Titel: | Ueber einen neuen Heber. Von Hrn. Colladon. |
Fundstelle: | Band 38, Jahrgang 1830, Nr. X., S. 18 |
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X.
Ueber einen neuen Heber. Von Hrn. Colladon.
Aus den Annales de l'Industrie. N. IV. S.
280.
Mit Abbildung auf Tab.
I.
Colladon, uͤber einen neuen Heber.
Man bedient sich oͤfters, sowohl in der Landwirthschaft als in Gewerben, der
Heber mit großem Durchmesser, z.B. zum Waͤssern der Felder, zur Speisung
eines hydraulischen Widders u. dergl.
Erfahrung lehrte uns eine große Unbequemlichkeit an diesen Hebern kennen: sie
hoͤren nach einiger Zeit auf zu wirken, sobald ihre Hoͤhe eine gewisse
Graͤnze uͤbersteigt, oder ihr Durchmesser von irgend einer bedeutenden
Groͤße ist. Diese Unterbrechung ruͤhrt von der Verminderung des Drukes
her, welchen die Fluͤssigkeit in dem Maße erleidet, als sie in dem Heber
empor steigt. In Folge des Gesezes, nach welchem die Menge der Gasarten, welche die
Fluͤssigkeiten aufloͤsen, von der Staͤrke des Drukes
abhaͤngt, welchen diese Fluͤssigkeiten erleiden, laͤßt das
Wasser die Luft in dem Maße fahren, als es in den Heber eintritt, und so wie diese
Luft sich nach und nach in dem oberen Theile des Hebers anhaͤuft,
hoͤrt endlich aller Ausfluß auf.
Man haͤtte eine Bemerkung machen koͤnnen, welche zu einer
Abhuͤlfe dieses Unheiles haͤtte fuͤhren koͤnnen;
naͤmlich diese, daß, je kleiner der Durchmesser eines Hebers ist, desto
weniger derselbe diesem Nachtheile unterworfen ist, und daß man, bei einer
geringeren Hoͤhe als 9 oder 10 Meter, dem Heber immer einen so kleinen
Durchmesser geben kann, daß er ununterbrochen fortspielt.
Bisher suchte man diesem Nachtheile dadurch abzuhelfen, daß man an sehr großen Hebern
oben einen Behaͤlter anbrachte, den man mit Wasser fuͤllte, und
lezteren dann mit dem oberen Theile des Hebers in Verbindung brachte. Die
Luft- oder Gasblasen, welche sich aus dem Wasser entwikeln, treten in diesen
Behaͤlter, Haufen sich in demselben an, und druͤken nach und nach das
Wasser aus demselben. Man wird einsehen, daß diese Wirkung nur eine Zeit
uͤber dauern kann, und daß die Laͤnge dieser Zeit von der
Groͤße des Behaͤlters abhaͤngt; daß man diesen Apparat immer im
Auge halten muß, um das Wasser in dem Behaͤlter von Zeit zu Zeit erneuern zu
koͤnnen. Dieser Apparat kann also nicht nur nicht fuͤr sich selbst auf
eine ununterbrochene Weise fortwirken, sondern wird durch einen Behaͤlter mit
zwei Haͤhnen und von solcher Staͤrke, daß er einen außerordentlichen
aͤußeren Druk ertragen kann, auch noch sehr kostbar.
Hr. Colladon suchte diese doppelte Unbequemlichkeit zu
beseitigen, und gelangte auf eine hoͤchst einfache Weise zu seinem Zweke: der
Ausfluß des Wassers selbst im Heber diente ihm hierzu. Dieser neue Apparat ist in
nachstehenden Figuren dargestellt. Fig. 1. zeigt ihn im
Aufrisse, Fig.
2. im Grundrisse, Fig. 3. ist ein
vergroͤßerter Durchschnitt eines Theiles des Hebers durch eine senkrechte
nach der Linie VX in Fig. 2. gelegte Ebene.
Der Heber selbst besteht aus drei Theilen. ab, in
Fig. 1.
ist der aufsteigende Schenkel, der wie an den gewoͤhnlichen Hebern gebaut
ist. Der horizontale Theil, bc, ist breit, und so
abgeplattet, daß sein Durchschnitt eine sehr verlaͤngerte Ellipse bildet, die
nach ihrer kleineren Achse abgeplattet, und deren groͤßere Achse horizontal ist. Der
Flaͤcheninhalt dieser Ellipse muß dem Flaͤcheninhalte des
kreisfoͤrmigen Durchschnittes des aufsteigenden Armes, ab, gleich seyn, so zwar, daß die Geschwindigkeit
des Wassers in dem aufsteigenden Arme jener in dem horizontalen Theile gleich ist.
Das Ende, c, dieser lezteren kruͤmmt sich beinahe
in einen rechten Winkel, und geht in den absteigenden Arm, ee, uͤber, welcher eine
walzenfoͤrmige Roͤhre ist, deren Durchmesser etwas groͤßer seyn
muß, als jener der aufsteigenden Roͤhre. Dieser absteigende Arm muß senkrecht
seyn. In dem Apparate, welcher zu den ersten Versuchen diente, war das
Verhaͤltniß dieser beiden Durchmesser ungefaͤhr wie 6 : 5; Erfahrung
allein kann bestimmen, welches Verhaͤltniß das zwekmaͤßigste ist.
Fig. 3. zeigt
den Durchschnitt nach der Linie VX, Fig. 2., des
Hebers bei der Verbindung des horizontalen Stuͤkes mit dem senkrechten Arme,
ee; man sieht, daß das horizontale
Stuͤk, nachdem es sich vertical kruͤmmte, um einige Centimeter in das
Innere der absteigenden walzenfoͤrmigen Roͤhre, ee, eintritt, so daß ein freier Raum zwischen den
Wanden der beiden Roͤhren bleibt.
Der Heber bietet demnach an diesem Orte eine rasche Verengerung dar, und es entsteht
eine Veraͤnderung in der Geschwindigkeit, in welcher die Fluͤssigkeit
ausfließt, und eine Verminderung des Drukes im Inneren der Roͤhre. Die
Veraͤnderungen im Druke, welche durch ploͤzliche Erweiterung einer
Roͤhre entstehen, in welche eine Fluͤssigkeit ausfließt, wurden unter
der Voraussezung berechnet, daß die Arme parallel laufen: diese Voraussezung hat
aber in dem hier gezeichneten Falle nicht Statt. Man kann uͤbrigens, ohne daß
es noͤthig waͤre zur Analyse seine Zuflucht zu nehmen, bis auf einen
gewissen Punkt voraussehen, welche Erscheinungen bei dem Ausflusse einer mit Gas
gesaͤttigten Fluͤssigkeit in einem solchen Heber Statt haben
muͤssen.
Es erhellt aus den Versuchen des Hrn. Colladon, daß die
Gasblasen, welche in diesen Apparat gelangen oder sich aus der Fluͤssigkeit
entwikeln, bestaͤndig nach jenen Theil der Roͤhre gezogen werden, wo
die ploͤzliche Erweiterung, d, Statt hat, Fig. 1 und 3.; und wenn
die Entwikelung solcher Blasen sehr stark ist, haͤuft die Luft sich in diesem
Theile an, wie man in Fig. 3. sieht. Sie
zertheilt sich aber alsogleich in eine unendliche Menge kleiner Blasen, welche von
dem niedersteigenden Strome der Fluͤssigkeit fortgerissen werden, und nach
einigen Secunden ist der Heber vollkommen von aller Luft gereinigt.
Um gehoͤrig zu begreifen, was hier in diesem Apparate geschieht, muß man sich
an dasjenige erinnern, was wir oben uͤber die Dauer des Ausflusses der
Fluͤssigkeiten in Hebern von einem kleinen Durchmesser gesagt haben. Wenn
eine Gasblase in einer Oberflaͤche in dem Inneren einer Fluͤssigkeit
enthalten ist, so naͤhert sich die Form derselben desto mehr einer Kugel, als
das Volumen derselben klein ist. Wirklich erreichen auch die Luftblasen, welche sich
in einem sehr engen Heber entwikeln, die untere Wand alsobald, nachdem sie ein
gewisses Volumen erreicht haben, und bilden eine Art von Staͤmpel, welcher
durch die Differenz des Drukes, welche er auf seinen beiden aͤußersten
Flaͤchen erleidet, fortgetrieben wird: die Laͤnge dieser Blasen steht
beinahe im Verhaͤltnisse mit dem Durchmesser derselben, und so veranlassen
sie nur eine sehr geringe Veraͤnderung im Druke, wenn sie sich in den
absteigenden Arm eindraͤngen. In einem Heber von groͤßerem Durchmesser
kann die Luft sich in dem oberen Theile anhaͤufen, und sie wird nur dann in
die absteigende Roͤhre getrieben, wann sie ein großes Volumen in demselben
bildet, und der Unterschied im Gewichte, welcher dadurch veranlaßt wird, kann das
Spiel des Hebers gaͤnzlich unterbrechen.
Wir wollen nun versuchen die Phaͤnomene zu erklaͤren, welche bei diesem
neuen Heber Statt haben. Wir haben gesagt, daß der obere Theil in verticaler
Richtung sehr abgeplattet ist, und daß die Luft, die sich in diesen Apparat
einschleicht, unmittelbar gegen das Ende, c, gejagt
wird, wo die horizontale Roͤhre sich mit dem absteigenden Arme verbindet. Es
scheint, daß die kleinen Gasblasen sich in diesem Falle weniger leicht vereinigen,
indem sie nicht mehr eine einzige Linie verfolgen, welche in einer Flaͤche
eingeschlossen ist, die durch die Achse und durch den Scheitel der Roͤhre
laͤuft. Sie bilden abgeschiedene Kugeln, welche, in Hinsicht ihres Volumens,
eine groͤßere Oberflaͤche darbieten, und entweder durch
Adhaͤsion, oder durch uͤbermaͤßigen Druk, den sie in der
Richtung des Ausflusses erleiden, fortgerissen werden.
Die ploͤzliche Veraͤnderung der Geschwindigkeit, welche aus der
Vereinigung zweier Roͤhren von ungleichem Durchmesser in dem Theile, d, Fig. 1. entsteht,
fuͤhrt Verminderung des inneren Drukes als Resultat herbei, und strebt
folglich die Luftblasen in jenen Theil zu ziehen, welchen der Wasserstrom gegen das
Ende c der horizontalen Roͤhre reißt, und das
Aufruͤhren (wenn man es so nennen darf), welches oben in dem senkrechten
Cylinder, ee, durch die ploͤzliche Zunahme
des Durchschnittes der Roͤhre entsteht, zertheilt die Luft in eine Menge
kleiner Blasen, die der Strom aus dem Heber fuͤhrt. Es ist begreiflich, warum
die absteigende Roͤhre senkrecht seyn muß. Wenn sie geneigt waͤre,
wuͤrden alle Blasen sich auf eine Seite begeben, und ihre Vereinigung
koͤnnte Blasen von solchem Umfange bilden, daß der Ueberschuß des Drukes des
Wassers gegen ihre obere Flaͤche die aufsteigende Kraft, die aus dem Unterschiede der Schwere dieser
Blasen gegen das Wasser, das sie verdraͤngen, entsteht, nicht mehr
uͤberwinden koͤnnte.