Titel: | Versuche um die Ausdehnung des Marmors durch die Wärme zu bestimmen; von John Dunn und Edward Sang. |
Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXVII., S. 276 |
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LXVII.
Versuche um die Ausdehnung des Marmors durch die
Waͤrme zu bestimmen; von John Dunn und Edward Sang.
Aus dem Edinburg new philosophical Journal. Junius
1831. S. 66.
Dunn und Sang, uͤber Ausdehnung des Marmors durch die
Waͤrme.
Sobald die Thatsache, daß die Koͤrper beim Erhizen sich ausdehnen, bekannt
wurde, entstand die Frage: gibt es irgend eine Substanz, welche ihr Volumen nicht
veraͤndert? Man hat viele Versuche angestellt, um die Ausdehnung
verschiedener Koͤrper zu bestimmen; obgleich sie aber bei einigen
außerordentlich gering ist, so hat man doch noch keine Substanz gefunden, welche
sich gar nicht ausdehnt. Vor einiger Zeit wurde der Royal
Society in Edinburgh ein marmornes Pendel uͤbergeben, welches in der
Voraussezung, daß der Marmor sich beim Erhizen nicht ausdehnt, verfertigt worden
war. Diese Annahme gruͤndet sich auf bloße Analogie, und so wahrscheinlich
sie auch scheinen mag, so haͤlt sie doch bei genauerer Pruͤfung nicht
Stich. Wir wollen zugeben, obgleich dieß nicht erwiesen ist, daß ein
regelmaͤßig krystallisirtes Stuͤk Kalkspath beim Erhizen zwar seine
Gestalt, aber nicht sein Volumen veraͤndert; dieß beweist aber weiter nichts,
als daß die kleinsten Theilchen des kohlensauren Kalks, wenn sie auf eine besondere
Art angeordnet sind, sich in einer Richtung einander naͤhern und in anderen
zuruͤktreten; so daß das ganze Aggregat doch dasselbe Volumen
beibehaͤlt. Wir sind hingegen keineswegs zu der Vermuthung geneigt, daß sich
dieselbe Wirkung bei unregelmaͤßig aneinandergereihten Theilchen oder selbst
Krystallen dieser Substanz zeigt; die Thatsache, daß sie nach dem Zufall vertheilt
sind, nimmt der Analogie schon alle Kraft. Es koͤnnen Theilchen von
kohlensaurem Kalk, wenn sie regelmaͤßig geordnet sind, einem gewissen Gesez
gehorchen, waͤhrend hingegen dieselben Theilchen, wenn sie
unregelmaͤßig zusammengehaͤuft sind, einem sehr verschiedenen
unterliegen koͤnnen. Um in dieser Sache Gewißheit zu erlangen, blieb nichts
uͤbrig, als directe Beobachtungen zu machen. Bei der Wichtigkeit dieses
Gegenstandes unterließen wir auch nicht, Versuche anzustellen, deren Resultate wir
nun mittheilen wollen.
Es ist bekanntlich sehr schwierig die Ausdehnung der Koͤrper durch die Hize
mit Genauigkeit zu messen. Kennt man einmal das Verhaͤltniß, in welchem sich
eine Substanz ausdehnt, so ist es nicht sehr schwer
darnach die Ausdehnbarkeit anderer zu bestimmen; die erste Bestimmung ist immer mit
den groͤßten Schwierigkeiten verbunden. Da alle Substanzen beim
Erwaͤrmen sich ausdehnen, so haben wir keinen permanenten Maßstab, um die
Ausdehnung der Substanz, womit der Versuch angestellt wird, zu messen, und es bleibt
uns nichts uͤbrig, als eine nur wenig ausdehnbare Substanz auf einer
bestimmten Temperatur zu erhalten. Die Waͤrme wird jedoch auch durch die
schlechtesten Leiter so schnell mitgetheilt, daß entweder der Maßstab oder der
wandelbare Koͤrper seine Temperatur aͤndert noch ehe die Messung
bewerkstelliget ist. Berthoud's Vorschlag, eine Stange zu erhizen und sodann auf die Platte
eines Pyrometers zu legen, eignet sich nicht fuͤr genaue Bestimmungen, und es
ist auch nicht leicht
eine Methode ausfindig zu machen, gegen welche sich gar keine Einwuͤrfe
machen lassen. Will man eine Substanz erhizen und eine betraͤchtliche Zeit
uͤber auf einer bestimmten Temperatur erhalten, so stoͤßt man
ebenfalls auf Schwierigkeiten und es gibt in der That so viele Umstaͤnde,
welche kleine Fehler verursachen koͤnnen, daß kein Beobachter von der
Genauigkeit seiner Resultate versichert seyn kann und er verbunden ist, das von ihm
befolgte Verfahren ganz im Detail zu beschreiben und alle Vorsichtsmaßregeln
anzugeben, welche er anwandte, um Irrthuͤmer zu vermeiden.
Man kann, wie wir bereits angedeutet haben, auf zweierlei Art die Ausdehnung einer
Substanz bestimmen: man vergleicht ihre Laͤnge bei verschiedenen Hizgraden
entweder mit derjenigen eines Koͤrpers, welcher auf einer
gleichfoͤrmigen Temperatur erhalten wurde, oder mit derjenigen einer
Substanz, deren Ausdehnbarkeit man kennt und welche man denselben
Temperaturveraͤnderungen unterzieht. Lezteres Verfahren ist weniger schwierig
und verdient das groͤßte Vertrauen, wenn die Ausdehnbarkeit der Substanz,
welche als Maßstab dient, genau bestimmt ist.
Die Physiker haben Tabellen uͤber die Ausdehnung verschiedener fester Koͤrper mitgetheilt; sie duͤrften
aber nur bei wenigen dieser Substanzen verlaͤßlich seyn, weil die geringste
Beimischung eines fremden Stoffes die Ausdehnbarkeit sehr modificirt. Queksilber
wurde wegen seiner Anwendung bei Thermometern und Barometern mit sehr großer
Sorgfalt untersucht; bei den Angaben uͤber die Ausdehnung des
fluͤssigen Metalles finden sich jedoch große Differenzen, welche
groͤßten Theils dem Umstande zugeschrieben werden muͤssen, daß die
Ausdehnung der Glasgefaͤße, in welchen es enthalten war, nicht genau bestimmt
wurde. Das groͤßte Zutrauen scheint uns die Angabe von Laplace in seinem Système du Monde zu
verdienen, nach welcher die Ausdehnung 100 Theile bei 5412 oder 18477 bei einer
Million von der Temperatur des schmelzenden Eises bis zum Siedepunkte des Wassers
betraͤgt.
Die Stange, womit wir den Marmor verglichen, war eine Glasroͤhre, deren
Ausdehnung wir auf folgende Art bestimmten. Aus einem Theil der Roͤhre
bildeten wir ein Gefaͤß mit einer Haarroͤhre. Dieses Gefaͤß
fuͤllten wir mit frisch destillirtem Queksilber von der Temperatur des
schmelzenden Eises: wir erhizten es nachher auf den Siedepunkt des Wassers und
sammelten sorgfaͤltig alles ausgetriebene Queksilber. Das ausgetriebene
Queksilber wog 66,9 Gran, das in dem Gefaͤß zuruͤkgebliebene 4312,6
Gran, was fuͤr den Ueberschuß der Ausdehnung des Queksilbers uͤber
diejenige des Glases 0,015513 gibt; die Ausdehnung des Glases betraͤgt also 0,002964
nach dem Volumen oder 0,000988 in der Laͤnge.
Wir fanden somit die Ausdehnung des Glases groͤßer, als sie in den Tabellen
angegeben wird; sie koͤnnte jedoch nur durch einen Irrthum bei Bestimmung der
Ausdehnung des Queksilbers fehlerhaft geworden seyn. Bei einigem Nachdenken wird
sich aber Jeder uͤberzeugen, daß die meisten Beobachtungsfehler dazu
beitragen, die Ausdehnung scheinbar geringer zu machen, daher ein groͤßeres
Resultat zu beweisen scheint, daß die Ausdehnung des Queksilbers mit Sorgfalt
bestimmt wurde. Beim Waͤgen konnte nur ein sehr kleiner Fehler begangen
werden, daher das Resultat aller Wahrscheinlichkeit nach sich der Wahrheit sehr
naͤhert.
Wir benuzten den Glasstab als Stange fuͤr einen Stangenzirkel und erhizten sie
mit zwei Platten, einer von carrarischem und einer vom schwarzem (Lucullit-)
Marmor auf dieselbe Temperatur. Um eine Controlle zu haben, wurde eine
hoͤlzerne Stange so viel als moͤglich auf derselben Temperatur
erhalten und ebenfalls mit den Marmortafeln verglichen. In jede Platte wurden in
einer Entfernung von 31,5 Zoll zwei messingene Stifte eingelassen, wovon der eine in
seinem Mittelpunkte mit einem kleinen Loch zur Aufnahme einer Spize des Zirkels
versehen war; der andere hatte eine glatte Oberflaͤche, auf welcher man mit
der anderen Spize des Zirkels einen Strich machte. Die Platten und der
glaͤserne Stangenzirkel wurden in einem Trog von Zinn mit Eistuͤken
umgeben und eine hinreichende Menge Wasser zugegossen, um die Verbindung zwischen
dem Eis und dem Marmor herzustellen. Nach einer Stunde, wo man annehmen konnte, daß
der Marmor die Temperatur des schmelzenden Eises erlangt hatte, wurden so viele
Eisstuͤke beseitigt, daß man den glaͤsernen Stangenzirkel bewegen
konnte, ohne ihn uͤber die Oberflaͤche der ihn umgebenden
Fluͤssigkeit zu bringen und Striche mit beiden Zirkeln auf den glatten
Stiften jeder Platte gemacht.
Man nahm sodann das Eis und das Wasser aus dem Trog und brachte heißes Wasser hinein,
welches man bei 211° F. eine Stunde lang im Sieden erhielt. Nach Verlauf
dieser Zeit machte man wieder Striche mit jedem Zirkel, indem der glaͤserne
Stangenzirkel vollkommen in der siedenden Fluͤssigkeit eingetaucht blieb und
der hoͤlzerne aus einem Nebenzimmer, dessen Temperatur sich nicht
veraͤndert hatte, schnell hergeholt wurde. Bei der kurzen, obgleich
unvermeidlichen Verzoͤgerung, welche die Beseitigung der oberen Platte
verursachte, muß die hoͤlzerne Stange ihre Temperatur erhoͤht haben
und laͤnger geworden seyn, ehe der Strich auf dem Stift in dem carrarischen
Marmor gemacht wurde. Die Entfernungen zwischen den Strichen wurden dann mit einem
Mikroskop untersucht und mit einem Instrument gemessen, welches den 3000sten Theil
eines Zolles genau angab.
Nach dem hoͤlzernen Stangenzirkel betrug die Gesammtausdehnung den 33/3000sten
Theil eines Zolles bei dem schwarzen und den 79/3000sten Theil bei dem carrarischen
Marmor fuͤr eine Laͤnge von 31,5 Zoll und bei einer Erhoͤhung
der Temperatur von 32° auf 211° F. Die Ausdehnung betrug also bei
einer Temperaturerhoͤhung von 180° bei dem schwarzen Marmor 0,000350
und bei dem weißen 0,000837. Als man die Striche untersuchte, welche mit dem
glaͤsernen Stangenzirkel gemacht wurden, ergab sich, daß sich der schwarze
Marmor um den 33/3000sten Theil eines Zolles weniger ausgedehnt hatte, als das Glas,
so daß seine absolute Ausdehnung 0,000426 betragen muß; der weiße Marmor hatte sich
um den 8/3000sten Theil eines Zolles mehr als das Glas verlaͤngert, daher
seine absolute Ausdehnung 0,001072 oder zwei und ein Viertel Mal so viel als
diejenige des schwarzen Marmors betraͤgt.
Der Glasstab ergab also fuͤr jede Marmorsorte eine groͤßere Ausdehnung
als der hoͤlzerne Stangenzirkel und der Unterschied ist bei dem schwarzen
Marmor am groͤßten; wir koͤnnen daher als gewiß annehmen, daß
waͤhrend des kurzen Zeitraumes, wo das Holz einer feuchten und heißen
Atmosphaͤre ausgesezt war, es sich merklich ausdehnte.
Der glaͤserne Stangenzirkel war mit zwei Griffen versehen und wurde nie aus
der Fluͤssigkeit genommen, welche den Marmor umgab; da er unter Wasser
außerordentlich leicht und die angebrachten Spizen sehr kurz waren, so durfte man
nicht befuͤrchten, daß er sich biegt und dadurch ein fehlerhaftes Resultat
gibt; die mit demselben erhaltenen Resultate verdienen daher volles Vertrauen; nur
eine kleine Ungenauigkeit bei Bestimmung der Ausdehnung des Glases selbst kann einen
Einfluß auf das Resultat gehabt haben.
Die hier mitgetheilten Versuche waren die lezten von drei Reihen, welche alle fast
dieselben Ausdehnungen ergaben. Wir theilten die lezten mit, nicht weil die anderen
mit geringerer Sorgfalt angestellt wurden, sondern weil wir bei Anstellung derselben
schon eine groͤßere Uebung erlangt hatten. Bei einem der fruͤheren
Versuche erhizten wir das Wasser durch zwei weite Kohlenbeken, konnten aber mit zwei
Blasebaͤlgen die Temperatur nicht hoͤher als auf 197° F.
erhalten. Bei dem lezten Versuche nahmen wir sieben Weingeistlampen und waren nicht
wenig erstaunt als wir, um zu starkes Sieden zu vermeiden, nach und nach vier davon
beseitigen mußten und mit drei Weingeistlampen das Wasser in einem Troge von 37,4 Zoll
Laͤnge auf 3 1/2 Breite auf dem Siedepunkt erhalten konnten.
Die verschiedene Ausdehnbarkeit des schwarzen und weißen Marmors ist deßwegen
merkwuͤrdig, weil sie in ihrer chemischen Zusammensezung wenig von einander
abweichen. Wenn es sich aber um die Anwendung einer Substanz zu Uhrenpendeln
handelt, so kommen noch andere Umstaͤnde als ihre Ausdehnung in der
Waͤrme in Betracht. Die verschiedene Dichtigkeit der Luft und der wandelbare
Widerstand, welchen sie einem schwingenden Koͤrper entgegensezt,
muͤssen ebenfalls beruͤksichtigt werden, und offenbar ist in dieser
Hinsicht ein dichterer Koͤrper einem specifisch leichteren vorzuziehen. Nimmt
man die specifische Schwere des Marmors zu 2,7 an (die des weißen betrug 2,65 und
diejenige des schwarzen 3,0), so ist er 2268 Mal schwerer als Luft; so daß eine
Veraͤnderung des Barometerstandes um einen Zoll taͤglich einen
Unterschied um eine 5/8 Sekunde hervorbringen wird. Nehmen wir die Ausdehnung des
weißen Marmors zu 0,001 an, so wird jeder Grad an Fahrenheits Thermometer bei den
Uhren taͤglich einen Unterschied von 1/4 Sekunde verursachen; daher das
gewoͤhnliche Pendul mit bleiernem Gewicht, weil es nicht so lang und der
hydrostatische Einfluß und Widerstand der Luft bei demselben geringer ist, vor dem
marmornen den Vorzug hat.
Bei dieser Gelegenheit wollen wir bemerken, daß es eine sehr nuͤzliche und
interessante Untersuchung waͤre, die Einwirkung der Hize und Feuchtigkeit auf
die verschiedenen Baumaterialien genau zu bestimmen, weil Verschiedenheiten in
dieser Hinsicht wahrscheinlich weit mehr dazu beitragen die Staͤrke der
Gebaͤude nach und nach zu vermindern, als ihre chemische Zusammensezung. Bei
Marmor konnte man nicht bemerken, daß die Feuchtigkeit Einfluß auf seine Ausdehnung
hat; auch fanden wir, daß carrarischer Marmor nur den 1800sten Theil seines
Gewichtes Feuchtigkeit absorbirt. So gering aber auch die Ausdehnung solcher
Koͤrper seyn mag, so uͤbt sie doch eine ungehuere Kraft aus.