Titel: | Ueber die wahre Methode der Bereitung des Sauerteiges zu dem berühmten Debrecziner Weizenbrote. |
Autor: | Georg Karl Rumy |
Fundstelle: | Band 36, Jahrgang 1830, Nr. XCIV., S. 465 |
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XCIV.
Ueber die wahre Methode der Bereitung des
Sauerteiges zu dem beruͤhmten Debrecziner Weizenbrote.Die Redaction hat dem Mitarbeiter, welcher ihr den Artikel uͤber den
Debrecziner Prof. Rumy zugesandt, und dieser hat einige Noten beigeschrieben,
die der gelehrte Hr. Professor nicht unguͤtig aufnehmen wird. Wir haben
im zweiten Aprilhefte unseres Polytechn. Journales S.
114. einen (uns sehr schaͤzbaren) Aufsaz eines ehemaligen
Baͤkermeisters zu Wien uͤber den Debrecziner Sauerteig
mitgetheilt, der unsere fruͤhere Notiz uͤber denselben im Polytechn. Journ. erstes Jaͤnnerheft S. 66. theils bestaͤtigt, theils berichtigt.
Eben dieß ist der Fall mit der gegenwaͤrtigen Mittheilung des gelehrten
Hrn. Professors. Wir glauben, daß man dem Brote, so viel auch der edle
unsterbliche Parmentier fuͤr die Verbesserung
desselben that, noch nicht jene Aufmerksamkeit schenkte, die es, als erster und
vorzuͤglichster Nahrungsartikel aller europaͤischen
Voͤlkerstaͤmme (mit Ausnahme der im hoͤchsten Norden
wohnenden) in so mannigfaltiger Ruͤksicht verdient. Wir scheinen alle
vergessen zu haben, daß Lingnet schon vor 60 Jahren
erwiesen hat, daß Tausende und Tausende jaͤhrlich bloß durch den Genuß
von schlechtem Brote (saurem naͤmlich, nicht gehoͤrig gegohrenem,
nicht gehoͤrig gebakenem, schimmeligem, selbst wenn es aus dem besten
Mehle ist) vor der Zeit dahin sterben Brot ist, nach Luft und Wasser, das erste
und Wichtigste Lebensbeduͤrfniß. Die Herren Schreiber, die mit der
Aufsicht auf das Brot beschaͤftigt sind, bedenken nicht, daß der
Buͤrger und Bauer eben so nothwendig ein gesundes, nahrhaftes Brot haben
muß, wenn er leben, d.h. arbeiten und dafuͤr Steuern bezahlen soll, als
sie ihre muͤrben Brezchen und Wekchen zum
Fruͤhstuͤke, ihre Mundsemmeln zum Mittags- und Abendtische
haben muͤssen, wenn sie leben, d.h.
muͤssig gehen und nichts arbeiten sollen. Ihre Aufsicht
beschraͤnkt sich hoͤchstens auf den unseligen Brotsaz: sie
bestimmen, zum Nachtheile des Publikums und des Baͤkers zugleich, die
Quantitaͤt, nicht aber die Qualitaͤt. Das Militaͤr ist
beinahe der einzige Stand eines jeden Landes, in welchem (weil beinahe allein in
diesem Stande strenge und puͤnktliche Ordnung ist, und Maͤnner,
keine Federnfuchser, die Aufsicht in demselben fuͤhren) fuͤr gutes
und gesundes Brot gesorgt wird Selbst in diesem ehrenwerthen Stande
koͤnnte das Brot noch besser und gesuͤnder und wohlfeiler seyn,
wenn nicht die Schreiberzunft, unter welcher leider auch die
Volksbildungsanstalten, die Unterrichtsanstalten stehen, die physischen und
mathematischen Wissenschaften absichtlich unterdruͤkte, damit ihr Geld
zur Maͤstung der Lehrer der Leute ihrer Kaste uͤbrig bleibt.A. d. R.
Eingesendet von Dr. Georg Karl Rumy,
Rumy, uͤber Bereitung des Debrecziner
Sauerteiges.
Professor der ungarischen Rechte und Custos der
Primatial-Bibliothek zu Gran in Ungarn, ehemals Professor der Oekonomie,
Guͤterverwaltungslehre, Technologie, Chemie, Physiologie und
oͤkonomisch-technologischen Naturgeschichte in dem
landwirthschaftlichen Institute Georgikon zu Keßthely in Ungarn.
An den Herausgeber des polytechnischen Journales.
Ew. Wohlgeboren wuͤnschen in Ihrem, auch in meinem Vaterlande nach Verdienst
geschaͤzten, wahrhaft gemeinnuͤzigen polytechnischem Journal, Januar
1830. S. 66., bei Gelegenheit der Mittheilung uͤber die Bereitung des ganz
eigenthuͤmlichen Ferments zu dem beruͤhmten Debrecziner Weizenbrote
aus dem Industriel belge, dem Journal des connaissances usuelles und dem Bulletin
des sciences technologiques (Ihre Mittheilung wurde auch in ungarische
Zeitschriften, namentlich in die Ofner gemeinnuͤzigen Blaͤtter, in die
Ofner Handlungszeitung
fuͤr Ungarn Nr. 15. und in die Pesther Biene Nr. 13., und zwar mit Angabe der Quelle, aufgenommen),
„daß irgend ein achtbarer Buͤrger des ungarischen Athen (fuͤr welches Debreczin mit Recht gilt, denn
es sind und waren an dem dortigen LyceumRichtiger Collegium, denn die Reformirten in
Ungarn und Siebenbuͤrgen nennen ihre Hochschulen, die
fuͤglich mit Akademien und Universitaͤten verglichen
werden koͤnnen, da in ihnen Philosophie, die mathematischen,
physikalischen, historischen, philologischen, theologischen
Wissenschaften, die Politik und die vaterlaͤndischen Rechte
docirt werden, nach dem Beispiel der Englaͤnder, Collegien.R–y. immer ausgezeichnete Gelehrte) eine bessere und
die wahre Methode angeben moͤchte, nach welcher der Sauerteig zu
dem koͤstlichen Debrecziner Brote bereitet wird,“ und
fuͤgen sehr schmeichelhaftOhne alle Schmeichelei, mein Hr. Professor. Der Mitarbeiter, der den Artikel
uͤber Debrecziner Sauerteig in das Jaͤnnerheft einschikte, ist
ein Bayer, ein Alt-Bayer, ein grober Boar, und folglich zu jeder
Schmeichelei von Mutterleib aus unfaͤhig. Wenn der Bayer etwas lobt,
so geht sein Lob von Herzen aus, weil er in diesem das als gut
fuͤhlt, was er lobt: und wenn er etwas tadelt, so spricht er aus
freier Brust und scheuet Niemanden. Da man nun dieß in der feinen Welt grob
seyn nennt, und da es, vorzuͤglich in der feinen Welt, vieles zu
tadeln gibt, so hat der Bayer sich das Epithetum des Groben so allgemein erworben, wie die feinen Griechen das des Falschen: von den goldenen Zeiten der lezteren an
bis auf den heutigen Tag ist graeca fides die
Aufschrift des griechischen Wappenschildes geblieben, und selbst die edleren
unter den alten Griechen, die Zeitgenossen des Aristoteles, sangen laut von
ihren lieben Landsleuten: „ἀει
ψεῦδες,
κακοδαιμονες,
γαζἐρες
ἀργαι.“ Ein Bayer wird nie schmeicheln, aus dem natuͤrlichen Grunde,
weil er es nicht kann, und wahrscheinlich ist es diese Ungeschiklichkeit,
die den Bayer auch bei dem Ungar etwas gelten laͤßt, obschon er ein
foto, Nimeth ist. Wenigstens lernten wir
mehrere edle Magyaren kennen, die den geraden Bayer lieber in ihrer Nahe
haben, als den kriechenden, schleichenden Razen. Der Ungar kann auch nicht
kriechen, so wie der Bayer es nicht kann.A d. M. (aber zugleich mit vollem Rechte) fuͤr mein Vaterland und meine
Landsleute hinzu: „die europaͤische Industrie koͤnnte noch
manches aus der ungarischen lernen, die man, so wie das edle ungarische Volk
selbst, in Europa noch zu wenig kennt, und nicht nach voller Wuͤrde zu
schaͤzen weiß.“ (Leider!)Leider machen sich die sonst so sprachlustigen Deutschen, die ganz
kosmopolitisch das Gute, Gemeinnuͤzige, Schoͤne und bewahrte
Neue von jeder Nation, bei der sie es finden, dankbar annehmen und sich
aneignen, mit der magyarischen Sprache (und doch ist diese sonor, wie die
spanische, stark und energisch, wie die deutsche und englische, feierlich,
imponirend und majestaͤtisch, wie die lateinische, anmuthig und
leicht, wie die griechische und franzoͤsische, suͤß im Gesang,
wie die italienische) und Literatur nicht vertraut, und doch wuͤrden
sie nicht nur in der lyrischen, epischen und dramatischen Poesie der
Magyaren zur Uebertragung in's Deutsche so viel werthvolle Ausbeute finden,
als in der spanischen,Alle Achtung vor der Literatur der Spanier im Osten von Europa (wir
meinen naͤmlich hier die Magyar
Ember. die so viele, viele Aehnlichkeit mit den Spaniern
besizen, und die, wie diese, Jahrhunderte lang mit und unter den
Orientalen lebten); indessen wird uns der Hr. Professor erlauben,
daß die spanische Literatur der ungarischen weit voraus steht nicht
bloß in Anciennitaͤt, sondern auch im Umfange und in der
Masse, wenn wir ihm auch gern zugeben, daß, in Hinsicht auf Gehalt,
viele, sehr viel, Werke ungarischer Gelehrten und Dichter mit den
besten Werken der spanischen Literatur auf der Goldwage der Kritik
gewogen gleich schwer wie, gen. Das heutige Europa kennt das alte
Spanien, seine Literatur, seinen Einfluß auf die heutige Bildung
aller Laͤnder Europens zu wenig; es hat vergessen, daß
Deutschland sammt den Niederlanden und Italien einst spanische
Provinzen waren; es hat vergessen, daß Spanien, welches die Araber
so weise und so gluͤklich Jahrhunderte lang beherrschten,
deren Kalifen alle Schaͤze des klassischen Alterthumes, der
Griechen wie der Lateiner, in ihren Bibliotheken, freilich nur in
arabischen Uebersezungen, sammeln ließen,*) im Lichtglanze aller
Wissenschaften und Kuͤnste strahlte,
waͤhrend ganz Europa noch in gothischer und roͤmischer
Finsterniß begraben lag; daß die Fuͤrsten, die Koͤnige
und Kaiser, die Paͤpste selbst, ihre Leibaͤrzte
(meistens arabische Juden) aus Spanien kommen ließen, da alle ihre
Moͤnchskloͤster sammt der Scola
Salernitana ihnen nur Leute lieferten, die wohl fuͤr
das Heil ihrer Seele, aber nicht fuͤr das ihres
Koͤrpers zu sorgen wußten; daß eben diese Fuͤrsten
etc. ihre Baumeister, ihre Geometer, ihre Astronomen, ihre Juweliere
und Goldarbeiter, ihre Waffenschmiede, Faͤrber, Gerber etc.
aus Spanien von den Mauren kommen ließen; daß, als die armen,
hochgebildeten Saracenen und Mauren nach und nach der ungeheueren
Masse der brutalen Menge, die, raubbegierig, uͤber sie
herfiel, weichen mußten,„Mauria capta ferum victorem
cepit
et artes*
)
Intulit agresti
Europae;“daß, ferner, Italien, aus welchem so viele
glauben, daß das Licht der Welt ausgegangen sey, weil es die ersten
Universitaͤten hatte, seinen literarischen Impuls durch die
spanischen Paͤpste,
Cardinaͤle, Juris Consulti etc.
erhielt (man sehe wie dankbar die heutigen Gelehrten Italiens in der
Biblioteca italiana bei jeder
Gelegenheit auf Spanien, als die Wiege ihrer Cultur, uns Undankbare
hinweisen, denen Alles, was wir vergessen haben oder noch nicht
kennen, spanisch vorkommt); daß kein Fach
des menschlichen Wissens, vor der sogenannten Restauration der
Wissenschaften, in der Literargeschichte vorkommt, in welcher nicht
der Name eines spanischen Mauren oder Christen oben an
stuͤnde; daß Spanien, bis zur Einfuͤhrung der
Jesuiten, auch als ganz christliches Spanien, noch immer Koryphaͤen in jedem Fache des
menschlichen Wissens hatte, und selbst in den schoͤnen
Kuͤnsten (die spanische Schule in der Malerei); daß
die heutige Taktik in allen ihren Zweigen spanischen Ursprunges ist,
und Spuren der Regierung Karls V. sich noch heute zu Tage in den
Werkstaͤtten der Schuster so gut, als auf der Lehrkanzeln der
Universitaͤten in Valsalva und der hochnothpeinlichen
Halsgerichtsordnung, und selbst in der Etiquette aller Hoͤfe
finden: denn das Wort Etiquèta
selbst ist spanischen Ursprunges, (und es ist uͤberhaupt in
der ganzen Welt wirklich mehr spanisch, als auch demjenigen spanisch
vorkommt, der nicht uͤberall spanische Schloͤsser
siebt); daß der alte, selbst den Roͤmern furchtbare, große,
erhabene spanische Geist selbst noch unter den ausgearteten
Nachkommen Karls in den Fesseln der Jesuiten, fortstrebte
unaufhaltbar zu Allem Schoͤnen und Großen; daß, selbst
nachdem die Bourbons den legitimen Thronerben Spaniens zugleich mit
der alten spanischen Sitte und mit dem alten spanischen
Geiste- auf eine gute Art, wie es in der bourbonischen
Sprache heißt- aus der Welt zu schaffen wußten, in den
neuesten Zeiten noch Spanier uͤbrig blieben, die, fuͤr
ihr Vaterland, dem großen Manne gegen uͤber im Kampfe zu
sterben, und was noch mehr ist, dem kleinsten Manne der Halbinsel
gegenuͤber, auf jenem Eylande, das sie retten halfen, vor
Hunger zu verschmachten wissen. Matthias Corvinus hatte allerdings
einige Jahrzehende fruͤher als Karl V. Europa mit dem Glanze
seiner unsterblichen Groͤße erleuchtet, und die undankbare
Nachwelt hat zu fruͤhe vergessen, wie viel sie ihm an ihrer
heutigen Bildung schuldet: allein, das Schiksal, das das Leben eines
leuchtenden Johanniswuͤrmchens mit derselben
Gleichguͤltigkeit zu beherrschen scheint, mit welcher es
uͤber die Leuchtsterne der Menschheit waltet, ließ den Stern
des Hunyader nicht so lang in der Nacht der Nachwelt leuchten, als
jenen Karls. Geschichte, Erdbeschreibung, Statistik ist in der
spanischen Literatur mehr bearbeitet, als man glaubt; selbst
Naturgeschichte, Physik, Oekonomie, Technologie und besonders
angewandte Mathematik in allen Theilen: der Hr. Professor beliebe
nur die Ocios espagnoles. die die armen
exitirten Spanier zu London herausgeben, und die jeder
Menschenfreund sich halten sollte, um das Elend dieser
ungluͤklichen hochverdienten Maͤnner lindern zu
helfen, nachzusehen, und er wird sich von der Wahrheit unserer
Bemerkungen uͤberzeugen. Spanien wuͤrde durch Sennor
Don Lagasca eine Flora erhalten haben,
wie kein anderes Land eine aufzuweisen haͤtte; er schmachtet
jezt zu London mit hundert anderen eben so geistreichen
Maͤnnern, wie er selbst ist.Allerdings hat Hr. Prof. Rumy sehr Recht, wenn er den Deutschen, ungeachtet
ihrer „Sprachlustigkeit,“ die er billig
anerkennt, vorwirft, das; sie die ungarische Sprache und Literatur
zu sehr vernachlaͤssigen; sie wuͤrde ihnen viele
Belehrung und hohen Genuß verschaffen. Der junge Mann, der
orientalische Sprachen erlernen will, wuͤrde in Erlernung der
ungarischen eine Vorschule, eine wahre Propaͤdeutik zu
denselben finden; denn das Schema der Magyaren-Sprache ist
beinahe ganz orientalisch. Er haͤtte ferner den Vortheil, daß
er sich mir einem hoͤchst edlen Volke, das jeder Ehrenmann
hochachten, jeder gute Mensch lieben muß wegen der Vortrefflichkeit
seines Charakters, muͤndlich unterhalten koͤnnte, wenn
sein Schiksal ihm das Gluͤk zugedacht hat unter dasselbe zu
kommen. Allein, so sprachlustig wir Deutsche auch sind, und so
sprechlustig noch weit mehrere unter uns sind, so
vernachlaͤssigen wir doch auf eine straͤfliche Weise
die Erlernung der Sprachen unserer naͤchsten Nachbarn, und
berauben uns muthwillig der nicht zu berechnenden Vortheile, die wir
davon haben wuͤrden, wenn wir mit unseren lieben guten
Nachbarn sprechen koͤnnten. Wir entwuͤrdigen uns
selbst. Wenn der Ungar aus einem guten Hause nach Wien in ein gutes
Haus kommt, so sprich: er so gut deutsch, wie der Wiener, so gut wie
dieser, franzoͤsisch, italiaͤnisch, englisch, und, mit
Erlaubniß der sehr ehrenwerthen Wiener, er spricht alle diese
Sprachen noch besser, reiner, wie sie. Seine vieltoͤnige
Sprache hat seine Zunge gebrochen, und er articulirt alle
Doppellauter und Mitlauter der Auslaͤnder mit einer Reinheit
und Praͤcision, die dem Londoner und Pariser Bewunderung
abnoͤthigt. Nirgendwo in der Welt, selbst nicht zu Meißen und
Dresden, wird die deutsche Sprache so rein und schoͤn
gesprochen, als dort, wo man es am wenigsten vermuthen sollte, dicht
an der tuͤrkischen Grenze, in Siebenbuͤrgen: der
Siebenbuͤrger, der immer auch ungarisch und walachisch
spricht, hat seine Zunge brechen gelernt, und articulirt jeden
Buchstaben genau. Wir wollen nun fragen: wer ist der Gebildeter: der
Ungar und Siebenbuͤrger. der alle die Sprachen spricht,
welche der Wiener spricht, und der sie sogar noch besser spricht,
der noch uͤberdieß sein schoͤnes Ungarisch als
Muttersprache spricht, und vielleicht auch noch slavisch, und durch
diese leztere Sprache auch alle Werke der Polen und Russen
benuͤzen kann; oder der Wiener, der sein
Wiener-Deutsch, sein Wiener-Franzoͤsisch etc.
spricht, und seinen lieben Nachbar, der nur 7 Stunden weit von ihm
wohnt, nicht versteht? Der gebildete Ungar liest Alles, was alle
Deutsche von der Zeit an, als sie Deutsch schreiben lernten, bis
jezt geschrieben haben; warum soll fuͤr seinen deutschen
Nachbar der Schaz der Kenntnisse, den die ungarische Nation sich
seit den Jahrhunderten, in welchen sie mit so vieler Ehre bestand,
erworben hat, warum sollen die Ideen der geistreichen
Maͤnner, die Bilder der Genies dieser Nation fuͤr ihn
unzugaͤngig und verloren seyn? Es waͤre sehr zu
wuͤnschen, daß die Erziehung der Deutschen (wenigstens in
Oesterreich) der Erziehung der Ungarn gleich gestellt wuͤrde,
und daß, so wie der Ungar Deutsch lernt, so der Deutsche Ungarisch
lernte. Wert groͤßer vielleicht, als in literarischer
Hinsicht, waͤre der Nuzen fuͤr das buͤrgerliche
Leben. Der deutsche Geschaͤftsmann, der Geschaͤfte in
Ungarn hat, wird dieselben mit weit groͤßerem Vortheile
betreiben, wenn er ungarisch kann, als wenn er sich eines
Dragomanen, eines Dolmetschers bedienen muß, und Ungarn hat
Schaͤze auf der einen und Beduͤrfnisse auf der anderen
Seite genug, die es der Muͤhe werth machen, in diesem Lande
Geschaͤfte zu treiben. Kaiser Joseph, unsterblichen
Andenkens, befahl, daß, da bei den oͤsterreichischen
Regimentern so viele Boͤhmen und Polen sind, die kein Deutsch
verstehen, jeder Cadett im Cadettenhause, als der Pflanzschule
kuͤnftiger Officiere, boͤhmisch lernen sollte, damit er mit seinem Manne
sprechen koͤnne. Dieß war, so viel wir wissen, der Rath
seines treuen Freundes, des vortrefflichen Boͤhmen, Grafens
Kinsky. Wuͤrde der Kaiser
laͤnger gelebt, und die bloß durch den Clerus gegen ihn
aufgereizten Ungarn endlich besaͤnftigt haben, er
wuͤrde seine Cadetten sicher auch haben ungarisch lernen
lassen, so wie er mit der Idee umging, daß alle seine Beamten
boͤhmisch, polnisch und ungarisch lernen sollten. Er hatte
sich fruͤhe uͤberzeugt, daß es mit dem Germanisiren
der Slaven und Magyaren ewig nicht gelingen wird; die Deutschen, die
unter diese Voͤlker kommen, vergessen ehe ihr Deutsch, als
daß jene von ihnen Deutsch lernen, und die Kinder der Deutschen
verlernen oͤfters schon in der ersten Generation in Polen,
Boͤhmen und Ungarn ihre deutsche Muttersprache, wenn die
Kindsmaͤgde Polinnen, Boͤhminnen oder Ungarinnen sind.
Wenn in den unteren Schulen mehr auf lebende Sprachen, als auf
Griechisch und Latein Ruͤksicht genommen wuͤrde, das
nur fuͤr Gelehrte nothwendig ist, so wuͤrde nicht bloß
mehr Lebendigkeit in das Leben gebracht werden; sondern die
Voͤlker wuͤrden sich auch gegenseitig mehr achten und
lieben lernen. So, wie es gegenwaͤrtig ist, stehen sie sich
wie Stumme einander gegenuͤber, und verstaͤndigen sich
leider nur zu oft durch Stoͤße. Sieht es doch sogar jezt das
unmoͤgliche Ministerium in Frankreich mitten in der Nacht der
Congregation ein, daß es sich mit seinen Nachbarn
verstaͤndigen muͤsse, und befiehlt, daß auf allen
Gymnasien in Frankreich Deutsch und Englisch gelehrt werde!*) Jeder Literator weiß, daß wir manches Buch und manches
Bruchstuͤk eines Buches der griechischen und
roͤmischen classischen Literatur
nur aus Uebersezungen arabischer Handschriften in spanischen
Bibliotheken kennen gelernt haben; jeder Literator weiß, daß
Tausende und Tausende arabischer Handschriften in den Bibliotheken
der Staͤdte, Universitaͤten und Kloͤster
Spaniens vergraben liegen, und mit jeder Stunde mehr und mehr von
Motten und Moder zerfressen werden (wie viel enthaͤlt nicht
das Escurial allein von diesen Schaͤzen!); jeder Mensch, der
sich um die Fortschritte des menschlichen Geistes kuͤmmert,
weiß, daß Hundert-Tausende arabischer Manuscripte in Spanien
bei und nach Vertreibung der Araber (Saracenen, Mauren) verbrannt
wurden, und das; man heute zu Tage noch, wie zur Zeit der
Einfuͤhrung der Inquisition, in Spanien alles ehe
erhaͤlt, als Zutritt zu diesen „Werken des Teufels
und der Hoͤlle!“ („obras del xefe de los Demonios y dei
infierno.“)A. d. M.*) Diese Artes waren allerdings nicht die
beaux arts et belles lettres, die
schoͤnen Kuͤnste, auf
welche der Araber, wie der Ungar, nicht den hoͤchsten Werth
legt: denn dem Araber, wie dem Ungar, ist nichts schoͤn, was
nicht wahr ist („rien n'est beau
que le vrai, le vrai seul est aimable“); es
waren aber die nuͤzlichen Kuͤnste und Wissenschaften
die Landwirthschaft in allen ihren Zweigen; die Mathematik, reine
und angewandte, in ihren feinsten Zeraͤstlungen; Physik,
Chemie, und die auf alle diese sich gruͤndende
Technologie.A. d. M. sondern auch vorzuͤglich im Fache der Geschichte,
Erdbeschreibung, Statistik Ungarns und dessen
Nebenlaͤnder, in der Naturgeschichte, Physik, Oekonomie, Technologie,
angewandten Mathematik (besonders Mechanik, Architectur, Hydraulik und
Hydrotechnik), Medicin, Philologie, Jurisprudenz und Staatswissenschaften,
ja selbst in der Theorie der schoͤnen Kuͤnste, in der
Philosophie und Theologie viel Neues lernen koͤnnen (in jedem Fall
mehr als aus der spanischen und portugiesischen Literatur in diesen
Faͤchern). Mehr Gerechtigkeit lassen der magyarischen Sprache und
Literatur jezt die Englaͤnder
wiederfahren, wie man aus dem neuen trefflichen Werk von John Bowring in
London „Poetry of the Magyars, preceded by
a sketch of the language and literature of Hungary and Transylvania.
By John Bowring. London 1830“ (es ist dem kais.
oͤsterreichischen Gesandten am großbritannischen Hofe, dem
Fuͤrsten Paul Eszterházy gewidmet, und unter den vielen
angesehenen Praͤnumeranten in England findet man auch die Namen der
englischen beruͤhmten Dichter Thomas Moore und Walter Scott) ersehen
kann. Auch die Franzosen benuzen bereits die magyarischen Zeitschriften
fuͤr ihre Journale, was die Deutschen noch nicht thun. Der
erwaͤhnte Englaͤnder John Bowring wurde auf den Werth der
magyarischen Literatur durch die Uebersezung einiger magyarischen lyrischen
Gedichte, die ihm vor einigen Jahren in die Haͤnde fielen,
aufmerksam, und beschloß die magyarische Sprache zu lernen und sich mit der
magyarischen Dichtkunst vertraut zu machen. Er wandte sich an einen
gelehrten Freund in Wien (den kais. Bibliotheks-Custos Kopitar), ihm
Jemanden anzurathen, durch den er die literarischen Huͤlfsmittel
erhalten koͤnnte. Dieser verwies ihn an mich. Ich verschaffte ihm nun
vor drei Jahren magyarische Grammatiken, Woͤrterbuͤcher, die
Werke der vorzuͤglichsten magyarischen Dichter u.s.w., und die Frucht
seines Studiums der magyarischen Sprache und Literatur ist jenes Werk.R–y. – Ich hoffte bisher, daß einer der Buͤrger dieses „ungarischen
Athens“
Erlauben Sie, daß ich en passant, sine ira et
studio, bemerke, daß das Praͤdicat
„ungarisches Athen“ fuͤr die gute Stadt
Debreczin nicht recht paßt. Abgesehen davon, daß die in einer beinahe
wasserlosen Ebene liegende offene Stadt Debreczin mit dem alten und heutigen
Athen, das eine auf einer Anhoͤhe liegende Burg (die Akropolis)
und einen beruͤhmten Hafen hat, an und fuͤr sich nicht
verglichen werden kann, so kann Debreczin selbst wegen seines
bluͤhenden reformirten Collegiums, das allerdings seit jeher
gruͤndliche Gelehrte und Schriftsteller unter seinen Professoren
zahlte, nicht fuͤglich das ungarische Athen genannt werden, weil
unter den Einwohnern von Debreczin die Geistescultur und der
aͤsthetische Kunstgeschmak nicht so allgemein verbreitet ist, wie
unter den alten Athenern. Aus demselben Grunde koͤnnte manDer Mitarbeiter, der Debreczin das „ungarische
Athen“ nannte, wußte sehr wohl, daß Debreczin auf
einer ungeheueren Puszta liegt, kein Wasser hat, und keine Akropolis
besizt, sondern ein großer offener Ort ist. Er nannte Debreczin nur
in der Hinsicht das „ungarische Athen,“ weil
daselbst die Wissenschaften seit Errichtung des dortigen reformirten
Collegiums mit einem Eifer und einer Thaͤtigkeit betrieben
wurden, wie es an anderen Lehranstalten Ungarns nicht immer der Fall
war, und weil er (obgleich Auslaͤnder) sehr wohl weiß, daß
viele der ausgezeichnetesten Gelehrten Ungarn's fruͤherer und
neuerer Zeiten aus dieser achtbaren Lehranstalt hervortraten;
wenigstens ausgezeichnetere, als aus der ehemaligen
Jesuiten-Universitaͤt zu Tyrnau, wo der unsterbliche
Wintert beinahe lebendig verbrannt worden waͤre, wenn Joseph
ihn nicht gerettet und sammt dem besseren Theile dieser
beklagenswerthen Universitaͤt nach Pesth versezt
haͤtte.
Goͤttingen und Jena, troz ihrer beruͤhmten Universitaͤten, nicht
ein „deutsches Athen“ nennen, weil auch in diesen
Staͤdten die geistige Bildung und der aͤsthetische Geschmak
nicht unter der gesammten Bevoͤlkerung hinlaͤnglich verbreitet
ist (ich spreche aus Erfahrung, in der Voraussezung, daß seit 1803 in der
Philisterwelt dieser zwei Universitaͤtsstaͤdte keim große
Veraͤnderung in's Bessere vor sich ging –), wohl aber hat man
das schoͤne, ehrende Praͤdicat „deutsches
Athen“ mit mehr Recht der saͤchsischen Stadt Weimar
Alle Verehrung vor Weimar, das, so lang der sel. Großherzog mit
seiner Unsterblichen daselbst lebte, der Lichtpunkt am deutschen
Himmel gewesen ist; indessen kann ich dem gelehrten Herrn Professor
nicht zugeben, daß Weimar das
„deutsche Athen“ ist; nicht allenfalls um
dadurch zu trozen, daß er mir in mein ungarisches Athen Bresche
schoß; sondern weil das „deutsche Athen“ ganz
anderswo gelegen ist, wie ich alsogleich so gelehrt als
moͤglich, graece et latine so gut
ich es kann, beweisen werde. Der „beruͤhmte Hafen
Athen's,“ von welchem der Herr Professor oben sprach,
half mir zur Entdekung der wahren Lage des „deutschen
Athens.“ Wie hieß dieser Hafen? MOYNYXIA, auch
MYNYXIA;*) also Muͤnchen:
Muͤnchen ergo. das selbst der
bayersche Bauer besser griechisch ausspricht, indem er sagt Muͤnichen, als die Gelehrten die
Muͤnchen schreiben,
Muͤnichen ist das „deutsche Athen,“ denn
es heißt, wie sie hier etymologisch griechisch, und gleich unten ex poëtis, latinè erwiesen
sehen werden, genau so, wie der Hafen des alten Athen. Bei uns an
der Isar in Bayern sind die „Arces Munychiae“
i.e. Athenae ipsae; nur bei uns werden
Sie die „rura
munychia“ wieder finden. Fliegen Sie herauf zu
uns mit Mercur's Fluͤgeln, wie der Caducifer in Ovid's Metamorphosen,Munychiosque volans agros, gratamque
MinervaeDespectabis humum, cultique arbusta,
Lycaei,Grajugenos pueros lepidos et dulce
loquentes.A. d. M.*) Sie sehen daher, wie omnes Grammatici et
Geographi longe halucinantur et toto coelo aberrant, wenn
sie Muͤnichen (Mynychia) in
lateinischer Sprache Monachium
nennen, und sich einbilden, es kaͤme von dem altdeutschen
Worte Muͤnch (d. j. Moͤnch) her, als ob es von
Moͤnchen in die Welt gesezt worden waͤre; eine
Moͤnchsstadt waͤre u. dergl. Nein, nein! Muͤnichen ist Athen; ist sogar der
wichtigste Theil von Athen; der Hafen von Athen, und in diesen
muͤssen alle Griechen nach und nach einlaufen.A. d. M. gegeben, ungeachtet sie keine Universitaͤt hat, weil in ihr
Cultur
und Geschmak mehr allgemein verbreitet ist, und in ihrer Mitte seit
laͤngerer Zeit viele Dichter, Kuͤnstler und Schriftsteller
lebten und Weimars Regenten gleich dem atheniensischen Pisistratus die Musen
vaͤterlich schuͤzen und foͤrdern. Mit mehr Recht
koͤnnte man Pesth
Pesth ist nicht das Athen Ungarn's,
sondern Ungarn's Korinth, „Ungariae caput atque
decus“ wie die Alten von Korinth in Bezug auf
Griechenland sagten.A. d. M.das ungarische Athen nennen, da es nicht
nur eine Universitaͤt besizt, sondern daselbst auch im Mittelstande
Cultur und Geschmak, wie auch atheniensische Lebenslust, Unterhaltungssucht
und Geselligkeit mehr verbreitet sind als zu Debreczin. Ich will jedoch auch
diese Vergleichung nicht strenge urgiren, denn omne
simile claudicat.R–y., namentlich ein Professor des dasigen reformirten Collegiums (vor allen der
Professor der Mathematik
und Physik, Paul Sárvári, oder der
Professor der Naturgeschichte, Chemie und Technologie, Franz Kerekes, oder der Professor der Statistik, Politik und Philosophie, Daniel
Ertsei, saͤmmtlich gruͤndliche Gelehrte
und von mir geschaͤzte Freunde), Ihrem Wunsch und Ihrer Aufforderung entsprechen wuͤrde,
zumal da Ihre Aufforderung in drei ungarischen Zeitschriften abgedrukt wurde, wenn
auch vielleicht das polytechnische Journal nicht in Debreczin gelesen werden sollte:
da jedoch bisher aus Debreczin keine Antwort weder im polytechnischen Journale, noch
in einer ungarischen Zeitschrift erfolgte, so habe ich mich entschlossen, Ihren
gerechten Wunsch zu erfuͤllen, und glaube dazu berufen zu seyn, indem ich
zwar kein Buͤrger des „ungarischen Athen's“ bin, wohl
aber vor 30 Jahren, in dem Schuljahre 1799/1800 in dem beruͤhmten und
bluͤhenden Debrecziner Athenaͤum, dem dasigen reformirten Collegium,
ehe ich mich auf die Goͤttinger Universitaͤt verfuͤgte, die
griechische, roͤmische, hebraͤische, franzoͤsische und
magyarische Philologie und Literatur studierte,Mit Vergnuͤgen und Dank erinnere ich mich noch stets an die
geistreiche Interpretation der griechischen und roͤmischen Classiker
vom Professor Budoi (jezt Superintendent), an die gruͤndliche und
freimuͤthige Exegese vom Professor Kotsi (jezt Prof. der Theologie am
reform. Collegium zu Pápa), an den geschmakvollen Unterricht in der
franzoͤsischen Sprache in außerordentlichen Stunden vom Professor
Sárvári (noch am Leben), und an die wissenschaftlichen
Vorlesungen in der kraftvollen magyarischen Nationalsprache.R–y. uͤber neun Monate taͤglich Debrecziner Weizenbrot aß, auch
mich an Ort und Stelle um die Art der Bereitung des Debrecziner Ferments zu dem
schoͤnen großen Weizenbrote erkundigte, aus welcher meines Wissens die
Debrecziner Hausfrauen und Baͤkerinnen (denn das große schoͤne
Debrecziner Weizenbrot wird nur von weiblichen Haͤnden, nicht von
Baͤkern gebaken) kein Geheimniß machen.Auch die redseligen Debrecziner Brotverkaͤuferinnen (Kofák genannt) koͤnnten sich nicht
enthalten, darum befragt, das Geheimniß, wenn es eines waͤre, zu
verrathen.R–y.
Die mir bekannt gewordene wahre Methode, das Debrecziner Ferment zu bereiten, die in
manchen, zum Theil wesentlichen Stuͤken von der in den franzoͤsischen
Journalen und in dem polytechnischen Journal angegebenen Methode abweicht, ist
folgende.
Man nimmt 1/4 Preßburger MezenDer Preßburger Mezen (Kila) ist = 75 Preßburger
Halben Regenwasser, die Halbe Regenwasser = 1 1/2 Pfund und 100 Gran Wiener
Gewicht, = 46 Kubikzoll, mithin der ganze Preßburger Mezen = 2 Kubikfuß Wiener
Maß, mithin ungefaͤhr einem Wiener Mezen gleich. Zwar bestimmte das
ungarische Reichstagsgesez vom Jahre 1807 im 22sten Artikel, daß der
Preßburger Mezen nicht mehr als 64 ungarische Halben fassen soll, und so
wuͤrde der neue, gesezlich eingefuͤhrte Mezen um 11 Halben
Wasser kleiner, als er fruͤher war: allein sehr bald kehrte man im
gemeinen Leben wieder zu dem vorigen Preßburger Mezen von 75 Halben
zuruͤk. Der Pesther Mezen enthaͤlt 96 Halben. – Der
Wiener Eimer enthaͤlt (nach dem 7ten Paragraph der k. k. Instruction
uͤber Maße und Gewichte) 41 Maß (82 Halben) destillirten Wassers von
16° des Reaumurschen Thermometers, welche 13 551 279
Richtpfenningstheilen der Wiener Mark an Wasserschwere gleichen. Die Wiener
Matz ist = 350 519 Richtpfenningstheilen. Die ungarische Halbe (ieze) ist im 2 1/4 + 1/8 oͤsterr. Seitel
circa (weil das Achtel nicht voll wird). Eine Halbe destillirten Wassers ist
= 194 688 Richtpfenningstheilen.R–y. Weizenkleien (buzakorpa) und vermischt sie wohl mit einer
Pinte (einem Maaß, oder zwei ungarischen Halben, ieze)
Hopfen (Komló).Nach der Angabe im polytechnischen Journal laͤßt man zwei starke
Handvoll Hopfen in vier Pinten Wasser kochen und gießt die Abkochung
uͤber so viel Weizenkleie, als von derselben vollkommen befeuchtet
werden kann. Die Abkochung des Hopfens ist aber nicht nothwendig.R–y. Dann loͤst man eine kleine Quantitaͤt gewoͤhnlichen
Sauerteig (Kovász)Nach jener Angabe nimmt man 4 Pfund Sauerteig, was zu viel ist. warmem Wasser auf, gießt diese Aufloͤsung uͤber die mit dem
Hopfen gemischten Weizenkleien und knetet diese Masse so, wie der Brotteig geknetet
wird. Die geknetete Masse laͤßt man an einem temperirten Orte zwei Stunden
langNach jener Angabe 24 Stunden lang, was uͤberfluͤssig ist. stehen, waͤhrend welcher Zeit sie in Waͤhrung
uͤbergeht. Dann bildet man aus dieser fermentirten Masse Kugeln oder
Kloͤse (gombócz), welche man in frischen
Kleien umherwaͤlzt, damit sie nicht an einander haͤngen,Dieser wesentliche Umstand wird in jener Angabe nicht angefuͤhrt. und legt sie dann uͤber ein Sieb oder uͤber eine ausgespannte
Leinwand,Nicht auf ein Brett, wie in jener Angabe gesagt wird, denn auf einem Brette
wuͤrde das Troknen schwieriger seyn. um sie im Sommer in der warmen Luft im Freien, im Winter in der Nahe des
warmen Ofens zu troknen.Jene Angabe erwaͤhnt nicht des Troknens am warmen Ofen im Winter. Wenn die Ferment-Kugeln oder Kloͤse von außen genug getroknet
sind, so zerbricht man sie in 4 bis 6 Fragmente, damit sie auch inwendig ganz
austroknen.Dieses wichtigen Umstandes geschieht in jener Angabe keine
Erwaͤhnung. Nachdem sie vollkommen getroknet sind, legt man sie in SaͤkchenDieser wird in jener Angabe nicht erwaͤhnt. und haͤngt diese an einem trokenen Orte auf, wo man sie ein ganzes
Jahr langNicht bloß ein halbes Jahr lang, wie in jener Angabe gesagt wird.R–y. zum Gebrauch aufbewahren kann.
Die Anwendung dieses Sauerteiges zu den großen Debrecziner Brotlaiben von 1 1/2
Kubikfuß und daruͤber ist in den franzoͤsischen Journalen und im
polytechnischen Journal richtig und umstaͤndlich genug angegeben: nur haͤtte
bemerkt werden sollen, daß man zu Debreczin die Bakoͤfen nicht mit Holz
(woran Debreczin bekanntlich Mangel leidet), sondern mit Stroh, Rohr oder
getroknetem Rindermist (nach orientalischer Weise) heizt, wodurch ohne Zweifel
sicherer der noͤthige gleichfoͤrmige Waͤrmegrad erreicht wird,
als wenn man mit Holz heizen wuͤrde.
Uebrigens wird in Ungarn nicht bloß zu Debreczin mit einem solchen Ferment so
schoͤnes großes Weizenbrot gebaken, sondern auch zu Mischkolcz, Rimaszombat,
Komorn, Raab, und zu Scharnowitz (Zsarnova,
Žarnovicza)Das magyarische zs und slawische Ž wird so sanft wie das
franzoͤsische j in jardin, jour u.s.w. ausgesprochen. – Aus Zsarnova
fuͤhrt man vorzuͤglich nach Schemnitz und Kremnitz viel
Weizenbrot. in dem Barscher Comitat.Auch das Weizenbrot zu Kecskemét und Eperjes steht in gutem Ruf. Ich zweifle nicht, daß man auch in Deutschland und Frankreich mit Ferment
nach Debrecziner Art und durch gleiche Anwendung desselben beim Baken, eben so
schoͤnes und schmakhaftes Weizenbrot baten konnte, wenn man (dieß ist conditio sine qua non) eben so guten Weizen, wie der
ungarische (besonders der Banaler) ist, dazu nehmen wuͤrde, welchen man ja,
im Nothfall, leicht aus Ungarn beziehen koͤnnte. Das weiche Wasser zu
Debreczin scheint keinen besondern Einfluß auf die gute Qualitaͤt des
Weizenbrotes zu haben, da es auch an andern Orten, da wo hartes Wasser ist, eben so
gut geraͤth. Die unzuͤnftigen Baͤkerinnen zu Debreczin,
Mischkolcz u.s.w. verdienen aber nicht bloß wegen der Schmakhaftigkeit ihres
schoͤnen Brotes belobt zu werden, sondern auch deßwegen, weil sie ihre großen
Brotlaibe von 1 1/2 Kubikfuß und daruͤber durchaus gehoͤrig und
vollkommen auszuhaken verstehen, was den zuͤnftigen Baͤkern so oft bei
kleinen Brotlaiben mißlingt.Wenn der magyarische Bauer Weizenbrot, Gulyás-Fleisch mit
tuͤrkischem Pfeffer (paprika, Capsicum annuum
Linn.), Zwiebeln und Kuͤmmel bereitet, Spek und einen Trunk
Wein hat, nothduͤrftig bekleidet ist, und von seinem Gutsherrn und
dessen Beamten human behandelt wird, wie es die ungarischen Geseze und das
Urbarium (Bauernrecht) fordern, ist er mit
feinem Loos vollkommen zufrieden.
Gran, am 22. Mai 1830.