Titel: | Ueber die Flüchtigkeit der Kleesäure, von Dr. Edward Turner, Professor der Chemie an der Universität zu London. |
Fundstelle: | Band 40, Jahrgang 1831, Nr. XXXVI., S. 205 |
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XXXVI.
Ueber die Fluͤchtigkeit der
Kleesaͤure, von Dr. Edward
Turner, Professor der Chemie an der Universitaͤt zu
London.
Aus the Philosophical Magazine and Annals of
Philosophy, Maͤrz 1831, S. 161.
Turner, uͤber die Fluͤchtigkeit der
Kleesaͤure.
Ich will in dieser Abhandlung einige Thatsachen uͤber die Fluͤchtigkeit
der Kleesaͤure mittheilen. Einige chemische Lehrbuͤcher geben an, daß
wenn man diese Saͤure der troknen Destillation unterzieht, ein Theil der
Zersezung entgeht und sich als weißer Sublimat im Hals der Retorte absezt; man
scheint aber noch nicht im Reinen zu seyn, ob die Kleesaͤure an und
fuͤr sich fluͤchtiger Natur ist oder bloß mechanisch bei obigem
Versuche fortgerissen wird, wie z.B. wenn Boraxsaͤure sich mit Wasserdampf
verfluͤchtigt oder wenn man einen zu raschen Strom Wasserstoffgas
uͤber geschmolzenes Chlorsilber leitet. Die meisten Chemiker nehmen an, daß
die Kleesaͤure sich erst bei einer Temperatur verfluͤchtigt, welche
hoch genug ist um sie zu zersezen.
Als ich uͤber diesen Gegenstand Versuche anstellte, fand ich, daß die
Kleesaure bei einer sehr maͤßigen Hize schon bei 212° F. (80°
R.) sublimirt werden kann, ohne eine andere chemische Veraͤnderung zu
erleiden, als daß die gewoͤhnlichen Krystalle zwei Drittel ihres Gewichtes
oder zwei Aequivalente Krystallwasser verlieren. Wenn man 63 Theile der
gewoͤhnlichen Krystalle in ein Wasserbad bringt, so effloresciren sie schnell
und es werden 17,31 also etwas weniger als zwei Aequivalente Wasser ausgetrieben.
Wird die efflorescirte Masse sodann von dem Feuer genommen und der Luft ausgesezt,
so zieht sie schnell aus derselben das Wasser an, welches sie verloren hatte;
haͤlt man sie aber noch laͤngere Zeit in dem Wasserbade, so
uͤberzieht sich die Oberflaͤche der Saͤure, anstatt pulverig zu
bleiben, mit zahlreichen kleinen spießigen Krystallen und es erhebt sich ein
scharfer Dunst, welcher sich an kalten Flaͤchen in Gestalt von Nadeln
verdichtet. Dieser Dunst wird von einer kleinen Menge Feuchtigkeit begleitet, welche die zwei
Aequivalente Wasser ergaͤnzt, die entzogen werden muͤssen, um die
sublimirte Saͤure zu constituiren.
Die Sublimation der Kleesaͤure bei 212° F. ist zwar hinreichend, um
Verlust bei Analysen zu verursachen und ihre fluͤchtige Natur außer Zweifel
zu sezen, aber sie erfolgt zu langsam, als daß man sich auf diesem Wege eine
bedeutende Quantitaͤt davon verschaffen koͤnnte. Zu diesem Ende kann
man sich folgenden Verfahrens bedienen: Man troknet eine halbe Unze oder eine Unze
durch wiederholtes Krystallisiren gereinigte Kleesaͤure in einer etwas tiefen
Abdampfschale und sezt sie auf einem Sandbade einer Temperatur von 350° oder
400° F. (141 oder 163° R.) aus: sobald die Sublimation beginnt, muß
man das Gefaͤß mit einem Blatt glatten Filtrirpapier bedeken, auf welches man
ein doppelt gelegtes Blatt von gewoͤhnlichem Loͤschpapier legt; man
druͤkt beide dicht auf den Rand der Schale vermittelst einer anderen etwas
groͤßeren Schale, deren convexer Theil nach unten gekehrt wird und welche
kaltes Wasser oder Eis enthaͤlt. Bei dieser schnellen Sublimation wird etwas
Saͤure zersezt und das abgeschiedene Wasser von dem groben
Loͤschpapier verschlukt, waͤhrend die Saͤure auf dem glatten
Papier unter demselben verdichtet wird und allmaͤhlich in die Schale
hinabfaͤllt. In Zwischenraͤumen von ungefaͤhr einer Stunde
sollte man den Apparat vom Feuer nehmen und die sublimirten Portionen so lange sie
noch warm sind, mit einer Feder wegbuͤrsten und schnell in einer gut
schließenden Flasche aufbewahren.
Auf diese Art erhaͤlt man die sublimirte Kleesaͤure gewoͤhnlich
in kleinen glaͤnzenden spießigen Krystallen; manchmal erhielt ich sie aber
auch in halben Zoll langen, sehr glaͤnzenden und durchsichtigen Prismen. An
der Luft werden sie matt und undurchsichtig, indem sie Feuchtigkeit anziehen; 45
Theile oder ein Aequivalent der sublimirten Saͤure nehmen schnell zwei
Aequivalente Wasser auf und erhalten so wieder ihre urspruͤngliche
Zusammensezung. Dieses Wasser wird durch eine Temperatur von 212° F. wieder
vollstaͤndig ausgetrieben. Der Dampf der Saͤure ist sehr stechend und
erregt noch leichter Husten und Niesen als salpetersaure und salzsaure
Daͤmpfe.
Sublimirte Kleesaͤure steigt langsam in die Hoͤhe und wie bereits
erwaͤhnt wurde, bei 212° F. Wie die Temperatur zunimmt, erfolgt die
Sublimation schneller und wenn die Hize 300° bis 330° F. (108°
bis 132° R.) nicht uͤbersteigt, so sublimirt sich die Saͤure
vollstaͤndig ohne Zersezung. Bei 360° F. (146° R.) sublimirt
sich die Saͤure ziemlich leicht, zwischen 360° und 400° F.
(145° und 163°R.) erfolgt sie rasch; bei 414° F. (169°
R.) schmilzt sie und kommt schnell ins Kochen. Bei Temperaturen uͤber
330° F. (132° R.) zersezt sich die Saͤure waͤhrend der Sublimation mehr
oder weniger, je nachdem die Hize mehr oder weniger stark ist; dieß zeigt sich
sogleich dadurch, daß Wasser erscheint.
Die erwaͤhnten Thatsachen lassen wenig Zweifel uͤbrig, daß die
sublimirte Kleesaure aus 36 Theilen oder einem
Aequivalent wasserfreier Saͤure und 9 Theilen, oder einem Aequivalent Wasser besteht. Davon uͤberzeugte ich mich noch
durch eine Analyse, indem ich die, Kleesaͤure mit Kalk niederschlug, und ihre
Quantitaͤt nach dem gewoͤhnlichen Verfahren durch Zersezung des
kleesauren Kalks bestimmte. Die sublimirte Saͤure wird auch leicht durch
concentrirte Schwefelsaͤure zersezt und gibt eine reichliche Menge Gas,
welches aus gleichen Raumtheilen Kohlensaͤure und Kohlenoxyd besteht.
Neutralisirt man sie mit Kali und Ammoniak, so gibt sie Krystalle, welche den
bekannten kleesauren Salzen dieser Alkalien aͤhnlich sind und die Krystalle,
welche eine Aufloͤsung der sublimirten Saͤure in reinem Wasser gab,
wurden von Hrn. Miller gemessen und mit den Krystallen
der gewoͤhnlichen Saͤure identisch befunden. Diese Thatsachen lassen
keinen Zweifel uͤber die Natur und Zusammensezung der sublimirten
Saͤure mehr uͤbrig.
Ehe ich diese Abhandlung schließe, muß ich noch einiges uͤber die
Aufloͤslichkeit der gewoͤhnlichen Saͤure in Wasser sagen, in
welcher Hinsicht die Angaben mehrerer chemischen Schriftsteller sehr abweichen. Ich
ließ eine in der Waͤrme bereitete Aufloͤsung von Kleesaͤure
vier und zwanzig Stunden lang stehen und goß die klare Fluͤssigkeit, deren
Temperatur 50° F. (8° R.) betrug, von den Krystallen ab. Diese
Aufloͤsung bestand aus einem Theil krystallisirter
Saͤure und ungefaͤhr 15,5 Theilen Wasser. Ich wiederholte den Versuch
auf die Art, daß ich gepulverte Krystalle in Wasser von 50° F. brachte,
waͤhrend vier und zwanzig Stunden oͤfters umschuͤttelte und
dann die Aufloͤsung von der unaufgeloͤsten Saͤure abgoß. Das
Verhaͤltniß der Bestandtheile war fast genau dasselbe wie zuvor. Aehnliche
Versuche stellte ich mit Wasser von 57° F. (11° R.) an, wovon 9,5
Theile einen Theil krystallisirter Saͤure aufloͤsen.
Krystallisirte Kleesaͤure loͤst sich fast in jedem Verhaͤltniß
in Wasser auf, welches man durch Eintauchen in siedendes Wasser auf 212° F.
erhaͤlt. Wird die saure Aufloͤsung geradezu uͤber dem Feuer im
Sieden erhalten, so steigt die Temperatur weit uͤber 212° F. und die
Quantitaͤt der krystallisirten Saͤure, welche sich aufloͤst,
ist dann unbegraͤnzt. Daruͤber darf man sich nicht wundern, weil die
Krystalle bei ungefaͤhr 220° F. (83° R.) in ihrem
Krystallwasser schmelzen.
Hinsichtlich der Haltbarkeit der krystallisirten Saͤure kann ich folgende
Beobachtungen mittheilen. Wenn man die Krystalle einige Stunden lang bei einer
Temperatur von 50° oder 55° F. (8 oder 10° R.) unter einer
Glasgloke mit gebranntem Kalk laͤßt, so behalten sie ihr Krystallwasser ganz
bei und bestehen aus einem Aequivalent wasserfreier
Kleesaͤure und drei Aequivalenten Wasser. Sezt man sie dann der feuchten Luft
aus, so nehmen sie etwas an Gewicht zu, indem sie Wasser hygrometrisch anziehen,
mehr oder weniger je nach der Feuchtigkeit der Atmosphaͤre. In trokener Luft
von 70° F. (17° R.) verlieren die Krystalle einen Theil ihres
Krystallwassers und effloresciren an der Oberflaͤche. Die Temperatur wobei
sie effloresciren, ist also nicht viel hoͤher als die gewoͤhnliche
Sonnenhize.