Titel: | Ueber artesische Brunnen in Heilbronn, im Königreich Würtemberg, und deren vielverheißendem Nuzen für die Industrie. Vom Baurath von Brukmann in Heilbronn. |
Autor: | Brukmann |
Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XXXIII., S. 115 |
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XXXIII.
Ueber artesische Brunnen in Heilbronn, im
Koͤnigreich Wuͤrtemberg, und deren vielverheißendem Nuzen fuͤr die
Industrie. Vom Baurath von
Brukmann in Heilbronn.
Brukmann, uͤber artesische Brunnen in Heilbronn.
Auszug aus einem unterm 27. Febr. a. c. an die Central-Stelle des
landwirthschaftlichen Vereins in Stuttgart erstatteten Bericht mit der
Aufschrift:
„die bei den hiesigen Werken erbohrten Brunnen, ihre Ausbeute und deren
Nuzanwendung besonders zur Erwaͤrmung des Muͤhlenraums und
gaͤnzliche Freihaltung der Wasserraͤder vom Eise.“ Mit
fuͤnf Beilagen und einem Situationsplan.
In diesem Bericht habe ich die Zeit und Art der Abbohrung dieser Brunnen, ihren
Hauptzwek und Nuzung, das Oertliche etc. vorgetragen. Weil aber alles dieses
fuͤr Gegenden außerhalb Wuͤrtemberg nur von geringem Interesse seyn
kann, so gebe ich hier nur das Wesentliche mit Hinweglassung aller
Nebenumstaͤnde, so wie des Situationsplans und den Beilagen, welche aus
amtlich beglaubigten Zeugnissen bestehen.
In dem Zeitraum vom August 1827 bis December 1829 wurden hier unter meiner Leitung
fuͤnf Bohrloͤcher auf suͤßes Wasser abgebohrt, sie lieferten
alle gleiche Quantitaͤt bestaͤndig klaren Wassers, obgleich die
Wasserkluft in verschiedener Tiefe erbohrt wurde (z.B. zwei Loͤcher auf 60',
eins auf 90', eins auf 100' und eins auf 112' unter dem niedrigsten Wasserspiegel
des Nekars). In allen diesen Bohrloͤchern steigt das Wasser nahe an 8'
uͤber den Nekarspiegel, und da bei allen der Ausguß mehr oder weniger tiefer
gelegt ist, so ist auch die Ausgußmenge verschieden; im Durchschnitt kann die
Ausgußmenge bei jedem Loch auf 40–50 Kubikschuh pr. Minute angenommen werden.
Das Gebirg, in welchem diese Bohrloͤcher stehen, ist verhaͤrteter Thon
und uͤber der Wasserkluft befindet sich eine Deke von dichtem Mergel, nach
deren Durchschrotung jedesmal das Wasser uͤber den Bohrteucher
herausstroͤmte.
Eine Ausfuͤtterung dieser Bohrloͤcher war bis jezt nicht
noͤthig, indem die bestaͤndig sich gleich bleibende Klarheit des
ausgegossenen Wassers zu erkennen gibt, daß die Waͤnde von dem
ausstroͤmenden Wasser nicht angegriffen werden.
Der Zwek bei Abbohrung dieser Brunnen war:
„Anschaffung bestaͤndig reinen Wassers in zureichender Menge zum
Betrieb zweier Papierwerke, einer Bleichanstalt und einer
Flachsspinnerei.“
Dieser Zwek wurde vollkommen und bis zum Ueberfluß erreicht, und dabei noch eine weitere
Entdekung gemacht, deren Wichtigkeit die
Hauptveranlassung des gegenwaͤrtigen Aufsazes ist.
Es haͤlt naͤmlich dieses Wasser aus saͤmmtlichen fuͤnf
Bohrloͤchern bestaͤndig eine Temperatur von + 10°
Réaum.
In dem neuen Papierwerk wird das Wasser durch drei Pumpen in die Hoͤhe
gehoben, und von da theils in zwei hollaͤnder, theils in sieben Loch
deutscher Geschirre so wie auch in die Buͤtten etc. vertheilt. Der innere
Raum der Papiermuͤhle ist 100' lang, 45' breit und 16' hoch; er
enthaͤlt also 72,000 Kubikschuh, ein daruͤber befindlicher
Arbeitssaal, welcher durch eine Oeffnung im Boden mit dem untern Raum verbunden ist,
ist 45' lang, 20' breit und 12' hoch, und enthaͤlt 10,800 Kubikschuh,
zusammen also 82,800 Kubikschuh. Nun sezt das Wasser des Brunnens ohne alle
Beihuͤlfe von Brennmaterialien, ohne eine kuͤnstliche weitere
Vertheilung und dadurch bewirkte staͤrkere Verdunstung bestaͤndig so
viele Waͤrme ab, daß dieser gesammte Raum waͤhrend des ganzen Winters
unausgesezt auf 6–7° Réaum. erwaͤrmt wurde, und daß er
selbst in der lezten Zeit, wo das Thermometer außerhalb lange Zeit 25° unter
O. stand, nie unter, und nur dann bis auf + 4° in seiner Temperatur herabkam,
wenn die Thuͤren viel geoͤffnet wurden.
Es war demnach nicht nur an kein Erfrieren des Zeuges noch sonst eines
Koͤrpers zu denken, sondern auch die Arbeiter befanden sich
fortwaͤhrend bei nur maͤßiger Bewegung in behaglicher Waͤrme.
Ließ man aber den Brunnen (d.h. die Pumpe) nur vier Stunden stille stehen, so war in
der Muͤhle alles eingefroren.
Wie wohlthaͤtig diese Wirkung des Wassers fuͤr die Arbeiter und wie
vorteilhaft sie bei den so hoch gesteigerten Holzpreisen fuͤr den
Fabrikeigenthuͤmer war – ist in die Augen leuchtend! und doch wird
dieser Vortheil durch den folgenden noch bei weitem uͤberwogen.
Die vier zu diesem Werke gehoͤrigen Wasserraͤder haͤngen in der
naͤmlichen Wassergasse, in welcher auch die neun, zur staͤdtischen
Mahlmuͤhle gehoͤrigen sich befinden, und zwar so, daß die Wassergasse
durch eine Zunge der Laͤnge nach in zwei Theile abgetheilt ist, wovon der
Theil linker Hand 6' breit zu der Papiermuͤhle, der rechter Hand 10' breit
zur Mahlmuͤhle gehoͤrt.
Mit wie viel Kostenaufwand, Muͤhseligkeit und Zeit es verbunden ist, bei einem
strengen Winter die Wasserraͤder taͤglich so weit abzueisen, daß sie
nur nothduͤrftig umlaufen, welche Lebensgefahr mit dieser Arbeit verbunden
ist, und welcher Ruin dadurch den Raͤdern selbst zugefuͤgt wird, ist
jedem Muͤhlwerkskundigen bekannt, und die Abstellung dieses Uebelstandes bei
allen Muͤhlenbesizern ein laͤngst ersehnter, bis jezt (ohne Aufwand einer
bedeutenden Menge Brennmateriales) noch unbefriedigter Wunsch.
Der Ausbeute meiner Bohrloͤcher war es vorbehalten, die Wassermuͤhlen
von diesem laͤstigen, den Betrieb so wesentlich stoͤrenden Uebel zu
befreien, und zwar auf eine so einfache wohlfeile und so befriedigende Weise, daß
gar nichts mehr zu wuͤnschen uͤbrig bleibt.
Es wurde naͤmlich in dem neuen Papierwerk das von den Hollaͤndern
ablaufende Wasser in Roͤhren in die Wassergasse gefuͤhrt, in welcher
es mittelst einer durchloͤcherten Rinne auf den obern hintern Theil der
Wasserraͤder traͤufelte. Dieses wenige etwa noch 9° warme
Wasser brachte auf die Raͤder die Wirkung hervor, daß den ganzen kalten
Winter hindurch, weder an Raͤdern und Schaufeln noch selbst an
Wellbaͤumen – eine Spur von Eis sich ansezte und daß die Raͤder
bestaͤndig wie abgewaschen und in ihrem Betrieb keinen Augenblik
gestoͤrt waren, waͤhrend die in der naͤmlichen Wassergasse
haͤngenden Mahlmuͤhleraͤder Tag fuͤr Tag abgeeist werden
mußten! Es wurde nun auch von dem Brunnenwasser der Papiermuͤhle auf die
Raͤder der Mahlmuͤhle geleitet und es erhielt auch diese, so lange es
darauf traͤufelte, vollkommen eisfrei.
Gleiche Versuche wurden bei einer Temperatur von – 25 unter 0 mit noch zwei
andern Wasserraͤdern gemacht, und lieferten dasselbe guͤnstige
Resultat.
Diese Vorrichtung, naͤmlich die Wasserraͤder mittelst darauf
traͤufelndem Quellwasser eisfrei zu erhalten, kann aber fast bei allen
Wassermuͤhlen angebracht werden, weil man bei jeder Muͤhle einen
Brunnen bohren oder graben kann, der einigermaßen warmes Wasser liefert, wenigstens
von einer Temperatur, welche zu dem gedachten Zweke zureicht.
Es wurde z.B. hier auf einer ganz anderen Stelle jenseits des Nekars gebohrt und auf
40' unter Tag Wasser erbohrt, das ebenfalls 10° Temperatur hat.
Quellen, welche von selbst zu Tag ausfließen, haben, wenn sie nur von einiger
Bedeutung sind, selten unter 9° Réaum., und gegrabene oder gebohrte
Brunnen, aus welchen bestaͤndig geschoͤpft wird, werden selten ein
Wasser von niedrigerer Temperatur liefern.
Es laͤßt sich daher bei jeder Muͤhle die wohlthaͤtige
Einrichtung treffen, daß selbst waͤhrend des strengsten Winters nicht nur die
Wasserraͤder von Eis frei bleiben, sondern auch daß der Muͤhlenraum
bestaͤndig um
mehrere Grade uͤber dem Gefrierpunkt erwaͤrmt ist, st daß man bequem
arbeiten kann, und nichts einfriert.Hr. Baurath v. Brukmann hat im Monat April
fuͤr eine Papiermuͤhle noch zwei Brunnen gebohrt, welche mit
einem Fall von 3' 9'' und mit einer Kraft von 2/7 Pferden die zu einer
Schnellbleiche gehoͤrigen Maschinen treiben. Es sind also hier diese
Brunnen als bewegende Kraft benuͤzt; dieses ist uͤbrigens auch
schon im Ausland geschehen, die Benuͤzung auf Erwaͤrmung von
Wassergassen und Muͤhlen fand aber noch nirgends Statt. Dem Hrn.
Baurath Brukmann ist das Werk von Garnier
bekannt; seine Verfahrungsart und seine Werkzeuge fuͤhren aber noch
schneller zum Ziele als die von Garnier. Er hat jezt, wie uns ein sehr
bewaͤhrter Correspondent aus Heilbronn berichtet, so viele Uebung im
Bohren, daß zu einem Brunnen von 120 Schuh Tiefe nur 12 Tage Zeit und ein
Kostenaufwand von nur 100 bis 150 st. erfordert werden. Moͤgen diese
wichtigen neueren Vortheile, welche diese Brunnen der Industrie verheißen,
sich bald mehr und mehr verallgemeinen. A. d. R.
Heilbronn, den 19. Maͤrz und Mai 1830.