Titel: | Beschreibung der tragbaren Eisenbahnen, deren man sich in Schweden bei dem Festungsbaue zum Planiren und Ausgraben bedient. Von Theodor Olivier. |
Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XXV., S. 86 |
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XXV.
Beschreibung der tragbaren Eisenbahnen, deren man
sich in Schweden bei dem Festungsbaue zum Planiren und Ausgraben bedient. Von Theodor Olivier.
Aus den Annales de l'Industrie française et
étrangére. T. V. N. 2. S. 148.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Olivier, Beschreibung der tragbaren Eisenbahnen.
Die Stuͤke Gußeisen, aus welchen diese Bahnen gebaut sind, haben alle dieselbe
Laͤnge, naͤmlich 3 Fuß, und kommen unter drei verschiedenen Formen
vor. Man hat
1) solche, die zur Vorrichtung irgend einer Streke eines gewoͤhnlichen
Eisenbahnweges dienen. Ihre Form ist wie in Fig. 11.
2) solche, die bei einer Durchkreuzung der Wege angebracht werden. Sie haben die Form
eines X. Fig. 7.
3) endlich solche, die dort angebracht werden, wo der Weg sich in zwei Arme theilt.
Sie haben die Form eines Y. Fig. 10.
Diese verschiedenen Stuͤke werden so hinter einander hingelegt, daß sie sich
mit ihren Enden beruͤhren. Mit diesen ruhen sie auf Kloͤzen oder
Balken, die man quer uͤber den Weg in Entfernungen von 3 Fuß zu 3 Fuß, wie in
Fig. 8.
hinlegt. Diese Balken werden mittelst Keilen an ihren Enden befestigt, welche flach
in die Erde eingetrieben werden, wie bei der Anlage der Buͤhnen an
Belagerungs-Batterien. Die Balken werden genau horizontal gelegt,
(nivellirt), wenigstens so, daß dort, wo die Gußeisenschienen an einander stoßen,
keine Unebenheiten entstehen, wodurch das Rollen der Raͤder erschwert werden
koͤnnte. Wenn ferner die Balken alle horizontal liegen, so sind alle
Stoͤße an den Wagen bei dem Uebergange von einer Schiene auf die andere
vermieden, und es ist alle Gefahr eines Brechens der lezteren, das sonst
unvermeidlich Statt haben wuͤrde, beseitigt.
Da die Schienen aus Gußeisen alle gleich lang und nicht in einander eingestekt sind,
sondern nur mit ihren Enden neben einander liegen, so lassen sie sich leicht
auswechseln.
Da ferner diese Schienen an jedem ihrer Enden einen vierekigen Ausschnitt von 1 Zoll
4 Linien im Gevierte besizen, so befestigt man sie leicht auf den Balken mittelst
zweier Naͤgel, deren Kopf sich in dem Ausschnitte verbirgt. Auf diese Weise
kann man die zwei Schienen, die zunaͤchst an einander stoßen, in gerader oder
in gebrochener Linie mit einander verbinden, je nachdem die Natur des Bodens, auf
welchem die Bahn angelegt wird, es so oder anders fordert. Die Leichtigkeit, mit
welcher man auf diese Weise die Bahn sich schlaͤngeln lassen kann, erspart
hier Zeit, Geld und Menschenhaͤnde, was bei Anlagen, die nur einige Zeit
uͤber dauern duͤrfen und die schnell ausgefuͤhrt seyn
muͤssen, von so hoher Wichtigkeit ist.
Bei der Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit welcher man die Bahn anlegen, ihre
Richtung in diesem oder jenem Theile derselben abaͤndern, und dann alle
Stuͤke derselben wieder ausheben und in das Magazin bringen kann, hat diesen
Bahnen mit Recht den Namen tragbarer Eisenbahnen verdient
(chemins mobiles).
Es sind ungefaͤhr 15 Jahre, seit sich die schwedischen Ingenieurs und
Baumeister derselben bei allen großen Bauten bedienen.
Wenn der Bau nicht so lang dauert, daß es der Muͤhe werth waͤre, eigene
Schienen zu demselben zu gießen, so nehmen sie Eisenstangen, wovon sie die einen
horizontal, die anderen vertical legen, wie in Fig. 12. Diese Stangen
werden neben einander hingelegt, und, da sie an ihren Enden mit einem Loche versehen
sind, auf den Balken aufgenagelt.
Diese leztere Art von Eisenbahnen kommt viel wohlfeiler, als die erstere: allein, da sich die
Erde theils durch das Fahren, theils durch Regen etc. senkt, so bleiben die eisernen
Stangen nicht lang gehoͤrig neben einander; die Bahn geht aus einander, das
Fahren auf derselben wird unmoͤglich, oder man hat bestaͤndige
Ausbesserungen noͤthig. Wenn man ferner die eisernen Stangen, nachdem man sie
zur Eisenbahn gebraucht hat, ohne großen Verlust wieder verkaufen will, so
duͤrfen sie nicht in zu kurze Stuͤke geschnitten worden seyn, so daß
man also diese Bahnen nur bei solchen Bauten mit Vortheil anwenden kann, welche eine
kurze Zeit uͤber dauern; bei laͤnger dauernden Arbeiten sind obige
Bahnen aus Gußeisen wohlfeiler.
Erklaͤrung der Figuren.
Fig. 6. stellt
die Einrichtung dieser Bahnen dar, wo der Weg sich theilt.
Bei bb' theilt der Weg sich in zwei Arme; der eine Arm ist a
a', b b', der andere d d' b b'. An den Punkten
b und b' bringt man die
Schienen in Form eines Y an, und auf den Punkt c legt man die X foͤrmigen Schienen.
Fig. 7. stellt
den Grundriß P, und den Aufriß E des X foͤrmigen Stuͤkes dar.
Man bemerkt daselbst einen Weiser, ab, der sich um
einen senkrechten Zapfen drehen kann, den man in Fig. 14. einzeln sieht.
Dieser Zapfen ist nichts anderes als ein 8–9 Zoll langer Bolzen mit einem
runden Kopfe, der durch den Weiser, durch die Bahn und durch den Unterlagsbalken
laͤuft. Wenn nun der Weiser so gestellt ist, wie in Fig. 6., so kann nach der
Richtung, m, n, gefahren werden. Wenn dann Wagen in der
Richtung, m' n' kommen, so druͤkt der Fuhrmann in
dem Augenblike, wo der erste Wagen auf das x
foͤrmige Stuͤk kommt, mit seinem Fuße auf das Ende b des Weisers, und bringt diesen in die Lage a b', wo dann der Weg m' n'
frei wird.
Dieser Weiser dient also zur Fortsezung der Bahn, welche, ohne denselben, bei ab oder bei a' b'
unterbrochen seyn wuͤrde, so daß an diesem Orte des Weges die
Raͤder ohne den Weiser nicht mehr weiter laufen wuͤrden.
Fig. 8. zeigt
im Militaͤrperspective die Form des x
foͤrmigen Stuͤkes an dem der Befestigung des Weisers
gegenuͤberstehenden Orte. Man bemerkt daselbst einen Keil A, welcher auch wegbleiben koͤnnte, indem der
Weiser vollkommen hinreicht, um die Raͤder in ihrem Gange leiten zu
koͤnnen.
Fig. 9. stellt
einen Durchschnitt des Stuͤkes X in der Richtung
XY dar.
Fig. 10 zeigt
den Plan oder Grundriß I und den Aufriß E eines y foͤrmigen Stuͤkes. Man findet daselbst
einen Weiser, ba, der sich um einen Zapfen a dreht, und dessen Ende sich von b nach b' schieben laͤßt, je nachdem
man den einen oder den anderen Arm des Weges einschlagen will, wenn man auf den
Scheidungspunkt gekommen ist.
Fig. 17. gibt
den Aufriß der Nadel ab.
Fig. 11.
stellt in P eine gewoͤhnliche Bahn im Grundrisse,
in E im Aufrisse dar. Fig. 15. ist ein
Durchschnitt derselben nach XY.
Fig. 16.
zeigt, wie man die Enden der beiden Bahnen oder Geleise legen kann, um den Weg unter
einem bestimmten Winkel abzubeugen. Der Abstand, a a',
der beiden Stuͤke aus Gußeisen darf aber nie so groß seyn, daß das Rad, indem
es das eine Geleise verlaͤßt, in den Hohlraum b a
a
' faͤllt, und dann nicht wieder auf das andere
Geleise aufsteigen kann.
Fig. 13.
zeigt die Form der Naͤgel mit einem vierekigen Kopfe, mittelst welcher man
die Gußeisenschienen auf den Balken oder Unterlagen aufnagelt.
Diese Balken oder Unterlagen, die den Schienen oder Geleisen aus Gußeisen als
Stuͤzen dienen, sind wenigstens 3 Zoll dik.
Die Naͤgel sind 4 Zoll lang; ihr vierekiger Kopf ist 6 Linien dik, und jede
Seite desselben ist 1 Zoll 3 Linien lang.
Die Gußeisenschienen oder Geleise sind 3 Fuß lang, 5 Zoll breit; 5 Zoll in der Mitte,
und an den Enden 2 1/2 Zoll hoch; in der Mitte 4, an den Enden 9 Linien dik,
naͤmlich dort, wo sie auf den Balken oder Kloͤzen oder Unterlagen
aufliegen.
Da leztere in die Erde eingesenkt sind und beinahe gleich hoch mit der
Oberflaͤche derselben liegen, damit sie das Roß nicht im Gange hindern, so
hebt die Ueberdike, die man den Gußeisenschienen an ihren Enden gegeben hat,
dieselben uͤber den Boden empor und haͤlt sie immer rein.
––––––––
Man wird in Schweden nie, wie in England, Eisenbahnen von einer bedeutenden
Laͤnge und fuͤr laͤngere Zeiten anlegen, indem die Erde in
diesem Lande wenigstens 5 Monate lang mit Schnee bedekt ist, und man waͤhrend
dieser Zeit natuͤrliche und ganz vortreffliche Eisenbahnen besizt.
Im Winter wird alles auf Schlitten gefahren, und im Sommer auf dem Wasser, indem das
Land von zahlreichen schiffbaren Seen durchschnitten ist, welche durch
Canaͤle mit einander verbunden sind.
Fremde, die im Sommer in Schweden reisen, wundern sich die Straßen so gut unterhalten
zu sehen, was doch sehr natuͤrlich ist, indem nur selten schwere Wagen auf
denselben fahren. Die Wagen, deren man sich in Schweden bedient, sind leicht, wenig
beladen, und schneiden nie in die Straßen ein, wie unsere schweren
Guͤterwagen. Der Boden in Schweden ist ferner meistens Granit, folglich leiden
die Straßen beim Aufthauen im Fruͤhjahre sehr wenig.
Die schwedischen Ingenieurs und Straßenbaumeister haben aus obigen Gruͤnden
nur auf tragbare Eisenbahnen Ruͤksicht genommen, deren sie sich den Sommer
uͤber bei oͤffentlichen Arbeiten oder großen Bauten bedienen. Schnelle
und leichte Anlage, und eben so leichtes und schnelles Abtragen einer Eisenbahn
mußte daher der Hauptzwek bei ihnen bleiben.
In Frankreich hat man bisher nur bleibende Eisenbahnen errichtet, die so lang als
moͤglich dauern sollen; ich wuͤßte nicht, daß man irgendwo bei uns bei
dem Festungsbaue und bei anderen großen oͤffentlichen Bauten an tragbare
Eisenbahnen gedacht haͤtte, deren man sich in Schweden nun schon seit 15
Jahren bestaͤndig bedient. Wir fahren noch immer mit dem Schubkarren,Der gute Hr. Olivier mag sich troͤsten. Es
gibt, außer Frankreich, noch Laͤnder genug, in welchen weder eine
tragbare noch eine feststehende Eisenbahn vorhanden ist. Es scheint auch
nicht, daß man in Frankreich oder irgendwo, wo das Bauwesen
uͤberhaupt und der Straßenbau in's Besondere eine Melkkuh fuͤr
die Beamten geworden ist, jemals dem Beispiele der ehrlichen Schweden und
Nordamerikaner folgen wird, wo alle oͤffentlichen Arbeiten nicht den
Beamten, sondern dem Militaͤre anvertraut sind. So lang der Baubeamte
seine Diaͤten fuͤr seine Baucommissionen haben wird, wird jede
Vorrichtung, durch welche der Bau beschleunigt werden koͤnnte,
verworfen werden, so wie Maurer und Zimmerleute und Tagloͤhner desto
langsamer arbeiten werden, je besser man sie nach dem Tage bezahlt. Das
Interesse des Bauherrn ist von jenem des Baumeisters und der Arbeiter
himmelweit verschieden; wenn der Privatmann, der baut, hier mit der Hydra
des Zunftgeistes der Maurer und Zimmerleute zu kaͤmpfen hat, wie muß
5 erst dem Staate ergehen, wenn die Kniffe und Pfiffe seiner Schreiber mit
dieser eine heilige Allianz schließen! Militaͤrischer Geist und
militaͤrische Ordnung kann allein den Staat hier retten und vor
seinen inneren Feinden, wie vor seinen aͤußeren. A. d. Ue. indem die Wagen und Karren bei schlechtem Wetter und folglich schlechtem
Wege ohne Eisenbahn nicht zu. brauchen sind. Aus diesem Grunde habe ich obige Notiz
mitgetheilt.
In Schweden ist der Taglohn in jeder Provinz verschieden. Er ist nie weniger als 20
Shill. Bo, und nie mehr als 30. Da nun der Taglohn eines Soldaten nie weniger als 8
Shill. Bo, und nie mehr als 12 Shill. Bo ist, so erspart Schweden durch Verwendung
seiner Armee wenigstens die Haͤlfte, und vielleicht im Maximum 2/3 der
oͤffentlichen Baukosten.
Man darf ferner nicht vergessen, daß, wenn Schweden eine groͤßere Summe zu
seinen oͤffentlichen Arbeiten verwenden koͤnnte, als ihm der Landtag,
oder vielmehr sein geringes Einkommen nicht gestattet, es nicht 1/9 seiner
Infanterie, sondern 2/3 derselben jaͤhrlich zu oͤffentlichen Arbeiten
verwenden wuͤrde.
In Frankreich, wo die Nationalgarde den inneren Dienst leicht versehen
koͤnnte, wuͤrde 1/3 der Infanterie zur Besazung der Festungen
hinreichen. Da die uͤbrigen 3/5 der Infanterie zu oͤffentlichen
Arbeiten nur im Sommer verwendet wuͤrden, so haͤtte die Nationalgarde
auch nur waͤhrend der schoͤnen Jahreszeit den leichten
Muͤßiggangsdienst der Infanterie: der schwerere, im Winter, fiele dann wieder
auf das Militaͤr. Es scheint nicht, daß die Buͤrger sich
hieruͤber beklagen wuͤrden, indem ihre Soͤhne bei dieser
Gelegenheit sich Geld verdienten, arbeiten lernten, und folglich an
Moralitaͤt eben so viel gewaͤnnen, als sie bei dem
gewoͤhnlichen Garnisons- oder Kamaschendienste an derselben
verlieren.