Titel: | I. Ueber die Identität des raffinirten Runkelrübenzukers und des Rohrzukers, und über die Mittel den Rohzuker beider zu unterscheiden. II. Ueber das Abschäumen des Saftes der Runkelrüben und ein neues Merkmal bei der Anwendung des Kalkes am Rohrzukersafte. III. Ueber Verwandlung des Stärkmehles in Zuker durch das Malz. IV. Fortschritte der Runkelrübenzuker-Fabrikation. Von Hrn. Dubrunfaut. |
Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. LIV., S. 194 |
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LIV.
I. Ueber die Identitaͤt des raffinirten
Runkelruͤbenzukers und des Rohrzukers, und uͤber die Mittel den Rohzuker
beider zu unterscheiden. II. Ueber das Abschaͤumen des Saftes der
Runkelruͤben und ein neues Merkmal bei der Anwendung des Kalkes am
Rohrzukersafte. III. Ueber Verwandlung des Staͤrkmehles in Zuker durch das Malz.
IV. Fortschritte der Runkelruͤbenzuker-Fabrikation. Von Hrn. Dubrunfaut.
Aus dem Agricultur manufacturier. April – Mai.
1830. (Im Bulletin des Sciences technol. April 1830. S. 326.)
Dubrunfaut, uͤber Runkelruͤbenzukers.
I.
Hr. Dubrunfaut bekaͤmpft die Vorurtheile, nach
welchen der raffinirte Runkelruͤbenzuker ein anderer Zuker seyn soll, als der
Rohrzuker.Die Vorurtheile gegen Runkelruͤbenzuker in Frankreich widerlegen sich
desto leichter, als sie auf der einen Seite bloß durch die
Zukerplantagen-Besizer und die Rohrzuker-Raffineurs erzeugt
wurden und unterhalten werden, und auf der anderen durch die
Runkelruͤbenbauer und durch die
Runkelruͤbenzuker-Raffineurs mit guter Waare fuͤr
wohlfeilen Preis praktisch widerlegt werden. Es ist in der That eine
sonderbare Erscheinung, daß, waͤhrend der Runkelruͤbenzuker
eine deutsche Erfindung ist, die bereits ein Alter von 50 Jahren erreichte,
Deutschland von dieser Erfindung bisher noch beinahe gar keinen Nuzen zog,
waͤhrend Frankreich dieselbe, man darf sagen, selbst zu seinem
eigenen Schaden, benuͤzt. Denn es unterliegt keinem Zweifel, daß,
wenn die Colonialgeseze Frankreichs nicht so bodenlos dumm waͤren,
wenn die Steuern und Abgaben auf Colonial-Rohzuker,
Zuker-Raffinirung und raffinirten Zuker nicht so unerschwinglich hoch
stuͤnden, Frankreich nicht bloß seinen Bedarf an Rohrzuker um die
Haͤlfte, vielleicht um zwei Drittel sogar, wohlfeiler erhalten,
sondern selbst aus seinen wenigen Colonien die Haͤlfte von
Deutschland mit Zuker, und zwar noch uͤberdieß um die Haͤlfte
wohlfeiler als bisher, versehen koͤnnte. Man kann sagen, daß
Frankreich und England heute zu Tage mit einander wetteifern, wer in
Verwaltung seiner Colonien und in Rohrzuker-Erzeugung duͤmmer
zu seyn vermag. Die heutigen britischen Finanzminister haben vergessen, daß
wegen 9 kr. Aufschlag auf das Pfd. Thee Nordamerika verloren ging, und die
heutigen Minister Frankreichs vergaßen die Erzeugnisse von 1789. Diese
Dummheit kommt allerdings denjenigen deutschen
Voͤlkerstaͤmmen, welche gleichfalls einige Colonien im
Zukerklima besizen, den Hollaͤndern, Daͤnen und Schweden,
deren Colonialgeseze menschlicher sind, sehr zu Statten; allein das
eigentliche Deutschland leidet durch die Dummheit der franzoͤsischen
und englischen Zukergeseze noch weit mehr, als durch den Eigennuz der
Franzosen und der Englaͤnder selbst, und sieht mit Sehnsucht der
nahen Epoche entgegen, wo Brasilien, wo die Republiken in
Suͤd- und Mittelamerika und die Vereinigten Staaten das
bittere Joch, das es um des Bedarfes seiner Suͤßigkeiten willen
ertragen muß, von seinem Naken nehmen werden. Frankreichs Zukerbedarf ist
nun bereits zu einem betraͤchtlichen Theile durch seine
Runkelruͤbenzuker-Raffinerien in den noͤrdlichen
Provinzen gedekt: die Zahl der lezteren steigt beinahe schon bis zu
Tausenden, und das Capital in denselben zu vielen vielen Millionen.
Waͤhrend Frankreich aber dadurch auf der einen Seite seinen Bedarf an
Zuker, und auf der anderen durch das Emporkommen der bisher
innerhalb seiner Graͤnzen beinahe unmoͤglich gewordenen
Viehzucht mittelst des Futters, welches die Runkelruͤbe vor und bei
ihrer Verwandlung gewaͤhrt, auch seinen Bedarf an Fleisch sich
sichert, verliert es an dem Werthe seiner Colonien, in welchen der Zukerbau
mit jeder Woche mehr und mehr in Verfall geraͤth. Frankreich verliert
indessen hier nur auf Einer Seite, waͤhrend Deutschland dabei doppelt
leidet. Es muß seinen Bedarf an Zuker in beinahe jaͤhrlich steigenden
Preisen bezahlen, und verliert den Vortheil, den es bisher aus seinem
Viehhandel mit Frankreich hatte. Ungeachtet dieser beiden so
fuͤhlbaren Nachtheile haben wir indessen seit 30 Jahren in
Deutschland unsere Felder lieber brach liegen lassen, als daß wir
Runkelruͤben auf denselben zu Futter fuͤr unsere Thiere und
auf Zuker fuͤr uns selbst gebaut haͤtten. Die
Runkelruͤbenzuker-Raffinerie blieb gerade in denjenigen
Laͤndern Deutschlands am meisten zuruͤk, wo die Viehzucht am
weitesten zuruͤk ist, und wo ein großer Theil des Fleischbedarfes aus
dem Auslande herbeigeschafft werden muß, mit Millionen baaren Geldes!Wie kommt es nun, daß in Frankreich in den lezten 15 Jahren die
Runkelruͤbenzuker-Raffinerie einen so riesenhaften Aufschwung
nahm, waͤhrend sie in Deutschland so zu sagen in der Geburt erstikte,
da doch in Frankreich, außer den großen Schwierigkeiten, die aus der
Concurrenz mit dem einheimischen Rohrzuker-Erzeuger und Raffineur
entstehen mußten, der weit hoͤhere Werth der Gruͤnde, des
Arbeitslohnes, des Brennmaterials, der Baukosten etc. (im Verhaͤltniß
zu den Preisen in Deutschland) eben so viele Hindernisse zu seyn scheinen,
als das Gegentheil von allem diesen in Deutschland als Aufmunterung
erscheinen sollte?Die Ursachen dieser sonderbaren Erscheinung scheinen uns in Folgendem zu
liegen. In Deutschland waren es bisher fast immer Stubengelehrte, die sich
mit Runkelruͤbenzuker-Erzeugung und Raffinerie
beschaͤftigten, und man weiß, daß Gelehrte weit ehe im Stande sind
die besten praktischen Anstalten zu Grunde zu richten, wenn sie unter ihre
Haͤnde gerathen, als eine solche zwekmaͤßig zu errichten; es
wurde in Deutschland, wie es leider der groͤßte aller Deutschen zu
seiner Zeit schon laut beklagte (Friedrich II. unsterblichen Andenkens)
„viel geschrieben, wenig gelesen und noch weniger
gethan.“ In Frankreich waren es nicht Gelehrte, die sich mit
Runkelruͤbenzuker-Raffinerie befaßten, sondern praktische,
zugleich aber auch wohl unterrichtete, Landwirthe und chemische
Waarenfabrikanten. Es ist ein maͤchtiger Unterschied zwischen einem,
wenn man ihn so nennen darf, gelehrten Chemiker, und zwischen einem
chemischen Gelehrten, zwischen einem gelehrten, d.h., gruͤndlich
unterrichteten, Landwirthe, und einem landwirtschaftlichen Gelehrten. Der
Mann, der eine laͤngere Zeit uͤber Landwirthschaft und Chemie
praktisch trieb, weiß aus den traurigsten Erfahrungen, woran es ihm und
seiner Kunst in jenem Zweige, welchen er betreibt, noch fehlt; er studirt
die Wissenschaft, auf welche seine Kunst sich gruͤndet, in der
Absicht, die leztere, nicht die Wissenschaft selbst, zu vervollkommnen,
ihren Mangeln abzuhelfen; er hat keinen anderen Zwek bei seinem
wissenschaftlichen Studium, als die Wissenschaft gemeinnuͤzig zu
machen und sie, wie einst Sokrates die Weisheit, aus der Welt uͤber
dem Monde in die Welt unter dem Monde herabzufuͤhren und in das Leben
einzufuͤhren.Der Stubengelehrte hingegen beschaͤftigt sich lediglich mit der
Theorie seiner Wissenschaft; er kennt hoͤchstens nur die
Maͤngel und die Graͤnzen seiner Wissenschaft in ihrem
theoretischen Theile, und trachtet jenen abzuhelfen und diese zu erweitern;
wozu sein Wissen ihm und anderen nuͤzen kann, vermag er oft bei all
seiner Weisheit nicht einmal zu ahnden: er ist nicht selten dem reichen
Manne gleich, der einen Sak voll Muͤnzen aus allen Zeiten und Orten
aufbewahrt, und nicht ehe weiß, was er eigentlich an denselben fuͤr
einen Schaz besizt, bis ein ehrlicher Jude kommt, der die aͤltere und
neuere Numismatik praktisch versteht, und ihm den Werth seiner gesammelten
Stuͤke angibt, wo es sich dann nicht selten zeigt, daß eine kleine
Kupfermuͤnze zehn Mal mehr Werth hat, als ein großes
Silberstuͤk, und manches kleine Silberstuͤk zehn Mal mehr gilt
unter denjenigen, die sich auf Muͤnzen verstehen, als das
groͤßte Goldstuͤk in seinem, großen Sake. Der Stubengelehrte
war und ist meistens nur auf den engen Kreis der Leute seines
gleichen und seiner Buͤcherwelt beschraͤnkt; er
verschmaͤht es meistens sich zu den schmuzigen Handwerkern
herabzulassen und diesen mit seinem Rathe beizustehen, und wenn er auch so
gutmuͤthig und herablassend ist, sich mit diesen Philistern
abzugeben, so verstehen diese seine gelehrten Worte oft eben so wenig, als
er ihre einfaͤltigen Fragen, und man sieht nicht selten, daß es auf
den Rath eines solchen Gelehrten in einer Fabrik oder Landwirthschaft noch
schlechter hergeht, als ehevor. Der praktische Chemiker und Landwirth
hingegen ist in taͤglicher Beruͤhrung mit den Leuten seines
gleichen und mit den verschiedenen Arbeitern und Handwerken, deren er zu
seinen Zweken bedarf; diese lernen von ihm und er lernt von ihnen, indem sie
alle dasselbe Interesse und dieselbe Sprache verbindet? Sie verstehen sich
einander bei dem Austausche ihrer Ideen, und so verbreitet sich nach und
nach eine Masse nuͤzlicher Kenntnisse durch einige thaͤtige
Landwirthe und Fabrikanten erst in ihrer naͤchsten Umgebung, dann
durch den ganzen Ort, den sie bewohnen, und endlich im Lande selbst. Man
kann nicht laͤugnen, daß unter der jezigen arbeitenden Classe in Frankreich eine Masse von Kenntnissen
verbreitet ist, wie man sie in keinem anderen Lande (mit Ausnahme
Nordamerika's) findet. Mitten unter den blutigen Stuͤrmen der
Revolution und den moͤrderischen Kriegen des Kaiserreiches wurden in
jedem Departement botanische Garten, große, Baͤume und
nuͤzliche Gewaͤchse unentgeldlich an das Volk abgebende,
oͤkonomische Gaͤrten angelegt (die sogenannten Pépinières); es wurden Schulen zum
Unterrichte in Mathematik in allen ihren Zweigen, vorzuͤglich in
Mechanik, in Naturgeschichte, vorzuͤglich in Mineralogie, in Physik
und Chemie errichtet; nicht bloß die Jugend, auch Erwachsene, selbst Frauen
nahmen an dem Unterrichte in den oͤkonomischen Gaͤrten Theil.
Bei uns in Deutschland fehlt es an aͤhnlichen Anstalten. Unsere
botanischen Gaͤrten sind hoͤchstens Attribute der
Universitaͤten, und an vielen derselben aͤußerst
kuͤmmerlich ausgestattet; in manchem Staate will man sogar an
Bibliotheken der Universitaͤten und Akademien nichts von
Buͤchern hoͤren, die von „Kraͤuteln und
Viehern“ handeln; man moͤchte jedoch in diesem Lande
auch Runkelruͤbenzuker, und dieser laͤßt sich nie und
nimmermehr erhalten, bis nicht eine tuͤchtige Masse von Kenntnissen
uͤber „Kraͤutel und Vieher“ wenn nicht
unter dem Volke, doch wenigstens unter den Besizern groͤßerer
Grundstuͤke verbreitet ist. Wir erlauben uns die Frage: Wie viel
Guͤterbesizer in Bayern wissen, was eine Runkelruͤbe ist? Wie
viel derjenigen, die dieß wissen, haben eine Runkelruͤbe jemals in
ihrem Leben gesehen? Und wenn sie dieses nuͤzliche Gewaͤchs
kennen lernen wollen, muͤssen sie erst nach Muͤnchen, Erlangen
oder Wuͤrzburg reisen, und finden es dort, hoͤchstens in einer
einzigen Sorte, verkuͤmmert und verkruͤppelt im botanischen
Garten. In Frankreich ist kein Departement mehr, wo nicht die bettes-raves in allen ihren vielen Sorten
im landwirtschaftlichen Garten des Departements zu sehen und zu haben
waͤren, und es wird vielleicht in Frankreich eben so wenig
Guͤterbesizer geben, die die Runkelruͤbe nicht kennen, als es
bei uns solche gibt, die sie kennen. Daß nun aber in einem Lande dasjenige
gebaut werde, was man nicht kennt, ist eine Forderung, die nur ein Schreiber
an das Volk stellen kann, der glaubt er habe Alles fuͤr das Volk
gethan, wenn er die Versefabrikation vor der
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation beguͤnstigt, und die belles lettres vor den sciences exactes foͤrdert.Außer dem Mangel an den noͤthigen Kenntnissen unter dem Volke fehlt es
aber auch im suͤdlichen Deutschland noch an einem anderen
hoͤchst wichtigen Umstande fuͤr das Gedeihen eines jeden
Zweiges der Industrie, an Capitalien, und was hoͤchst sonderbar ist,
es fehlt an Capitalien bei einem Ueberflusse von baarem Gelde. Nach einem
alten Zuge im Charakter der Suͤddeutschen, der sich in ganz eigenen
Hieroglyphen, genannt Laub oder Gras, Eichel, Schellen und Herz
ausgesprochen hat, haben diese guten Leute mehr Hang zum Spielen, als ihre
Nachbarn, bei welchen die Karte fremden Ursprunges ist:
franzoͤsischen oder spanischen Ursprunges naͤmlich. Diesem
Hange getreu sezen sie nun lieber ihre Thaler auf Boͤrsenspiel, als
auf den sichereren Gewinn belebter Industrie und gefoͤrderter
Landwirthschaft. Uneingedenk der schweren Lotionen, die ihnen kaum vor 20
und 30
Jahren die Assignate, die Bancozettel, die Arrosirungen etc. auswendig zu
lernen gaben, verwandeln sie, den alten Alchymisten gleich, ihr Gold und
Silber in Lumpenwaare, in Loose, Bons, Coupons und wie dieser Tand aller
heißt, um etwas zu spielen zu haben. Sie haben die Staatsbankerotte
vergessen, die im Osten und Westen und im Suͤden gemacht wurden; sie
haben die erste Regel in jedem Spiele vergessen: daß immer nur der
Eigenthuͤmer der Spielbank gewinnt, und daß, wenn ja ein
guͤnstiger Zufall, der unter 1000 Millionen Mal sich ein Mal
zutraͤgt, alles Geld in die Hand eines Einzigen oder weniger
Einzelnen unter den Spielenden gebracht hat, dieser Spieler, oder diese
Spieler in so fern sie mit dem Gelde der Fuͤrsten und Voͤlker
spielen, eben so gut und sicher ein Va
trône! oder Va carte! als der
gluͤkliche Spieler an einer Spielbank ein Va
banque! spielen koͤnnen. Es ist auch uͤbrigens weit
leichter von dem augenbliklichen Steigen und Fallen der Lumpenwaare
Vortheile zu ziehen, als von dem staͤten Steigen der Industrie: jenes
kann buchstaͤblich spielend, mit aller Faulheit und Bequemlichkeit,
geschehen, dieses nur mit Muͤhe und Arbeit. Daher finden wir auch das
Boͤrsespiel nur in jenen Laͤndern in seinem rollen Umschwunge,
wo mehr Laͤssigkeit und Faulheit, als Thaͤtigkeit und
Betriebsamkeit im Charakter des Volkes liegt, wo mehr gehandelt,
gekraͤmert und geschachert wird, als gearbeitet. Das arbeitsame
gewerbfleißige Sachsen hat seine vielen vielen Millionen in seinen Fabriken,
in seinen Schafheerden steken; es hat keine Bank und seine
ehrwuͤrdigen Banquiers zu Leipzig, durch deren Haͤnde zur
Meßzeit Millionen laufen, besizen selbst theils Fabriken, theils trefflich
verwaltete Landguͤter. Die Leipziger Curszettel machen kein solches
Hummelgesumme unter den deutschen Arbeitsbienen, wie die Augsburger und
Frankfurter. Es liegt etwas im Charakter der Voͤlker selbst, so wie
im Charakter der einzelnen Menschen, was sie zu industriellen oder zu
commerciellen Unternehmungen mehr geneigt und geeignet macht. Wo mehr
Egoismus, mehr Faulheit und Leichtsinn, und doch zugleich mehr Habsucht
vorherrschend ist, finden wir Kaufleute, Kraͤmer, Banquiers ohne
Ende; wo mehr Regsamkeit, Betriebsamkeit, Sparsamkeit und
Nuͤchternheit, mehr geistiges Leben, mehr Buͤrgersinn als
Kosmopolitismus herrscht, finden wir mehr Landwirthe und Fabrikanten. In dem
Gefuͤhle ihrer eigenen Kraft, sich im Schweiße ihres Angesichtes
durch die Geschiklichkeit ihrer Haͤnde und die Talente ihres Geistes
naͤhren zu koͤnnen, in dem Gefuͤhle, daß die Kaufleute
nur durch sie zum Theile das sind, was sie sind, sehen sie mit jener
Verachtung auf diese herab, mit welcher jeder rechtliche Mann den
muͤßigen Hazardspieler, den Wucherer und Schacherer betrachtet,
waͤhrend die Kaufleute und die Banquiers von den Pavillons ihrer
epikuraͤischen Gaͤrten aus mit einem Anstriche von einer Art
epikuraͤischer Weisheit und hoͤherer Weltkenntniß auf die
Fabrikanten als auf die „schweinische Heerde“
herabbliken, die sie so oft unter ihre Scheere nehmen koͤnnen, als es
ihnen beliebt. Wo ein Landwirth als wohlhabender Guͤterbesizer nur
fuͤr einen Bauer gilt; wo der Edelmann, der auf seinem
vaͤterlichen Gute die Cultur des Landes mehr foͤrdert, als den
Glanz der Hauptstadt, als Landjunker verachtet ist von den Edlen seines
Ranges, wo der Fabrikant, selbst wenn er reicher ist, als der Hr. Minister,
und mehr Tausende naͤhrt und gluͤklich macht, als dieser
ungluͤklich, wo der Fabrikant nicht mehr geachtet ist, als der
gemeinste Handwerker; da wird Landwirthschaft immer darnieder liegen. A. d.
U. Er zeigt, daß der Umstand, daß Runkelruͤbenzuker specifisch leichter, und daher, in
gleichem Volumen, weniger zukerhaltig ist, bloß von dem Verfahren bei dem Raffiniren
abhaͤngt, und bei demselben Verfahren auch bei dem Rohrzuker Statt hat. Nur
wenn man vom raffinirten
Zuker zum Rohzuker uͤbergeht, findet man verlaͤssige Kennzeichen,
durch welche man diese beiden Arten von Zuker beinahe immer mit Sicherheit
unterscheiden kann. Der Rohr-Rohzuker hat meistens einen gewissen
Gaͤhrungsgeruch, welcher dem Runkelruͤben-Rohzuker fehlt.
Dieser hat dafuͤr einen etwas scharfen Nachgeschmak, oder einen alkalischen
oder saͤuerlichen Nachgeschmak, und in keinem Falle den honigartigen
Nachgeschmak des Rohrzukers, außer wenn man ihm denselben besonders mittheilt. Außer
diesen beiden durch unsere Sinne wahrnehmbaren Unterschieden gibt es aber noch zwei
verschiedene Verfahrungsweisen, um beide Arten von Zuker von einander zu
unterscheiden.
1stes Verfahren. Man nimmt 1 Theil des zu untersuchenden
Zukers, und 6 bis 7 Theile Salpetersaͤure von 25°, wie zur Bereitung
der Zuker-
oder Sauerkleesaͤure. Man erhizt sie, und laͤßt sie so lang kochen,
bis keine rothen Daͤmpfe (salpetriges Gas) mehr aufsteigen. Wenn man dann die
Fluͤssigkeit betrachtet, und am Boden des Kolbens einen weißen Niederschlag
findet, so ist der Zuker Runkelruͤbenzuker. Dieser Niederschlag ist
sauerkleesaurer Kalk, welcher durch die Gegenwart des Kalkes in diesem Zuker erzeugt
wird.Wie, wenn aber auch im Rohrzuker Kalk ist, was nicht selten der Fall ist? Wir
haben auf unsere Rohrzuker, wie es scheint, bisher zu wenig Aufmerksamkeit
gewendet. Es kommt allerlei in Zuker vor, was nicht Zuker ist. Es
waͤre der Muͤhe werth, daß unsere Chemiker die verschiedenen
Zuker fleißiger analysirten, und daß jeder Kaufmann, von Polizei wegen, gehalten waͤre, den Namen des Raffineurs
urkundlich anzugeben, von welchem er seinen Zuker bezieht. Daß dieser
Vorschlag keine Grille ist, wird jeder gestehen, der weiß, wie in
Zuker-Raffinerien gearbeitet wird. A. d. Ue.
2tes Verfahren. Man loͤst den Zuker in destillirtem
Wasser oder in Regenwasser auf, und troͤpfelt einige Tropfen basisch
essigsaures Blei in diese Aufloͤsung. Wenn der Zuker Runkelruͤbenzuker
ist, wird sich immer ein haͤufigerer Niederschlag finden. Wenn man ferner ein
paar Stunden wartet, wird man finden, daß beim Runkelruͤbenzuker die
Fluͤssigkeit, die uͤber dem Niederschlage steht, hell ist,
waͤhrend sie beim Rohrzuker etwas schillert und der Niederschlag sich nur
schlecht bildet.
II.
Die gegenwaͤrtig gebraͤuchlichste Methode Abzuschaͤumen ist ganz
dieselbe, wie in den Colonien, d.h. bloß mittelst Kalkes. Erst in diesem Jahre hat
sie sich auf eine siegreiche Weise in einem großen Theile unserer
Runkelruͤbenzuker-Raffinerien verbreitet, und zwar unter dem Schuze
der gekoͤrnten Kohle in starker Gabe, wodurch den Nachtheilen vorgebeugt
wird, welche diese Methode bei Ruͤben hat, die sehr reich an Kali sind. Einer
der wichtigsten Nachtheile derselben war die Schwierigkeit beim Klaͤren.
Hr. Dubrunfaut verfuhr bei dieser Arbeit auf folgende
Weise. Der Kalk wurde, wie gewoͤhnlich, geloͤscht, und 5 1/2 bis 7
Gramm (1 Gramm = 16 Gran bayersches Apothek. Gewicht) auf das Liter (0,7068 Wiener
Maß) fuͤr die angewendeten Wurzeln abgewogen und mit Wasser
angeruͤhrt. Man sezte ihn dem Safte bei 70 bis 75° am hundertgradigen
Thermometer unter starkem Umruͤhren zu. Hierauf beobachtete man den Saft auf
einem Loͤffel. Wenn sich nun ein leichtes Haͤutchen auf der
Oberflaͤche der Fluͤssigkeit bildete, so hielt man die Menge Kalkes
fuͤr hinreichend, und fing an zu sieden; im entgegengesezten Falle sezte man
so lang Kalk zu, bis ein solches Haͤutchen zum Vorscheine kam. Bis jezt galt
Klarheit des Saftes fuͤr das einzige Merkmal einer guten Abschaͤumung:
allein diese Klarheit kann sehr wohl Statt haben, ohne daß eine vollstaͤndige Abschaͤumung
geschehen ist. Das Kennzeichen, welches von dem Haͤutchen hergenommen ist,
gewaͤhrt dafuͤr immer volle Sicherheit, daß man eine gehoͤrige
Abschaͤumung erhalten wird. Was zeigt uns dieses Haͤutchen, das bloßer
kohlensaurer Kalk ist, der sich in Beruͤhrung mit der atmosphaͤrischen
Luft bildete, anders, als daß der Saft Kalk aufgeloͤst enthaͤlt, und
zwar im Ueberschusse? Nun ist es aber gerade dieser Ueberschuß, den Hr. Dubrunfaut fuͤr durchaus nothwendig haͤlt,
wenn die Arbeit gelingen soll. Da der Kalk dazu bestimmt ist, die fremdartigen
Theile in dem Safte des Zukers abzuscheiden, welche die Krystallisation desselben
erschweren wuͤrden, so waͤre das beste Mittel hierzu dieses, den Kalk
in dem gehoͤrigen Verhaͤltnisse zuzusezen. Da es uns aber bisher
unmoͤglich ist, dieses Verhaͤltniß mit Genauigkeit zu bestimmen, so
muß man sich bis zu einem kleinen Ueberschusse vorwagen.
Die Anzeige der Abwesenheit des Kalkes in dem Runkelruͤbensafte beruhte also
auf unvollstaͤndigen Versuchen, wie das Kennzeichen der Abschaͤumung,
das Hr. Dubrunfaut hier aufstellt, deutlich erweiset. Hr.
Dubrunfaut schließt mit einigen Bemerkungen
uͤber Kalks dosen in der Fabrik des Hrn. Aubineau
zu Dallon, wo man bis auf 21 Gramm auf das Liter stieg.
III.
Man weiß daß Malz, wenn es mit Staͤrke in Beruͤhrung gebracht wird, bei
einer Temperatur von 62 bis 70° beinahe augenbliklich fluͤssig wird.
Dieses Verfahren, daß sich beim Brautweinbrennen, Brauen, bei der Syrupbereitung
anwenden ließe, hat den Nachtheil, die Fluͤssigkeit durch das Parenchym des
Malzes teigig zu machen. Dieser Nachtheil laͤßt sich vermeiden, wenn man das
Malz fuͤr sich allein bei einer Temperatur von 62° einweicht, die
klare Fluͤssigkeit, welche man dadurch erhaͤlt, sammelt, und dann mit
dem zu einem Kleister angeruͤhrten Starkmehle mengt, so daß man eine
Temperatur von 62 bis 70° am hundertgradigen Thermometer erhaͤlt.
Diese Fluͤssigkeit oder dieses Malzexract hat also alle Eigenschaften des
Malzes, behaͤlt jedoch dieselben nur so lang, als sie noch nicht uͤber
eine Temperatur von 70° erhizt wurde. Denn in dieser Temperatur wird sie
truͤb, und wenn sie bis zum Sieden gebracht wird, bildet sie einen mehr oder
minder haͤufigen Niederschlag, der aus einem gelben, schmuzigen, in Wasser
und in Alkohol unaufloͤsbaren Stoffe besteht. Dieser gibt bei der
Destillation etwas Ammonium, besizt mehrere Eigenschaften des Klebers, und scheint
nichts anderes als dieser Kleber, der durch das Keimen aufloͤsbar wurde.
Diese Thatsache erklaͤrt den Nachtheil, welcher entsteht, wenn man Staͤrke, die man in Zuker
verwandeln will, bis auf 100° erhizt; sie erklaͤrt auch, warum man bei
dem Brauen nie siedend heißes Wasser zum Einweichen nehmen darf. Man hat selbst
bemerkt, daß uͤber 70° die Verwandlung in Zuker weniger gut von
Statten geht, und daß sie, ohne allen Zweifel, bei 87° gar nicht Statt haben
wuͤrde. In jedem Falle verwandelt das Malz nur jenen Theil des
Staͤrkmehles in Zuker, welcher in siedend heißem Wasser aufloͤsbar
ist, und welchen Hr. Raspail als ein Analogon fuͤr Gummi darstellte. Die
Deke, welche in der Staͤrke nur aufgeschwollen und im Wasser schwebend
erhalten wird, erleidet nicht die Wirkung des Malzes. Man weiß auch, daß dieselbe
Deke den Einwirkungen der Schwefelsaͤure widersteht. Dieser Umstand erzeugt
ohne Zweifel den Unterschied, den man in den Producten der
Staͤrkzuker-Fabriken wahrnimmt, und der nach Hrn. de Saussure im
Laboratorium gemacht wird.
IV.
Ueber die Fortschritte der
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation in Frankreich in den Jahren
1829–30. April 1830.
Dieses Jahr, in welchem an 200 Fabriken gearbeitet haben, ist eines der
merkwuͤrdigsten durch die Aufklaͤrungen, welche dieses
Geschaͤft erhalten hat. Bisher schwankte dasselbe noch in der That zwischen
Methoden, welche sowohl in ihren Grundsaͤzen, als in der Anwendung derselben
und in den Huͤlfsmitteln von einander abwichen. Nun hat sich eine neue
Laufbahn geoͤffnet, und Hr. Dubrunfaut betrachtet
dieselbe, ohne sich die Schwierigkeiten zu verbergen, auf welche man auf derselben
stoßen wird, als die einzige Richtung, welche man allen Verbesserungen in diesem
Zweige der Industrie wird geben muͤssen. Er erklaͤrt seine Ansichten,
indem er an die Schwierigkeiten erinnert, welche bei den Krystallisirgefaͤßen
und bei der Anwendung des Dampfes Statt haben, wenn man gewiß seyn will, daß jedes
Mal der Sud gelingt. Heute zu Tage sind alle Verbesserungen auf die Verbesserung des
Syrupes gerichtet, welche man durch thierische Kohle erhaͤlt, wenn man sie in
starker Gabe anwendet. Diese Richtung, welche die
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation gegenwaͤrtig genommen hat,
verdankt man großentheils dem Gebrauche des Filtrirapparates mit koͤrniger
Kohle, welchen Hr. Dumont uns zuerst kennen lehrte.Wir haben Dumont's Filter im 1. Maͤrzhefte
XXXV. Bd. S. 358. des
polytechnischen Journales mitgetheilt. A. d. Ue. Gegen diese Methode laͤßt sich indessen die ungeheuere Menge
Materiales einwenden, welches man bei derselben braucht, und deren Preis bis auf
eine unbestimmte Hoͤhe steigen kann.
Das Abschaͤumen mittelst Kalkes wurde gleichfalls als die einzige gute Methode
anerkannt, und der klar abgezogene Saft wird hierauf filtrirt. Die Saͤure
wurde gaͤnzlich bei allen Anstalten aufgegeben, an welchen man von
koͤrniger Kohle Gebrauch machte, die man damals bis zu einer Menge von
50–60 p. C. des vermeintlichen Zukers im Syrupe anwendete. Durch Beseitigung
dieses so aͤußerst schwierig zu behandelnden Mittels wird die Arbeit um
Vieles einfacher; die Verbesserung des Syrupes durch die Kohle macht sie um Vieles
leichter, und man kommt auf Ersparung, auf Anwendung von Maschinen und einfache
Apparate zuruͤk. Diese Richtung hat Hr. Dubrunfaut
in seinen Antworten an die Untersuchungs-Commission sehr empfohlen.
Die Apparate sind auf demselben Punkte geblieben, auf welchem sie im vorigen Jahre
standen: man hat nur die Ausfuͤhrung derselben vervollkommnet. Die
Abschaͤumungskessel in freiem Feuer wurden in mehreren Fabriken beweglich
vorgerichtet, damit man desto leichter den Kessel vom Feuer nehmen kann, damit der
Syrup sich leichter und schneller sezen, und dem Aufsteigen abgeholfen werden kann.
Eingesotten wird bei freiem Feuer beinahe uͤberall in feststehenden Kesseln
von 5 Fuß Laͤnge und 2 1/2 Fuß Breite. Zehn aͤhnliche Kessel reichen
bei den HHrn. Blanquet et Harpignies zum Einsieden von
100 HektoliterEin Hektoliter ist 70 1/2 Wiener Maß. A. d. Ue. in 12 Stunden zu. Der Klarkessel ist bei dem neuen Verfahren nicht mehr so
unentbehrlich. Die Anwendung des Blutes ist theils vermindert, theils beseitigt. Das
Auswaschen der Kohle geschieht ohne Schwierigkeit mit dem abgeschaͤumten
Safte.
Das Heizen mit Dampf findet noch bei denjenigen Theilnahme, die mittelst Dampfes
kochen, vorzuͤglich deßwegen, weil man dadurch beinahe augenbliklich das
Heizen unterbrechen kann. Statt der Speisungspumpen laͤßt man das Wasser
zuruͤklaufen.
Hr. Dubrunfaut hat in einer von ihm erbauten Fabrik die
Autoclave mit Vortheil bei dem Aufsieden (montage) des
Saftes und der Syrupe angewendet,. Er ließ auch große mit Zink ausgefuͤtterte
hoͤlzerne Kisten verfertigen, um die Formen zu ersezen, und man hat sich bei
denselben sehr gut befunden.
Die Klaͤrmethode, welche Hr. Dubrunfaut im lezten
Jahre einfuͤhrte, hat sich in mehreren Fabriken erhalten; das Verfahren bei
derselben ist aber etwas schwierig. Das Verfahren mittelst des sogenannten Mutisme
hat im Großen Schwierigkeiten bei der Ausfuͤhrung gezeigt, welche man der
schlechten Qualitaͤt der Wurzeln zuschrieb. Der Saft der Wurzeln, welchen man
dieser Operation unterwirft, gibt bei der Abschaͤumung haͤufige
Niederschlaͤge, die nicht als Schaum aufsteigen koͤnnen, und die sich
nur langsam sezen. Die Behandlung mit Erde so wie das Klaͤren laͤßt
sich nur bei grobkoͤrnigem Zuker mit Vortheil anwenden, folglich nur bei
Syrupen, die schwach gekocht wurden. Hr. Dubrunfaut verspricht, außer dieser
allgemeinen Uebersicht uͤber die gesammte Fabrikation, diejenigen Theile der
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation, die noch weiterer Ausfuͤhrung
und Erklaͤrung beduͤrfen, umstaͤndlicher im Detail zu
behandeln.