Titel: | Ueber die nüzende Kraft eines in einer Bahn eingespannten Pferdes. Von Hrn. d' Aubuisson. |
Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. XXI., S. 95 |
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XXI.
Ueber die nuͤzende Kraft eines in einer
Bahn eingespannten Pferdes. Von Hrn. d' Aubuisson.
Aus den Annales des mines 1830. 1e livraison p.
145. im Bulletin des sciences technologiques. Septbre 1830. S.
35.
d'Aubuisson, uͤber die nuͤzende Kraft eines
Pferdes.
Die Englaͤnder nehmen als Maßstab zur Bezeichnung der Wirkung ihrer Maschinen
gewoͤhnlich die Kraft eines Pferdes; sie sagen z.B. eine Maschine von so und
so viel Pferdekraͤften. Wie groß ist aber die Kraft eines Pferdes, d.h., wie
groß ist die mechanische Wirkung, die ein Pferd hervorbringt? Diese Kraft ist
natuͤrlich nach der Große des arbeitenden Individuums, nach seiner
Muskelkraft, und nach der Art, wie es benuzt wird, sehr verschieden, so daß die
Schaͤzung dieser Kraft, welche verschiedene Schrifsteller gaben, vom
Einfachen bis zum Doppelten wechselt. Wenn man daher die Wirkung der Maschinen genau
angeben und wenn man auf diese Angabe Berechnungen gruͤnden wollte, so war
eine andere als diese englische Methode nothwendig. Man nahm aus diesem Grunde das
Gewicht, welches eine Maschine in einer gewissen Zeit auf eine gewisse Hoͤhe
heben konnte, oder das Gewicht, welches in der Einheit der Zeit auf die Einheit des
Maßes gehoben wird, als Maßstab fuͤr die Wirkung an; bei dem
franzoͤsischen metrischen System war dieß Maß die Zahl der Kilogrammen,
welche in Einer Sekunde auf Einen Meter gehoben werden. Um kleinere Zahlen zu
bekommen, nahm man 1000 Kilogrammen oder Einen Kubikmeter Wasser auf Einen Meter
Hoͤhe gehoben, als Einheit an, und nannte diese die dynamische Einheit. Will man nun die Kraft einer Maschine oder einer
Bewegungskraft bezeichnen, so sagt man, sie habe so und so viele Einheiten. Allein
diese Angabe, die fuͤr die Gelehrten und fuͤr alle gut unterrichteten
Leute sehr passend war, war es leider nicht fuͤr die meisten derjenigen
Menschen, welche Maschinen entweder wirklich anwenden, oder denen man einen Begriff von
der Wirkung derselben geben wollte. Man konnte ihnen diesen Begriff nur durch die
Vergleichung der Maschinenkraft mit einer allgemein bekannten Kraft beibringen, und
kam daher zu diesem Behufe wieder auf die Pferdekraft zuruͤk. Um diese mir
mehr Genauigkeit anzuwenden, und besonders um sie bei Bezeichnung der Kraft von
Dampfmaschinen zu benuͤzen, kam man dahin uͤberein, daß man die
Pferdekraft fuͤr ein Aequivalent einer Kraft haͤlt, welche 75
Kilogrammen in Einer Sekunde auf Einen Meter zu heben im Stande ist; diese Kraft
nannte man daher das Dampfpferd, cheval-vapeur. Auch diese Vergleichungsart hielt man fuͤr zu
ideal und fuͤr zu wenig geeignet, um von der Mehrzahl der Arbeiter begriffen
zu werden; man glaubte, daß es das Passendste sey, die physische Arbeit eines
Pferdes, welches in einer Bahn eingespannt ist, mit der Kraft der Maschinen zu
vergleichen. Dieß ist auch die Meinung, welcher Hr. de Prony in seiner wichtigen Abhandlung
uͤber diesen Gegenstand (Annales des mines T.
XII. S. 8.) beistimmt. Bei dieser Methode ist auch wirklich die Art, wie das Pferd
angewendet wird, ausdruͤklich, und die Kraft des Individuums mittelbar
gegeben; denn in einer gut eingerichteten Anstalt spannt man weder kleine
Reitpferde, noch große Karrengaͤule, sondern Pferde von mittlerem und
gewoͤhnlichem Schlage in die Bahn.
Wir wollen nun untersuchen, wie groß die Kraft eines solchen Pferdes ist. Ich muß
hiebei im Voraus bemerken, daß man bei der Anwendung einer Bewegungskraft auf eine
Maschine die nuͤzende Kraft und die dynamische Kraft unterscheidet; die erste allein hat
fuͤr den Fabrikanten Interesse, wenn derselbe eine Maschine ankauft; sie
allein bringt ihm Gewinn, und diese allein will er daher bezahlen; bei der
Ausbeutung eines Steinbruches z.B. wird diese nuͤzende Kraft oder Wirkung
durch die Menge der Steine angedeutet werden, welche durch dieselbe aus einer
gewissen Tiefe heraufgehoben werden. Die dynamische Kraft hingegen besteht aus der
nuͤzenden Kraft, zu welcher der Widerstand aller Art, den die einzelnen
Theile der Maschine bei ihrer Bewegung erleiden, wie die Reibung etc.,
hinzugerechnet wird; mit dieser Kraft hat es vorzuͤglich der Mechaniker zu
thun, der die Maschine erbaut oder aufstellt. Wir werden uns hier bloß mit der
nuͤzenden Kraft beschaͤftigen; die Bestimmung derselben kann
naͤmlich zu keiner Verwechslung und zu keinem Irrthume in Hinsicht auf die
ganze Wirkung der Bewegungskraft Anlaß geben; denn wenn man sagt, daß man dieselbe
durch eine Maschine, die Bahn erhielt, so sagt man auch mittelbar, daß diese Kraft
groͤßer gewesen waͤre, wenn nicht der Widerstand, den die Maschine in
ihren Bewegungen erlitt, einen Theil derselben absorbirt hatte. Wir muͤssen
ferner noch bemerken, daß
die Bestimmung der nuͤzenden Kraft einer lebendigen Bewegungskraft nicht nach
einzelnen Beobachtungen, und auch nicht nach einigen Versuchen, die mit besonderer
Sorgfalt gemacht wurden, vorgenommen werden duͤrfe, sondern nach dem, was man
alltaͤglich und bei dem gewoͤhnlichen Stande der Dinge sieht. Diese
Bedingung ist in allen den Thatsachen, auf welche ich meine Bestimmung
gruͤnden will, erfuͤllt; die Thatsachen selbst sind vorzuͤglich
aus dem genommen, was zu Freyberg in Sachsen geschieht; ich habe dieselben vor
beinahe 30 Jahren in meinem Werke uͤber die dortigen Bergwerke aufgezeichnet.
Die Pferde, die man in den Bahnen oder Goͤpelherden zu Freyberg anwendet,
gehoͤren benachbarten Landwirthen, mit welchen ein Contract geschlossen
wurde, vermoͤge dessen dieselben taͤglich eine bestimmte Zahl von
Tonnen Erz aus einer gewissen Tiefe heraufschaffen muͤssen. Diese Pferde sind
zwar klein fuͤr Zugpferde, allein sie sind gut genaͤhrt; die Dauer der
Arbeit wird auf 8 Stunden (die Dauer des Tages der Bergleute zu Freyberg) gerechnet,
sie ist aber in der That etwas geringer.
Erste Thatsache. Nach der Beschreibung eines der besten
Goͤpelherde zu Freyberg sagte ich in dem angefuͤhrten Werke Bd. III.
S. 123.: „Wir wollen nun die Kraft der Maschine betrachten. Sie wird von
zwei Pferden in Bewegung gesezt; geschieht die Herausbefoͤrderung im
Abflußstollen, so schafft man in 8 Stunden 26 Tonnen zu Tage. Eine volle Tonne
wiegt 16 bis 18 Centner; bei der gewoͤhnlichen Schnelligkeit braucht
dieselbe 9–10 Minuten um 60 Klafter zuruͤkzulegen.“ An
einem anderen Orte hatte ich gesagt, daß die leere Tonne 4 1/2 Centner wiegt, und
daß der Abflußstollen 60 Klafter senkrechte Tiefe habe. (Da der Schacht, durch
welchen ausgeschoͤpft wird, unter 65° geneigt ist, so betraͤgt
die schiefe Tiefe, oder der Weg, den die Tonne durchlauft, 66,19 Klafter.) Die
Klafter oder das Lachter in den Bergwerken zu Freyberg betraͤgt 1,98 Meter,
und der Centner ist gleich 110 koͤlnischen Pfunden oder 51,42 Kilogr. Nach
diesen Daten waͤre mithin die nuͤzende Kraft der beiden Pferde darin
bestanden, daß sie 26 Tonnen von 591 bis 694 Kilogrammen auf eine senkrechte
Hoͤhe von 119 Meter hoben. Die Neigung des Schachtes, welche den Widerstand
vermehrt, in Anschlag gebracht, wollen wir das groͤßere dieser beiden
Gewichte, die 694 Kilogramme, annehmen, und hieraus ergibt sich, daß die
nuͤzende Kraft eines jeden der beiden Pferde waͤhrend einer Tagarbeit
darin bestand, 1,073,618 Kilogr, auf einen Meter zu heben, d.h. daß sie 1,074
dynamische Einheiten betrug; dieß wuͤrde, die Arbeit zu 8 Stunden gerechnet,
27,38 Kilogr, auf die Sekunde geben. Uebrigens hat man hier nicht 8 Stunden
ununterbrochener Arbeit: denn da die Tonne nur 10 Minuten braucht um herauf zu gelangen,
so wuͤrden 26 Tonnen eigentlich nur 4 Stunden 20 Minuten erfordern. Die
uͤbrige Zelt, waͤhrend welcher die Tonnen gefuͤllt und geleert
werden, ruhen also die Pferde aus; und wenn die 26 Tonnen, wie es fast immer der
Fall ist, vor Ablauf der 8 Stunden herausgefoͤrdert sind, so werden die
Pferde abgefuͤhrt. Rechnet man bloß jene Zeit, waͤhrend welcher die
Pferde wirklich arbeiten, so wuͤrde die nuͤzende Kraft eines Pferdes,
da die Tonne von 694 Kilogrammen 10 Minuten braucht, um 119 Meter zu steigen, 68,82
Kilogr, betragen.
Zweite Thatsache. Aus meinen Beobachtungen an allen den
verschiedenen Goͤpelherden zu Freyberg zusammengenommen, schloß ich (Bd. l.
S. 223.), daß einer derselben im Durchschnitte in 8 Stunden 20 Tonnen Erz, jede
Tonne zu 10 Kuͤbel ans einer Tiefe von 100 Klaftern zu Tage foͤrdert;
eine Tonne braucht 18 Minuten bis sie zu Tag kommt, und 5–6 Minuten sind
nothwendig, um dieselbe zu leeren und eine andere zu fuͤllen. Der Freyberger
Kuͤbel hat einen Inhalt von 0,0328 Kubik-Meter; das Gestein, welches
in ihm enthalten ist, wiegt mehr oder weniger, nach seinem Gehalte an Metallen; man
nimmt im Durchschnitte sein Gewicht zu 56 Kilogrammen an, so daß also das Gewicht
der Tonne von 10 Kuͤbeln 560 Kilogr, betraͤgt. Hier haben wir mithin
20 Mal 560 Kilogrammen, die auf 198 Meter gehoben werden, und dieß gibt fuͤr
die taͤgliche Arbeit eines Pferdes 1,109 dynamische Einheiten, und
fuͤr die nuͤzende Kraft in einer Sekunde 38,50 Kilogrammen. Zieht man
jene Zeit ab, welche die Pferde in Ruhe sind, so wird diese Kraft, da die Pferde 18
Minuten brauchen um 560 Kilogrammen auf 198 Meter zu heben, 51,33 Kilogr,
betragen.
In den beiden angefuͤhrten Fallen ist die nuͤzende Kraft durch 37,28
und 38,50 Kilogrammen ausgedruͤkt. Allein wenn man in Anschlag bringt, daß
die Tonne immer 1–2 Meter hoch uͤber den Boden gehoben wird, und daß
die Pferde nicht volle 8 Stunden eingespannt bleiben, so wird man finden, daß es
gewiß keine Uebertreibung ist, wenn man die nuͤzende Kraft eines Pferdes,
welches zu Freyberg 8 Stunden in einem Goͤpelherde eingespannt ist, zu 40
Kilogrammen annimmt, die in einer Sekunde einen Meter hoch gehoben werden.
Dritte Thatsache. Dieses dritte Beispiel nehme ich aus
den Bergwerken zu Carmeaux (Tarn). In einem derselben foͤrdert man
taͤglich aus einem senkrechten Schachte von 127 Meter Tiefe in 8 Stunden 15
Minuten 50 Tonnen Steinkohlen zu Tage, welche 5 aufgehaͤufte Hectoliter
enthalten, von denen jedes auf 101 Kilogrammen geschaͤzt wird. Die
nuͤzende Kraft von einem jeden der beiden zugleich angespannten Pferde waͤre hier 53,98
Kilogramme, die in einer Sekunde einen Meter hoch gehoben werden. Diese Kraft
waͤre sehr bedeutend; selbst dann, wenn man die Arbeit zu 8 1/2 Stunden
annaͤhme, und das Gewicht des aufgehaͤuften Hectoliter bis auf 90
Kilogrammen herabsezte, was gewiß mehr ist, als man sich erlauben darf,
wuͤrde man 46,69 Kilogrammen erhalten. Allein man muß bemerken, daß die
Pferde, die hier gebraucht werden, schwere Zugpferde sind, und daß dieselben nur 6
Stunden des Tags arbeiten, naͤmlich 3 Stunden vor Mittag und 3 Stunden nach
Mittag, so daß zur Herauffoͤrderung der 50 Tonnen Steinkohlen 6 Pferde
angewendet werden. Wenn man daher die Arbeit des Pferdes waͤhrend des ganzen
Tages nimmt, so wird dieselbe nicht wesentlich von jener zu Freyberg abweichen; hier
ist sie naͤmlich durch 1109, zu Carmeaux durch 1555 dynamische Einheiten
ausgedruͤkt.
Die Art die Kraft eines, in einer Bahn eingespannten, Pferdes mittelst der Bahnen
oder Goͤpelherde an Bergwerken zu messen, wo ein bekanntes Gewicht
unmittelbar durch die Maschine auf eine gleichfalls bekannte Hoͤhe gehoben
wird, scheint mir die einfachste und sicherste. Hebt man Wasser mittelst Pumpen, so
complicirt sich die Kraft, und ein Theil des Wassers faͤllt oft wieder
zuruͤk, noch ehe es die Hohe der Roͤhren erreicht hat, durch die es in
den geeichten Behaͤlter gelangt.
Ich glaube demnach hieraus im Allgemeinen als Grundsaz aufstellen zu koͤnnen,
daß die Kraft eines Pferdes, welches 8 Stunden des Tages in einer Bahn arbeitet,
gleich 40 Kilogrammen ist. Hr. Narrir hat in seinen interessanten Noten uͤber Bélidor's Hydraulik eine beinahe gleiche
Schaͤzung, naͤmlich 40 1/20 Kilogrammen angenommen; allein er hatte
nicht die nuͤzende Kraft allein im Auge, sondern die ganze Kraft des Pferdes,
oder um seine Worte zu gebrauchen, die Summe der Kraft, welche ein Pferd in 24
Stunden entwikeln kann. Unter diesem Gesichtspunkte scheint mir daher seine
Schaͤzung viel zu schwach; ein gutes gewoͤhnliches Pferd uͤbt,
wenn es in einer Bahn eingespannt ist, auf die Straͤnge wenigstens eine
Spannung von 100 Kilogrammen aus, und geht dabei mit einer Schnelligkeit von 0,80
Meter (zu Freyberg ist die mittlere Schnelligkeit 0,82 Meter); dieses gibt mithin
auf die Sekunde eine Kraft von 30 Kilogrammen. Es ist aber wahr, daß kein Pferd eine
solche Kraft ununterbrochen durch 8 Stunden aͤußern koͤnnte, und daß
man auf 8 Stunden Arbeit wenigstens zwei Stunden Ruhe rechnen muß, so daß dadurch
die Kraft auf 60 Kilogrammen fuͤr die Sekunde vermindert wird. Hr. Hachette fuͤhrt in seinem Traité des machines S. 56–60. drei
Beobachtungen an, bei welchen er die Spannung der Straͤnge mit dem
Dynamometer maß; sie gaben ihm fuͤr den Arbeitstag eine Summe von Kraft, welche,
auf 8 Stunden vertheilt, 58,41 und 102 Kilogrammen, mithin im Durchschnitte 67
Kilogr, auf die Sekunde gaben. Reduciren wir hier die Totalsumme der Kraft auf 60,
so wuͤrde die nuͤzende Kraft nur 2/3 betragen, das andere Drittheil
waͤre durch den Widerstand aufgezehrt.
Die gesammte Kraft mag nun seyn, welche sie wolle, so glaube ich schließen zu
koͤnnen, daß die nuͤzende Kraft eines Pferdes, welches 8 Stunden lang
in einer Bahn eingespannt ist, auf 40 Kilogr., welche in einer Sekunde um einen
Meter gehoben werden, geschaͤzt werden muß; vorausgesezt, daß das Pferd ein
gutes Zugpferd von gewoͤhnlichem Schlage ist, daß es jedes Mal 4 Stunden
arbeite, und daß die Bahn einfach und gehoͤrig eingerichtet ist.