloß (platine à percussion) anbringen, und suchte die
Menge Pulvers zu bestimmen, welche zur Ladung nothwendig ist, um einen eben so
starken Ruͤkstoß zu erhalten, als die Flinte N. 1. bei einer Ladung von 10
Gramm Pulver (1 Gramm = 1,2315 preuß. Graͤn) und obiger Kugel. Man hat
gefunden, daß 9,14 Gramm hinreichen, und daß man folglich die Pulverladung beinahe
um ein Zehntel vermindern kann, wenn man eine Schlagflinte Statt einer
gewoͤhnlichen Flinte nimmt, ohne daß die Weite des Schusses dabei litte. Das
so eben angegebene Verhaͤltniß bleibt so ziemlich dasselbe, wenn man
staͤrkere Ladungen, als von 10 Gramm nimmt, und gilt genau auch bei einer
Ladung von 12,25 Gramm an
den sogenannten Munitions-Flinten, an welchen nur ungefaͤhr 11 Gramm
in den Lauf gehen.Der Unterschied zwischen den Wirkungen der Schlag- und der
gewoͤhnlichen Flinten mit dem Feuersteine ruͤhrt vielleicht
auch zum Theile von der groͤßeren Schnelligkeit der
Entzuͤndung der Lage her, welche das Zuͤndkraut aus
Knallcomposition veranlaͤßt.A. d. O.
Was die Ersparung des Schießpulvers bei der Ladung von ungefaͤhr 1/10
betrifft, welche durch Einfuͤhrung einer Schlagflinte entsteht, so muß man
noch die Ersparung des Zuͤndkrautes bei der gewoͤhnlichen Flinte dazu
rechnen, dessen Gewicht, wenn man die Pfanne voll schuͤttet, im Durchschnitte
1,1 Gramm betraͤgt, und dann auch noch das, was auf das Versagen oder
Abbrennen kommt, was gewoͤhnlich unter sieben Schuͤssen ein Mal
geschieht. Wenn man diese verschiedene Mengen zusammen addirt, so erhaͤlt man
eine Ersparung von 2,276 Gramm auf Einen Schuß mit einer Ladung von 12,25 Gramm,
oder von 2,276 Kilogramm auf 1000 Schuͤsse, oder in Geld von 6 Frank. 26
Cent., wenn das Kilogramm Pulver 2 Frank. 75 Cent. gilt. Diese Ersparung wird zwar
zum Theile durch die Kosten des Knallzuͤndkrautes aufgewogen, welches, in
Kapseln, 3 1/2, Franken an 1000 Kapseln betraͤgt. Wenn man aber diese lezte
Summe von 6 Frank. 26 Cent. abzieht, so bleibt noch immer eine Ersparung von 2
Frank. 76 Cent. an 1000 Schuͤssen. Wir fuͤhren uͤbrigens diese
Rechnung nur deßwegen hier an, um zu zeigen, daß, in Hinsicht auf Ersparung, die
Anwendung des Zuͤndkrautes mehr vorteilhaft, als laͤstig ist.
Versagen oder Abbrennen bei den Schlagflinten.
Um die Wirkung des Knallzuͤndkrautes genauer wuͤrdigen zu
koͤnnen, versuchte man sich unter solche Umstaͤnde zu versezen, wie
sie im Kriege Statt haben, und nahm zu den Versuchen ein etwas verdorbenes
Schießpulver, das schlecht ausgestaubt war. Das Gewehr wurde mit einer Kugel und mit
der gewoͤhnlichen Pulverladung geladen, und das Knallzuͤndkraut war
eine Kapsel.
Bei einem Zuͤndloche von 1,1 Millimeter Durchmesser fing der Lauf bei dem
53sten Schusse an zu versagen, und vom 55sten zum 60sten Schusse brauchte man an 6
Kapseln, ohne daß man das Zuͤndloch frei machen konnte, ehe der Schuß los
ging.
Als man ein Zuͤndloch von 1,85 Millimeter nahm, hatte unter 100
Schuͤssen kein Versagen mehr Statt, und zwar unter mehreren Reihen von
Versuchen. Nach der lezten Reihe von Versuchen puzte man das Gewehr nicht mehr, und
fing am folgenden Tage wieder an zu Schießen. Es versagte der 1ste, 2te, 3te, 4te,
5te, 6te, 7te, 16te, 42ste Schuß; dann fielen aber die Schuͤsse ohne alles
Versagen fort bis zum hundertsten. Offenbar ruͤhrte dieß von dem Schmuze her, der sich Tages
vorher in dem Zuͤndloche ansezte und durch die Feuchtigkeit
aufgeblaͤht wurde, die derselbe anzog. Es ist merkwuͤrdig, daß bei
allen diesen Versuchen das Zuͤndkraut selbst auch nicht ein einziges Mal
versagte.
Eben diese Versuche wurden auch mit dem durch Wachs geschuͤzten
Zuͤndkraute des Hrn. Vergnaud angestellt. Man
bediente sich auch der Flinte des Hrn. Vergnaud, an welcher man jedoch das Schloß
gehoͤrig abgeaͤndert hatte. Wenn die Temperatur der Luft sehr
erhoͤht war, so fanden sich mehrere Schwierigkeiten an diesem mit Wachs
geschuͤzten Zuͤndkraute; es wurde weich, kluͤmperte sich bei
leichtem Druke zusammen, und verlor seine Form. Bei einem Zuͤndloche von 1,1
Millimeter versagte es, bei hoher Temperatur, haͤufiger als die Kapseln;
oͤfters schon bei dem 20sten Schusse: anhaltend wurde das Versagen jedoch,
wie bei den Kapseln, erst gegen den 60sten Schuß. Bei einem Zuͤndloche von
1,85 Millimeter Durchmesser gab es unter 100 Schuͤssen kein Versagen; allein
das Auswerfen fing dann an so bedeutend zu werden, daß man sich eines Augenschirmes
bedienen mußte. Das Zuͤndkraut selbst hat einige Male versagt, was eben so
von der Natur desselben, als von der Form des Schlosses herruͤhren kann.
Es ist hier nicht der Ort, das Schloß fuͤr Zuͤndkraut, das mit Wachs
geschuͤzt ist, mit jenem fuͤr die Kapseln zu vergleichen: wir
beschraͤnken uns bloß auf die Bemerkung, daß lezteres weniger genau
gearbeitet seyn darf, als ersteres; daß sein Hammer oder Hahn in senkrechter
Richtung mit groͤßerer Sicherheit auf das Zuͤndloch schlagen wird; daß
er dann weniger Kraft brauchen wird, um das Zuͤndkraut zu entzuͤnden,
und daß das Auswerfen dann weniger bedeutend seyn wird.
Der Vortheil, daß hier kein Versagen Statt hat, beschraͤnkt sich nicht auf
eine Ersparung an Schießpulver als Zuͤndkraut von 1 Mal unter 7 Mal; man muß
bedenken, daß die Menge Schießpulvers, die der Soldat als Zuͤndkraut
aufschuͤttet, entweder aus Versehen oder absichtlich, wie er es
oͤfters thut, um den Ruͤkstoß, das Schlagen seines Gewehres zu
vermindern, weit groͤßer ist, als man dieselbe hier angenommen hat. Allein,
abgesehen von dieser Ersparung, die vielleicht unbedeutend scheinen koͤnnte,
hat der Umstand, daß das Gewehr hier nie versagt, den nicht zu berechnenden
Vortheil, daß der Soldat dadurch mehr Muth, mehr Vertrauen auf sein Gewehr
erhaͤlt, indem er die volle Sicherheit hat, daß seine Flinte ihn nie im
Angesichte des Feindes und im Augenblike der Gefahr im Stiche lassen wird.
Man koͤnnte glauben, daß man das Versagen nur dadurch gaͤnzlich
vermeiden kann, daß man dem Zuͤndloche einen zu großen Durchmesser gibt, und folglich die
Schußweite dadurch vermindert; allein, die Erfahrung hat uns gelehrt, daß der
Ruͤkstoß der Probe- oder Pendelflinte genau derselbe ist, der Canal
des Zuͤndloches mag 1,85 Millimeter oder 1,10 Millimeter im Durchmesser
haben. Dieses Resultat wird Niemanden befremden, wenn man bedenkt, daß das
Zuͤndloch geschlossen bleibt, nachdem der Hammer oder der Hahn auf dasselbe
geschlagen hat. Es waͤre selbst moͤglich, dem Zuͤndloche noch
einen groͤßeren Durchmesser zu geben, wenn man dem Hammer eine
hinlaͤngliche Starke geben wollte, um der Kraft der elastischen
Fluͤssigkeiten Widerstand zu leisten, die durch das Zuͤndloch zu
entweichen suchen.
Wir haben uns uͤbrigens uͤberzeugt, daß, selbst bei der gemeinen
Flinte, ein Unterschied zwischen 1 und 2 Millimeter im Durchmesser des
Zuͤndloches keine bedeutende Verminderung in der Schußweite erzeugt. Folgende
Tabelle liefert die hieruͤber erhaltenen Resultate:
Durchmesser
des Zuͤndloches:
Ladung des Pulvers fuͤr jeden
correspondirenden Durchmesser, Zuͤndloches: um denselben
Ruͤkstoß an der Pendelflinte zu erhalten:
0,90 Millim.
10,00 Gramm.
1,66 –
10,00
–
2,76 –
10,39
–
3,48 –
10,72
–
Verfertigung des knallsauren Queksilbers. Man bereitet
dieses Pulver aus Queksilber, aus Salpetersaͤure von 38 bis 40° an Beaume's Araͤometer; und aus Alkohol von 85 bis 88
Centesimalgrad. Verschiedene Versuche im Kleinen haben uns gelehrt, daß das
Verhaͤltniß, welches Howard gefunden hat, das
beste ist, naͤmlich: 1 Theil Queksilber, 12 Theile Salpetersaͤure und
11 Theile Alkohol. Ein Kilogramm Queksilber gibt 174 Kilogramm reines knallsaures
Queksilber, und diese Menge reicht zu 40,000 Zuͤndkapseln fuͤr
Feldflinten hin.
Da das knallsaure Queksilber, so wie man es bereitet, aus kleinen Krystallen besteht,
so faͤngt man damit an, dasselbe mittelst eines hoͤlzernen
Laͤufers auf einer Marmorplatte zu zerreiben, nachdem man es
vorlaͤufig mit 30 p. C. Wasser befeuchtet hat. Man sezt hierauf 6 Theile
gewoͤhnliches Schießpulver auf 10 Theile knallsaures Queksilber zu, und
faͤhrt mit dem Reiben fort. Man erhaͤlt auf diese Weise einen festen
Teig, der, an der Luft gehoͤrig ausgetroknet, gekoͤrnt wird, wo dann
jedes Koͤrnchen das verlangte Zuͤndkraut ist.
Wenn auch das knallsaure Queksilber durchaus keine Gefahr veranlaͤßt so lang
es naß ist, so ist es doch sehr gefaͤhrlich, sobald es troken ist, und muß
dann nur mit der groͤßten Vorsicht behandelt werden. Man kann indessen auch
die Behandlung desselben in diesem gefaͤhrlichen Zustande gaͤnzlich umgehen;
und da die Fabrikation des Knallzuͤndkrautes immer nur in sehr kleinen
Quantitaͤten geschieht, da man die Arbeit sehr vertheilen kann, und
hoͤchst vollkommene Verfahrungsweisen bei derselben besizt; so nehmen wir
keinen Anstand zu erklaͤren, daß diese Fabrikation keiner Schwierigkeit
unterliegt, und um nichts gefaͤhrlicher ist, als die Schießpulvererzeugung
selbst auf den Pulvermuͤhlen der Regierung. Eine Explosion wuͤrde bei
der geringen Menge von Masse, die auf ein Mal verarbeitet wird, fuͤr die
Menschen und die Gebaͤude weniger nachtheilige Folgen haben, als bei einer
Pulvermuͤhle.
Verschiedene Arten von Knallzuͤndkraut, welche bis jezt
angewendet wurden.
Man hat 1) Knallpulver in Koͤrnern angewendet (en
grains); 2) in kleinen Kuchen, in Blei oder Papier gehuͤllt (en pastilles); 3) in uͤberfirnißten
Koͤrnern (en grains vernis); 4) mit Wachs
geschuͤzt (amorces cirées); 5) in Kapseln
(amorces à capsule); 6) in Roͤhren
(en tube).
Die erste Art in Koͤrnern ist sehr gefaͤhrlich; denn durch die
Explosion eines einzigen Koͤrnchens explodirt die ganze Masse. Sie ist heute
zu Tage nicht mehr gebraͤuchlich. Die uͤbrigen Arten haben nicht
denselben Nachtheil; da sie aber alle eine Huͤlle haben, und da die mit Wachs
geschuͤzten und in Kapseln beinahe die einzigen gebraͤuchlichen sind,
so werden wir nur bei diesen lezteren stehen bleiben.
Die mit Wachs geschuͤzten wurden von den Jaͤgern bereits gebraucht, als
Hr. Vergnaud sie fuͤr die Infanterie empfahl. In
jedem solchen Zuͤndkraute sind 3 Centigramm knallsaures Queksilber und 1
Centigramm Mehlpulver aus Kanonenpulver enthalten, welche in eine mit der Hand
angelegte Wachsdeke gehuͤllt werden. Diese Huͤlle schuͤzt sie
sehr gut gegen die Einwirkung der Feuchtigkeit und gegen gleichzeitige
Entzuͤndung. Sie legen sich auch sehr gut in die Pfanne, und lassen sich sehr
gut und ohne Gefahr transportiren, nur muͤssen sie gegen Sonnenhize und gegen
Alles geschuͤzt werden, wodurch sie sich zusammenballen koͤnnten.
Sie haben aber den Nachtheil, daß sie stark auswerfen (cracher), und mehr Rauch und Geruch geben, als das Zuͤndkraut in
Kapseln. Man kauft sie heute zu Tage das Tausend um 6,75 Franken bis 7 Franken.
Die Zuͤndkapseln werden heute zu Tage am haͤufigsten gebraucht und
machen wenigstens 99/100 des Gesammtverbrauches des Knallzuͤndkrautes aus.
Fuͤr Jagdflinten haͤlt jede Kapsel 0,017 Gramm knallsaures Queksilber,
und 6 Zehntel dieses Gewichtes Mehlpulver. Diese Kapseln widerstehen der
Feuchtigkeit sehr gut, und entzuͤnden sich selbst noch wenn sie mehrere Stunden
lang in Wasser gelegen sind. Ihre sehr regelmaͤßige und feste Form
laͤßt sie auf das Zuͤndloch mittelst mechanischer Huͤlfe
auflegen, was bei Feldflinten sehr vorteilhaft seyn wird. Bei der Explosion wird die
kupferne Kapsel zerrissen: selten nur zerspringt sie oder wird sie in die
Hoͤhe geworfen: wenn man aber den Kopf des Hammers aushoͤhlt, so wird
das Kupfer immer nur auf die Erde geworfen werden.
Die Kapseln werden mittelst eines Schlagwerkes (au
balancier) verfertigt. Das Zuͤndkraut entzuͤndet sich
zuweilen unter der Arbeit, allein das Feuer theilt sich nur selten den wenigen
uͤbrigen mit, die in der Arbeit sind. Sie lassen sich leicht und ohne Gefahr
transportiren. Das Tausend kostet gegenwaͤrtig im Handel 3, 1/2 Franken. Man
kann in diesem Augenblike nicht sagen, ob das mit Wachs geschuͤzte
Zuͤndkraut oder die Zuͤndkapsel fuͤr den Felddienst den Vorzug
verdient. Man muß Proben, Versuche im Großen anstellen, um diese Frage loͤsen
zu koͤnnen.
Schluß.
Die Erfahrung, die man sich bisher uͤber das Knallzuͤndkraut an
Jagdflinten erworben hat, und der beinahe allgemeine Gebrauch desselben bei diesen
Flinten lassen keinen Zweifel uͤber die Vortheile desselben bei den
Feuergewehren im Kriege. Ihre Anwendung wuͤrde Pulver ersparen, den Schuß
sichern, und dem Soldaten mehr Zutrauen auf sich selbst geben.
Da Schießpulver aus chlorsaurem Kali den Nachtheil hat, die Gewehre sehr zu
beschmuzen und zu verrosten, und folglich das Versagen derselben zu veranlassen, so
muß man das Zuͤndkraut aus knallsaurem Queksilber vorziehen, das keinen
dieser Nachtheile veranlaßt.
Die Fabrikation des knallsauren Queksilbers, obschon nicht ohne Gefahr, hat keine
wirklichen Schwierigkeiten, und die Administration des Schießpulvers waͤre
auf der Stelle im Stande, dieselbe zu unternehmen, und die Regierung mit dem
noͤthigen Bedarfs desselben zu versehen.
Das von Hrn. Vergnaud vorgeschlagene Zuͤndkraut
besteht aus knallsaurem Queksilber, wie das jezt gebraͤuchliche
Zuͤndkraut; es zeichnet sich aber durch seine Wachshuͤlle aus. Die
Zuͤndkapseln scheinen, nach dem beinahe allgemeinen Gebrauche derselben bei
Jagdflinten den Vorzug zu verdienen; die Beduͤrfnisse des Felddienstes
koͤnnen aber noch andere Bedingungen nothwendig machen, deren Untersuchung
nicht in unser Gebiet gehoͤrt. Die Erfahrung kann allein hier entscheiden,
welche von beiden den Vorzug verdienen.
Am Schluͤsse dieses Berichtes glauben wir einem Einwurfe vorbeugen zu
muͤssen, den man gegen die Anwendung des Knallzuͤndkrautes bei den
Militaͤr-Feuergewehren machen kann, naͤmlich den, daß wir das
Queksilber aus dem Auslande beziehen, und daß man im Falle eines Krieges, desselben
vielleicht so sehr beraubt werden koͤnnte, daß der Felddienst dadurch auf die
empfindlichste Weise leiden muͤßte.
Um diesen Einwurf auf seinen wahren Werth zuruͤk zu fuͤhren, wird es
hinreichen, zu bemerken, daß man aus Einem Kilogramm (aus 2,13 Pfund preuß. Gewicht)
Queksilber wenigstens 40,000 Stuͤk Zuͤndkraut verfertigen kann; daß
man also aus 100 Kilogramm vier Millionen Stuͤk Zuͤndkraut bereiten
kann, was fuͤr eine Armee von 100,000 Mann hinreichend ist. Es waͤre
demnach leicht zu gehoͤriger Zeit sich mit derjenigen Menge Queksilber zu
versehen, die man zum Felddienste noͤthig hat. Man weiß uͤberdieß aus
Erfahrung, daß waͤhrend der lezten Continentalsperre Frankreich nie an
Queksilber Mangel litt.Frankreich war aber damals fruͤher im Besize der zwei wichtigsten
Queksilberbergwerke: Almada in Spanien und Idria in Krain, die es so leicht
nicht wieder bekommen wird. Es werden sich gegen diese Neuerung im
Felddienste dem erfahrnen Krieger wohl noch einige andere wichtigere
Einwuͤrfe darbieten. Es handelt sich naͤmlich darum, ob man
dem Manne seine oben fuͤr ihn berechneten 40 Stuͤk
Zuͤndkraut auf Einmal geben soll, oder ob man den noͤthigen
Vorrath in Masse bei einander halten und erst zu seiner Zeit vertheilen
soll. Beides hat seine großen Nachtheile, und da die Herren Berichterstatter
bei Menschenmord in Masse das Moralische so sehr zu beruͤksichtigen
beliebten, so fragt es sich, ob dadurch, und vorzuͤglich im lezteren
Falle, die ragusanische Moralitaͤt, die Bourmontiaden etc. nicht noch
mehr genaͤhrt werden duͤrften. Abgesehen von allen
Gefaͤhrlichkeiten und Zufaͤlligkeiten bei der Fabrikation, bei
dem Transporte und bei der Anwendung des Knallzuͤndkrautes in Wachs
oder in Kapseln ist so viel gewiß, daß eine Schlagflinte ohne solches
Zuͤndkraut so gut ist, wie eine gewoͤhnliche Flinte ohne
Feuerstein; daß ferner ein verlorner Feuerstein leichter ersezt werden kann,
als ein verlornes Stuͤk Knallzuͤndkraut etc. etc. Es scheint,
daß, wenn man bei einer Armee das Knallzuͤndkraut einfuͤhren
wollte, man eine solche Vorrichtung an dem Schlosse derselben treffen
muͤßte, daß man die Flinte zugleich als Schlagflinte und als
Feuersteinflinte brauchen koͤnnte; das gegenwaͤrtige Schloß
muͤßte gelassen werden, wie es ist, und an demselben nur die neue
Vorrichtung zum Abfeuern mit Knallzuͤndkraut angebracht werden, so
daß der Mann, dem sein Knallzuͤndkraut ausgeht, sich dann auch noch
seines Feuersteines bedienen kann. Eine solche Vorrichtung ist
moͤglich, ohne daß die Schwere des Gewehres dadurch auf eine
laͤstige Weise vermehrt wird, und sie wird sogar nicht mehr kosten,
als wenn man alle alten Schloͤsser abnimmt, und neue dafuͤr
aufsezt. Indessen scheint es uns nicht, daß die
Militaͤroͤkonomie-Commission bei ihrer lobenswerthen
Sparsamkeit, und bei dem geringen Preise, zu welchem ein Soldat angeschlagen
wird (350 fl. das Stuͤk) zu dieser Vorrichtung, wodurch der Soldat
vielleicht um 2 p. C. theurer kaͤme, ihre Casse oͤffnen
werde.A. d. Ue. Man koͤnnte noch uͤberdieß fuͤr den Augenblik das
Knallqueksilber durch chlorsaures Kali ersezen, ohne den Mechanismus des Schlosses
am Gewehre aͤndern, ohne Knallsilber anwenden zu muͤssen.