Titel: Gewisse Verbesserungen an Räderfuhrwerken, auf welche J. Lane Higgins sich am 11. August 1828 ein Patent ertheilen ließ.
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. LXXI., S. 271
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LXXI. Gewisse Verbesserungen an Raͤderfuhrwerken, auf welche J. Lane Higgins sich am 11. August 1828 ein Patent ertheilen ließ. Aus dem Repertory of Patent-Inventions. Junius 1830. S. 328. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Lane Higgins, Verbesserungen an Raͤderfuhrwerken. Meine Erfindung ist durch folgende Beschreibung und Abbildungen erklaͤrt. Fig. 43. stellt einen Aufriß eines dreiraͤderigen Fuhrwerkes dar, welches nach meinen Verbesserungen gebaut ist: der Kasten und der Bok ist abgenommen, um meine Verbesserungen deutlicher darstellen zu koͤnnen. A, sind die vorderen Raͤder. B, ist das hintere Rad. CCCC, ist das vordere Gestell des Wagens, auf welchem der Kasten ruht. DDDD, sind die Federn oder Stuͤzen, die auf der Achse befestigt sind. E, ist die Kehrstange mit dem vorderen Gestelle verbunden, und unter der Langwied arbeitend. FF, die doppelte Langwied, die durch das Reibscheit (transome), G, laͤuft. H, ist das Lager fuͤr die Kutsche. I, ein eiserner Buͤgel in dem Lager befestigt, welcher den doppelten Mittelpunkt (double centre) bildet, wie man in Fig. 44 und 45. sieht (dieselben Buchstaben bezeichnen dieselben Gegenstaͤnde). Fig. 44. zeigt den Grundriß des Fuhrwerkes. AA sind die vorderen Raͤder. B ist das hintere Rad. CCCC ist das vordere Gestell und der vordere Theil der Reibe, (fore futchel). E die Kehrstange. FFFF die doppelte Langwied, die durch das Reibscheit, G, laͤuft. Der vordere Theil der Langwied ruht auf dem Lager, H, und der hintere auf den Federn oder auf der Achse des hinteren Rades. II ist der eiserne Buͤgel, oder zwei Bolzen, die in dem Lager, H, befestigt sind, wie man in Fig. 46. sieht. KK sind zwei gekruͤmmte Stuͤke, die in das Reibscheit G eingezogen sind. Sie sind Kreisbogen, die mit der Laͤnge des Buͤgels, II, als Halbmessern, von den beiden Enden des Buͤgels, als Mittelpunkten, beschrieben sind. L ist ein in dem Stuͤke N befestigter Bolzen, gegen welchen die Stange M arbeitet, wenn der Wagen umkehren soll, wie in Fig. 45. NNNN sind Stuͤke, die in die doppelte Langwied, bloß um sie zu verstaͤrken, eingefuͤgt sind. Leztere wird von den Enden des Buͤgels, I, der auf den gekruͤmmten Stuͤken, KK, ruht, vorwaͤrts gezogen. Fig. 45. stellt das Fuhrwerk im Umkehren dar. Das Lager des vorderen Gestelles des Wagens wird von einem Ende des Buͤgels I gegen das Reibscheit GX beschraͤnkt; an dem anderen Ende des Buͤgels arbeitet es um das gekruͤmmte Stuͤk, K; auf diese Weise tritt das Rad A in einem Bogen vor, der von GX beschrieben wird, und das Rad AX tritt durch den kleineren Bogen von GX zuruͤk; der Buͤgel, II, laͤuft uͤber die Langwied, um zu verhindern, daß er nicht aus dem Umlaufe kommt. Fig. 46. ist ein Querdurchschnitt des Fuhrwerkes nach dem Reibscheite. AA sind die vorderen Raͤder. DD die Federnlager auf der Achse, die das Lager des Wagens, H, tragen. I ist der in lezteres eingefuͤgte Buͤgel. Fig. 47. ist ein Grundriß der Langwied. Fig. 48. ist ein Querdurchschnitt des Reibscheites, G, wo man die doppelte Langwied, FF, und die gekruͤmmten Stuͤke, KK, sieht, die durchgezogen sind. Wenn nun auf das vordere Gestell der Kasten aufgesezt wird, und dieser zwischen den Raͤdern so wie an einem Cabriolet laͤuft, so faͤhrt man mit einem solchen Wagen weit leichter und sicherer, als mit einem gewoͤhnlichen vierraͤderigen. Wenn man zuruͤkschieben oder bergab fahren muß, hat man bei einem solchen Wagen sehr viel voraus, indem die beiden Enden des Buͤgels oder die Bolzen II gegen das Reibscheit druͤken. Das hintere Rad bleibt immer parallel, außer wenn der Kutscher rechts oder links fahren oder umkehren will. Ueber dem hinteren Rade kann noch ein zweiter Kasten oder ein Siz angebracht werden, der unten eine Vertiefung hat, in welcher das Rad laͤuft. Ein solcher Wagen kann ganz aus dem gewoͤhnlichen Material verfertigt, und Form und Groͤße kann nach der Art von Kasten oder Sizen abgeaͤndert werden, die auf demselben angebracht werden sollen. Meine Verbesserung besteht nicht in einer besonderen Form oder Bauart der Raͤder, Achsen, Federn oder irgendeines Theiles, der hier einzeln in der Zeichnung dargestellt wurde, sondern in einer solchen Verbindung und Zusammenstellung dieser Theile, daß dadurch ein dreiraͤderiger Wagen mit doppelt centrirter Langwied entsteht. Die hier beigefuͤgten Zeichnungen mit obiger Beschreibung reichen hin zu erklaͤren, wie die Theile eines Wagens zusammengestellt werden muͤssen, um einen dreiraͤderigen Wagen zu bilden: uͤbrigens kann die Zusammenstellung, die Form, die Groͤße, das Verhaͤltniß dieser Theile nach den verschiedenen Zweken des Wagens als Luxus- oder Lastfuhrwerk verschieden abgeaͤndert werden, und diese Abaͤnderungen wird jeder verstaͤndige Wagenmeister treffen koͤnnen, ohne daß sie einer weiteren Erklaͤrung beduͤrften.Dreiraͤderige Wagen sind nichts Neues. Wir sahen einen solchen Jahre lang in der Stadt, in welcher wir leben, und er that, von Einem Pferde gezogen, alle Dienste, die man von einem Wagen, in welchem man spazieren faͤhrt, verlangen kann, wenn die Witterung schoͤn und der Weg so ziemlich gut war. Dieser Wagen hatte naͤmlich den Fehler, daß das einzelne Rad vorausgestellt war, und daß es um vieles kleiner war, als die beiden hinteren Raͤder. Da nun die Straßen bei uns und in ganz Deutschland und Frankreich nicht so gut unterhalten sind, wie in England und Holland (die einzigen Laͤnder in Europa, von welchen man sagen kann, daß sie Kunststraßen besitzen), so mußte das kleine Rad vorne immer in der rauhen unebenen Bahn laufen, welche von den Pferden zwischen den beiden Wagengeleisen ausgetreten war, und der Wagen fuhr sich hart. Wenn die drei Raͤder alle gleich hoch, und etwas hoͤher als gewoͤhnlich gewesen waͤren; wenn man die Achsenbaͤume selbst niedriger gehalten haͤtte, als die Naben, zu welchen man die Zapfen von dem Achsenbaume in einem Winkelhaken haͤtte koͤnnen hinaufsteigen lassen, so daß dann der Kasten etwas niedriger haͤtte gehaͤngt werden koͤnnen, und wenn endlich das dritte Rad hinten angebracht worden waͤre; so wuͤrde man auch auf schlechteren Wegen mit einem solchen dreiraͤderigen Wagen leichter und fuͤr jeden Fall sicherer haben fortkommen koͤnnen. So ausgemacht wahr und richtig es ist, daß ein Tisch auf drei Fuͤßen weit sicherer steht, als auf vier; so wenig scheint dieß allgemein bekannt zu seyn: denn nimmermehr wuͤrden sonst die Mechaniker das alte omne trinum perfectum so sehr vernachlaͤssigt haben. Das fuͤnfte Rad am Wagen, uͤber welches wir uns so oft lustig machen, ist vielleicht weit weniger uͤberfluͤssig, als das vierte, indem die Theorie durch den feinsten Calcuͤl und die Erfahrung durch die genauesten und schaͤrfsten Versuche erwiesen hat, daß nur an zweiraͤderigem Fuhrwerke ein Minimum der Kraft bei einem Maximum der Wirkung in Hinsicht auf Lastenfoͤrderung Statt haben kann, und wirklich Statt hat. Das dritte Rad kann die Muͤhseligkeiten des Pakens bei den zweiraͤderigen Fuhrwerken, die Gefaͤhrlichkeiten fuͤr das Zugthier in der Gabel beseitigen helfen, ohne das Minimum der Kraft bedeutend zu stoͤren; das vierte Rad ist nicht bloß uͤberfluͤssig, sondern sogar schon schaͤdlich. Die breite Felge des einzelnen hinteren Rades wuͤrde die von den Pferden ungleich getretene Bahn zwischen den Geleisen wieder einebnen, und wesentlich zur Unterhaltung der Straßen beitragen. Gestehen wir es uns aufrichtig, daß es lediglich Vorurtheil, Unwissenheit und Faulheit ist, die uns an das vierraͤderige Fuhrsystem eben so kettet, wie an manches andere alte Herkommen, das nichts anderes fuͤr sich hat, als sein Alterthum. Wir glauben, weil die Thiere, die vor den Wagen gespannt sind, vier Fuͤße haben, so muͤsse der Wagen auch vier Fuͤße, d.h. vier Raͤder haben. Die Zeit allein, die Vorurtheile am Ende eben so sicher zerstoͤrt, als sie sie fruͤher verjaͤhrte, kann uns von alten Thorheiten heilen, und sie wird es.A. d. Ue.

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