Titel: | Ueber künstliche Stroharbeiten von Seb. Lenormand, Professor der Technologie in Paris. |
Fundstelle: | Band 39, Jahrgang 1831, Nr. LXXXIV., S. 298 |
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LXXXIV.
Ueber kuͤnstliche Stroharbeiten von
Seb. Lenormand, Professor
der Technologie in Paris.
Aus dem Dictionnaire technologique Bd. XV. S.
133.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Lenormand, uͤber kuͤnstliche
Stroharbeiten.
Ich will mich hier nicht darauf einlassen, den Ursprung der Kunstwerke aus Stroh zu
ermitteln; bekanntlich beschaͤftigten sich die Priester der Thebaide damit
und verfertigten daraus Matten, worauf sie schliefen und die ihnen auch oft als
Kleidungsstuͤke dienten. Die Reisenden
haben uns aus China und Amerika Arbeiten derselben Art mitgebracht, die von den
Eingebornen des Landes mit vieler Zartheit und Reinlichkeit ausgefuͤhrt
waren; man bewahrt deren eine Menge in den Kunstcabinetten auf; die Zeit der
Entstehung dieser Kunst in diesen verschiedenen Laͤndern kennt man jedoch
nicht. Alles was aber in dieser Art bei diesen Voͤlkern geschah, liegt
innerhalb der Graͤnzen der Kunst des Mattenmachers; die Kunst hingegen,
welche wir jezt beschreiben wollen, ist davon sehr verschieden. Sie besteht darin
das Stroh zu faͤrben, es in Gestalt mehr oder weniger großer Blaͤtter
zu bringen, es nach dem Dessin, welches man hervorbringen will, auszuschneiden und
das gebildete Dessin zu formen (modeln), so daß es sich en
basrelief darstellt. Diese Kunst wurde noch nie
beschrieben, nur wenige Leute kennen sie und die Arbeiten, welche aus den
Haͤnden geschmakvoller Kuͤnstler hervorgehen, erfreuen alle
diejenigen, welche sie untersuchen. Vor Zerstoͤrung der
Moͤnchskloͤster sah man die Carthaͤuser in Arbeiten dieser Art
sich auszeichnen. Ein Kuͤnstler, welcher diese Fabrikation bei einem solchen
Moͤnche erlernt hatte, hat mich darin unterrichtet und ich bin vielleicht
heute zu Tage der einzige, der sie gruͤndlich versteht; ich will, damit diese
Kunst nicht verloren geht, in alle noͤthigen Details eingehen.
Ueber die Auswahl der Halme und ihre Zubereitung.
Zu Arbeiten dieser Art ist das Stroh von allen Getreidearten nicht gleich geeignet;
man muß dasjenige auswaͤhlen, welches gewoͤhnlich das weißeste und
duͤnnste ist und dessen Halm den groͤßten Durchmesser hat und am
laͤngsten ist. Die zweizeilige Gerste (Sommergerste, hordeum distichon, L.) besizt alle erwuͤnschten Eigenschaften; sie
unterscheidet sich von der Wintergerste dadurch, daß ihre Aehre platt und lang ist und nur zwei
Reihen Koͤrner hat; ihr Bart und der Staͤngel fuͤhlen sich hart
an.
Gegen die Zeit der Erndte und wenn sich die Aehre gebildet hat, besucht man die damit
besaͤeten Felder, waͤhlt dasjenige aus, welches die schoͤnsten
Halme zeigt, und wenn sie gelb geworden sind, schneidet man einige davon mit einer
Scheere an der Erde ab, reinigt sie von ihren Blaͤttern und untersucht ob sie
keine Fleken haben. Durch Nebel, Regen im Fruͤhjahre bekommen sie oft
schwarze Fleken, welche man ihnen unmoͤglich benehmen kann, und man muß
vorzugsweise diejenigen Gegenden aussuchen, welche in dieser Hinsicht am wenigsten
gelitten haben. Vor der Erndte benimmt man sich mit dem Eigenthuͤmer, welcher
gern so viel abschneiden laͤßt als man noͤthig hat, vorausgesezt daß
man ihm die Aehren gibt, die man mit einer Scheere abschneidet. An einem Gebund hat
eine Person auf ein ganzes Jahr fuͤr ihre Arbeit genug.
Zu Hause sondert man sodann die Halme mittelst einer Scheere ab, schneidet ober und
unter jedem Knoten ab, und wirft die Knoten, die Huͤlsen und den ganz kleinen
oberen Halm, dessen Durchmesser zu klein ist, weg. Die schoͤnsten Halme sind
diejenigen, welche 15 bis 20 Centimeter Laͤnge, die Dike einer Schreibfeder,
keine Fleken haben und duͤnn sind.
Nachdem man alles Unnuͤze von den Halmen abgesondert hat, theilt man sie nach
ihrer Laͤnge ab und verwahrt sie in abgetheilten Kaͤstchen; ich will
hier sogleich bemerken, daß man oft Roͤhren von fuͤnf bis sechs
Centimeter Laͤnge brauchen kann.
Ueber das Bleichen des Strohes.
Nachdem das Stroh abgetheilt ist, muß man es bleichen, besonders das fuͤr
zarte Farben bestimmte, denn man erhaͤlt hier wie bei dem Faͤrben der
Zeuge nur dann schoͤne Farben in ihrer ganzen Reinheit, wenn die zu
faͤrbenden Gegenstaͤnde fast vollkommen weiß sind. Obgleich das Stroh
gewoͤhnlich gelblich ist, so kann man es doch leicht schoͤn weiß
machen. Hierzu wendet man den fluͤssigen Chlorkalk an und verfaͤhrt
auf eine aͤhnliche Weise wie bei den Zeugen; das Bleichen erfolgt aber
schneller als bei jenen und ist leichter als bei Baumwollenzeugen.Das Dict. techn. verweist hier auf seinen Artikel
Blanchiment Bd. III. S. 158 und 180. Noch
ausfuͤhrlichere Anleitungen enthaͤlt das polytechnische
Journal Bd. VIII. S. 51. 155. 314. 488.
Alle diese Vorsichtsmaßregeln sind jedoch nur bei sehr zarten Farben, wie Hellroth,
der Hautfarbe (Incarnat), dem zarten Lilas, dem Zeisiggelb, dem Himmelblau
u.s.w. erforderlich. Fuͤr andere weniger zarte Farben bedient man sich des
Schwefelns.
Ueber das Schwefeln. Der gebraͤuchlichste Apparat
ist ein Faß, welches wenigstens einen Meter (3 Fuß) hoch und dessen Boden und Dekel
herausgenommen ist; man stellt es gerade auf; 15 bis 16 Centimeter vom oberen Rande
nagelt man drei oder vier Brettchen an, welche bestimmt sind einen Zirkel zu
stuͤzen, auf welchem man ein Nez ausbreitet, dessen Maschen ungefaͤhr
3 Centimeter in der Ausdehnung haben. Man legt immer eine kleine Hand voll
Strohhalme auf dieses Nez und kreuzt sie in allen Richtungen. Das Faß bedekt man mit
einem Dekel, welcher nach Art der Tabatieren hineinpaßt und dessen Umfang mit
aufgenagelten Sahlbaͤndern umhuͤllt ist, so daß er die Oeffnung
luftdicht verschließt. Man bedekt das Ganze sodann mit einer wollenen Deke. Ehe man
die Brettchen annagelt, darf man nicht vergessen uͤber die ganze innere
Flaͤche des Fasses Papier zu kleistern, damit alle Rize, welche sich bilden
und das schweflichsaure Gas entweichen lassen koͤnnten, versperrt werden.
Nachdem Alles so hergerichtet ist, stellt man unter das Faß ein Beken voll
gluͤhender Kohlen und darauf ein eisernes Gefaͤß, worin man
gepulverten Schwefel ausbreitet. Der Schwefel erhizt sich, entzuͤndet sich,
es wird schweflichsaures Gas entbunden, welches den Hohlraum des Fasses
ausfuͤllt und das Stroh bleicht sich. Drei oder vier Stunden reichen zu
dieser Operation hin. Man darf nicht zu viel Schwefel nehmen und muß ihn gut
ausbreiten; denn wenn er in zu großer Menge vorhanden, besonders aber wenn er an
einigen Stellen aufgehaͤuft ist, so bildet sich eine zu hohe Flamme und das
Stroh erhaͤlt eine ihm unbenehmbare schwarze Farbe. Man muß diese Operation
in freier Luft vornehmen. Wenn man kein schweflichsaures Gas mehr riecht, dekt man
das Faß auf und nimmt das Stroh heraus, welches nun zum Faͤrben geeignet
ist.
Zubereitung des Strohes vor dem Faͤrben.
Gewisse Farben nimmt das Stroh nur dann gut an, wenn es geoͤffnet worden ist.
Diese Operation war fruͤher sehr langwierig, ich habe sie aber durch ein
Instrument von meiner Erfindung bedeutend abgekuͤrzt.
Wenn man die Halme in vollkommen trokenem Zustande zu oͤffnen suchen
wuͤrde, so koͤnnte man niemals damit zu Ende kommen, sie
wuͤrden brechen und waͤren dann unbrauchbar. Man muß sie uͤber
Nacht auf dem Pflaster eines Zimmers im Erdgeschoß liegen lassen: die Kuͤhle
des Pflasters ertheilt ihnen die Feuchtigkeit, welche noͤthig ist, damit man
sie leicht oͤffnen, zurichten und abplatten kann.
Ehemals bediente man sich einer hoͤlzernen Spindel A (Fig.
1. Tab. V.); man faßte den Strohhalm mit der linken Hand, stekte die
Spindel in das Ende und verursachte ihn neigend, einen Riß welchen man bis zum
anderen Ende fortfuͤhrte, indem man die Spindel in der Richtung des Risses
schnell fortstieß. Man breitete sodann den Halm uͤber der Spindel aus und
glaͤttete ihn mit dem Polirwerkzeug Fig. 2. Man machte ihn
endlich ganz platt, indem man seine glatte Seite auf einer sehr glatten starken
Platte von Apfelbaumholz rieb. Diese Operation, welche man mit jedem Strohhalm
wiederholen mußte, war, wie man sieht, sehr langwierig und langweilig. Das
Polirwerkzeug zeigt B von der Seite und C von vorne. Ich habe diesem Verfahren folgendes
substituirt:
Fig. 3. zeigt
die Plaͤttmuͤhle zum Schlizen, Oeffnen und Glaͤtten des
Strohes. Auf einer rechtwinkeligen Platte aus Apfelbaumholz A, von 20 Centimeter Breite und 15 Laͤnge fugt man mit Zapfen und
Fugen zwei starke Wangen B, B, zusammen, welche oben
durch die Querwange C verbunden sind. Zwischen diesen
Wangen sind die beiden Cylinder D, E, angebracht, welche
man vollkommen in Fig. 4. sieht, wo die Plattmuͤhle von hinten dargestellt ist.
Fig. 5. zeigt
die Wangen von der Seite, damit man den Vorsprung a
dabei sehen kann, auf dem das Querstuͤk b ruht,
auf welchem durch zwei Schrauben das wichtige Stuͤk befestigt ist, welches
dazu dient den Halm zu oͤffnen und ihn zwischen die Cylinder der
Plaͤttmuͤhle zu richten. Dieses Querstuͤk ist durch seine
beiden Enden auf den Vorspruͤngen der beiden Wangen befestigt, und wird
darauf durch die beiden hoͤlzernen Schrauben, welche man in b
Fig. 3. sieht,
festgehalten. Man sieht in der Wange Fig. 5. einen
laͤnglichen Einschnitt c, welcher die beiden
Zapfen der Cylinder aufnimmt, wovon der untere auf einem zugerundeten Einschnitt
ruht und ein Kißchen d uͤber sich hat, welches
durch die Schraube f gedruͤkt wird, damit der
obere Cylinder stark genug auf den Halm druͤkt, um ihn auszubreiten. Man
sieht diese beiden Schrauben in Fig. 3.
Das Querstuͤk b traͤgt in seiner Mitte ein
Stuͤk g, welches durch zwei hoͤlzerne
Schrauben auf ihm befestigt ist und den vorspringenden Schnepfenschnabel h traͤgt, welchen man in Fig. 6 und 7. auf seinen beiden
Seiten sieht. Fig.
6. zeigt ihn von oben so wie ihn Fig. 3. darstellt; in Fig. 7. ist er
von unten vorgestellt, wodurch seine Einrichtung ganz deutlich wird. Der
vorspringende Schnabel h ist oben schneidend, unten
zugerundet und erweitert sich immer mehr, damit man den Halm in dem Maße als er sich
breit druͤkt, dirigiren und ihn in seiner vollstaͤndigen Ausbreitung
zwischen die Cylinder bringen kann.
Die Verfahrungsweise ist nun folgende: Man nimmt das feuchte Stroh mit der linken
Hand, laͤßt den Schnepfenschnabel in den Halm gehen und treibt ihn
vorwaͤrts; der Halm spaltet sich und man faͤhrt fort zu stoßen bis man
beim Umdrehen der Kurbel G spuͤrt, daß er
zwischen die Cylinder gelangt ist. Man laͤßt sodann den Halm aus und
faͤhrt fort die Kurbel zu drehen bis er ganz durchgezogen ist, worauf er ganz
offen und platt hinter der Plaͤttmuͤhle herabfaͤllt. Man kann
auf diese Art zehntausend Halme in einem Tage zubereiten, waͤhrend man
fruͤher nur ungefaͤhr hundert zurichten konnte. Die so vorbereiteten
Halme sind nun zum Faͤrben geeignet.
Verfahren um die Halme zu faͤrben.
Blau. Man bringt eine Unze (30 Grammen) gepulverten guten
Guatimala-Indigo in ein Arzneiglas, stellt es auf ein Sandbad, und gießt 2
Unzen (60 Grammen) kaͤufliche Schwefelsaͤure zu. Sobald das Aufbrausen
aufgehoͤrt hat, sezt man noch 15 Grammen gute Potasche zu. Man laͤßt
das Ganze vier und zwanzig Stunden digeriren.Hier scheint von Seite des Verfassers ein Versehen zu seyn, indem auf den
Zusaz der Potasche die Fluͤssigkeit durch das starke Aufbrausen aus
dem Glase treten wuͤrde. Ein zwekmaͤßigeres Verfahren
duͤrfte folgendes seyn: Nachdem man 1 Theil Indigo mit 4 Theilen
rauchender Schwefelsaͤure digerirt hat, verduͤnnt man die
Fluͤssigkeit mit ihrem doppelten Gewichte Wasser und sezt dann frisch
gefaͤllte Alaunerde allmaͤhlich und unter bestaͤndigem
Umruͤhren zu. Dadurch erhaͤlt man eine mit Alaunerde
neutralisirte schwefelsaure Indigaufloͤsung. Die hiezu erforderliche
Alaunerde bereitet man folgendermaßen: man loͤst auf 1 Theil Indigo 3
Theile Alaun in Wasser auf, verduͤnnt stark und versezt die
Fluͤssigkeit mit Potasche oder caustischer Lauge so lange, bis kein
Niederschlag mehr entsteht; lezteren filtrirt man ab und suͤßt ihn
gut aus. Er muß noch feucht zum Neutralisiren der Indigaufloͤsung
verwandt werden. A. d. R.
Dieß ist die Composition, womit man das Blau in seinen verschiedenen Nuͤancen
faͤrbt. Zu diesem Ende sezt man einen Kessel mit so viel Wasser als
noͤthig ist, um die zu faͤrbenden Halme gut einzutauchen, auf das
Feuer; wenn das Wasser siedet, sezt man vermittelst eines mit einem Stiele
versehenen hoͤlzernen Loͤffels in kleinen Portionen von dem bereiteten
schwefelsauren Indigo so lange zu, bis man die gewuͤnschte Nuͤance
erhalten hat. Alsdann nimmt man den Kessel vom Feuer und wirft die Halme hinein,
welche nicht geoͤffnet worden sind. Man haͤlt die Halme eingetaucht
und wenn sie die verlangte Nuͤance erhalten haben, nimmt man sie heraus,
waͤscht sie in kaltem Wasser aus und troknet sie.
Himmelblau (Azur). Fuͤr diese zarte Farbe
muͤssen die Halme geoͤffnet seyn; man bringt sie in Schichten, welche
sich kreuzen, in ein glasirtes vierekiges irdenes Gefaͤß. Man nimmt sodann
von der oben zuruͤkgebliebenen blauen Farbe einen Theil und versezt ihn unter
Umruͤhren so
lange mit warmem Wasser, bis man die Nuͤance erhalten hat: sobald dieses Bad
siedet, gießt man es in das irdene Gefaͤß uͤber die Halme, welche man
durch Holzstuͤke, die gegen die Seitenwaͤnde druͤken, immer
eingetaucht zu bleiben zwingt. Wenn sie die Farbe angenommen haben, waͤscht
man sie aus und troknet sie.
Gelb. Diese Farbe bereitet man mit gepulverter terra merita (Curcuma), welche man so lange in Wasser
siedet, bis man die gewuͤnschte Nuͤance erhalten hat, alsdann wirft
man die nicht geoͤffneten Halme hinein und laͤßt kochen bis die Farbe
genuͤgt, wobei man uͤbrigens wie beim Blau
verfaͤhrt.
Mit dem Ruͤkstande faͤrbt man ein helleres Gelb; dieses Gelb taucht man
sodann in ein mehr oder weniger dunkles, blaues Bad, wodurch man Gruͤn von verschiedenen Nuͤancen
erhaͤlt.
Roth. Zu dieser Farbe und allen ihren Nuͤancen
darf man immer nur offene und platt gedruͤkte Halme anwenden, wie bei dem Himmelblau; man legt sie ebenso in glasirte irdene
Gefaͤße. Zu diesen zarten Farben waͤhlt man die schoͤnsten
ungeflekten Halme. Das Faͤrbebad wird folgendermaßen bereitet:
Man verschafft sich bei den Kaufleuten, welche mit gefaͤrbtem Wollengarn
handeln, einige Straͤnge von grobem wollenen rothgefaͤrbtem Garn,
deren Farbe sich der Scharlachfarbe naͤhert und kocht sie einige Minuten lang
in Wasser, worin etwas Alaun aufgeloͤst ist: die Wolle gibt fast alle ihre
Farbe dem Wasser ab, und wenn man die verlangte Nuͤance erhalten hat, gießt
man das Bad uͤber die Halme, welche man so lange eingetaucht laͤßt,
bis die Fluͤssigkeit kalt ist. Man waͤscht nicht aus, sondern troknet
sie so, wie sie herauskommen.
In Ermangelung solcher Wolle kann man mit Cochenille nach der bei der Seide
uͤblichen Methode faͤrben.Die Faͤrbungsweise findet man in Vitalis
Grundriß der Faͤrberei etc. deutsche Ausgabe von Dingler und Kurrer,
Stuttgart bei Cotta 1824 ausfuͤhrlich
beschrieben. A. d. R.
Das Rosenroth und die Fleischfarben faͤrbt man mit den Ruͤkstaͤnden, die
man erhizt und siedend auf die Strohhalme gießt, so wie es beim Himmelblau angegeben wurde.
Fuͤr das Violett wendet man das Himmelblau an, welches man nach den Nuͤancen in
einem rosenrothen Bade faͤrbt.
Um Lilas zu erhalten, faͤrbt man zuerst Himmelblau
und dann Fleischfarben.
Verschiedene Nuͤancen von Roth kann man sowohl mit
Brasilienholz als mit Orseille nach dem bei Zeugen uͤblichen Verfahren
faͤrben.
Um Braun von verschiedenen Nuͤancen zu erhalten,
faͤrbt man zuerst gruͤn, dann gelb, dann roth und zulezt in einem Bad
von Campechenholz.
Schwarz erhaͤlt man, indem man zuerst ein Bad von
Gallaͤpfelextract, dann von holzsaurem Eisen und zulezt ein Bad von
Campecheholz anwendet.
Ueber das Aufpappen der Halme.
Die Halme moͤgen nun gebleicht oder geschwefelt, gefaͤrbt oder mit
ihrer natuͤrlichen Farbe begabt seyn, so wendet man sie nie an ohne sie
neuerdings geglaͤttet, gerade gerichtet und einen neben den anderen auf
Blaͤtter von sehr duͤnnem Papier gepappt zu haben.
Gewoͤhnlich pappt man 15 bis 20 Halme, je nach ihrer Breite, auf Papier neben
einander. Man faͤngt damit an jeden einzeln auszulesen und sie nach ihrer
Nuͤance zu ordnen; es ist naͤmlich zu bemerken, daß nicht alle Halme
gleiche Nuͤance haben, selbst wenn sie in demselben Bade gefaͤrbt
worden sind.
Wenn sie nach der Nuͤance geordnet sind, richtet man sie gerade. Hiezu breitet
man den Halm auf der glatten Seite auf einer sehr starken und gleichfoͤrmigen
Platte von Apfelbaumholz aus, bedekt ihn mit einem duͤnnen und ganz geraden
eisernen Lineale, so daß nur ein sehr schwacher Strohfaden uͤber den Rand des
Lineales hinaussicht, und schneidet diesen Faden vermittelst einer sehr scharfen
Klinge ab, welche die Gestalt eines Radiermessers hat und in Fig. 8. abgebildet
ist.
Nachdem man jeden Halm auf beiden Seiten gerade gerichtet und deren eine große Menge
bereitet hat, schreitet man an das Aufpappen derselben auf Papier mittelst
Mehlkleister. Hiezu braucht man eine starke eiserne Presse von der von mir
vervollkommneten Construction, welche ich sogleich beschreiben werde. Unter die
Tafel, welche die Schraube niederdruͤken muß, legt man so viele kleine
Platten von Nußbaumholz als sie fassen kann, und zwischen zwei dieser kleinen
Platten legt man immer drei oder vier Blaͤtter Papier. Zwischen diese Platten
und in das Papier legt man die Blaͤtter, auf welche die Strohhalme aufgepappt
sind.
Die Presse, deren Einrichtung Fig. 9. zeigt, ist ganz
aus Eisen; sie besteht aus den beiden Wangen A, A, dem
Querstuͤk B und den beiden Zapfen C, C, welche alle nur ein einziges Stuͤk
ausgeschmiedetem Eisen von 15 Millimeter Dike bilden. Jede Wange ist mit einer
doppelten Leiste versehen, wodurch sie sich fest auf den Werktisch stuͤzt und
jede endigt sich in eine Verlaͤngerung D, D, die
durch den Werktisch
geht und durch Vorstekeisen unter einer eisernen Platte E, welche sie beide verbindet, festgehalten wird.
Die Schraube lauft in ihrer Mutter, welche von dem Querstuͤk F getragen wird, und geht in ein mitten in dem oberen
Querstuͤk B angebrachtes Loch; das Ganze wird
durch die beiden Strebepfeiler G, G befestigt. Man sieht
leicht ein, daß eine Presse von dieser Einrichtung (wobei man auch leicht alle
Theile, da keiner verstekt ist, beobachten kann) sehr stark seyn muß.
Der Schraubenkopf ist mit der Platte H verbunden, welche
den Druk auf die seiner Wirkung auszusezenden Gegenstaͤnde ausuͤbt.
Diese Platte beruͤhrt mit ihren beiden Enden die Wangen, welche ihr die
gehoͤrige Richtung geben, wenn die Schraube auf sie wirkt. Der obere Theil
dieses Querstuͤkes hat auf jeder Seite der Schraube die Gestalt einer
geneigten Ebene bis zu den Wangen, damit auf seiner ganzen Laͤnge ein
gleichfoͤrmiger Druk ausgeuͤbt wird.
Unter die Platte H legt man ein Duzend kleiner Tafeln aus
Nußbaumholz die 12 Centimeter breit, 10 Centimeter lang und 4 Millimeter dik sind;
zwischen zwei derselben legt man einen Bogen Papier von derselben Laͤnge und
Breite, naͤmlich 2 Blaͤtter oder 8 Seiten in 4°, so daß also
zwischen zwoͤlf Tafeln eilf Lagen Papier gleichfoͤrmig ausgebreitet
sind. Endlich legt man auf diese kleinen Tafeln eine Platte von Eichenholz von einem
Zoll im Durchmesser und von derselben Laͤnge und Breite wie die kleinen
Tafeln. Ihre obere Flaͤche geht von der Breite der Platte H nach beiden Richtungen in eine geneigte Ebene aus,
damit der Druk in ihrer ganzen Ausdehnung gleichfoͤrmig ist.
Mit Huͤlfe dieses Apparates kann man zum Aufpappen des bereits vollkommen
zubereiteten Strohes schreiten. Man breitet auf einer ganz glatten Tafel ein Blatt
sehr feines Papier von der Groͤße der herzustellenden Strohtafel aus,
uͤberzieht das ganze Blatt vermittelst eines Pinsels mit Mehlkleister und
pappt vom Rand des Blattes angefangen einen Halm an den anderen, indem man darauf
achtet, daß sie nicht aus der geraden Richtung kommen und keinen leeren Raum
zwischen sich lassen. Man uͤberfaͤhrt sie sodann mit einem reinen
Lappen um sie zu befestigen und den uͤberfluͤssigen Kleister zu
beseitigen und schneidet mit einer guten Scheere nicht nur die Strohenden, welche
uͤber das Papier hinausgehen, sondern auch noch einen kleinen Streifen Papier
ab. Alsdann bringt man dieses Blatt unter die erste Tafel zwischen die Papierblatter
und gibt vermittelst einer Stahlstange einen schwachen Druk mit der Presse, mehr um
sie ausgebreitet zu erhalten, als um sie sehr zusammenzudruͤken.
Man nimmt sodann das zweite Blatt vor; nachdem die Halme aufgepappt sind, legt man es
unter die zweite Tafel zwischen das Papier. Man nimmt das erste Blatt, welches man
in die Presse gelegt hat, heraus und trennt es von dem Papier, worauf es aufgepappt
ist, was leicht geschehen kann, weil es nicht ganz ausgetroknet ist; man beseitigt
dieses Papier zum Troknen und ersezt es durch einen Bogen troknen Papieres. Man legt
diese erste Strohtafel in den Bogen Papier zwischen die beiden lezteren Holztafeln
und gibt einen Druk mit der Presse.
Auf diese Art faͤhrt man fort, bis man so viele Strohtafeln als die Presse
aufnehmen kann, fertig hat. Man legt jede wenigstens Einmal in neues Papier und wenn
alles beendigt ist, gibt man einen starken Druk mit der Presse, welche man bis zum
andern Tage unberuͤhrt laͤßt. Dann aber nimmt man alle Strohtafeln
heraus und bewahrt sie zum Gebrauche in einem großen Buche auf.
Man muß eine vollstaͤndige Sammlung von Strohtafeln von allen Farben haben, um
bei den vorzunehmenden Arbeiten nicht aufgehalten zu werden.
Verfahren das Stroh zu bearbeiten.
Man verfertigt zweierlei Arten von Stroharbeiten, flache
und erhobene (oder vielmehr flacherhobene); der Unterschied zwischen beiden besteht nur in der Art und
Weise wie den Dessins die erhobene Manier ertheilt wird; es geschieht dieß durch das
Formen (Modeln); die Form macht alles mittelst der Presse. Das Ausschneiden wird
immer auf dieselbe Art vorgenommen, daher wir unsere Beschreibung abkuͤrzen
koͤnnen, welche Jedermann deutlich seyn wird, nachdem wir die Werkzeuge,
deren man sich bedient, kennen gelehrt haben.
Die Kunstwerke, welche man mit dem Namen Bergames
bezeichnet, weil sie die allen Tapeten dieses Namens nachahmen, macht man mittelst
kleiner Strohstreifen von verschiedenen Farben, die man nach einer gewissen Ordnung,
welche der Geschmak angibt, aneinander pappt; die Ordnung kann sich uͤbrigens
auf dieselbe Art wiederholen oder man kann sie nach Belieben abaͤndern.
Man bedient sich nur einer kleinen Anzahl von Werkzeugen zu dieser Arbeit: 1) eines
zwei Millimeter diken, drei Centimeter breiten Lineales, welches auf seiner flachen
Seite und Kante ganz gerade und gleichfoͤrmig ist; 2) einer Lanzette, welche
wir bereits beschrieben haben und die in Fig. 8. abgebildet ist; 3)
kleiner Zirkel von zwei verschiedenen Dimensionen, welche zu dieser Arbeit
hinreichen; die Oeffnung des einen betraͤgt einen Millimeter, die des andern
drei Millimeter. Diese Zirkel, wovon Fig. 10. eine Abbildung
ist, macht man mit einem Stuͤk Holz A, welches
auf jeder Seite mit einem Einschnitt versehen ist um eine Nadel aufzunehmen, die sodann durch Umwinden
derselben mit gutem gewichstem Faden befestigt werden. Man muß von diesen
unveraͤnderlichen Zirkeln einen Vorrath fuͤr alle Faͤlle
haben.
Als Beispiel waͤhle ich hier die Verfertigung einer huͤbschen Bergame,
welche man nach Belieben abaͤndern kann.
Erste Strohtafel. Man pappt die Streifen in folgender
Ordnung und nach den angegebenen Breiten.
1 blauer von einem Millimeter (Breite); – 1 weißer, – 1 blauer,
– 1 gelber, 1 schwarzer und 4 himmelblaue (azurne), jeder von 3 Millimeter;
– 1 gruͤner von Einem Millimeter; – 1 himmelblauer, – 1
gruͤner, – 1 gelber, – 1 rother, – 4 himmelblaue, alle
von 3 Millimeter; – 1 schwarzer von Einem Millimeter, – 1
himmelblauer, – 1 schwarzer, – 1 gelber, – 1 blauer, – 4
himmelblaue, alle von 3 Millimeter. Man hat hier drei besondere Reihen, wovon jede
mit einem schmalen Streifen anfaͤngt. Wenn die Tafel noch nicht voll ist, so
kann man die Reihen wieder anfangen oder diejenige auswaͤhlen, welche am
besten gefaͤllt; man muß aber immer eine ganze Reihe nehmen.
So gut die Lanzette auch geschaͤrft seyn mag, so ist doch ein wichtiger
Umstand zu beruͤksichtigen, wenn man die Streifen abschneidet, besonders aber
wenn man sie nebeneinander pappt. Die Seite der Lanzette, welche sich gegen das
Lineal stuͤzt, schneidet die Strohtafel sehr vertikal, aber die
entgegengesezte Seite druͤkt die Oberflaͤche des Strohes etwas hinab.
Man muß diese Streifen, wenn man sie nebeneinander pappt, in dieselben Richtungen
legen, welche sie hatten, ehe man sie zuschnitt, das heißt die geneigte Seite gegen
die vertikale. Wenn man dieß beobachtet, so zeigt die neue Tafel, wenn sie aus der
Presse herauskommt, eine vollkommen gleichfoͤrmige Oberflaͤche und es
ist kein leerer Raum zwischen den Halmen mehr, was nicht der Fall seyn
wuͤrde, wenn man sie ohne diese Vorsicht aufgepappt haͤtte.
Die Tafel, welche wir so eben verfertigt haben, ist noch nicht, was man Bergame nennt, sondern nur die Vorbereitung dazu. Da das
Stroh bereits auf zwei Papierblaͤtter gepappt ist, und noch einmal auf eine
andere Flaͤche gepappt wird, so sieht man wohl ein, daß wir nicht ohne Grund
vorschrieben, sehr duͤnnes Papier anzuwenden. Um die Bergame zu vollenden,
schneidet man die ganze Tafel, welche wir so eben aus der Presse herauskommen sahen,
in kleine Einen Millimeter breite Streifen; sie sind alle gleich. Man pappt sie
sodann einen nach dem anderen auf Papier, wobei man die beim Aufpappen der ersten
Tafel angegebenen Vorsichtsmaßregeln befolgt und sich bloß nach einem der schmalen
Streifen richtet, indem man sie um einen halben Millimeter steigen und fallen, das heißt
indem man sie von der geraden Linie um eben diese Entfernung, mehr oder weniger zur
Rechten oder zur Linken, nach Belieben abweichen laͤßt. Dadurch beschreiben
die Farben Sparren, welche die Bergame bilden. Fig. 11. gibt davon eine
Vorstellung.
Wir wollen uns nun mit Arbeiten dieser Art nicht mehr laͤnger aufhalten und zu
mehr bewunderungswuͤrdigen uͤbergehen. Ehe wir diese beschreiben,
muͤssen wir aber die noͤthigen Werkzeuge kennen lehren.
1) Vor Allem muß man das Dessin haben, welches man ausfuͤhren will. Es muß auf
starkem Papier aufgezeichnet seyn; die Striche muͤssen mit einer Rabenfeder
und mit Regelmaͤßigkeit ausgefuͤhrt seyn; man wird davon bald den
Grund einsehen, so wie die eigenthuͤmliche Weise diese Dessins zu
verbinden.
Man mag nun die Absicht haben, daß die auszufuͤhrende Zeichnung flach bleiben
soll, wie ein getuschter Gegenstand auf einem Grund von weißem Papiere, oder sie
erhaben machen wollen, nachdem der Gegenstand vollendet ist, so bearbeitet man sie
auf dieselbe Art, mit dem einzigen Unterschiede, daß man nicht noͤthig hat
den Gegenstand zu zeichnen wenn er erhaben gemacht werden soll, weil man alsdann
Formen hat, welche eine Zeichnung unnuͤz machen.
Die Formen (Moͤdel) sind von Horn und hohl; sie haben auf ihrem Rande
messingene Spizen, welche als Zeichen dienen. Diese Moͤdel sind mit einem
Kissen bedekt, welches aus mehreren Stuͤken Pappendekel (Kartenpapier)
besteht, die bis zu einer Dike von 5 bis 6 Millimeter aufeinander geleimt sind.
Diese Kissen sind der Gegenabdruk des Horns und fuͤhren die Zeichen der
Stifte. Zwischen das Kissen und das Horn bringt man die Strohtafel und unterzieht
sie der Presse um sie zu formen.
Fig. 12.
zeigt eine hohle Form von Horn; Fig. 13. zeigt deren
Kissen in erhabener Manier. Wenn man auf der Form ein Dessin nehmen will, um es in
Stroh auszufuͤhren, so verfaͤhrt man folgendermaßen: man nimmt ein
Stuͤk starkes Papier von der Groͤße der Form (wir nehmen an es sey die
in Fig. 12.
abgebildete); man legt das Papier darauf, befestigt es auf derselben durch die
Spizen a, a, a, befeuchtet es, indem man schnell mit der
feuchten Zunge daruͤber faͤhrt, bedekt es mit seinem Kissen s. Fig. 13.) und
bringt es unter die Presse zwischen zwei Eisenplatten; man sezt es einem starken
Druk aus, und nach Verlauf von mehr oder weniger als einer Stunde, wo das Papier
sodann ganz troken ist, schraubt man die Presse auf und nimmt das Papier heraus,
welches man nach der Form in erhabener Manier dessinirt findet. Fig. 14. ist ein Bild
dieses Dessins.
Es handelt sich jezt darum, dieses Dessin auszuschneiden und daher muß man die
Strohtafeln hiezu aneinander reihen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die vier Farben,
roth, gelb, gruͤn und himmelblau (azur) die angenehmsten Boͤden (Gruͤnde) geben.
Man entscheidet sich zuerst auf welchem Boden man das natuͤrliche Dessin
anbringen will, das heißt dasjenige, welches die gruͤnen Stiele und die
rothen und gelben Blumen darstellt. Es muß entweder der gelbe oder der himmelblaue
seyn: wir wollen annehmen es sey der leztere. Man reiht nun die Strohtafeln in
folgender Ordnung, von 4 zu 4, aneinander: himmelblau, gruͤn, gelb und roth;
dieß bildet eine Reihe. Man legt 3 oder 4 Reihen aufeinander, denn man kann bis zu
16 Blaͤttern ausschneiden. Da die Strohstreifen leicht uͤbereinander
weggleiten, so haͤtte man viele Muͤhe sie aufeinander zu richten, wenn
man sich nicht Fuͤhrer machen wuͤrde: dabei verfaͤhrt man
folgendermaßen: Man waͤhlt eine Platte von wohl zugerichtetem und ganz
gleichfoͤrmigem Apfelbaumholz, treibt am Rande zwei Steknadeln ein, so daß
deren Entfernung kleiner als die Laͤnge der zu bearbeitenden Strohtafel ist,
und oben rechtwinklich mit der unteren Nadel eine andere, deren Entfernung von der
ersteren weniger betraͤgt als die Breite eben dieser Strohtafel. Alsdann legt
man zwischen diese drei Nadeln die kleinen Strohtafeln eine nach der anderen, aber
in einer Ordnung, welche die umgekehrte der obigen ist und haͤlt sie mit den
Fingern der linken Hand fest. Auf dieselbe Art legt man das durch die Form auf
starkem Papier erhaltene Dessin, welches Fig. 14. zeigt, darauf.
Man sticht durch die ganze Dike mit einer mit einem Stiele versehenen
Naͤhnadel, befestigt das Ganze mit einer Steknadel, welche man in die Platte
eintreibt und druͤkt den uͤber sie vorspringenden Theil nieder, damit
sie recht fest wird. Man bringt in der ganzen Laͤnge und auf allen
Raͤndern der Oberflaͤche so viele von diesen Spizen an als
noͤthig ist, damit nichts von der Stelle verruͤkt wird.
Nachdem alles dieses vorbereitet ist, treibt man nach und nach in alle Umrisse des
Dessins den Ausschneider ein, aber moͤglichst
senkrecht, damit keine sogenannten Zaͤhne
entstehen. Es ist dieß der schwierigste Theil der Arbeit, wozu eine lange Uebung
erfordert wird.
Der Ausschneider
Fig. 15. ist
nichts als eine gute Naͤhnadel, welche mit ihrer Spize in einem Heft von
weißem Holze stekt und deren Oehr abgebrochen wurde. Man schleift sie auf beiden
Seiten auf einem Schleifsteine flach und bildet so daraus eine Art Meißel, welchen
man vollkommen schneidend macht, indem man ihn vorsichtig auf einem guten Oehlsteine
abzieht. Man muß mehrere Ausschneider von verschiedenen Breiten, so wie mehrere
ausgezogene Spizen zum Einstechen der Nadeln und auch kleine Hohlmeißel haben, um auf Einmal
die Umrisse der Blumen machen zu koͤnnen. Mit diesen Hohlmeißeln schneidet
man die Zeichen aus und mit diesen muß man auch immer den Anfang machen, denn wenn
man sie zufaͤlliger Weise vergessen und es vor dem Losmachen der Ausschnitte
nicht bemerken wuͤrde, so waͤre die ganze Arbeit verloren, weil man
sie dann nicht mehr mit den Theilen der Form zusammentreffen machen koͤnnte
wenn man sie formen wollte. Den Ausschneider stekt man von Zeit zu Zeit in ein
Stuͤk Seife, damit er leicht in das Stroh eindringt.
Nachdem das Ausschneiden gaͤnzlich beendigt ist und die Zeichen ausgeschnitten
sind, richtet man das Ende der Steknadeln wieder gerade und nimmt selbst die meisten
weg, indem man bloß zwei entgegengesezte um das Ganze festzuhalten steken
laͤßt; das Papier, welches als Dessin diente, entfernt man jezt und kann es
selbst wegwerfen; man nimmt das Werkzeug zum Nuͤanciren, den
Nuͤancirer Fig. 16., welcher nichts als ein dreiekiges und sehr zugespiztes Werkzeug
von Stahl ist; es ist mit einem Stuͤk abgedrehten Buchsbaumholzes gestielt
und hat an seinem anderen Ende eine runde und ebene Oberflaͤche wie ein
Petschaft; man macht mit der Spize alle Stuͤke des Dessins, eines nach dem
anderen, los und reiht sie auf einer recht gleichfoͤrmigen Platte
beilaͤufig auf dieselbe Art aneinander wie sie auf dem Ausschnitt waren und
endlich trennt man davon den Boden. Nach der Ordnung, welche wir den Strohtafeln
gaben, haben wir zuerst die himmelblauen Stuͤke weggenommen; wir machen davon
eben so viele Stuͤke von Gruͤn, welche wir daneben legen, dann die
gelben und endlich die rothen.
Man uͤberstreicht ein Papier, welches groß genug ist um die vier Ausschnitte
zu vereinigen, mit Mehlkleister und bringt den himmelblauen Boden darauf, auf
welchem man mit der Spize des Nuͤancirers die gruͤnen Stiele an der
ihnen bestimmten Stelle auflegt: man macht die große Nelke roth, die kleine gelb,
die Knospe zur Seite dieser lezteren roth, so wie auch die Knospe, welche unter der
großen Nelke ist und endlich die andere Knospe gelb. Man befestigt das Ganze, indem
man den Nuͤancirer, welcher zur Uebertragung der Blumen diente, umkehrt und
mit dem flachen Theil des Werkzeuges ausdruͤkt. Man nuͤancirt auf das
Roth, indem man das Gelb an die Stelle des Gruͤn, das Himmelblau an die
Stelle des Roth und das Gruͤn an die Stelle des Gelb bringt. Auf dem gelben
Boden nuͤancirt man, indem man das Roth an die Stelle des Gruͤn, das
Gruͤn an die Stelle des Roth, das Himmelblau an die Stelle des Gelb immer in
Vergleich mit dem zuerst nuͤancirten bringt. Alsdann hat man auf dem
gruͤnen Boden nur noch das Himmelblau fuͤr die Stiele, das Gelb
fuͤr die drei rothen Blumen des ersteren und das Roth fuͤr die beiden
lezteren Blumen eben desselben anzubringen. Man bringt diese Tafel zwischen zwei
Blaͤtter Papier und legt sie in ein Foliobuch, auf welches man sich sezt.
Man verfaͤhrt eben so mit den drei anderen Reihen und wenn die lezte eine
halbe Stunde in dem Buche zusammengedruͤkt geblieben ist, nimmt man sie aus
dem Papiere, welches jede Tafel umhuͤllte, bringt sie zwischen troknes Papier
und sodann unter die Presse, wobei man eben so verfaͤhrt, wie ich es
vorschrieb, als es sich darum handelte, die Halme aneinander zu pappen, um daraus
Tafeln zu verfertigen. Man verfertigt die Enden der Futterale auf dieselbe Art.
Um diese kleinen Tafeln zu formen, hat man acht aͤhnliche Formen; man bringt
in jede ein nuͤancirtes Dessin. Man oͤffnet die Zeichen mit einer
Spize, legt sie genau auf die messingenen Spizen, bedekt sie mit dem Kissen und
richtet sie in einer eigends hiezu gemachten Eisenblechbuͤchse genau
aufeinander; damit sie sich nicht verruͤken, stellt man diese Buͤchse
auf eine etwas dike Eisenplatte, legt auf das obere Kissen eine andere Eisenplatte,
sezt sie einem starken Druk unter der Presse aus und laͤßt sie unter
derselben troknen. Ehe man jedes Dessin mit dem Kissen bedekt, befeuchtet man mit
der feuchten Zunge die Ruͤkseite dieses Dessins, was nie vergessen werden
darf.
Wir werden hier nicht das Verfahren beschreiben, wie man das Futteral (Etui) macht,
welches von Pappendekel ist und keine Schwierigkeiten darbietet; es gehoͤrt
dieser Gegenstand zur Kunst der Personen, welche Arbeiten aus Pappendekel
verfertigen, obgleich ihn der Stroharbeiter macht. Man bediene sich hiezu eines
Pappendekels (Kartenpapiers), wie man ihn fuͤr die Ruͤken der
Spielkarten verfertigt (Cartiers) und den man mehr oder
weniger dik macht, je nach dem Gegenstande wozu er bestimmt ist; zum Stok (Seele)
des Futterales bedient man sich eines aus sechs Blaͤttern Papier gebildeten
Pappendekels, zum Ueberzug und zum Dekel eines aus zehn Blaͤttern bestehenden
Pappendekels. Alles dieses pappt man mit Mehlkleister auf eifoͤrmige Formen
aus Nußbaumholz. Die Enden des Gerippes verklebt man mit dikem arabischem Gummi.
Es handelt sich nun bloß noch darum, die erhobene Arbeit, welche wir vollendet haben,
auf dem Gerippe anzubringen. Man loͤst eine oder zwei Unzen arabisches Gummi
in moͤglichst wenig reinem Wasser auf, und macht aus sehr duͤnnem
Kartenpapier Muster, so lang als die Stuͤke, welche sowohl den Boden als den
Dekel des Futterales bedeken muͤssen, wobei man oben und unten an jedem
Stuͤke einen Vorsprung von 2 oder 3 Millimeter laͤßt, um daselbst die
Streifen anzubringen.
Die beiden Raͤnder dieser Muster muͤssen moͤglichst parallel
seyn.
Nachdem man den Dekel vom Boden um 3 oder 4 Millimeter getrennt hat, bezeichnet man
mit einem Zirkel (Fig. 10.) von 2 Millimeter Oeffnung auf dem Dekel und auf dem Boden zwei
Punkte, welche einander gegenuͤber stehen und 2 Millimeter vom Rande entfernt
sind; man bereitet die acht Stuͤke von einer der Reihen, welche vier
Futterale bedeken muͤssen; man uͤberzieht sie mit hinreichend dikem
Gummi und faͤngt mit einem der Boͤden an, dessen obere Flaͤche
man mit den zwei Punkten, die man auf dem Gerippe bezeichnet hat, zusammentreffen
macht. Man verbindet das Ganze fest mit einem breiten und feinen Leinenband und geht
dann an ein zweites, hierauf an ein drittes, endlich an ein viertes. Waͤhrend
dieser Zeit troknet das Gummi hinreichend ein, damit die Tafel des ersteren nicht
aus ihrer Lage kommen kann. Man nimmt das erste wieder vor, windet das Leinenband
ab, und sezt die zweite Tafel eben so auf; man verbindet neuerdings, bis man die
zweite Tafel auf das vierte gebracht hat. Man nimmt das erste wieder vor, um auf
dessen Dekel eine der Tafeln anzubringen und faͤngt endlich die Reihe wieder
an, um auf dieselbe Art die zweite Tafel auf dem Dekel anzubringen, und immer in
derselben Ordnung. Bei dieser lezteren Operation wikelt man das Leinenband sehr fest
um und laͤßt troknen.
Man verfaͤhrt auf dieselbe Art mit einer anderen Reihe von vier Futteralen und
so fort, bis man den ganzen Ausschnitt beendigt hat, welcher sechzehn Futterale
bildet, was man eine Abtheilung (partage) nennt.
Wenn man mit Aufmerksamkeit gearbeitet hat, so muͤssen alle fuͤr die
Streifen bestimmten leeren Raͤume gleichfoͤrmig vertheilt seyn, 2
Millimeter am Halse, sowohl auf dem Dekel als unter demselben und 3 Millimeter an
den beiden Enden.
Es handelt sich nun darum, Plaz fuͤr die Streifen zu machen, welche man auf
beiden Seiten laͤngs des Futterales anbringen muß. Man bringt es daher von
der Seite zwischen zwei sehr dike Leisten, wovon einer auf der Tafel durch
hoͤlzerne Naͤgel und Kleister befestigt ist; der zweite ist zur Seite
durch einen hoͤlzernen Nagel befestigt, worauf er sich wie auf einem Centrum
drehen kann. Zwischen diese beiden Leisten wird das Futteral eingezwaͤngt und
man befestigt es in dieser Lage durch ein Stuͤk Kork, damit es nicht von der
Stelle weichen kann. Alsdann bezeichnet man mit einem Zirkel, der eine hinreichende
Weite, aber die moͤglichst kleinste hat, von zwei Millimeter, wenn dieß
nichts verhindert, zwei Punkte oben und unten, und schneidet vermittelst des
eisernen Lineales und einer guten Lanzette das Strohstuͤk bis auf den Pappendekel durch. Diese
beiden kleinen Streifen sind leicht zu beseitigen.
Wenn alle Futterale so zubereitet sind, faͤngt man an Streifen auf denselben
aufzupappen. Diese Streifen schneidet man aus einer Strohtafel vermittelst des
eisernen Lineales und einer Lanzette, nachdem man mit einem Zirkel ihre
erforderliche Breite genommen hat. Man leimt sie mit hinreichend dikem Gummi,
befestigt sie in ihrer Lage, indem man sie mit dem Glaͤttbein Fig. 2.
uͤberfaͤhrt und laͤßt sie ganz austroknen.
Nach dem Troknen schneidet man mit einer Lanzette diese Streifen in der Hoͤhe
der Gegenstaͤnde ab, damit der Plaz fuͤr die anderen Streifen, welche
die Kreise oben und unten und am Halse des Futterales bilden muͤssen, frei
bleibt.
Ehe man diese Kreise anbringt, muß man die Enden verpappen. Diese Enden sind kleine
rechtwinkeliche Tafeln: man verpappt sie mit Gummi und legt sie so, daß das auf
ihnen befindliche Dessin genau in der Mitte ist; man druͤkt sie gegen die
flache Hand, wodurch das Ueberfluͤssige uͤber die Raͤnder
herabgedruͤkt und hinreichend befestigt wird. Wenn das Gummi troken genug
ist, schneidet man das Ueberfluͤssige mit einer kleinen Schere ab und
befestigt die Raͤnder, indem man mit dem Glattbein darauf druͤkt.
Man kann alsdann die Streifen anbringen, welche man auf dieselbe Art wie die
uͤbrigen ausschneidet und auf aͤhnliche Weise befestigt. Man schneidet
die beiden Enden auf Einmal mit einer Lanzette aus, und zwar rautenfoͤrmig,
wodurch das Gefuͤge hinreichend verstekt wird.
Wenn das Ganze vollkommen troken ist, puzt man es mit einer reinen Leinewand, die man
mit etwas Speichel schwach befeuchtet, um das uͤberschuͤssige Gummi,
welches sich immer auf der Oberflaͤche des Strohes festsezt, zu beseitigen.
Man druͤkt alle Winkel nieder, indem man mit einem elfenbeinernen
Glaͤttwerkzeug oder einem mit Holz gestielten Wolfszahn daruͤber
faͤhrt; man bedient sich auch nach Umstaͤnden eines Eberzahnes,
welcher eben so gestielt ist.
Nach diesem Beispiel kann man sich eine Vorstellung machen, wie alle Stroharbeiten
ausgefuͤhrt werden, denn man verfaͤhrt immer auf dieselbe Art; man muß
nur Geschmak haben und zeichnen koͤnnen wenn man flache, d.h. nicht erhobene,
Arbeiten ausfuͤhren will; alsdann muß man aber zur Vollendung der Arbeit das
Stroh stechen, das heißt auf der glatten Oberflaͤche Striche eingraviren
koͤnnen, womit man die Schatten, welche die Gegenstaͤnde hervorheben,
nachahmt, was nicht schwierig ist. Man verfaͤhrt folgendermaßen.
Ueber das Stechen des Strohes.
Es gibt zwei Methoden die Ausschnitte zuzubereiten: entweder incrustirt man das
Dessin, welches man nuͤancirt, auf einem himmelblauen Grunde, und gravirt es
auf unten beschriebene Weise, nachdem man es gut gepreßt hat; oder man macht eine
Kamee, welche nur auf zwei Farben gut gelingt, dem Weiß oder gebleichten Stroh, und
dem Himmelblau. Man legt die Strohtafeln, welche man ausschneiden will, abwechselnd
der Laͤnge und der Quere nach hin. Wenn der Ausschnitt vollendet ist,
incrustirt man denjenigen, dessen Stroh der Quere nach liegt, in den Boden, dessen
Stroh der Laͤnge nach liegt und umgekehrt. Wenn die Tafeln aus der Presse
kommen, stellen sie einen damascirten Stoff dar, welchen man nur noch zu stechen
braucht.
Der Stichel, dessen man sich bedient, ist dreiekig, aus gehaͤrtetem Stahle
verfertigt und an seinen Kanten, besonders aber auf der Spize sehr schneidend. Man
zeichnet die Schatten und die Umrisse mit der Spize, welche dem Stroh seinen
natuͤrlichen Firniß benimmt; durch Uebung bringt man es bald dahin, daß man
den Strohfaden weder verschlizt noch verkrazt. waͤhrend des Stechens
traͤgt man mit der Spize des kleinen Fingers gut abgeriebenen und mit Gummi
verdikten Carmin oder Indigo auf, welchen man mit demselben Finger durch etwas
Speichel verduͤnnt. Man wendet diese beiden Farben nie zu gleicher Zeit,
sondern nach Umstaͤnden und nach dem Gegenstande entweder die eine oder die
andere an. Ich habe auf diese Art sehr schoͤne Zeichnungen und selbst Figuren
ausgefuͤhrt, wovon Fig. 17. ein Beispiel
gibt.
Wie man Boͤden von unbestimmter Groͤße
macht.
Dieß haͤngt von dem gewaͤhlten Dessin ab; da das Stroh sehr kurz ist,
weil man es nur von einem Knoten bis zum anderen nehmen kann, so mußte man ein
Verfahren ausmitteln, um der Arbeit eine große Dimension geben zu koͤnnen,
ohne daß man die Fugen bemerken kann und so, daß das Ganze ein fortlaufendes Dessin
darstellt. Zu diesem Ende legt man sein Dessin, welches nicht mehr als 15 Centimeter
im Gevierte haben kann, so, daß es auf jeder Seite zwei oder drei Zweige gibt,
welche mit eben so vielen Zweigen auf der parallelen Seite vollkommen
zusammentreffen. Wenn alsdann der Ausschnitt so beendigt und gepappt ist, wie ich es
so eben fuͤr die zu gravirenden Tafeln angegeben habe, naͤhert man sie
einander mit den Seiten, welche zusammentreffen muͤssen, und schneidet die
Raͤnder bis zum Striche des Dessins ab; alsdann pappt man sie nach diesen
Strichen eines an das andere, wodurch man sie von beliebiger Groͤße
herstellen kann. Fig. 18. gibt davon ein Beispiel. Diese Dessins sind nur dann schoͤn,
wenn man weißes Stroh oder die Himmelfarbe anwendet.
Wie man sehr aͤhnliche Portraits aus Stroh verfertigen
kann.
Man verschafft sich eine Form, welche von einer sehr aͤhnlichen Medaille
genommen ist; ich werde sogleich das Verfahren dazu angeben. Man macht einen Abdruk
mit starkem Papier, wie ich es bereits beschrieben habe, und ordnet Strohtafeln nach
den Nuͤancen, welche die verschiedenen Theile der Figur haben muͤssen.
Ich nehme an, man wolle einen roͤmischen Kaiser machen, welcher eine
groͤßere Anzahl verschiedener Farben haͤtte als andere Portraits:
schwarz fuͤr die Haare, gruͤn fuͤr den Lorbeerkranz, roth
fuͤr das Band, welches ihn zusammenhaͤlt, fleischfarben fuͤr
die Figur, gelb fuͤr die Einfassung, und himmelblau fuͤr den
Grund.
Man befestigt diese kleinen Tafeln von der Große des Papiers auf eine Platte von
Apfelbaumholz vermittelst dreier Steknadeln, deren Gebrauch ich (oben S. 309.)
angegeben habe, und zwar in folgender Ordnung: schwarz, gelb, fleischfarben,
gruͤn, roth und himmelblau, endlich das Papier mit dem Abdruk und nagelt an
den vier Eken an. Man schneidet zuerst die Zeichnung aus, nuͤancirt, pappt,
preßt und gravirt zulezt. Man kann nur ein einziges Stuͤk mit diesen sechs
Tafeln erhalten; man verliert zwar viel Stroh, aber diese Arbeit hat auch einen
großen Werth.
Ueber die Anfertigung der Formen.
Um die verschiedenartigsten Arbeiten auszufuͤhren, kann man nie zu viele
Formen haben. Ich will, um die Verfahrungsweise auseinanderzusezen, eine
Denkmuͤnze als Beispiel waͤhlen. Angenommen, man wolle das Portrait
von Karl X. vermittelst eines 5 Frankenstuͤkes nehmen, so waͤhlt man
zuerst das neueste Stuͤk aus, welches man sich verschaffen kann; man nimmt
ein recht breites, auf einer seiner Flaͤchen sehr ebenes und polirtes Horn
(alle Messerschmide verstehen es auf diese Art zuzubereiten) und schneidet daraus
ein Vierek, etwas groͤßer als das Stuͤk; man erhizt zwei Platten von
geschmiedetem Eisen, die Einen Centimeter dik und groͤßer als das Horn sind,
sehr stark, aber nicht bis zum Rothgluͤhen; sie duͤrfen nicht so heiß
seyn, daß sie das Horn verbrennen. Auf eine dieser Platten legt man zwei oder drei
Blaͤtter weichen und starken Pappendekel, welchen man ein wenig befeuchtet
hat; auf dieselben legt man die Waffen Frankreichs, wovon man keinen Abdruk machen
will, und auf die Vorderseite, welche man schwach geoͤhlt hat, legt man die
polirte Seite des Horns, so daß eine der Seiten des Viereks uͤber dem Kopfe
ist; man legt endlich mit Geschiklichkeit die zweite heiße Eisenplatte so daruͤber, daß man
nichts verruͤkt, worauf man die Presse allmaͤhlich niederschraubt. Das
Horn erhizt sich, erweicht sich; man faͤhrt fort den Druk etwas zu
verstaͤrken, bis man bemerkt, daß die Dike des Horns so weit abgenommen hat,
daß man annehmen darf, daß alle erhobenen Theile sich gut in das Horn
eingedruͤkt haben; alsdann verstaͤrkt man den Druk nicht mehr und
laͤßt das Ganze unter der Presse erkalten, welche man erst 24 bis 36 Stunden
spaͤter aufschraubt. Das Stuͤk wird sich alsdann sehr gut
eingepraͤgt haben, ohne im Geringsten beschaͤdigt zu seyn.
Man bohrt sodann ein Loch in jedes Ek des Horns und befestigt in jedem ein Zeichen,
welches nichts als ein 2 Millimeter dikes Messingstaͤngelchen ist, das um 3
Millimeter uͤber das Horn auf der Seite der Figur herausragt. Man treibt es
durch Hammerschlaͤge, welche man auf die entgegengesezte Seite richtet,
hinein. Die Zeichen sind auf der Seite der Figur ein wenig platt geschlagen.
Wenn man besondere Dessins haben will, so kann man dieselben in erhobener Manier
stechen lassen, Abdruͤke davon aus Horn machen, und leztere nach dem so eben
angegebenen Verfahren so oft man will vervielfaͤltigen; alsdann muß aber der
Graveur auf dem Umriß der Form kleine Erhabenheiten lassen, welche die Stelle der
Zeichen angeben, damit sie sich immer an demselben Plaze befinden und man daher
nicht gezwungen ist, immer auf derselben Form auszuschneiden, deren man sich
ausschließlich zu bedienen genoͤthigt waͤre, um das Stuͤk,
welches man ausgeschnitten hat, zu formen.
Die so zubereitete Form reicht noch nicht hin; man muß sodann das Kissen machen.
Hierzu nimmt man mehrere Blaͤtter Kartenpapier, welche man aufeinander leimt
und waͤhrend sie noch feucht sind, auf dem Horn anbringt, um darauf die
Zeichen anzumerken, welche man in diese Kartenblaͤtter eindringen
laͤßt, nachdem man sie an ihren Stellen zuvor mit einer Spize durchstochen
hat. Man legt Anfangs Kartenblatter genug auf, damit sie die Laͤnge der
Zeichen uͤberschreiten und fuͤgt von denselben nacheinander noch so
viele zu, bis das durch die Presse gut geebnete Kissen um 2 Millimeter uͤber
die vorspringende Laͤnge der Zeichen hinausreicht.
Man bringt das Ganze unter die Presse und schraubt sie vorsichtig nieder, um die
Zeichen nicht zu beschaͤdigen. Man legt, wenn es noͤthig ist, auch
noch oben Kartenblaͤtter auf, und wenn man sicher ist, daß die Arbeit gelang,
zieht man die Presse stark an und laͤßt das Ganze so lange darunter, bis der
Eindruk vollendet ist. Bisweilen sieht man sich genoͤthigt kleine
Papierstreifen auf der Seite des Eindruks aufzupappen, um große Hoͤhlungen
auszufuͤllen, was auf keine andere Weise geschehen koͤnnte, Wenn man
aber dieses thut, so muß
man jedes Mal ein Blatt Papier uͤber die ganze Oberflaͤche pappen,
damit die zuvor angebrachten Papierstreifen nicht losgehen koͤnnen.
Sollte Jemand eine ausfuͤhrlichere Belehrung uͤber diesen Gegenstand
wuͤnschen, so kann er sich an mich wenden und ich werde ihm mit
Vergnuͤgen alle Aufschluͤsse ertheilen. Der Arbeiter, welcher mich
unterrichtete, gewann uͤber sechzigtausend Franken mit dieser Kunst; man war
fruͤher leidenschaftlich fuͤr Kunstwerke dieser Art eingenommen und
wuͤrde sie noch verschwenderisch bezahlen, wenn man sie sich zu verschaffen
wuͤßte. Ich wuͤnschte daß diese Kunst nicht verloren gehen
moͤchte und habe sie daher im groͤßten Detail beschriebet. Die
Stroharbeiten, welche man in den Gefaͤngnissen verfertigt, haben mit dieser
Kunst nichts gemein, und halten damit keine Vergleichung aus.