Titel: | Ueber Hrn. Anton Bernhard's Kraftapparat. |
Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXXIX., S. 334 |
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LXXIX.
Ueber Hrn. Anton Bernhard's Kraftapparat.
Bernhard's Kraftapparat.
Seit beinahe zwei Jahren hat Hr. Anton
Bernhard aus Ungarn die Aufmerksamkeit des hiesigen Publikums in
einem hohen Grade durch die Ankuͤndigung und Bekanntmachung eines von ihm entdekten, seit Jahrtausenden unbekannt
gebliebenen, Naturgesezes, und eines darauf gegruͤndeten neuerfundenen
Kraft- und Hebeapparates erregt, welcher in allen Arten der Anwendung die
Dampfmaschinen uͤbertreffen und sie ganz entbehrlich machen
soll.
So lange die Einwirkung dieser Praͤtensionen nur auf das hiesige Publikum
beschraͤnkt blieb, glaubte ich den Hrn. Bernhard, nachdem alle meine und meiner
gelehrten Freunde Bemuͤhungen, ihm seinen Irrthum begreiflich zu machen,
vergeblich gewesen, in seinen zweklosen Unternehmungen ruhig gewaͤhren lassen zu
duͤrfen, uͤberzeugt, daß kein Sachverstaͤndiger dadurch
getaͤuscht werden koͤnnte, und daß einigen Laien in der Physik und
Mechanik, welche zu seiner neuen Lehre sich bekannt haben, fruͤher oder
spaͤter durch eigenen Schaden die Augen geoͤffnet werden
muͤssen. Nachdem er nun aber in einer Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 30.
Julius d. J. mit seinen Behauptungen oͤffentlich aufgetreten ist, und durch
seine Klagen uͤber Mangel an Unterstuͤzung und Anerkennung seiner
Entdekung von Seite aller Gelehrten, aller wissenschaftlichen Gesellschaften und
technischen Vereine in Bayern, auf eine indirecte Weise auch mich zur Rechtfertigung
uͤber meinen ganz unverhohlen bekannten Unglauben aufgefordert hat, so glaube
ich, eine oͤffentliche Widerlegung seiner falschen Behauptungen, welche ihm
ohne Zweifel in auswaͤrtigen wissenschaftlichen und technischen Journalen
bald reichlich zu Theil werden wird, um so weniger laͤnger zuruͤk
halten zu duͤrfen, als es außerdem wohl scheinen moͤchte, es
gaͤbe in Bayern keine Physiker und Techniker, welche das Irrige dieser
angeblichen Entdekung und Erfindung eingesehen haͤtten.Im London-Journal of Arts and Sciences von
den Monaten October und November 1829 ist das Irrige der Bernhard'schen
Theorie von der Ausdehnung fluͤssiger Koͤrper, und die
Untauglichkeit seines Apparates als Ersaz fuͤr die Dampfmaschinen mit
wissenschaftlichen Gruͤnden erwiesen worden, welche Hr. Bernhard durch seinen langen
Aufsaz in einer Beilage zum 4ten Hefte des XXXIX. Bandes des Dingler'schen polytechn. Journales keineswegs
widerlegt hat. Eine noch schaͤrfere Beurtheilung ist ihm aber erst
neuerlich in einem der gediegensten technischen Journale: The Register of Arts and
Patent-Inventions vom 1. Mai des gegenwaͤrtigen
Jahres zu Theil geworden, wovon das erste Augustheft des polytechn.
Journales, S. 160–173 eine woͤrtliche Uebersezung
enthaͤlt, und worin das Illusorische seines großen Versuches mit
Wasser am Surry-Canal in London, und
seines ersten Versuches mit Queksilber zu Muͤnchen auf eine
schlagende Weise dargestellt wird. Wir wissen uͤbrigens, daß jener
Wasserhebungs-Apparat bald wieder abgebrochen, und seither von dieser
Bernhard'schen Erfindung in England kein Gebrauch gemacht worden ist.
Waͤre dieser mit bedeutendem Aufwande im groͤßten Maßstabe
oͤffentlich vorgenommene Versuch so guͤnstig und
uͤberzeugend ausgefallen, als Hr. Bernhard behauptete, so haͤtte
man dort gewiß schon mehrere Anwendungen davon gemacht, und Hr. Bernhard haͤtte sehr
Unrecht zwei Jahre, von dem Termine seines Patentes in einem Lande zu
verlieren, wo er, nach seiner Versicherung schon die bedeutendsten Contracte
eingegangen hat, und Millionen gewinnen koͤnnte, wenn es mit den
angegebenen großen Vorzuͤgen seiner Erfindung vor den Dampfmaschinen
richtig waͤre.
Durch ein mit Queksilber bearbeitetes Modell dieses sogenannten Kraftapparates,
welches Hr. Bernhard dahier im
mathematischmechanischen Institute des Hrn. Ertel im Monat September des vergangenen Jahres
aufgestellt, und mit welchem er damals und in den Monaten Maͤrz, April und
Mai des gegenwaͤrtigen Jahres zahlreiche Versuche vorgenommen hatte, glaubt
er, das Factische seiner physikalischen Entdekung und die Wirklichkeit der
angegebenen Vortheile seiner Erfindung schon hinlaͤnglich erwiesen zu haben,
und durch ein großes
Wasserhebewerk, mit dessen Bau in einem Thurme am Sendlinger Thore er seit einem
halben Jahre beschaͤftigt, welches aber noch nicht vollendet ist, hofft er
vollends alle Unglaͤubigen zu bekehren, und die ganze Welt von der
Unfehlbarkeit seiner neuen Lehre zu uͤberzeugen, „daß naͤmlich die fluͤssigen Koͤrper,
unter den Umstaͤnden, in welche sein Apparat sie versezt, im
Verhaͤltniß ihrer Erwaͤrmung, im tropfbar fluͤssigen
Zustande, bis zu einer Hoͤhe sich verduͤnnen und ausdehnen
lassen, welche man unendlich nennen koͤnnte, da sie jede brauchbare
uͤbertrifft;“ so daß also durch den bloßen Druk der
Atmosphaͤre, welcher im gewoͤhnlichen oder natuͤrlichen
Zustande einer Wassersaͤule von hoͤchstens 32 Fuß das Gleichgewicht
haͤlt, eine durch seine Kunst verduͤnnte, ausgedehnte und specifisch
leichter gemachte Wassermasse, in
concret-fluͤssigem Zustande, und ohne in Dampf verwandelt zu
werden, auf eine senkrechte Hoͤhe von vielen tausend Fußen gehoben
wuͤrde! –
Daß diese eingebildete Entdekung eines neuen Naturgesezes nicht nur allen gesunden
Begriffen von der Ausdehnung tropfbar fluͤssiger Koͤrper, sondern
allen Erfahrungen widerspricht, und nur auf einer groben Taͤuschung beruht,
und daß der beruͤhmte Kraft- und Hebeapparat nichts weiter ist, als
ein complicirter Destillirapparat, welcher von den
gewoͤhnlichen Vorrichtungen dieser Art hauptsaͤchlich nur darin sich
unterscheidet, daß das Abkuͤhlungsgefaͤß, worin die aufsteigenden
Daͤmpfe verdichtet werden, uͤber dem Kolben angebracht, und daß die
Verdampfung durch einen im Kolben gemachten luftleeren Raum erleichtert und
befoͤrdert wird daruͤber haben bereits alle Physiker und alle
gruͤndlichen und wissenschaftlich gebildeten Techniker in London, in Berlin
und hier einstimmig entschieden; und die Taͤuschung liegt fuͤr Jeden,
der nur mit den Anfangsgruͤnden der Naturlehre bekannt ist, so klar am Tage,
daß es ganz uͤberfluͤssig waͤre, sich hier in eine
umstaͤndliche Beweisfuͤhrung daruͤber einzulassen.Bei einem jener ersten Versuche mit dem Bernhard'schen Queksilberapparate im
mechanischen Institute des Hrn. Ertel ward der enge Raum, in welchem dieser Apparat stand,
durch Queksilberdaͤmpfe, welche durch die Fugen der eisernen
Steigroͤhren und durch die Oeffnung eines kleinen Hahnen an
denselben, der nicht schnell genug wieder verschlossen werden konnte,
herausdrangen, dergestalt angefuͤllt, daß alle Anwesenden in einem
mehr oder weniger bedenklichem Grade davon vergiftet wurden. Drei Arbeiter
des Hrn. Ertel mußten
in das allgemeine Krankenhaus gebracht werden. Einer der Anwesenden, welcher
ein Goldstuͤk in seiner Tasche hatte, zog dasselbe ganz weiß heraus.
Hr. Bernhard selbst
hatte mehrere Wochen lang an allen Symptomen von Queksilbervergiftung (z.B.
Wakeln der Zaͤhne, Speichelfluß) auf eine hoͤchst unangenehme
Weise zu leiden, und man haͤtte erwarten duͤrfen, daß er durch
einen so offenbaren und fuͤhle baren Beweis mit eigenem Schaden
uͤber das Irrige seines neuentdekten Naturgesezes belehrt, und
uͤberzeugt worden waͤre, daß das Queksilber in den fast bis
zum Gluͤhen erhizten eisernen Roͤhren nicht in concret
fluͤssiger Gestalt, sondern in Dampf verwandelt aufstieg.
Spaͤter, als zur Verhuͤtung solcher Ungluͤklichen
Zufalle die Fugen der Roͤhren dichter gemacht, und die
gefaͤhrlichen Hahnen unbeweglich verschlossen und mit Lehmen
uͤberstrichen waren, wohnte ich dort selbst einem Versuche bei, und
uͤberzeugte mich von dem Aufsteigen der Queksilberdaͤmpfe in
den Verdichtungsapparat durch eigenes Gefuͤhl auf folgende
unschaͤdliche Art. Ich fand den Ruͤken des hoͤchsten
liegenden Cylinders, welcher einige Zoll uͤber die
Wasserflaͤche im hoͤlzernen Behaͤlter hervorragte, so
heiß, daß man ihn kaum anruͤhren konnte. Diese starke Erhizung nach
Oben eines fast ganz mit kaltem Wasser umgebenen Gefaͤßes konnte doch
offenbar nur von einem nach allen Seiten sich ausbreitenden elastischen
Dampfe herruͤhren, da das Queksilber, wenn es in concret
fluͤssigem Zustande empor gestiegen waͤre, in so geringer
Menge den 6 Zoll im Durchmesser weiten Cylinder nicht bis oben
ausfuͤllen konnte, sondern sogleich auf den Boden desselben fallen,
und auf demselben in die unteren Roͤhren ablaufen mußte. Wozu
waͤre auch, wenn hier keine wirkliche Verdampfung Statt gefunden
haͤtte, ein so großer Abkuͤhlungsapparat mit so bedeutenden
Beruͤhrungsflaͤchen, und ein ununterbrochenes
Zustroͤmen von kaltem Wasser noͤthig gewesen, dessen Menge
jene des durch Destillation uͤbergezogenen Queksilbers wenigstens
2000 Mal uͤbertraf? – Um das durch maͤßige Hize bloß ausgedehnte und leichter gewordene
Queksilber wieder zu seinem natuͤrlichen Zustande und
urspruͤnglich specifischen Gewichte zuruͤk zu bringen, dazu
waͤre wohl die Abkuͤhlung an der Luft ohne allen Zufluß von
kaltem Wasser hinreichend gewesen.
Daß aber dieser sogenannte Kraft- und Hebeapparat auch in technischer Hinsicht
nichts taugt, und zu dem beabsichtigten Zweke, alle Dampfmaschinen mit Vortheil zu
ersezen, durchaus unbrauchbar ist, davon kann sich vorlaͤufig Jedermann
uͤberzeugen, welcher ein von mir dahier aufgestelltes Dampfmaschinenmodell
sehen und die Wirkung desselben mit jenem des im Ertel'schen Institute producirten Queksilberapparates vergleichen will.Dieses arbeitende Modell einer Dampfmaschine von einer neuen und sehr
einfachen, von mir erfundenen, Construction, welches schon vor mehreren
Jahren nach meiner Angabe und auf meine Kosten von dem seiner
Geschiklichkeit wegen ruͤhmlich bekannten Hofbrunnenmeister Hrn.
Hoͤß in
dessen eigener Werkstaͤtte am Brunnthale dahier verfertigt und dort
mehreren Sachverstaͤndigen gezeigt worden ist, habe ich
gegenwaͤrtig, zum Behufe einer anschaulichen Vergleichung mit dem
Bernhard'schen Queksilberapparate, in dem koͤnigl. Brunnenhause am
sogenannten Jungfernthurme dahier aufgestellt, wo ich die Einrichtung und
Wirkung desselben Jedermann taͤglich zu zeigen bereit bin.
Bei diesem lezteren stieg eine sehr unbedeutende Menge von Queksilber vom
Roͤhrenkessel bis in den Abkuͤhlungs- (eigentlich
Verdichtungs-) Apparat auf die Hoͤhe von 13 Fuß 1 1/2 Zoll; da es aber
durch diesen Apparat und durch eine Ausleerungsroͤhre wieder 5 Fuß 8 Zoll
herabfallen mußte, so betrug die eigentliche nuzbare
Hoͤhe, zu welcher das Queksilber gebracht wurde, und wo dasselbe zum
Vorschein kam, nur 7 Fuß 5 1/2 Zoll.
Die Quantitaͤt des an dieser Stelle in einer bestimmten Zeit ausgelaufenen,
oder vielmehr in einer engen glaͤsernen Roͤhre kaum sichtbar
herabtraͤufelnden Queksilbers ist, so viel mir bekannt, bei keinem der
vorgenommenen Versuche gehoͤrig gemessen worden, betrug aber, zufolge eines
von dem hiesigen koͤnigl. Notar, Hrn. v. Hunkerkhausen
am 23. Septbr. vorigen
Jahres aufgenommenen Protokolls, gegen 40 Pfd. in einer
Viertelstunde.Hr. Bernhard hat in
seinem, in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 30. Julius d. J.
erschienenen Sendschreiben, worin er sich auf jenes Protocoll vom 25.
Septbr. vorigen Jahres beruft, angegeben, „daß im mittleren Durchschnitte alle Minuten beilaͤufig 60
Pfund Queksilber aus dem Fallrohr heraus liefen,“
was jene dokumentirte Leistung von 40 Pfd. in 15 Minuten 221/2 Mal
uͤbertraͤfe! Wir wollen glauben, daß diese Verwechslung von 40
mit 60, und von einer Viertelstunde mit einer Minute bloß durch ein
unbeliebiges Versehen oder durch einen Schreib- oder Drukfehler
entstanden sey. –
Der mechanische Effect, welchen dieser Apparat hervorbrachte, oder das Product aus
dem gehobenen Gewichte und der erreichten nuzbaren Hoͤhe, war daher in einer
Viertelstunde
40 × 7,458 = 298,32.
Die Mittel, wodurch diese Wirkung erhalten wurde, bestanden 1) in einem ziemlich
lebhaften, unter dem Kessel bestaͤndig unterhaltenen Feuer, dessen Flamme das
in dem Schornstein eingeschlossene eiserne Steigrohr von allen Seiten umspielte, und
folglich hinlaͤnglich erhizte, um die darin
aufsteigenden Queksilberdaͤmpfe unverdichtet bis zu dem
Condensationsgefaͤße zu bringen; 2) in der Kraft eines Mannes,
welcher oben eine Luftpumpe bearbeitete; 3) in der Kraft von zwei Maͤnnern,
welche unten eine Drukpumpe bearbeiteten, durch welche das Verdichtungsgefaͤß
mit einem bedeutenden Zufluß von kaltem Wasser ununterbrochen abgekuͤhlt
wurde.
Mein Dampfmaschinenmodell hingegen sezt durch eine sehr einfache Vorrichtung den
Kolben einer gewoͤhnlichen Saug- und Hebpumpe in Bewegung, durch
welche in jeder Minute 270 Pfd., also in einer Viertelstunde 4050 Pfd. Queksilber
auf eine senkrechte Hoͤhe von 12 3/2 Fuß gehoben werden. Der hervorgebrachte
mechanische Effect in einer Viertelstunde ist also
4050 × 12,75 = 51,637,5.
Diese Wirkung wird durch einen cylindrischen Kessel von Eisenblech erhalten, dessen
Dimensionen nicht groͤßer als jene bei dem Ertel'schen Queksilberapparate
sind, mit einem Feuer von Fichtenholz, welches auf einem etwas kleineren Roste
brennt.
Mein Modell hebt also bloß durch die Wirkung des Feuers, und
ohne alle Mitwirkung einer anderen Kraft, auf eine fast zwei Mal groͤßere
Hoͤhe so viele Centner als der Ertel'sche Apparat mit demselben Aufwande
von Brennholz und mit der Beihuͤlfe von drei Arbeitern Pfunde gehoben
hat, und der mechanische Effectuͤbertrifft jenen des lezteren in dem
Verhaͤltnisse von 173 zu 1.
Dieses von einer Commission der mathematisch-physikalischen Classe der
koͤnigl. Akademie der Wissenschaften, welche am 3ten des
gegenwaͤrtigen Monats das Modell gepruͤft, einen vollstaͤndigen
Versuch mit selbem vorgenommen, und daruͤber beiliegendes von dem Vorstande
der Akademie, Hrn. Geheimenrath von
Schelling, dem Classensecretaͤr Hrn. Hofrath Doͤllinger, dann den
Mitgliedern: Hrn. v.
Wiebeking, Hrn. Hofrath und Professor Fuchs, Professor Siber, Hofrath und Professor Oken und Hofrath Spaͤth unterzeichnetes
Protocoll aufgenommen hat, liefert demnach, wenigstens im Kleinen, schon den Beweis,
daß die Wirkung eines Bernhard'schen Apparates gegen jene einer guten Dampfmaschine
unendlich weit zuruͤksteht; und da der Widerstand der Reibungen und der
Aufwand von Brennmaterial bei groͤßeren Dampfmaschinen
verhaͤltnißmaͤßig immer um Vieles geringer ist als bei Modellen oder
kleineren Maschinen; da bei dem Apparate des Hrn. Bernhard der Betrieb der Luft- und
Wasserpumpen noch einen sehr bedeutenden Kraftaufwand in Anspruch nimmt, welcher
fuͤr die nuzbare Wirkung desselben verloren geht; da endlich der Effect einer
durch gehobenes Wasser betriebenen Maschine wenigstens um ein Drittel schwacher ist,
als das zum Heben dieses Wassers erforderliche Kraftmoment, so darf man mit der
vollkommensten Sicherheit behaupten, daß ein nach Hrn. Bernhard's Plan im Großen ausgefuͤhrtes
Maschinenwerk zu seinem Betriebe wenigstens zweihundert
Mal so viel Brennmaterial erfordern werde als eine gute Dampfmaschine von
gleicher Wirkung; oder, was gleich viel gilt: daß eine Dampfmaschine mit dem
1/200ten Theile von Brennmaterial mehr leisten werde als eine durch das im Baue
begriffene Musterwasserwerk, welches Hr. Bernhard zum Wettkampfe mit den
besten Dampfmaschinen aufzustellen erklaͤrt hat, betriebene Maschine. Die
ungeheure Verschwendung von Brennstoff, welche bei diesem Apparate, im Vergleich mit
dem fuͤr den Betrieb einer Dampfmaschine noͤthigen Aufwande, Statt
haben muß, ist uͤbrigens schon a priori leicht zu
begreifen, wenn man bedenkt, daß durch die Verdampfung eines Kubikfußes Wasser im
Kessel einer Dampfmaschine mehrere Hundert Kubikfuß Wasser auf eine bedeutende
Hoͤhe gepumpt werden koͤnnen, da hingegen bei der Bernhard'schen
Vorrichtung alles Wasser, welches gehoben werden soll, zuerst gekocht werden muß!
–
Ich wuͤnsche daher nichts sehnlicher, als daß, zur vollstaͤndigen
Heilung des Hrn. Bernhard
(wenn er von seiner fixen Idee anders noch zu heilen ist) und zur
Enttaͤuschung aller derjenigen, welche noch an seine neue Lehre und an seine
verheißenen Wunder glauben, das große Wasserhebewerk am Sendlinger Thore dahier recht
bald zu Stande komme, und daß sodann die Wirkungsart desselben, die Temperatur im
Steigrohre, die Menge des aus dem Abkuͤhlungsgefaͤße ablaufenden
Wassers, und die Menge des verbrauchten Brennholzes mit der groͤßten
Genauigkeit untersucht und gemessen werden moͤge. Unterdessen erbiete ich
mich vorlaͤufig zu jeder beliebigen Wette, daß die nuzbare Wirkung dieses großen Wasserwerkes im Vergleiche mir einer guten
Dampfmaschine noch schwacher ausfallen werde, als diese mit dem Queksilberapparate
bei Hrn. Ertel sich erwiesen
hat.
So duͤrften also, was die Wirksamkeit und den Aufwand
von Brennmaterial betrifft, die Dampfmaschinen von dem Vertilgungskriege, welchen Hr. Bernhard ihnen durch seine
neue Erfindung angekuͤndigt hat, vor der Hand noch nichts zu
befuͤrchten haben.
Aber auch die uͤbrigen Vorzuͤge, welche er seinem Apparate zuschreibt,
erscheinen bei einer naͤheren Beleuchtung illusorisch. Er haͤlt sich
Vieles darauf zu Gute, daß seine Vorrichtung ohne Pumpen, folglich ohne Kolben und
Ventile, arbeitet; er scheint jedoch vergessen zu haben, daß er zum Heben des kalten
Wassers auf seinen Verdichtungsapparat nicht nur Wasserpumpen, sondern zur Erzeugung
und Erhaltung eines luftleeren Raumes noch weit kuͤnstlichere und schwerer zu
unterhaltende Luftpumpen noͤthig hat. Er behauptet, daß der Bau seines
Apparates einfacher und wohlfeiler als der einer Dampfmaschine sey. Da er aber mit
diesem Apparate nur Wasser heben, aber kein Maschinenwerk unmittelbar betreiben
kann, folglich neben seinem Kraftapparate noch eine zweite Maschine mit einem
oberschlaͤchtigen Rade bauen muß, welche durch das gehobene Wasser betrieben
wird, so wird die ganze Anlage nicht nur weit complicirter als die einer
Dampfmaschine, durch welche jedes Maschinenwerk unmittelbar in Gang gesezt werden
kann, sondern sie erfordert auch einen ungleich groͤßeren Raum, und der
Aufwand an Materialien, an Arbeit und an Gebaͤuden muß offenbar denjenigen
sehr bedeutend uͤbersteigen, welchen der Bau einer Dampfmaschine von gleicher
Wirkung verursachen wuͤrde. Um ein oberschlaͤchtiges Wasserrad von 30
Fuß Durchmesser zu betreiben, muͤßte man einen Thurm von wenigstens 75 Fuß
Hoͤhe bauen. –
Aber auch in solchen Faͤllen, wo das Heben des Wassers der Hauptzwek ist, wie
bei Entwaͤsserungen von Suͤmpfen und Seen, Gewaͤltigung der
Grubenwasser in Bergwerken, Bewaͤsserung von Staͤdten und hoch
liegenden Gruͤnden u. dergl. wird der Bernhard'sche Apparat unbrauchbar, oder dessen Anwendung mit großen
Schwierigkeiten und praktischen Unbequemlichkeiten verknuͤpft seyn, und die
gewoͤhnlichen
Pumpwerke nie ersezen koͤnnen. Denn da diese Vorrichtung das Wasser aus
keiner tieferen Lage einzuziehen oder einzusaugen vermag,
so muß der ganze Apparat mit dem darunter angebrachten Feuerherde, Roste und
Aschenfall immer um mehrere Fuß tiefer als der Bach oder Sumpf, von welchem das
Wasser genommen werden soll, gestellt, folglich in eine Grube unter dem Niveau des
Wassers versenkt werden. Wie nun da das Eindringen des Wassers, das Ersaufen des
Apparates und das Ausloͤschen des Feuers verhuͤtet werden soll, ist
schwer abzusehen. – Zur Gewaͤltigung der Grubenwasser muͤßte
der ganze Apparat an der tiefsten Stelle eines Schachtes und unter dem Sumpfe
angebracht, und der hiezu noͤthige, sehr bedeutende, Raum mit
außerordentlichen Kosten gewonnen werden. – Gegen die von Hrn. Bernhard vorgeschlagene
Bewaͤsserung einer Stadt wuͤrden die Einwohner ohne Zweifel auch aus
dem Grunde Protestiren, weil sein Apparat ihnen statt frischen Quell- oder
Brunnenwassers nur gekochtes, mattes und laues Theewasser liefern wuͤrde.
Was endlich die Gefahr von Explosion betrifft, so ist davon freilich bei einem
Destillirapparat nichts zu befuͤrchten; und wenn unter zehntausend
Dampfmaschinen zufaͤlliger Weise jaͤhrlich Eine springt, so wird gewiß
ein Ungluͤk dieser Art von Bernhard'schen
Kraftapparaten nie erhoͤrt werden – weil man keinen derselben irgendwo
ausfuͤhren und betreiben wird. Denn schwerlich werden auch die furchtsamsten,
aͤngstlichsten und gewissenhaftesten Fabrikeigenthuͤmer ihre
Gebaͤude und das Leben ihrer Arbeiter mit einer jaͤhrlichen Auslage
fuͤr Brennmaterial assecuriren wollen, deren Betrag den gewoͤhnlichen
Aufwand bei Dampfmaschinen zwei hundert Mal uͤbertrifft, da sie ja, wenn es
ihnen vor Allem um die sicherste Erreichung dieses Zwekes zu thun ist, denselben
uͤberall hundert Mal wohlfeiler und leichter durch Vorrichtung von Maschinen
erreichen koͤnnen, welche von Pferden oder Menschen betrieben werden.
Uebrigens hat man in den neuesten Zeiten verschiedene Vorrichtungen erfunden, durch
welche, wenn sie gehoͤrig angewendet werden, das Bersten eines Kessels,
selbst bei der hoͤchsten Spannung von Daͤmpfen, beinahe
unmoͤglich gemacht wird; und wenn man diese Spannung nur nicht
unnoͤthiger Weise uͤbertreibt, und den Dampfkessel vorher auf das
Vier- oder Fuͤnffache des anzubringenden Drukes probt, so hat man,
besonders bei Anwendung des Tubularsystems im Baue der
Kessel, von einem bedeutenden Unfalle durchaus nichts zu befuͤrchten, da das
Springen eines einzelnen Rohres keinen anderen Schaden als eine augenblikliche
Unterbrechung im Gange der Maschine verursachen kann.
Zum Schlusse wiederhole ich hier noch ein Mal, daß ich zu dieser oͤffentlichen Ablage
meines Glaubensbekenntnisses uͤber die Entdekung und Erfindung des Hrn.
Bernhard nur durch die
herausfordernden Beschwerden desselben gegen mich und meine gelehrten Freunde und
Kollegen veranlaßt worden bin, da ein gaͤnzliches Stillschweigen von unserer
Seite wohl den Verdacht erregen koͤnnte, daß auch wir uns haͤtten
taͤuschen lassen. Ich verwahre mich zugleich auf das Feierlichste gegen jede
Beschuldigung von Eifersucht, persoͤnlicher Feindschaft oder
gehaͤssigen Absichten gegen Hrn. Bernhard, den ich vielmehr aufrichtig bedaure, daß er so viel Geld,
so viele Muͤhe und Zeit auf die unnuͤzeste und undankbarste Verfolgung
eines wissenschaftlich – technischen Hirngespinnstes verschwendet hat.
– Ist die Wahrheit auf seiner Seite, und kann er die Richtigkeit seiner neuen
Theorie und die Wirklichkeit der von ihm angegebenen Vortheile seiner Erfindung
durch voͤllig entscheidende und uͤberzeugende Versuche im Großen
beweisen, so wird diese meine Opposition seinen Triumph nur erhoͤhen. Im
entgegengesezten Falle aber kann diese meine Erklaͤrung ihm nicht mehr
schaden, als er sich selbst durch seine irrigen und anmaßenden Behauptungen
geschadet hat.
––––––
Protocoll,welches uͤber die Wirkung einer von dem koͤnigl.
Oberst-Bergrath und Akademiker, Herrn Ritter Joseph von Baader, dahier
aufgestellten kleinen Dampfmaschine abgehalten worden.
Muͤnchen, am 3ten August 1831.
––––––
Gegenwaͤrtige.
Der Vorstand der koͤnigl. Akademie der
Wissenschaften,
Herr Geheimerrath und Generalconservator von Schelling.
– Hofrath und Professor Doͤllinger.
– Oberst-Bergrath Joseph v. Baader.
– Geheimerrath v. Wiebeking.
– Professor Fuchs.
– Hofrath und Professor Oken.
– Professor Siber.
– Hofrath und Professor Spaͤth.
Protocollfuͤhrer.
Herr Hofrath Doͤllinger, Sekretaͤr der
mathematisch-physikalischen Classe.
––––––––
Nachdem der koͤnigl. Oberst-Bergrath und Akademiker, Herr Ritter Joseph v. Baader, an die
mathematisch-physikalische Classe der koͤnigl. Akademie der
Wissenschaften das schriftliche Ansuchen gestellt hatte, ein von ihm dahier
aufgestelltes Dampfmaschinen-Modell zu besichtigen und die Wirkung desselben
zu untersuchen, so versammelten sich heute die nebenbenannten Mitglieder der Classe
in dem koͤniglichen Hofbrunnhause am sogenannten Jungfernthurm, woselbst sie
eine kleine Dampfmaschine von einer neuen und aͤußerst einfachen, von Herrn
v. Baader erfundenen
Construction fanden, welche durch einen 3 Fuß langen und 12 Zoll im Durchmesser
weiten cylindrischen Kessel von Eisenblech betrieben wird, und mittelst eines
kleinen Schwungrades und Hebels den Kolben einer eisernen Saug- und
Hebe-Pumpe in Gang sezt.
Nachdem durch die Wirkung eines kleinen Feuers die Elasticitaͤt des
Wasserdampfes im Kessel so weit gesteigert war, daß sie dem Druke von drei
Atmosphaͤren gleichkam, hob diese Maschine, mit 120 Kolbenzuͤgen in
einer Minute, aus einem unter der Pumpe angebrachten Behaͤlter auf die
Hoͤhe von 12 3/4 Fuß, in ununterbrochenem und gleichfoͤrmigem Strome,
eine solche Masse von Queksilber, daß ein Gefaͤß, welches eine bayerische Maß
hielt, in sechs Sekunden angefuͤllt war.
Da nun ein Maß Queksilber 27 Pfund wiegt, so ergibt sich als Resultat der Wirkung
dieser Maschine in jeder Minute:
10 Maß Queksilber = 270 Pfund,
und in einer Viertelstunde:
150 Maß = 4050 Pfund,
auf eine senkrechte Hoͤhe von 12 3/4 Fuß gehoben.
Hiemit wurde gegenwaͤrtiges Protocoll geschlossen und von saͤmmtlichen
Anwesenden unterzeichnet.
Muͤnchen, den 3ten August 1831.
(Folgen die Unterschriften.)
Die woͤrtliche Übereinstimmung vorstehender Abschrift mit dem
Original-Protocoll bestaͤtigt
Muͤnchen, den 12ten August 1831.
Progel,Registrator.