Titel: | Beschreibung eines Dampf-Filatoriums zum Abwinden der Seidencocons, errichtet zu Comercolly in Bengalen, von R. Richardson, Esqu., wohnhaft daselbst. Nach Zeichnungen von Capitän J. Somerville, Executions-Officier der öffentlichen Arbeiten. |
Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. LXII., S. 251 |
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LXII.
Beschreibung eines Dampf-Filatoriums zum
Abwinden der Seidencocons, errichtet zu Comercolly in Bengalen, von R. Richardson, Esqu., wohnhaft
daselbst. Nach Zeichnungen von Capitaͤn J. Somerville, Executions-Officier der
oͤffentlichen Arbeiten.
Aus dem Mechanics's Magazine. N. 354. 22.
Mai.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.Wir theilen unseren Lesern diesen Aufsaz mit, nicht als ob wir mit dem Hrn.
Verfasser glaubten, „dem europaͤischen Publicum dadurch eine
neue Erfindung“ bekannt zu machen; denn außer England weiß man
nur zu wohl, daß in Oberitalien und in einigen Gegenden des suͤdlichen
Frankreichs Dampf-Filatorien schon seit mehreren Jahren im Gange sind;
sondern um unsere Leser auf die Zukunft aufmerksam zu machen, die die
Seidenmanufakturen erwartet, wenn die ostindische Compagnie mit Huͤlfe
der Italiaͤner und Franzosen, die sie in ihre Dienste nahm, die
Filatorien in Ostindien verbessert haben wird: denn bisher war es allein das
mangelhafte Verfahren bei dem Abwinden, was die ostindische Seide in ihrem
Werthe herabdruͤkte. Von uns im suͤdlichen Deutschland wird die
Seidenzucht in Italien und Frankreich wohl nichts zu besorgen haben; wohl aber
von den Englaͤndern in Ostindien, von den Russen in den neueroberten
Provinzen Persiens, die bald ihren eigenen Bedarf mit der herrlichen persischen
Seide deken und Europa mit derselben uͤberschwemmen werden, und von den
Nordamerikanern, die sich jezt allen Fleißes auf die Seidencultur verlegen. Auch
in Preußen macht die Seidencultur große Fortschritte. Wir sind zu faul und zu
unwissend und zu halbwissend, als daß wir je den Franzosen und
Italiaͤnern mit unserer Seidenzucht gefaͤhrlich werden
koͤnnten. Der lezte, ausgezeichnet harte, Winter hat uns neuerdings
belehrt, wie gut der Maulbeerbaum selbst einem Froste von – 25° R.
zu widerstehen vermag. Und welchen Vortheil haben wir von dieser Lehre
geschoͤpft? Daß wir Baͤume die seit mehr denn 50 Jahren allen
Einfluͤssen unseres Klima's trozten, und die selbst nach dem Winter vom
J. 1829/30 herrlich wieder ausschlugen, auf eine schaͤndliche Weise
niederhauten. Dieß geschah in einer Entfernung von nur 9 Meilen von der
Hauptstadt, in einer Stadt, die mehr als jede andere zum Seidenbaue gelegen ist,
und in welcher auch vor 50 Jahren schon die damalige Regierung einen sogenannten
Seidengarten anlegen ließ. Waͤhrend man in einigen Blaͤttern
unsere neuen Maulbeerbaumanlagen preist, muß man in anderen die Dummheit
zuͤchtigen, mit welcher man alte Saamenbaͤume, die bereits an das
Klima gewohnt sind, und deren Saame weit besser gedeihen wuͤrde, als
jener den man frisch aus Italien kommen laͤßt, niederhaut. Bei dem Volke
ist unbesiegbare Faulheit, absichtlich unterhaltene und jaͤhrlich
vermehrte Unwissenheit und Dummheit, ein unuͤbersteigliches Hinderniß,
und bei den Gebildeteren sind es Vorurtheile. Selbst die Besseren in Bayern sind
der Meinung, daß Seidenzucht in Bayern nie von wahrem Nuzen seyn wird. Erst
neulich hat ein sehr geistreicher Schriftsteller Bayern's, dessen Werk*) man
fuͤr alle Finanz- und Ministerial-Raͤthe mit
goldenen Buchstaben auf Pergament sollte druken lassen, S. 45. behauptet,
„daß Maulbeerbaͤume und Seidenwuͤrmerzucht eine
unnuͤze Spielerei ist;“
„noch weiß man,“ sagt er, „zu Lyon und
Spitalfields nichts von bayer'scher Seide.“ Wenn unser Landvolk
nur auf jener Stufe von Cultur stuͤnde, auf welcher der Bauer in Japan
und in der großen chinesischen Tatarei noch heute zu Tage steht, weil
man ihn dort nicht durch Miethlinge eines fremden Reiches um seinen gesunden
Menschenverstand bringen ließ; wenn wir nur zehn Jahre lange mit Anzucht und
Anpflanzung von Maulbeerbaͤumen standhaft fortfuͤhren; wenn wir
dann einigen Seidenwinderinnen aus Piemont, und einigen Seidenmuͤllern
aus dem suͤdlichen Frankreich und Oberitalien nur die Haͤlfte
jener Jahrgehalte geben wuͤrden, die man an einige halbgelehrte
Maͤnner, an einige vormalige Volksthuͤmler und an einige
Bruͤderchen des hohen T. Vereines wegwerfen sieht; so wuͤrde
Bayern sehr bald eine Seide erzeugen, die nicht nur zu Lyon und Spitalfields
bekannt, sondern die daselbst gesucht seyn wuͤrde, weil sie in eben dem
Verhaͤltnisse besser seyn wuͤrde als die suͤdliche, als die
noͤrdliche chinesische und japanesische Seide besser ist als die
suͤdliche. Es ist nicht, die Schuld der Natur, sondern der Menschen, wenn
der Bauer in Bayern in Zwillich, Statt in Seide geht. A. d. Ue.*) Einige Worte uͤber Handel und Industrie in Deutschland, mit besonderer
Ruͤksicht auf Bayern. 3. Muͤnchen 1830.
Richardson, uͤber das Abwinden der Seidencocons.
Das Insect, welches uns die Seide liefert, spinnt diesen kostbaren Stoff in einem
Faden, welcher, wie die meisten Leser wissen werden, in kleine Baͤllchen (Cocons, Cocoons) gewunden ist. Das Erste, was mit diesem
Stoffe geschehen muß, wenn er zu unserem Bedarfe verarbeitet werden soll, ist, daß
man diese Baͤllchen abwindet. Dieser Faden ist so fein, daß man aus einem
einzigen Baͤllchen (Cocon), welches die Raupe
spann, mehr als 30,000 engl. Fuß10,000 Yards. Ein Yard ist 3 engl. Fuß. Die indischen Cocons scheinen also
viel groͤßer zu seyn, als die europaͤischen. A. d. Ue. desselben ohne alles Abreißen abgewunden hat. Die mittlere
Durchschnittslaͤnge des Fadens, welchen die Cocons liefern, betraͤgt
indessen nur 750 Yards (2250 engl. Fuß), und zuweilen nicht mehr, als 250 Yards (750
engl. Fuß). Der Faden, den die Raupe spann, kann, er mag nun feiner oder
groͤber seyn, so wie er ist, nicht verarbeitet werden.Er wird aber einst noch so verarbeitet werden, wenn die Weberkunst jenen Grad
von Vollendung erreicht haben wird, welcher bei den heutigen Fortschritten
der Mechanik moͤglich ist; wenn man Weberstuͤhle haben wird,
die kaum so viele Quentchen wiegen, als die gegenwaͤrtigen Pfunde,
Weberstuͤhle, die man vor sich auf den Tisch hinstellt und dreht, wie
man jezt den Voͤgeln auf den Orgelbauern vorpfeift. Der einzelne
Seidenfaden ist nicht so bruͤchig als man glaubt, und erhaͤlt,
durch duͤnne Kautschukaufloͤsung in Aether gezogen, eine
Staͤrke, uͤber die man erstaunen wird, wenn man sie versucht.
Man wird Damenkleider weben, die in einer Tabaksdose Plaz haben, und dieß
gewiß noch ehe 40 Jahre herum sind. Die Neuschateler Uhrenmacher werden
diese Weberstuͤhle verfertigen, und die Lyoner und Maylaͤnder
werden darauf weben. A. d. Ue. Man bringt die Faden mehrerer solcher Cocons an einander, und haspelt sie
zugleich von denselben ab, so daß waͤhrend dieses Abhaspelns oder Abwindens
aus diesen mehreren Faden ein einziger starker und glatter Faden gesponnen wird. Ehe
der Faden auf diese Weise von den Cocons abgewunden werden kann, muͤssen
leztere auf kurze Zeit in heißes Wasser getaucht werden, damit man sie mittelst
eines Ruͤtchens (das gewoͤhnlich aus Reißstroh zusammengebunden wird)
von den lokeren Faden befreien kann, in welche sie in ihrem rohen Zustande
eingehuͤllt sind, und um den Gummi, von welchem sie durchdrungen sind,
hinlaͤnglich zu erweichen, um sie leicht von dem Cocon ablaufen zu machen. Ja
die Cocons muͤssen sogar waͤhrend des ganzen Abhaspelns in heißem
Wasser bleiben, indem die Faden nothwendig waͤhrend dieser Arbeit weich
erhalten und gegen das Ankleben geschuͤzt werden muͤssen.Der Hr. Verfasser scheint nicht zu wissen, daß man in Spanien auch in kaltem
Wasser die Seide von den Cocons abwindet. Der Bulletin d. l. Société d'Encouragement und aus
diesem unser Polytechn. Journal hat
hieruͤber umstaͤndliche Nachricht gegeben. A. d. U. Eine mit Loͤchern versehene Stange wird quer uͤber den oberen
Theil des Bekens gelegt, in welchem das heiße Wasser enthalten ist; die Faden werden
durch das eine, oder durch das andere dieser Loͤcher durchgezogen, und
mittelst einer Schiene oder Leiste auf den Haspel und die mit demselben verbundene
Spinnmaschine gebracht.Dieses Verfahren scheint nicht das gewoͤhnliche europaͤische;
wenn es lezteres seyn sollte, so waͤre der Hr. Verfasser nicht
gehoͤrig unterrichtet. A. d. Ue. Neben dem Beken mit dem heißen Wasser muß man auch noch ein anderes Beken
mit kaltem Wasser bei der Hand haben, in welchem die Person, die das Abwinden
besorgt, sich gelegentlich ihre Finger abkuͤhlen kann, und wodurch auch die
Temperatur der Stange mittelst Aufsprizens von kaltem Wasser vermindert werden kann,
wenn die Stange zu heiß wird. Um einen guten Faden zu erhalten, muͤssen beide
Extreme der Temperatur vermieden werden; wenn zu heiß gearbeitet wird,
erhaͤlt der Faden keinen Koͤrper und keinen Glanz, und wenn zu kalt
gearbeitet wird, verbinden die Enden der Faden sich nicht gehoͤrig, und der
Faden wird zu rauh und ungleich. Um desto sicherer eine immer gleichfoͤrmige
Temperatur des Wassers zu unterhalten, heizt man die Beken gewoͤhnlich mit
Holzkohlen, wobei man auch den Rauch verhuͤtet, der fuͤr die Farbe der
Seide nachtheilig werden koͤnnte.
Wir haben diese allgemeine Darstellung des gegenwaͤrtig gewoͤhnlichen
Verfahrens bei dem Abhaspeln der Seide von ihren Cocons vorausgeschikt, damit unsere
Leser desto besser den Werth der neueren Verfahrungsmethode einsehen und
wuͤrdigen koͤnnen, die wir hier dem europaͤischen Publicum
bekannt zu machen das Vergnuͤgen haben. Sie ist das Werk des Hrn. Rob. Richardson, britischen Residenten zu Commercolly in
Bengalen, welcher sie uns guͤtig mittheilte, und des Capit. Somerville vom 16ten Regimente: ein neuer Beweis der
vielen Vortheile, welche Englands Fleiß und Geschiklichkeit der indischen Industrie
gewaͤhrte.Da. wie wir oben bemerkten, Italien und Frankreich schon seit mehreren Jahren
Filatorien besizt, in welchen mit Dampf gearbeitet wird (Vergl. Biblioteca italiana, Bulletin d. l. Soc.
d'Encouragem., unser Polyt. Journ.), so
fragt es sich, ob Hr. Richardson nicht vielmehr
das europaͤische Verfahren nach Indien verpflanzte, Statt daß sein
Verfahren erst aus Indien nach Europa kommen soll. A. d. Ue.
Die uns eingesendeten Zeichnungen sind vollkommene Bauplane aller Theile eines
Filatoriums (filature, wie Factoreien dieser Art
in Indien heißen), dergleichen eines unter Hrn. Richardson's Leitung in Commercolly errichtet wurde,
und wo Dampf Statt alles anderen Heizmaterials zur Erwaͤrmung des Wassers in
den Beken zum Abwinden der Cocons gebraucht wird. Wir theilen hier nur so viel von
diesen Plaͤnen mit, als zur Erklaͤrung der Einrichtung des Filatoriums
zu Commercolly nothwendig ist. Sollte Jemand ein Dampf-Filatorium
aͤhnlicher Art anzulegen und weitere Belehrung wuͤnschen, so werden
wit ihm mit Vergnuͤgen Copien dieser Plaͤne mittheilen.
Erklaͤrung der Figuren.Wir verwahren uns auf das Feierlichste gegen jeden Vorwurf, den man unserer
Copie der Zeichnungen machen koͤnnte. Es ist nicht unsere Schuld,
wenn auch nicht ein einziger Buchstabe in der Beschreibung auf die Zeichnung
paßt. Solche Liederlichkeiten werden jezt Sitte bei den englischen
Journalisten. Es emancipirt sich, wie es scheint, nach und nach Alles in
England von der einst daselbst nationalen
Puͤnktlichkeit. A. d. Ue.
A, Grundriß, Fig. 9., zeigt die kalten
und warmen Wasserbeken, sammt dem Apparate, welcher den Dampf in seiner Vollendung
liefert.
B, der Dampfapparat, mit der Hauptdampfroͤhre und
ihren Nebenroͤhren, abgedekt.
C, das Mauerwerk, vollendet und hergerichtet zur
Herbeifuͤhrung des kalten Wassers und zur Aufnahme des Dampfapparates.
N. B. Es sind hier uͤberall nur zwei oder drei
Paar Beken angezeigt. Im Filatorium selbst aber heizt jeder Dampfkessel 100
Beken.
D, Siz des Kessels, Richtung der Zuͤge etc. Die
Ofenthuͤre ist eine eiserne Platte, mit feuerfestem Thone bekleidet.
E, der Schornstein, der 40 Fuß hoch uͤber den
Boden des Kessels aufgefuͤhrt ist.
F, eine Roͤhre mit einem Auslaßhahne aus dem
Kessel, zur Reinigung desselben so oft es nothwendig ist.
Die punktirten Linien zeigen die Richtung, in welcher die Hauptroͤhre des
Apparates fuͤr das kalte Wasser mit ihren Nebenroͤhren unter dem
Ziegelpflaster des Bodens und des Apparatmauerwerkes gelegt ist.
G, eine Cisterne, welche mittelst einer
Nebenroͤhre des Apparates fuͤr das kalte Wasser stets mit kaltem
Wasser gefuͤllt wird, und aus welcher mittelst eines selbsttaͤtigen
Apparates das Wasser in eine groͤßere Cisterne, H, hinaufgepumpt wird, welche den Kessel mit Wasser versieht.
I, Fig. 8. ist ein
Durchschnitt des Apparatmauerwerkes fuͤr den Dampfapparat allein.
K, ein Durchschnitt fuͤr den Apparat fuͤr
das kalte Wasser allein.
NN, Abzugscanaͤle fuͤr das schmuzige
Wasser.
Fig. 10. ist
ein Durchschnitt des Kessels durch die Linie AB
des Planes Fig.
11.
Fig. 12. ist
ein Durchschnitt und Fig. 13. ein Grundriß
eines Dampfbekens.
Fig. 14. ist
eine Kugelklappe zur Regulirung des Zuflusses des Wassers aus der Cisterne G, und Fig. 15. ein Durchschnitt
derselben.
Fig. 16. ist
ein Grundriß des Behaͤlters des kalten Wassers, und Fig. 17. ein Durchschnitt
desselben nach der Linie AB..
Was die weitere Erklaͤrung dieser verschiedenen Figuren betrifft und den Zwek
derselben, so bitten wir unsere Leser auf folgendes Schreiben des Hrn. Zornlin zu London verweisen zu duͤrfen, welchem
Hrn. Richardson's Plaͤne gleichfalls mitgetheilt
wurden, und der, so viel wir wissen, durch seine praktischen Kenntnisse in der
Seidenmanufaktur ganz geeignet ist uͤber den Werth derselben zu urtheilen.
Nach unserer unmaßgeblichen Meinung sind die Vorrichtungen in diesem
Dampf-Filatorium sehr sinnreich ausgedacht und gut berechnet. Hrn. Zornlin spricht von „einer kleinen
Abaͤnderung,“ durch welche Brennmaterial erspart werden
koͤnnte, „und von einer kleinen Zugabe, wodurch dieser Apparat auch
zu einer anderen Abart tauglich wuͤrde, welche mit dem Abwinden der Seide
innigst verbunden ist.“
Und diese kleine Zugabe ist wohl nichts anderes, als die noͤthige
Vorrichtung, die Puppen in den Cocons mittelst der Dampfhize (nicht aber,
wie es Jemand sehr ungeschikt machte, mittelst des Dampfes selbst) zu
toͤdten. Hr. Zornlin thut wahrhaftig zu
vornehm geheim; doch dieser Mysticismus in Allem ist heute zu Tage an der
Tagesordnung, und daher werden so viele mystificirt. A. d. Ue. Es wuͤrde uns sehr angenehm seyn, wenn Hr. Zornlin uns fuͤr unsere Blaͤtter „seine kleine
Abaͤnderung“ und seine „kleine Zugabe“
etwas umstaͤndlicher entwikeln wollte, damit seine Verbesserungen eben so
weit in der Welt herum kommen koͤnnten, als dieser Apparat selbst. Unseren
zahlreichen Lesern in den Vereinigten StaatenDer Redacteur des Mech. Mag. bemerkt in einer
Anmerkung, daß zu Boston bei den HHrn. Gray und Bowen
regelmaͤßig eine amerikanische Ausgabe des Mechanics' Magazine erscheint, und daß diese Zeitschrift in
Amerika eben den Beifall findet, dessen sie sich in England erfreut. N. Amerika's, wo die Seidenzucht in den lezteren Jahren ein
Lieblingsgegenstand geworden ist, und wo das Klima dieselbe so sehr
beguͤnstigt, wuͤrde die Erlaͤuterung, um welche wir Hrn.
Zornlin ersuchten, sehr angenehm seyn.
Der Redacteur des Mechanics' Magazine hat obigem Aufsaze
folgendes Schreiben des Hrn. J. J. Zornlin jun.
beigefuͤgt.
Erlauben Sie mir Ihnen folgende Bemerkungen als meine Erlaͤuterungen zu den
Zeichnungen, welche Hr. Richardson sandte,
naͤmlich zu den Grund- und Aufrissen und Durchschnitten eines
Dampf-Filatoriums, welches derselbe zu Commercolly zum Abwinden der Seide von
den Cocons errichtete, zu uͤbersenden.
In den Zeichnungen, D, E, F, G, H, sind der Kessel, die
Zuͤge, der Schornstein, die Cisterne und die Roͤhren zum Speisen des
Kessels, die Ofenthuͤre und die Aschengrube dargestellt. Hieruͤber ist
nichts Besonderes zu sagen, da hier nur Modificationen einiger der bekam ten
Vorrichtungen zur Erzeugung des Dampfes vorkommen.
In Verbindung mit dem Kessel, und gestuͤzt von einer 15 Zoll uͤber dem
Boden erhobenen Mauer sind Dampfroͤhren horizontal und parallel mit der
Laͤnge des Gebaͤudes eingelegt. Von den Hauptroͤhren laufen zu
jeder Seite kleinere Nebenroͤhren weg, und fuͤhren in cylindrische
Gehaͤuse, welche offene Pfannen einschließen. Der Dampf, welcher in den
Hohlraum zwischen den Pfannen und ihren Gehaͤusen gelangt, wird, entweder
verdichtet oder als Dampf, durch Roͤhren am Boden der Gehaͤuse in die
Abzugscanaͤle fuͤr das schmuzige Wasser geleitet. An den
Hauptroͤhren, an den Nebenroͤhren und an den
Ausfuͤhrungsroͤhren sind Haͤhne angebracht, durch deren
zwekmaͤßige Stellung das Wasser in den Pfannen auf jede zu dieser Arbeit
noͤthige Temperatur gebracht und in derselben erhalten werden kann.
Ungefaͤhr in gleicher Hoͤhe mit dem Fußboden, und parallel mit den
Hauptroͤhren der Dampfleitung, sind die Roͤhren der Wasserleitung in
das Mauerwerk eingelegt. Nebenroͤhren, die davon auslaufen, leiten von
diesen, schief aufwaͤrts steigend, in kleine Cisternen, die sich in dem an
die Pfannen anstoßenden Mauerwerke in gleicher Hoͤhe mit denselben befinden:
Eine Cisterne kommt fuͤr jedes Paar Pfannen. Eine Nebenroͤhre leitet
auch aus der Hauptroͤhre in die Cisterne, G, um
den Kessel mit Wasser zu versehen. Die Hauptroͤhren muͤssen folglich
immer so viel Wasser erhalten, daß dieses in den Cisternen immer auf der
gehoͤrigen Hoͤhe stehen kann. In den Zeichnungen kommt jedoch
hieruͤber nichts vor, außer in Figg. 14 und 15., wo ein
Behaͤlter und eine regulirende Kugelklappe skizzirt ist. Die Pfannen sind
kugelfoͤrmig, ungefaͤhr 15 Zoll im Durchmesser oben, und 13 Zoll am
Boden, welcher flach ist. Ihre Tiefe betraͤgt, nach dem Maßstabe, 4 1/2 Zoll.
Oben sind sie mit einem flachen hervorstehenden Rande versehen, der mit einem
anderen oben auf den Gehaͤusen correspondirt, und wodurch beide
zusammengefuͤgt sind. Die Gehaͤuse sind in das Mauerwerk eingelassen,
so daß ihr Rand ungefaͤhr 2 Fuß hoͤher steht, als der Fußboden des
Gebaͤudes.
Wenn der Apparat in Thaͤtigkeit gesezt wird, wird der Dampf im Dampfkessel in
gehoͤriger Staͤrke erzeugt, und in die Hauptroͤhren der
Dampfleitung gelassen, Wasser aus den kleinen Cisternen in die Pfannen
geschoͤpft, und der Dampf in die Gehaͤuse eingelassen. Sobald das
Wasser den gehoͤrigen Grad von Hize in der Pfanne erreicht hat, werden
25–30 Cocons in dieselbe geworfen, und die Seide auf die gewoͤhnliche
Weise abgewunden. Da die Pfannen immer wieder mit frischen Cocons versehen werden,
so geht das Abwinden regelmaͤßig fort. Gleichfoͤrmige Temperatur und
Verhuͤtung allen Rauches ist bei dem Abwinden unerlaͤßlich. Dampf
scheint demnach und ist, wenn er gehoͤrig angewendet wird, eine große
Verbesserung an der in Italien gewoͤhnlichen Abhaspelungsmethode.Wie gesagt, haben aber die Italiaͤner schon seit mehreren Jahren den
Dampf bei ihren Filatorien angewendet. Diese Verbesserung gehoͤrt
also den Italiaͤnern als Eigenthum an, nicht den Englaͤndern,
die hier mit einer „Ilias post Homerum“ kommen. A. d. Ue. Ich zweifle auch nicht, daß dieses Verfahren besser seyn wird, als das in
Indien gebraͤuchliche.
Indem ich Hrn. Richardson's Anwendung des Dampfbades zu
einem neuen Zweke allen Beifall gebe und wuͤnsche, muß ich mir doch erlauben
zu sagen, daß, nach meiner Meinung, durch eine kleine Abaͤnderung in der
Einrichtung einiges Brennmaterial erspart werden wuͤrde, und daß eine kleine
Zugabe diesen Apparat auch noch zu einer anderen Arbeit brauchbar machen
wuͤrde, die mit dem Abwinden der Seide von den Cocons in der innigsten
Verbindung steht.
23 Threadneedle-Street, Mai 1. 1830.
Ich bin etc.
J. J. Zornlin, jun.
P. S. Wenn die Ostindische Compagnie mehrere solche Filatorien wuͤnschte, so
wird der hierzu noͤthige Apparat, wie auch Hr. Richardson bemerkt, in England weit wohlfeiler verfertigt werden
koͤnnen, als in Indien. Er wird in England nicht sehr hoch zu stehen kommen,
und die Zeichnungen reichen vollkommen hin, um nach denselben gehoͤrig
arbeiten zu koͤnnen.
J. J. Z.