Titel: | Analyse mehrerer Gläser von verschiedenen Sorten. Von P. Berthier. |
Fundstelle: | Band 39, Jahrgang 1831, Nr. XV., S. 43 |
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XV.
Analyse mehrerer Glaͤser von verschiedenen
Sorten. Von P.
Berthier.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. August 1830.
S. 433.
Berthier, Analyse mehrerer Glaͤser.
Ich werde die Glaͤser, deren Analyse ich in dieser Abhandlung mittheile, in
vier Sorten eintheilen: 1) das weiße Glas; 2) das gemeine blaß
aquamaringruͤne Glas; 3) das Bouteillenglas; und 4) das Krystallglas.
Weißes Glas. Ich theile hier die Zusammensezung von
fuͤnf Glaͤsern dieser Sorte mit:
Nemours.
(1.)
Boͤhmen. (2.)
Venedig. (3.)
Roͤhren. (4.)
Roͤhren. (5.)
Kieselerde
0,720
0,717
0,686
0,734
0,692
Kalk
0,064
0,103
0,110
0,042
0,076
Kali
. . .
0,127
0,069
0,172
0,158
Natron
0,170
0,025
0,081
. . .
0,030
Bittererde
. . .
. . .
0,021
. . .
0,020
Alaunerde
0,026
0,004
0,012
0,015
0,012
EisenoxydManganoxyd
0,011
0,003 0,002
0,002 0,001
0,010 0,010
0,005
Bleioxyd
. . .
. . .
. . .
0,010
. . .
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––
0,991
0,981
0,982
0,993
0,991
(1) Weißes Glas von Bagneaux, bei Nemours (Dpt. de
Seine-et-Marne). Es ist sehr weiß: man macht daraus
Glasstulpen fuͤr Pendulen u.s.w. Es enthaͤlt eine Spur Kupferoxyd,
welche wahrscheinlich von den Werkzeugen herruͤhrt. Seine Zusammensezung ist
von der Art, daß die Kieselerde sehr nahe fuͤnf Mal so viel Sauerstoff
enthaͤlt, als alle Basen zusammengenommen.
(2) Weißes Glas von Neuvelt in Boͤhmen. Man macht daraus Trinkgefaͤße;
es ist außerordentlich schoͤn, vollkommen durchsichtig und farblos, selbst in
sehr großen Massen; es wird mit solcher Sorgfalt verfertigt, daß es fast keine Blase
zeigt. Nach Hrn. Perdonnet bereitet man es aus einem
Gemenge von 100 Quarz, 50 gebranntem Kalk, 75 kohlensaurem Kali und einer sehr
geringen Menge Salpeter, arseniger Saͤure (weißem Arsenik) und
Mangansuperoxyd (Braunstein). Durch die Analyse kann man darin keinen Arsenik
entdeken. Die Kieselerde enthaͤlt sechs Mal so viel Sauerstoff als die Basen
und die Zusammensezung des Glases entspricht sehr nahe der Formel CS⁶ +
(K,N)S⁶.
(3) Weißes Glas von Venedig. Dieses Glas macht man aus alten Spiegeln. Die Optiker
bedienen sich desselben zu optischen Instrumenten und behaupten, daß es dem Glase
von Saint-Gobain vorzuziehen ist, weil es die Feuchtigkeit weniger anzieht. Auf der
Kante betrachtet, zeigt es eine schwache Rauchfarbe, ohne weder ins Gruͤne
noch ins Blaue zu spielen. Die Kieselerde enthaͤlt nahe vier Mal so viel
Sauerstoff als die Basen.
(4) Weißes Glas in volle Roͤhren (sogenannte Glasstaͤbe) gezogen. Das
Bleioxyd ruͤhrt ohne Zweifel von einer geringen Menge Krystallglas her,
welches man mit dem Bruchglas in die Haͤfen warf.
(5) Weißes Glas, dessen sich die Schmelzarbeiter zur Verfertigung der kleinen
chemischen Instrumente, Perlen u.s.w. bedienen. Es ist viel leichtfluͤssiger
als das gewoͤhnliche weiße Glas; auch enthaͤlt es viel mehr Alkali;
der Sauerstoff der Kieselerde steht zum Sauerstoff der Basen im Verhaͤltniß
von etwas mehr als 5 zu 1.
Nach Hrn. Tessaert enthaͤlt das Spiegelglas von
Saint-Gobain im Mittel 0,76 Kieselerde und Alaunerde, 17 Natron, 0,06 Kalk
und 0,01 Eisenoxyd, Manganoxyd und Kupfer. Das Kupferoxyd ruͤhrt von den
Schoͤpfloͤffeln und den Spateln her und ertheilt ihm eine oft sehr
merkliche blaue Farbe. Ehemals verlangte man im Handel eine schwach gruͤne
Farbe; heute zu Tage verlangt man, daß sie schwach gelb sey. Man bereitet dieses
Glas aus einem Gemenge von weißem Sand, kohlensaurem Natron und gebranntem Kalk.
Aus obigen Analysen geht hervor, daß die weißen Glaͤser Silicate sind, welche
wenigstens zwei Basen, Kalk und ein Alkali enthalten. Das Alkali kann Kali oder
Natron, oder ein Gemenge von beiden seyn. Die Schmelzbarkeit dieser Glaͤser
haͤngt von dem gegenseitigen Verhaͤltnisse ihrer drei Bestandtheile
ab; sie ist um so groͤßer, je weniger Kieselerde sie enthalten, und sie nimmt
bei gleicher Menge von Kieselerde mit der Quantitaͤt des Alkali zu. Ihre
Haͤrte haͤngt hauptsaͤchlich von dem Kieselerdegehalt ab, und
ist desto groͤßer, je mehr sie davon enthalten. Die leichtfluͤssigsten
werden auch von den Saͤuren am staͤrksten angegriffen und sind daher
auch diejenigen, welche sich, laͤngere Zeit der Luft ausgesezt, am meisten
veraͤndern. Aus bloßer Kieselerde und Alkali allein koͤnnte man sehr
harte und schoͤne Glaͤser von beliebiger Schmelzbarkeit darstellen;
sie wuͤrden aber wenig Zaͤhigkeit und Elasticitaͤt haben; der
Kalk ist noͤthig, um ihnen diese Eigenschaften zu ertheilen. Sehr
wahrscheinlich wuͤrden andere Basen, z.B. Baryt und Bittererde, dieselbe
Wirkung hervorbringen; da aber Kalk allenthalben um geringen Preis zu haben ist, so
hat man ihn natuͤrlich uͤberall angewandt. Wo das Brennmaterial sehr
theuer ist, erfordert es das Interesse der Glasfabrikanten sehr
leichtfluͤssiges Glas zu machen, und folglich viel Alkali anzuwenden; diese
Glassorten sind aber von sehr schlechter Qualitaͤt und verwittern an der
Luft. In denjenigen Gegenden hingegen, wo das Brennmaterial sehr wohlfeil ist, spart man an Alkali
und fabricirt vortreffliches Glas. Da die Schmelzbarkeit der vielfachen Silicate
immer groͤßer als die mittlere Schmelzbarkeit der sie zusammensezenden
einfachen Silicate ist, so waͤre es offenbar vortheilhaft, bei der
Glasfabrikation ein Gemenge von kohlensaurem Kali und kohlensaurem Natron
anzuwenden, anstatt sich, wie es fast immer geschieht, bloß des einen oder bloß des
anderen zu bedienen. Auf diese Art wurde man mit derselben Gewichtsmenge alkalischer
Substanzen leichtfluͤssigere Glassorten erhalten, welche folglich weniger
Brennmaterial erfordern wuͤrden, als wenn man Kali oder Natron fuͤr
sich anwendet, und diese Glassorten waͤren dessen ungeachtet eben so
dauerhaft und unveraͤnderlich, weil sie keine groͤßere Menge Basen
enthielten.
Das gemeine blaß aquamaringruͤne Glas (verre à pivettes) wird zur Verfertigung von
Arzneiglaͤsern und aller geringeren Glaswaaren verwandt. Dieses Glas ist
hart, fest, und hat die sehr schaͤzbare Eigenschaft, sich viel besser blasen
und bearbeiten zu lassen als das weiße Glas. Ich theile hier die Zusammensezung von
vier solchen Glassorten mit, wie ich sie im Handel in Form chemischer
Geraͤthschaften erhielt.
(1.)
(2.)
(3.)
(4.)
Kieselerde
0,716
0,692
0,635
0,620
Kalk
0,100
0,130
0,162
0,156
Kali
0,106
0,080
0,105
. . .
Natron
. . .
0,030
. . .
0,164
Bittererde
. . .
0,006
. . .
0,022
Alaunerde
0,030
0,036
0,045
0,024
Eisenoxyd
0,015
0,016
0,025
0,007
Manganoxyd
0,003
. . .
0,012
. . .
––––––––––––––––––––––––
0,970
0,990
0,984
0,993
Der Sauerstoffgehalt der Kieselerde verhaͤlt sich zum Sauerstoffgehalt aller
Basen = 6 : 1 im Glase (1), = 5 : 1 im Glase (2), = 7 : 2 im Glase (3) und = etwas
mehr als 3 : 1 im Glase (4). Die Zusammensezung dieser Glaͤser ist also
außerordentlich wandelbar; sie verdanken ihre Eigenschaften einem groͤßeren
Kalkgehalt, als das weiße Glas hat. Ihre gruͤne Farbe ist nicht wesentlich
und ruͤhrt daher, daß man zu ihrer Fabrikation gemeinen, etwas eisen-
und thonhaltigen Sand anwendet.
Bouteillenglas. Drei Bouteillenglaͤser, welche
ihrer Guͤte wegen beruͤhmt sind, zeigten folgende Zusammensezung:
Souvigny. (1.)
Saint-Etienne.
(2.)
Epinac (3.)
Kieselerde
0,600
0,604
0,596
Kalk
0,223
0,207
0,180
Baryt
. . .
0,009
KaloNatron
0,031
0,032
0,032 . . .
Bittererde
. . .
0,006
0,070
Alaunerde
0,080
0,104
0,068
Eisenoxyd
0,040
0,038
0,044
Manganoxyd
0,012
0,004
Kupferoxyd
Phosphorsaͤure
0,004
. . .
––––––––––––––––––––––––––
0,990
1,000
0,994
(1) Glas von Souvigny, bei Moulins (Dpt. de l'Allier).
Die Bouteillen, welche man aus diesem Glase fabricirt, stehen im Rufe
vorzuͤglicher Qualitaͤt und sind in Paris sehr gesucht. Zu seiner
Bereitung nimmt man Sand aus dem Fluß Allier, weißen Mergel aus einem Kalkgebirge
von suͤßem Wasser, ausgelaugte Asche und ein wenig Kochsalz. Die
Phosphorsaͤure ruͤhrt offenbar von der Asche her, welche immer etwas
phosphorsauren Kalk enthaͤlt. In diesem Glase verhaͤlt sich der
Sauerstoff der Kieselerde zum Sauerstoff der Basen = 5 : 2.
(2) Glas von Saint-Etienne (Dpt. de la Loire), zu
dessen Bereitung man schwefelsauren Baryt nimmt. Da die mit der groͤßten
Sorgfalt angestellte Analyse nur eine sehr geringe Menge von Baryt ergab, so muß man
bei der Operation, welche das mir uͤbersandte Muster gab, entweder nur sehr
wenig schwefelsauren Baryt angewandt haben, oder der groͤßte Theil dieses
Salzes sich in den Haͤfen wegen seiner großen Dichtigkeit abgesezt haben, ehe
es zersezt wurde. Der Baryt kann die Silicate schmelzbarer machen, und ist in dieser
Hinsicht bis zu einem gewissen Grade geeignet, die Alkalien zu ersezen; da aber nur
eine sehr geringe Menge Alkali bei den Bouteillenglaͤsern angewandt wird, und
man es groͤßtentheils durch Auslaugen von Asche ohne Kosten erhaͤlt,
so scheint man aus der Anwendung des schwefelsauren Baryts zur Fabrikation des
Bouteillenglases keinen großen Vortheil ziehen zu koͤnnen: auch soll derselbe
wirklich in Saint-Etienne aufgegeben worden seyn. Jedes Mal aber, wenn man
davon Gebrauch machen will, muß man ihn mit so viel Kohle vermengen, als
noͤthig ist, um die Schwefelsaͤure in schwefliche Saͤure zu
verwandeln; man wird dadurch die Vereinigung des Baryts mit der Kieselerde sehr
erleichtern. Im Glase von Saint-Etienne verhaͤlt sich der Sauerstoff
der Kieselerde zum Sauerstoff der Basen = 5 : 2.
(3) Glas von Epinac, bei Autun (Dpt. de
Saône-et-Loire); zur Fabrikation dieses Glases nimmt
man zwei Sorten von Sand, die man bei dem Etablissement aufhaͤuft, und welche
man weder mit ausgelaugter Asche noch mit irgend einer anderen Substanz vermengt.
Die eine Sandsorte hat folgende Zusammensezung:
Kalk
0,348 oder kohlensaurer
Kalk
0,617
Bittererde
0,172
– –
Bittererde
0,356
Kohlensaͤure
0,453 Thon
0,012
Thon
0,012
–––––
–––––
0,985
0,985
Der andere Sand ist ein Gemenge sehr kleiner Quarz- und
Feldspathkoͤrner, die mit einer schwachen Schichte Eisenoxyd
uͤberzogen sind; er enthaͤlt:
KieselerdeAlaunerdeKaliEisenoxydManganoxyd
0,8000,1100,0600,0200,007
0,997
In dem Glase von Epinac verhaͤlt sich der Sauerstoffgehalt der Kieselerde zum
Sauerstoffgehalt der Basen = etwas weniger als 5 : 2, also wie in den beiden
vorhergehenden Glaͤsern.
Die Formel (C,M,K,N)S³ + (A,F,M)S² entspricht sehr nahe der
Zusammensezung dieser drei Glaͤser; man muß aber diesen Formeln keine
groͤßere Wichtigkeit beilegen, als sie wirklich haben.
Im Bouteillenglase ist das Eisen weder als Protoxyd noch als Peroxyd, sondern auf der
mittleren Oxydationsstufe; man bringt es auf dieselbe durch einen Handgriff, welcher
meistens darin besteht, das geschmolzene Glas mit gruͤnem Holze
umzuruͤhren. Dadurch erhaͤlt man die von den Consumenten
gewuͤnschte Nuͤance; vielleicht tragen die Bestandtheile des Rußes zur
Erzeugung dieser Nuͤance bei.
Die Bouteillenglaͤser sind viel strengfluͤssiger als die
uͤbrigen, weil sie viel Alaunerde und sehr wenig Alkali enthalten. Die
strengfluͤssigsten sind die besten. In Paris verfertigt man solche, die
weniger Kieselerde und viel mehr Kalk enthalten, als diejenigen, deren
Zusammensezung ich oben mittheilte: diese Glaͤser haben jedoch den Nachtheil,
daß sie nach laͤngerer Zeit durch Essig angegriffen werden.
Krystallglas. Folgendes ist die Zusammensezung dreier
Sorten von Krystallglas.
Vonèche. (1.)
Newcastle.
(2.)
London (3.)
Kieselerde
0,560
0,514
0,592
Bleioxyd
0,344
0,374
0,282
Kali
0,066
0,094
0,090
Alaunerde
0,010
0,012
EisenoxydManganoxyd
. .
. . . .
0,008
0,004 0,010
–––––––––––––––––––––––––––
0,980
1,002
0,978
(1) Krystallglas von Vonèche in den Niederlanden; man bereitet es mit einem
Gemenge von 3 Theilen weißem Sande, 2 Theilen Mennige und 1 Theil kohlensaurem Kali.
Seine Zusammensezung entspricht der Formel K S⁸ + 2 P S⁸.
(2) Krystallglas von Newcastle in England. Man bereitet es aus weißem Sande,
Bleiglaͤtte, gereinigter Potasche, Salpeter und Braunstein: man nimmt ganz
und gar keine Mennige. Die Kieselerde enthaͤlt fuͤnf Mal so viel
Sauerstoff als die Basen.
(3) Krystallglas woraus man zu London die physikalischen und chemischen Apparate
verfertigt. Es ist vollkommen weiß und ohne Blasen. Der Sauerstoff der Kieselerde
verhaͤlt sich zum Sauerstoff der Basen = 8 : 1, so wie im Krystallglase von
Vonèche.
Da alle einfachen Verbindungen von Kieselerde und Bleioxyd gefaͤrbt sind, so
muß man, um farblose Bleiglaͤser zu erhalten, diesen beiden Substanzen eine
andere Basis zusezen: man nimmt hiezu ein Alkali, damit diese Glaͤser
leichtfluͤssig werden. Da Fabrikanten versichern, daß man nothwendig Kali
anwenden muß, und daß das Glas eine merkliche blaue Farbe erhielte, wenn man sich
des Natrons bedienen wuͤrde. Die Krystallglaͤser sind um so
leichtfluͤssiger und glaͤnzender, je mehr Bleioxyd sie enthalten; sie
sind dann aber zugleich um so weniger hart und widerstehen um so weniger den
chemischen Agentien.