Titel: | Ueber die Entfärbung des Syrupes sowohl durch thierische Kohle als durch basisch essigsaures Blei und über die Wiederbelebung der thierischen Kohle; von E. Barthe. |
Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XLII., S. 188 |
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XLII.
Ueber die Entfaͤrbung des Syrupes sowohl
durch thierische Kohle als durch basisch essigsaures Blei und uͤber die
Wiederbelebung der thierischen Kohle; von E. Barthe.
Aus den Annales des Sciences et de l'Industrie du Midi de la
France. Januar 1832, S. 57.
(Im
Auszuge.)
Barthe, uͤber die Entfaͤrbung des
Syrupes.
Die Verfahrungsarten, welche zum Entfaͤrben der Syrupe angewandt werden,
verdienen in hohem Grade die Aufmerksamkeit der Chemiker, da die
Zuker-Raffination einer der wichtigsten und einflußreichsten Industriezweige
ist. Wenn man einmal die Ursache der Entfaͤrbungskraft der thierischen Kohle
genau kennt, dann kann man auch Methoden ausfindig machen, um ihre Anwendung
wohlfeiler zu machen, die Dauer ihrer Wirkung zu verlaͤngern, oder man wird
wohlfeilere Substanzen ausmitteln koͤnnen, um sie zu ersezen. Noch wenige
Chemiker haben Untersuchungen uͤber die Ursache der
Entfaͤrbungskraft der thierischen Kohle angestellt; was ich jezt
daruͤber mittheilen will, hoffe ich bald durch directe Versuche erweisen zu
koͤnnen.
Die thierische Kohle, welche man in den Fabriken anwendet, erhaͤlt man
bekanntlich durch trokne Destillation thierischer Substanzen, besonders der Knochen.
Die Knochen bestehen aus erdigen und thierischen Substanzen; erstere aus basisch
phosphorsaurem und aus kohlensaurem Kalk, leztere aus Thierleim (Gallerte) und Fett.
Beim Erhizen der Knochen bleibt der basisch phosphorsaure Kalk unveraͤndert;
der kohlensaure Kalk aber wird wenigstens großen Theils zersezt; es entwikelt sich
Kohlensaͤure und es entsteht eine entsprechende Menge Aezkalk.
Der Thierleim und das Fett werden beide bei dieser hohen Temperatur zersezt; ein
Theil ihres Kohlenstoffs wird frei und bleibt im Ruͤkstande; der
uͤbrige entwikelt sich in Form verschiedener Verbindungen; ein Theil dieser
thierischen Substanzen verwandelt sich jedoch in Beruͤhrung mit dem sich
zersezenden kohlensauren Kalk in kohlensaures Ammoniak. Nach beendigter Calcination hat man also ein
Gemenge von basisch phosphorsaurem Kalk, Aezkalk und Kohlenstoff, welches wegen
seines Aggregatzustandes eine bedeutende Absorptionskraft hat; man darf annehmen,
daß es außerdem eine fluͤchtige ammoniakalische Verbindung, aber in solchem
Zustande von Vereinigung enthaͤlt, daß die Eigenschaften der ammoniakalischen
Verbindung zum Theil neutralisirt sind.
Man weiß außerdem, daß das Fett eine Verbindung von Wasserstoff und Kohlenstoff ist
und wenn auch einige Fabrikanten die Knochen vor der Calcination entfetten, so
bleibt gewiß noch genug Fett in denselben zuruͤk, um Kohlenwasserstoff zu
geben, welcher ebenfalls in der Kohle mit seinen basischen
Eigenschaften verbleibt. Wenn man bedenkt, daß diese Verbindungen, deren
Reaction eine basische ist, sehr fluͤchtig sind und der Kohle nur mit sehr
schwacher Verwandtschaft anhaͤngen, so kann man sich leicht die nachtheiligen
Wirkungen verschiedener Umstaͤnde auf die thierische Kohle erklaͤren;
warum man sie z.B. um ein gutes Product zu erhalten, nicht zu lange calciniren und
keiner zu starken Hize aussezen darf. In diesem Falle entweichen naͤmlich die
fluͤchtigen basischen Verbindungen, wovon wir oben sprachen. Dasselbe
geschieht, wenn die Kohle lange der Luft ausgesezt wird, wodurch sie bekanntlich
viel an Guͤte verliert.
Leztere Thatsache steht mit der Theorie, welche ich aufstelle, keineswegs in
Widerspruch, denn man weiß aus einer Menge von Beispielen, daß eine langsame aber
lange anhaltende Einwirkung eben so energische Wirkungen hervorbringen kann, als
eine sehr lebhafte Reaction, die aber von kurzer Dauer ist. Entfernen wir uns einen
Augenblik von der Hauptfrage und untersuchen wir die entfaͤrbende Eigenschaft
der Kohle im Allgemeinen, so finden wir, daß die Pflanzenkohle sie ebenfalls nur
ihrem basischen Zustande verdankt; sie enthaͤlt naͤmlich immer
kohlensaures Natron oder Kali, Aezkalk wenn sie frisch und kohlensauren Kalk wenn
sie alt ist; außer dem kohlensauren Kalk, dessen Reactionen bekanntlich mehr
basischer als saurer Natur sind, enthaͤlt sie auch noch einige andere
basische Salze. Daß der Kohlenwasserstoff, welcher wie die meisten seiner
Verbindungen, nach den schoͤnen Untersuchungen des Hrn. Dumas
Polytechnisches Journal Bd. XXVIII. S.
216.A. d. R. ebenfalls basische Eigenschaften hat, bei der Wirkung der Pflanzenkohle
ebenfalls eine Rolle spielt, glaube ich wohl annehmen zu duͤrfen; da der
Kohlenwasserstoff uͤbrigens eine viel schwaͤchere Basis ist, als das
Ammoniak, so erklaͤrt sich hieraus, warum die Pflanzenkohle nicht so
energisch wie die Thierkohle wirkt. Man darf also im Allgemeinen annehmen, daß die
entfaͤrbenden Substanzen ihre Wirkung den basischen Verbindungen, welche sie
enthalten, verdanken.
Die basischen Eigenschaften der thierischen Kohle muͤssen, wie wir bald sehen
werden, sehr schwach seyn, damit man die Vortheile ihrer Entfaͤrbungskraft
nicht durch viel groͤßere Nachtheile erkauft. Diese schwache basische
Reaction liefert uns auch den Schluͤssel zu der Rolle, welche die Kohle bei
dem Klaͤren der Syrupe spielt; wir werden sie sogleich untersuchen. Die Kohle
verdankt uͤbrigens ihre Eigenschaften auch ihrem physischen Zustande; denn
bei jedem chemischen Proceß muͤssen bekanntlich die auf einander einwirkenden
Substanzen in einem physischen Zustande seyn, welcher der erfolgenden Reaction
gerade am guͤnstigsten ist. Die beiden wesentlichen Bedingungen, um eine
entfaͤrbende Substanz zu erzeugen, sind also: 1) daß die Substanz schwach
basisch, und 2) daß ihr Aggregatzustand von der Art ist, daß wenn sie sich in der
Masse verbreitet hat, sie sodann sich wieder sammeln kann, indem sie die auf Kosten
des Faͤrbestoffes gebildete Verbindung mit sich reißt.
Der entfaͤrbende Koͤrper muß aus sehr seinen Theilchen bestehen, welche
einige Zeit in der Fluͤssigkeit suspendirt bleiben koͤnnen; sie
duͤrfen sich nicht zu schnell aus derselben niederschlagen, weil sie sonst
das durch den Farbestoff gebildete Salz nicht vollstaͤndig mit sich reißen
wuͤrden. Das angewandte Entfaͤrbungsmittel muß sich also langsam auf
dem Boden der Fluͤssigkeit sammeln.
Außer diesen Hauptbedingungen gibt es noch andere sehr wichtige. Die gebildete
Verbindung muß auch unaufloͤslich seyn oder wenigstens durch die
urspruͤngliche Verwandtschaft der basischen Verbindung zur erdigen Substanz,
in dem Niederschlage zuruͤkgehalten werden.
Unter diesem Gesichtspunkte stellt sich also die Frage viel allgemeiner dar. Der
Kohlenstoff kommt dabei nicht mehr fuͤr sich allein in Betracht. Eine
entfaͤrbende Substanz ist ein Koͤrper, welcher einen Niederschlag zu
sammeln vermag und schwache basische Eigenschaften besizt. Dadurch wird es uns
sogleich begreiflich, warum ein Gemenge von Kreide und essigsaurem Blei, bei
geeigneter Anwendung die thierische Kohle ersezen und warum man durch Alaunerde
denselben Zwek erreichen kann.
Das beste Entfaͤrbungsmittel ist der Ruͤkstand von der Bereitung des
eisenblausauren Kalis. Er liefert eine Kohle, deren Entfaͤrbungskraft zwanzig
Mal groͤßer ist als die der gewoͤhnlichen thierischen Kohle, und doch
enthaͤlt sie nur zwoͤlf bis dreizehn Procent Kohlenstoff. Diese
Quantitaͤt ist zu gering, als daß man dem Kohlenstoff allein die
Eigenschaften dieser Kohle zuschreiben koͤnnte; man muß also annehmen, daß sie
hauptsaͤchlich von der auffallend basischen Tendenz des Ruͤkstandes
herruͤhrt.
Nun wird es nicht mehr sehr schwierig seyn zu entdeken, wie und warum die Knochenkohle den Syrup
entfaͤrbt. Was ich uͤber diese Wirkung derselben sage, laͤßt
sich auf jede Kohle und jedes analoge Entfaͤrbungsmittel anwenden.
Der Syrup besteht aus krystallisirbarem Zuker und aus Melasse, welche man absondern
muß. Die Melasse selbst besteht aus unkrystallisirbarem Zuker und einem
eigenthuͤmlichen Faͤrbestoff. Dieser Faͤrbestoff ist
Humussaͤure (Ulmsaͤure) oder eine analoge Saͤure, was ich
spaͤter beweisen werde. Er wirkt auf den Rohrzuker nach Art aller anderen
Saͤuren; er verwandelt naͤmlich den krystallisirbaren Rohrzuker nach
und nach in krystallisirbaren Traubenzuker und in unkrystallisirbaren Zuker. Die
eigenthuͤmliche Saͤure, die der Syrup enthaͤlt, gehoͤrt
in die Classe derjenigen, welche sich so außerordentlich leicht bilden, wenn man
Pflanzensubstanzen einer hoͤheren Temperatur aussezt.
Dadurch erklaͤrt sich auch die betraͤchtliche und schnelle
Veraͤnderung des Syrupes beim Verkochen desselben.
Alle Pflanzensubstanzen werden bekanntlich, wenn man sie der Einwirkung des Feuers
aussezt, diker, faͤrben sich und erleiden eine auffallende
Veraͤnderung. Unter diesen Umstaͤnden bildet sich Humussaͤure
und wenn die Substanz Stikstoff enthaͤlt, auch Azulminsaͤure oder
analoge Saͤuren.Dieses wurde besonders durch die schoͤnen Versuche von Boullay (polytechnisches Journal Bd. XXXVII. S. 23) erwiesen.A. d. R. Alle diese organischen Saͤuren sind braun, haben eine sehr geringe
Saͤttigungscapacitaͤt, bilden mit den Bleisalzen einen braunen
Niederschlag und geben mit den starken Basen eine gefaͤrbte
Aufloͤsung. Daß ihre saure Tendenz sehr schwach seyn muß, geht schon daraus
hervor, daß sie durch so schwache Basen neutralisirt werden koͤnnen; nach
allen Anzeichen sind sie naͤmlich durch Kohlenwasserstoff oder basische Salze
dieser Grundlage neutralisirt.
Bei der Klaͤrung der Syrupe handelt es sich also darum, den Faͤrbestoff
(welcher eine Saͤure ist) aus seiner Verbindung zu trennen und ihn im
Ruͤkstande zu sammeln. Im Allgemeinen kann man, um eine Saͤure aus
ihrer Vereinigung mit einer Basis zu trennen, entweder eine staͤrkere
Saͤure anwenden, oder eine Basis, die mit der Saͤure, welche man
abscheiden will, eine unaufloͤsliche Verbindung bildet. Nun darf man aber
keine staͤrkere Saͤure, als die Humussaͤure ist, anwenden, um
leztere abzuscheiden, weil sonst der Zuker in hohem Grade die Veraͤnderung
erleiden wuͤrde, welche die Saͤuren im Allgemeinen bei ihm
hervorbringen. Man muß also im vorliegenden Falle einen basischen Koͤrper anwenden, und zwar
einen von schwachen basischen Eigenschaften, weil sonst das gebildete Salz
aufloͤslich waͤre. Es ist dieß eine allgemeine Bemerkung in der
Chemie, daß die starken Basen in Verbindung mit schwachen Saͤuren
aufloͤsliche Salze geben, und daß man nothwendig schwache Basen anwenden muß,
um mit schwachen Saͤuren unaufloͤsliche Verbindungen zu bilden. Man
weiß außerdem, daß der Zuker unter dem Einfluß starker Basen eine andere Art von
Veraͤnderung erleidet, naͤmlich in ein Gummi verwandelt wird. Die
Dazwischenkunft dieser Basen wuͤrde also eine Veraͤnderung des
vorhandenen krystallisirbaren Zukers herbeifuͤhren, oder derselbe
wuͤrde, wie man in den Fabriken zu sagen pflegt, schmerig werden (le sucre se graisse). Ein Theil desselben wuͤrde
uͤberdieß durch diese Basen in die naͤmlichen organischen
Saͤuren umgeaͤndert werden, welche man von ihm absondern will, wie
dieses aus den schoͤnen Versuchen des Hrn. Gay-Lussac uͤber die Wirkung starker Basen auf die
vegetabilischen Substanzen hervorgeht. Man muß also, da man die in dem Syrup
vorhandene Humussaͤure weder durch eine staͤrkere Saͤure noch
durch eine starke Basis ersezen kann, einen Koͤrper von schwacher basischer
Reaction anwenden.
Die Knochenkohle erfuͤllt nicht nur vollkommen diese Bedingungen, sondern
besizt auch die guͤnstigsten physischen Eigenschaften. Aus dem Vorhergehenden
wird es auch erklaͤrlich, warum die Alaunerde den Syrup entfaͤrbt,
aber schwer anzuwenden ist, indem sie sich zu schnell daraus niederschlaͤgt;
ferner warum das (basische) essigsaure Blei fuͤr sich allein nicht sehr
wirksam ist, waͤhrend es auf geeignete Weise mit gepulverter Kreide
angewandt, gut wirkt. Das essigsaure Blei ist zwar basisch, koͤnnte aber ohne
die Gegenwart der Kreide den Niederschlag nicht sammeln, was durch die Kreide
geschieht, die selbst mehr ein basischer als saurer Koͤrper ist und auch dazu
dient, die saure Wirkung des basisch essigsauren Bleies, welches in Folge der
Saͤttigung seiner Grundlage immer weniger basisch wird, zu neutralisiren.
Wenn man von obigen Principien ausgeht, so laͤßt es sich voraussehen, daß in
der Folge viele andere Substanzen, wie z.B. Eisenoxyd, vortheilhaft zur
Klaͤrung oder Entfaͤrbung des Syrupes sich werden anwenden lassen. Die
große Schwierigkeit bei diesen Versuchen ist nur, daß man genau einen Koͤrper
treffen muß, welcher in keinem Augenblike seiner Anwendung eine saure und eben so
wenig eine zu starke basische Reaction aͤußert.
Ich frage nun, welche Veraͤnderung die Kohle nach ihrer Anwendung in den
Zukerraffinerien erlitten haben muß. Sie ist nach dem Vorhergehenden nur die
urspruͤngliche Kohle, deren basischer Theil sich mit Humussaͤure oder
einer analogen organischen Saͤure, die den Rohzuker verunreinigte, verbunden hat.
Hieraus ergibt sich natuͤrlich das Princip, welches den Fabrikanten bei
seinen Versuchen uͤber die Wiederbelebung der thierischen Kohle leiten muß.
Es handelt sich offenbar darum, die organische Saͤure, welche die Kohle in
gebundenem Zustande zuruͤkhaͤlt, durch eine staͤrkere Basis zu
saͤttigen, als diejenige ist, mit welcher sie vereinigt ist, so daß sich eine
aufloͤsliche Verbindung bildet, welche sich auswaschen laͤßt. Dadurch
wird man sich dem urspruͤnglichen basischen Zustande der thierischen Kohle
naͤhern. Ich sage absichtlich naͤhern; denn
gewiß wird bei jedesmaligem Auslaugen ein Theil der basischen Verbindung, welche die
Kohle enthaͤlt, mitgerissen werden. Offenbar wird die Knochenkohle nach
oͤfterer Anwendung unbrauchbar werden; wir werden weiter unten untersuchen,
ob es selbst dann nicht moͤglich ist, sie wieder brauchbar zu machen. Der
Zwek ist also der Knochenkohle die faͤrbende Saͤure zu benehmen,
welche sie selbst dem Zuker entzog und chemisch gebunden zuruͤkhaͤlt.
Nun finden wir, daß unter den humussauren Salzen diejenigen von Kali und Natron sehr
aufloͤslich sind, was schon aus der oben gemachten Bemerkung folgt, daß eine
schwache Saͤure mit einer starken Basis sehr aufloͤsliche Salze bildet
und umgekehrt. Nach der Theorie wird es also moͤglich seyn, die Knochenkohle
durch Anwendung einer starken Basis wieder zu beleben und hierin stimmt auch die
Praxis mit der Theorie uͤberein. Man begreift leicht, warum man sodann die
Masse sehr sorgfaͤltig auswaschen muß; denn wenn die wiederbelebte
Knochenkohle einen Ueberschuß von Basis enthielte, so waͤre es
gefaͤhrlich sie wieder zum Entfaͤrben des Syrupes anzuwenden, indem
diese Basis die oben besprochene nachtheilige Zersezung des Zukers
herbeifuͤhren muͤßte. Es ist uͤbrigens nicht bloß in
oͤkonomischer Hinsicht wichtig, daß man zur Wiederbelebung der Kohle kein
uͤberschuͤssiges Alkali anwendet, sondern auch deßwegen, weil man in
diesem Falle das Auswaschen der Kohle, wodurch sie sich immer mehr
veraͤndert, laͤngere Zeit fortsezen muß.
Ehe ich ein Verfahren zur Wiederbelebung der Knochenkohle beschreibe, wollen wir
sehen, ob es nicht moͤglich waͤre, dieser Kohle, welche in dem Maße,
als man sie wiederbelebt, immer mehr geschwaͤcht wird, ihre
anfaͤngliche Kraft wieder zu ertheilen. Es handelt sich hiebei darum, zu
bewerkstelligen, daß die Kohle neuerdings eine basische Verbindung als Ersaz
fuͤr diejenige, welche durch das Auswaschen beseitigt wurde, absorbirt. Sehr
wahrscheinlich koͤnnte man alter thierischer Kohle, nachdem sie mit Kali
behandelt wurde, durch Begießen derselben mit etwas verdorbenem Blut oder verfaultem
Harn, worauf man sie schwach calcinirt, das Fehlende ersezen. Ich habe in dieser
Hinsicht keine directen Versuche angestellt, zweifle aber nicht, daß ein solches Verfahren mit
Erfolg gekroͤnt wuͤrde; ich werde indessen demnaͤchst
Gelegenheit erhalten, mich mit diesem Gegenstand zu beschaͤftigen. Anstatt
obiger Koͤrper koͤnnte man auch jede andere stikstoffhaltige
thierische Substanz anwenden. Es handelt sich mit einem Worte in diesem Falle darum,
die wiederbelebte Knochenkohle mit Ammoniak oder einer Ammoniakverbindung zu
traͤnken. Aus dem Vorhergehenden wird es begreiflich, warum verschiedene
Versuche, welche in der Absicht angestellt wurden, die thierische Kohle wieder zu
beleben, nicht gelangen und einen Beweis der Richtigkeit der von mir entwikelten
Theorie liefert der Umstand, daß einzig und allein die Verfahrungsarten, welche sich
aus ihr ableiten lassen, mit Erfolg gekroͤnt waren.
So versuchte man z.B. den Ruͤkstand von den Filtrationen in den Raffinerien
wieder zu beleben, indem man ihn neuerdings calcinirte; hiebei wurde aber die
Humussaͤure, welche die Masse enthielt, nicht zerstoͤrt. Man war auch
nicht gluͤklicher, indem man die Masse zuerst mit einer starken Saͤure
behandelte und sie sodann calcinirte. Man wandte hiebei zuerst Salzsaͤure und
dann Schwefelsaͤure an. Die Salzsaͤure verdraͤngte zwar die
Humussaͤure aus ihrer Verbindung, verband sich aber zugleich mit dem
Ammoniak, welches sie der Knochenkohle ungeachtet seiner starken Verwandtschaft
entzog; das gebildete salzsaure Ammoniak verfluͤchtigte sich bei dem
Calciniren vollstaͤndig. Diese Saͤure erzeugte außerdem sehr
aufloͤslichen salzsauren Kalk, welcher sodann auf den Zuker nur eine
nachtheilige Wirkung aͤußern konnte. Der Ruͤkstand bestand also aus
thierischer Kohle, welche die ammoniakalische Verbindung verloren hatte und
salzsauren Kalk enthielt. Daß ein solches Gemenge nicht entfaͤrben kann,
versteht sich von selbst. Konnte man aber bei Anwendung der Schwefelsaͤure
den Zwek besser erreichen, indem man die damit getraͤnkte Masse calcinirte?
In diesem Falle bildete sich eine nicht sehr fluͤchtige, aber
aufloͤsliche ammoniakalische Verbindung. Es blieb folglich Kohle mit
Humussaͤure zuruͤk. Diese Methode war außerdem noch weit
gefaͤhrlicher als die vorhergehende; denn so weit man auch die Calcination
treiben mochte, so blieb immer noch eine gewisse Menge Schwefelsaͤure in dem
Ruͤkstand, und diese wirkt bekanntlich sehr nachtheilig auf den Zuker. Man
versuchte zwar diese uͤberschuͤssige Saͤure durch Kali zu
saͤttigen und das schwefelsaure Kali dann auszuwaschen, worauf man die Kohle
calcinirte; sey es aber, daß noch schwefelsaures Kali zuruͤkblieb oder sich
vorher schwefelsaurer Kalk gebildet hatte, es entstanden bei ihrer Beruͤhrung
mit dem Kohlenstoff waͤhrend der Calcination Schwefelmetalle, und es war
unmoͤglich, der Masse den Geruch nach Schwefelwasserstoff wieder zu
benehmen.
Bei dem Wiederbeleben der thierischen Kohle hat man also folgende Bedingungen zu
beobachten:
1) Die Humussaͤure, welche die Kohle zuruͤkhaͤlt, muß durch eine
starke Basis gesaͤttigt werden, aber durch die moͤglich geringste
Quantitaͤt;
2) den Ueberschuß dieser Basis muß man durch sorgfaͤltiges und lange genug
fortgeseztes Auswaschen der Kohle beseitigen;
3) mit dem Auswaschen muß man sogleich aufhoͤren, nachdem die in Ueberschuß
zugesezte Basis weggeschafft ist.
Alle diese Bedingungen werden bei dem unten beschriebenen Verfahren erfuͤllt.
Ich bemerke noch, daß die Kohle durch oͤfteres Wiederbeleben immer schlechter
wird; wahrscheinlich ließe sich dieses dadurch vermeiden, daß man sie vor dem
Calciniren mit einer fluͤssigen oder festen Substanz, welche Ammoniak liefern
kann, traͤnkt.
Verfahren zur Wiederbelebung der thierischen Kohle, welches in
einer Fabrik bei Paris befolgt wird.
Die ganze Operation wird in einem gußeisernen Kessel von zwei Hectoliter
ausgefuͤhrt; bei allen unten angegebenen Verhaͤltnissen ist
vorausgesezt, daß man hundert Kilogramme alter Kohle behandelt.
Bereitung der Kalilauge.
Man bringt in den Kessel sechs Kilogramme kaͤufliche Potasche, versezt sie mit
anderthalb Hectoliter Wasser und mengt allmaͤhlich zwoͤlf Kilogramme
gebrannten, vorlaͤufig geloͤschten Kalk darunter. Man schuͤrt
nun das Feuer an und unterhaͤlt die Masse zwei Stunden lang im Kochen. Man
laͤßt sie hierauf sich sezen, zieht die klare Fluͤssigkeit ab und
bewahrt sie zum Gebrauche auf.
Der Ruͤkstand wird nochmals mit einem Hectoliter Wasser eben so lange wie
vorher gekocht, die klare Fluͤssigkeit dann abgelassen und mit der vorigen
vereinigt. Was nun auf dem Boden des Kessels zuruͤkbleibt, wird als
unnuͤz weggeworfen.
Man koͤnnte anstatt der Potasche auch Soda anwenden; in diesem Falle
muͤßte man nur die Dosis der lezteren etwas verstaͤrken. Auf
zwoͤlf Kilogramme Kalk wuͤrde man sechs und ein halbes Kilogramm Soda
anstatt sechs Potasche anwenden.
Behandlung der alten Knochenkohle.
Die hundert Kilogramme Knochenkohle werden zuerst in einem Troge mit reinem Wasser
ausgewaschen; mit diesem Auswaschen hoͤrt man auf, sobald sich das Wasser
nicht mehr faͤrbt; den Ruͤkstand laͤßt man ablaufen und bringt
ihn in den Kessel, welcher vorher zur Bereitung der Kalilauge benuzt und dann
gehoͤrig gereinigt wurde.
Auf diese Kohle gießt man die Haͤlfte der bereiteten Kalilauge, bringt die Fluͤssigkeit
zum Kochen und erhaͤlt sie eine Stunde lang auf dieser Temperatur.
Sobald die Lauge mit der Kohle in Beruͤhrung kommt, faͤrbt sich die
Anfangs gruͤnlichgelbe Fluͤssigkeit braun; waͤhrend des Siedens
wird diese Farbe immer dunkler. Das Kali oder Natron wirkt naͤmlich auf die
Humussaͤure, und es bildet sich gefaͤrbtes humussaures Kali oder
Natron.
Nach Verlauf einer Stunde gießt man die Fluͤssigkeit, welche eine sehr dunkle
Farbe angenommen hat, ab; sie wird als unnuͤz weggeschuͤttet.
Man ersezt sie durch die andere vorraͤthige Portion Kali- oder
Natronlauge, und kocht das Gemenge wieder eine Stunde lang. Die Fluͤssigkeit
faͤrbt sich nochmals, aber bei weitem nicht mehr so dunkel wie das erste Mal,
wobei der groͤßere Theil der Humussaͤure bereits weggeschafft wurde.
Die gefaͤrbte Fluͤssigkeit, welche man nun erhaͤlt, wird
ebenfalls weggeschuͤttet, nachdem sich die Kohle abgesezt hat. Den
Ruͤkstand waͤscht man dann zwei Mal mit reinem Wasser aus.
Diese Manipulation hat zum Zwek, die Kohle von dem aufloͤslichen humussauren
Salze, womit sie impraͤgnirt ist, zu reinigen; man muß ihr nun das
uͤberschuͤssige Alkali entziehen, welches sie noch
zuruͤkhaͤlt, und dieß wird auf folgende Art bewirkt.
Die auf angegebene Weise behandelte Knochenkohle wird nochmals mit einem Hectoliter
Wasser uͤbergossen, dem man zwei bis drei Kilogramme Salzsaͤure
zusezt. Man laͤßt dieses Gemenge sechs und dreißig Stunden lang stehen und
ruͤhrt es von Zeit zu Zeit um. Die Fluͤssigkeit wird als unbrauchbar
weggeschuͤttet und die Kohle oͤfters sorgfaͤltig ausgewaschen,
bis sie naͤmlich das Lakmuspapier nicht mehr roͤthet. Es ist von der
hoͤchsten Wichtigkeit, daß keine uͤberschuͤssige Saͤure
in der Kohle zuruͤkbleibt, indem diese auf den Syrup eine sehr nachtheilige
Wirkung aͤußern muͤßte.
Wenn das hier beschriebene Verfahren eine Abaͤnderung gestattet, so
duͤrfte sie hauptsaͤchlich in der Anwendung einer geringeren
Quantitaͤt Salzsaͤure bestehen; der Zwek ist, das
uͤberschuͤssige Kali zu saͤttigen; denn die Erfahrung lehrt,
daß sich eine Saͤure leichter als ein Alkali durch Auswaschen aus einem
indifferenten Ruͤkstande beseitigen laͤßt. Die
uͤberschuͤssige Saͤure wirkt aber ebenfalls auf die Kohle, und
sucht sich mit der Basis, welche sie enthaͤlt, und die, wie wir gesehen
haben, zur Entfaͤrbung noͤthig ist, zu verbinden. Die Kohle wird sich
also immer mehr und sehr schnell veraͤndern, daher man so wenig
Salzsaͤure als moͤglich anwenden muß.
Die so zubereitete Kohle laͤßt man abtropfen und troknen.
Die Wiederbelebung von hundert Kilogrammen Kohle kostet nach dem angegebenen
Verfahren eilf bis zwoͤlf Franken.Die fruͤher vorgeschlagenen, aber nicht so zwekmaͤßigen
Verfahrungsarten zur Wiederbelebung der thierischen Kohle findet man im
Polytechnischen Journal Bd. XLI. S.
56. 57. 419.A. d. R.
Ich will nun noch Einiges uͤber die Verfahrungsarten mittheilen, wodurch man
die thierische Kohle beim Entfaͤrben der Syrupe zu ersezen suchte. Man
benuzte hiezu hauptsaͤchlich essigsaures Blei mit
Kreide, mineralische Kohle oder Alaunerde.
Die mineralische Kohle erhielt man zuerst aus den Schiefern zu Mena bei Clermont,
welche auf einem zersezten Granit aufliegen; sie kommt dort in blaͤtterigen
Schichten von mittlerer Neigung vor, die mit zahlreichen Fischeindruͤken
versehen sind und beim Reiben den stinkenden Geruch ausgeben, welcher fuͤr
die organische Ueberreste enthaltenden Mineralsubstanzen so charakteristisch ist.
Sie enthaͤlt außerdem ein empyreumatisches Oehl, das bei der Destillation
Kohlenwasserstoff liefert. Es finden also bei diesem Schiefer alle Bedingungen
Statt, welche erforderlich sind, damit sich bei der Calcination eine stark basische
Kohle bildet. Er lieferte auch in der Praxis sehr gute Resultate und aus Versuchen,
die ich im Großen mit einem Raffinirer in Paris anstellte, ergibt sich, daß man bei
seiner Anwendung sogar drei Zehntel am Gewicht erspart. Um sich Lezteres zu
erklaͤren, muß man wissen, daß diese Schieferkohle bei gleichem Volumen viel
leichter als die gewoͤhnliche thierische Kohle ist; ihr Pulver ist viel
feiner, daher sie leichter in der Masse suspendirt bleibt und sich viel langsamer
daraus absezt, folglich das auf Kosten der faͤrbenden Saͤure des
Syrups gebildete Salz vollstaͤndiger mit sich ziehen kann.
Diese Kohle waͤre auch uͤberall guͤnstig aufgenommen worden,
wenn die Entdeker bei ihrer Zubereitung die noͤthige Sorgfalt angewendet
haͤtten. Es zeigte sich naͤmlich, daß die Brode, welche man aus Syrup
erhielt, der mit Schieferkohle bearbeitet wurde, bei aller Schoͤnheit bloß
auf dem Bruch mit kleinen schwarzen Punkten besaͤet waren, die offenbar von
dem angewendeten Entfaͤrbungsmittel herruͤhrten. Dieses enthielt
naͤmlich so kleine Schwefelkieskrystalle, daß sie durch alle Filter gingen
und in dem krystallisirten Zuker zuruͤkblieben. Dieser fremdartige
Koͤrper hatte noch einen anderen Nachtheil; er zog naͤmlich die
Feuchtigkeit aus der Luft an, verwandelte sich in schwefelsaures Eisen, und
entwikelte Schwefelwasserstoffgas, welches den Zuker verdarb; man mußte also Kohle
anwenden, die frisch bereitet und außer Beruͤhrung mit der Luft aufbewahrt
war.
So geschah es, daß man jene Anfangs guͤnstig aufgenommene Kohle bald ganz aufgab.
Spaͤter kamen aber jene Schieferkohlen in den Besiz von geschikteren
Personen, und man reinigte sie durch eine zwekmaͤßige Ventilation der Gruben
von dem Schwefeleisen; sie verbreiteten sich dann bald sehr schnell in den Fabriken,
wo sie jezt meistens als Kohle in Koͤrnern angewendet werden.
Man schlug vor statt der thierischen Kohle Alaunerde
anzuwenden; wir wollen sehen, warum dieses Verfahren bis auf den heutigen Tag nicht
vollstaͤndig gelang. Man sucht dabei den Syrup mit Alaunerde in
gallertartigem Zustande zu versezen. Diese wirkt zwar schwach basisch, aber
außerdem, daß sie nicht lange genug in der Masse suspendirt bleibt und sich zu
schnell absezt, bietet ihre Anwendungsweise noch große Schwierigkeiten dar. Einige
versuchten die Alaunerde in dem Syrup selbst niederzuschlagen, indem sie ihn nach
seiner Vermengung mit Alaun oder bloßer schwefelsaurer Alaunerde mit Kalk
behandelten. Hiebei erhielt man Alaunerde, mit schwefelsaurem Kalk gemengt, welcher
sich wegen seiner Dichtigkeit sehr schnell niederschlug. Ueberdieß nahm die basische
Tendenz des Alauns in dem Maße als das Kali in Freiheit gesezt wurde, immer mehr zu.
Diese Versuche mußten daher mißgluͤken. Andere versuchten vorlaͤufig
mit Kalk niedergeschlagene und gut ausgewaschene Alaunerde anzuwenden; die Bereitung
dieser Substanz war aber zu langwierig und kostspielig.
Ich gehe nun zur Anwendung des essigsauren Bleies mit
Kreide uͤber. Dieses Verfahren erfordert bei seiner Anwendung große
Geschiklichkeit und Aufmerksamkeit. Es waͤre hoͤchst nachtheilig, wenn
uͤberschuͤssiges Bleisalz im Zuker zuruͤkbliebe. Davon kann man
sich aber leicht uͤberzeugen, indem sich der Syrup dann durch einige Tropfen
schwefelwasserstoffsauren Alkalis schwarz faͤrben wuͤrde. Ich
beschreibe nun ein solches Verfahren, welches in einer der großen Raffinerien bei
Paris ausgeuͤbt wurde, die im Jahre 1830 zehn tausend Brode auf diese Art
fabricirte. Der Zuker, welchen man dabei erhaͤlt, ist sehr schwer und
compact; ich zweifle aber nicht, daß gelingen wird, nach diesem Verfahren Zuker von
jeder Qualitaͤt zu fabriciren. Ich gebe die Verhaͤltnisse im Kleinen
an, und es werden sich daraus leicht die im Großen zu befolgenden ableiten
lassen.
Sechs Pfund guter ordinaͤrer Zuker von der vierten Sorte werden in vier Pfund
Wasser aufgeloͤst; man bringt den Syrup zum Kochen und behandelt ihn wie
gewoͤhnlich mit einem Liter Blut auf 100 Kilogr. oder dem Weißen eines Eies
auf die von mir angegebene Quantitaͤt; waͤhrend der Operation sezt man
zwei Unzen Wasser zu. Hierauf ruͤhrt man in die Masse ein Brod Spanischweiß
(Kreide) ein und laͤßt sie erkalten, indem man sie so lange umruͤhrt,
bis die Temperatur auf
siebenzig Grade Celsius (56° R.) gesunken ist; man sezt alsdann ein kleines
Liqueurglas basisch essigsaures Blei zu, aber erst kurz vor dem Filtriren, und ohne
daß die Temperatur der Fluͤssigkeit steigen kann. Man muß diese
Erhoͤhung der Temperatur sehr sorgfaͤltig vermeiden, weil bei achtzig
Grad Celsius (64° R.) das Bleisalz auf den geklaͤrten Syrup wirkt und
ihn faͤrbt. Aus dem bei diesem Verfahren Statt findenden chemischen Proceß
wird man sich leicht uͤberzeugen, daß es gelingen muß. Der kohlensaure Kalk
kann als vollkommen unaufloͤslich betrachtet werden und faͤllt langsam
nieder; er erfuͤllt folglich eine der allgemeinen oben angegebenen
Bedingungen: das basisch essigsaure Blei wird zum Theil durch die Humussaͤure
zersezt, und das humussaure Blei faͤllt nieder; eine entsprechende Menge
Essigsaͤure wird in Freiheit gesezt, kann aber ihre saure Reaction wegen des
vorhandenen kohlensauren Kalks nicht ausuͤben.