Titel: | Ueber Ammoniakbildung bei Einwirkung des Schwefelwasserstoffs auf Salpetersäure; von James Johnston, M. A. etc. |
Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XXIX., S. 143 |
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XXIX.
Ueber Ammoniakbildung bei Einwirkung des
Schwefelwasserstoffs auf Salpetersaͤure; von James Johnston, M.
A. etc.
Aus Brewster's Edinburgh Journal of Science. Januar 1832, S.
65.
Johnston, uͤber Ammoniakbildung etc.
Priestley, Davy und Austin
fanden bekanntlich, daß Gemische von Stikstoffoxydgas und Schwefelwasserstoff unter
gewissen Umstaͤnden durch gegenseitigen Austausch ihrer Bestandtheile,
Ammoniak und eine Saͤure des Schwefels bilden. Es sind mir aber keine
Versuche bekannt, woraus hervorginge, daß dieselben Producte bei Einwirkung des
Schwefelwasserstoffs auf fluͤssige Salpetersaͤure entstehen.
Gewoͤhnlich wirkt die Salpetersaͤure auf den Schwefel so, daß sie ihn
oxydirt, waͤhrend sie selbst in ein Oxyd des Stikstoffs und bisweilen, aber
selten, sogar in reines Stikgas verwandelt wird. Vogel
stellte directe Versuche uͤber die Einwirkung von concentrirter
Salpetersaͤure auf gasfoͤrmigen Schwefelwasserstoff an und gibt an,
daß die Saͤure den Wasserstoff und einen Theil des Schwefels oxydirt,
waͤhrend der andere Theil in Floken gefaͤllt wird. Es bildet sich
hiebei aber eine betraͤchtliche Menge Ammoniak, was ihm entging.
Ich hatte eine Quantitaͤt geroͤsteten Speiskobalt von Skyterid in
Salpetersaͤure aufgeloͤst und lange einen raschen Strom
Schwefelwasserstoffgas durch die Aufloͤsung geleitet, um den
zuruͤkgebliebenen Arsenik abzuscheiden. Die filtrirte Fluͤssigkeit
wurde zur Trokniß abgedampft, der Ruͤkstand wieder in Wasser aufgenommen und
der Krystallisation uͤberlassen. Außer dem Kobaltsalze schieden sich nun
schoͤne regelmaͤßige Oktaëder von blasser Purpurfarbe ab,
welche sich bei der Untersuchung als ein schwefelsaures Doppelsalz von Eisen und
Ammoniak zu erkennen gaben.
Das Ammoniak mußte in diesem Falle offenbar durch den Wasserstoff des
Schwefelwasserstoffgases und den Stikstoff der Salpetersaͤure gebildet worden
seyn, was folgende Versuche außer Zweifel sezen.
1) Krystallisirtes schwefelsaures Eisenoxydul wurde in verduͤnnter
Salpetersaͤure aufgeloͤst und durch die Fluͤssigkeit ein Strom
Schwefelwasserstoffgas geleitet. Die Aufloͤsung entfaͤrbte sich
dadurch und es fiel Schwefel nieder. Als man sie erhizte, ging das Eisen wieder auf
die hoͤchste Oxydationsstufe uͤber und durch einen zweiten Gasstrom
wurde die Fluͤssigkeit wieder farbenlos. Ich filtrirte und dampfte sie ein,
wobei ein weißes
Salz mit viel freier Schwefelsaͤure zuruͤkblieb. Dieses Salz
loͤst sich nicht leicht auf; versezt man es aber mit ein wenig Wasser und
laͤßt die Schale ruhig stehen, so bilden sich allmaͤhlich
regelmaͤßige Oktaëder, welche die schoͤne Purpurfarbe des aus
einer sauren Aufloͤsung krystallisirenden schwefelsauren
Eisenoxyd-Ammoniaks besizen.
2) Ungefaͤhr eine Viertelsunze fluͤssiger Salpetersaͤure wurde
mit einer Unze Wasser verduͤnnt und ein langsamer Strom Schwefelwasserstoff
einige Stunden lang hindurchgeleitet. Es sezte sich Schwefel ab und die nach dem
Eindampfen zuruͤkgebliebene saure Fluͤssigkeit entwikelte auf Zusaz
uͤberschuͤssigen Kalis Ammoniakgas. Zur Bildung des Ammoniaks ist
daher keineswegs die Mitwirkung eines dritten Koͤrpers, wie z.B. des Eisens
im ersten Versuche erforderlich, sondern es entsteht bloß durch die Einwirkung des
Schwefelwasserstoffs auf Salpetersaͤure.
3) Um eine groͤßere Quantitaͤt von Ammoniak zu erhalten,
verduͤnnte ich eine Unze fluͤssiger Saͤure mit einem gleichen
Volumen Wasser und leitete einen raschen Strom Schwefelwasserstoff hindurch. Die
Fluͤssigkeit erhizte sich stark, es entwichen Salpetergas und
Schwefeldaͤmpfe aus ihr, und ein Kuchen von Schwefel sammelte sich bald auf
ihrer Oberflaͤche. Ich filtrirte sie und dampfte sie so lange ein, bis keine
salpetersauren Daͤmpfe mehr entwichen; die ruͤkstaͤndige
Fluͤssigkeit enthielt nun viel freie Schwefelsaͤure und nach ihrem
Erkalten schwammen kleine Krystalle in ihr herum, welche wahrscheinlich
schwefelsaures Ammoniak waren, aber nicht abgesondert werden konnten.
Aezkali, in Ueberschuß zugesezt, entwikelte Ammoniak; das eleganteste Reagens
fuͤr Ammoniak ist aber schwefelsaures Eisenoxyd. Ich versezte die
Haͤlfte der obigen concentrirten Fluͤssigkeit mit einer
Aufloͤsung von schwefelsaurem Eisenoxyd, dampfte das Ganze fast bis zur
Trokniß ab und sezte es mit ein wenig Wasser bei Seite. In einigen Tagen hatte sich
eine große und schoͤne Kruste von oktaëdrischem schwefelsaurem
Eisenoxyd-Ammoniak (Eisenalaun) gebildet. Dieses Verfahren kann zur Entdekung
des Ammoniaks in sauren Aufloͤsungen bei qualitativen Analysen oft sehr
nuͤzlich seyn, da sich die Krystalle so leicht bilden. Es ist sogar zur
Bestimmung der Menge dieses Alkalis in Aufloͤsungen, welche keine
feuerbestaͤndige Substanz mehr enthalten, anwendbar, und auch in gewissen
Faͤllen, wo das Gewicht der feuerbestaͤndigen Substanzen bereits
bestimmt worden ist, weil das Doppelsalz bei einer Temperatur, die viel niedriger
ist als jene, wobei sich das in ihm enthaltene schwefelsaure Ammoniak zu zersezen anfaͤngt, sein
Wasser verliert und eine trokne weißliche Masse bildet.
4) Wird Schwefelwasserstoffgas durch eine kalte concentrirte Aufloͤsung von
neutralem salpetersaurem Baryt geleitet, so zersezt er sich langsam, aber merklich;
die Aufloͤsung truͤbt sich und sezt Schwefel nebst schwefelsaurem
Baryt ab. Eine heiße Aufloͤsung des Barytsalzes wird schneller zersezt und
man erhaͤlt einen reichlicheren Niederschlag; wird sie mit
Salpetersaͤure versezt, so findet die Zersezung noch schneller Statt. Dampft
man die filtrirte Aufloͤsung stark ein und versezt sie mit
uͤberschuͤssigem Aezkali, so entbindet sich Ammoniakgas. In diesem
Falle faͤllt also die Schwefelsaͤure, so wie sie sich bildet, in
Verbindung mit Baryt nieder und das Ammoniak bleibt in der Fluͤssigkeit als
salpetersaures Salz aufgeloͤst.
Diese Beobachtungen verdienen bei chemischen Analysen beachtet zu werden. Sie zeigen,
daß in allen Faͤllen, wo man Schwefelwasserstoff durch Aufloͤsungen
leitet, welche Salpetersaͤure in freiem oder gebundenem Zustande enthalten,
mehr oder weniger Schwefelsaͤure und Ammoniak gebildet werden. Wenn sich
daher in der Aufloͤsung Substanzen befinden, worauf diese Producte einen
nachtheiligen Einfluß haben koͤnnen, so muß man ihre Entstehung zu vermeiden
suchen.
Aufloͤsungen, welche Blei enthalten, sind gewoͤhnlich mit
Salpetersaͤure gesaͤuert und enthalten oft keine andere Saͤure;
leitet man Schwefelwasserstoffgas durch dieselben, so bildet sich etwas
schwefelsaures Blei, das mit dem Schwefelmetall niederfaͤllt; schon deßwegen
kann also die Menge des Bleies nicht aus dem Gewichte des Niederschlags berechnet
werden und derselbe muß gaͤnzlich in schwefelsaures Blei umgeaͤndert
werden. Ueberdieß ist derselbe auch noch durch freien Schwefel verunreigt.
Dieselbe Bemerkung gilt fuͤr Aufloͤsungen, welche Baryt enthalten, und
da Schwefelwasserstoff zur Trennung desselben von Blei angewandt wird, so kann eine
geringe Beimengung von schwefelsaurem Baryt das Gewicht des niedergeschlagenen
Schwefelbleies vermehren.
Was das Ammoniak betrifft, so koͤnnen Faͤlle eintreten, wo es eine
Substanz, die man niederschlagen will, in Aufloͤsung zuruͤkhalten
wird. Geringe Mengen von Bittererde, Manganoxydul, Kobaltoxyd und Nikeloxyd
koͤnnen uns entgehen und unsere Resultate fehlerhaft machen.
Hauptsaͤchlich duͤrfte aber die Bildung des Ammoniaks so wie der
Schwefelsaͤure bei der Analyse der salpetersauren Salze, wenn man ihren
Saͤuregehalt genau bestimmen will, Irrthuͤmer veranlassen. Um den
Salpetersaͤuregehalt der salpetersauren Metalloxyde zu bestimmen, sie
moͤgen in Wasser aufloͤslich oder unaufloͤslich seyn,
vorausgesezt daß sie durch Schwefelwasserstoffgas zersezt und gefaͤllt
werden, soll man nach Hrn. Heinrich Rose
In seinem Handbuch der analytischen Chemie (zweite
Auflage, Berlin 1831) Bd. II. S. 477.A. d. R. dieselben entweder in Aufloͤsung oder im Zustande eines feinen, in
Wasser suspendirten Pulvers einem Strom Schwefelwasserstoffgas aussezen. Es bildet
sich dann ein Schwefelmetall und die Salpetersaͤure wird in Freiheit gesezt
und bleibt allein in der Aufloͤsung zuruͤk. Die Aufloͤsung wird
filtrirt, mit uͤberschuͤssigem Barythydrat gemengt und langsam zur
Trokniß verdampft. Der uͤberschuͤssige Baryt zieht Kohlensaͤure
aus der Luft an und wird dadurch unaufloͤslich. „Die geringe Menge
Schwefelbariums, welche durch den uͤberschuͤssigen
Schwefelwasserstoff hervorgebracht wurde, wird durch Oxydation zuerst in
unterschweflichsauren und endlich in schwefelsauren Baryt
umgeaͤndert.“ Der salpetersaure Baryt wird mit Wasser
ausgezogen, der Baryt mit Schwefelsaͤure niedergeschlagen und aus dem Gewicht
des Niederschlags die Salpetersaͤure berechnet.
Da nun, wie obige Versuche darthun, freie Salpetersaͤure in einer
Aufloͤsung die Bildung von Ammoniak veranlaßt, so wird bei diesem
analytischen Verfahren ein Theil der Saͤure durch den Schwefelwasserstoff
zersezt werden, so daß man ihr Gewicht nicht genau wird bestimmen koͤnnen.
Wenn sich nur ein Gran Ammoniak bildet, so verliert man
dadurch schon uͤber drei Gran Salpetersaͤure, denn die Atomengewichte
stehen in dem Verhaͤltniß von 2,125 : 6,75. Ueberdieß ist es mehr als
wahrscheinlich, daß die Oxydation des Schwefelbariums, von welcher Hr. Rose in obiger Stelle seines Handbuchs spricht, ebenfalls
zum Theil durch den Sauerstoff der Salpetersaͤure verursacht wird, was also
noch eine andere Fehlerquelle waͤre.
Um bei Mineralanalysen fehlerhafte Resultate in Folge der Einwirkung des
Schwefelwasserstoffs auf Salpetersaͤure, moͤglichst zu vermeiden, muß
man also 1) Salpetersaͤure so selten als moͤglich als
Aufloͤsungsmittel anwenden; 2) die Aufloͤsungen, durch welche
Schwefelwasserstoffgas geleitet werden soll, mit moͤglichst wenig
Salpetersaͤure ansaͤuern und 3) den Gasstrom nur so lange fortsezen,
als es durchaus noͤthig ist. Beobachtet man diese Vorsichtsmaßregeln, so wird
die Genauigkeit der Resultate durch obige Reaction nur unbedeutend
beeintraͤchtigt werden.