Titel: | Einige praktische Beobachtungen über verschiedene Eigenschaften der Mahlerfarben. Von Hrn. Josué Shaw. |
Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. VI., S. 41 |
Download: | XML |
VI.
Einige praktische Beobachtungen uͤber
verschiedene Eigenschaften der Mahlerfarben. Von Hrn. Josué Shaw.
Aus dem Franklin Journal im Recueil industriel. Julius
1832, S. 52.
Shaw, Beobachtungen uͤber Mahlerfarben.
Ich habe durch eine lange Erfahrung die guten und die schlechten Eigenschaften der
Mahlerfarben kennen gelernt, und glaube daher, daß die Bekanntmachung einiger
Resultate dieser Erfahrungen manchem Kuͤnstler nicht unwillkommen seyn
duͤrfte. Meine Beobachtungen sind keineswegs als das Resultat chemischer, in
einem Laboratorium angestellter Versuche zu betrachten: die Kuͤnstler sind
leider in der Chemie im Allgemeinen eben so fremd, als es die Chemiker in der
Mahlerei sind. Ich selbst bilde mir nicht ein in der Farbenbereitung sehr große
Kenntnisse zu besizen, und will mich daher hier bloß auf die Anwendung der Farben
zur Mahlerei auf Zeug, auf die Neigung sich zu veraͤndern, welche viele
Farben haben, und auf die Eigenschaften, die diese Farben mehr oder weniger
schaͤzenswerth machen, beschraͤnken.
Ich will meine Beobachtungen mit den blauen Farben beginnen, und wenn diese
guͤnstig aufgenommen werden, dann weitere Bemerkungen folgen lassen.
Das Berlinerblau ist eine Verbindung von Eisenoxyd und Cyanogen mit einer Alaunbasis.
Es wird am haͤufigsten von den Kuͤnstlern angewendet, und man wird dem
Gebrauche desselben um so weniger entsagen, als er schon lange dauert; man
haͤngt so sehr an den alten Gewohnheiten, daß dieß nicht wundern darf. Das
Berlinerblau ist eine sehr dunkelblaue Farbe, die wahrscheinlich nur ihrer
Wohlfeilheit den Vorzug zu verdanken hat, den sie genießt. Jeder Mahler, dem sein
Ruf lieb ist, wird sich aber nur mit Vorsicht desselben bedienen, da es seine Farbe
in kurzer Zeit bedeutend veraͤndert.
Bei großen Gemaͤhlden und Portraͤten, an denen große Draperien
noͤthig sind, kann man sich des Berlinerblau's mit einigem Vortheile
bedienen, wenn man es auf folgende Weise anwendet. Man verduͤnne das Blau mit
Weiß und halte es uͤberall lichter, als es am Ende der Arbeit seyn soll; wenn
es getroknet ist, so gibt man ihm dadurch den gehoͤrigen Grad von Dunkelheit,
daß man es mit einer leichten Schichte Anversfirniß oder feinem Kobaltblau
uͤberzieht. Auf
diese Weise wird das Berlinerblau gegen die uͤblen Wirkungen des Lichtes
geschuͤzt, welches, wenn es unmittelbar darauf faͤllt, diese Farbe
nach und nach in ein schmuziges Olivengruͤn umwandelt. Ich weiß nicht in
Folge welcher chemischer Veraͤnderung dieß geschieht, allein daß es
geschieht, ist richtig. Außer dem Verschießen der Farbe hat das Berlinerblau auch
noch das Unangenehme, daß seine Farbe so intensiv ist, und daß es so schwer ist;
diese beiden Umstaͤnde allein sollten schon hinreichen, um dessen Gebrauch
auszugeben. Sowohl der wahre Kuͤnstler, als der weniger geuͤbte
Arbeiter weiß, daß an allen Gemaͤhlden der Alten, und zwar sowohl der guten,
als der schlechten Meister alle, selbst die dunklen Farbentoͤne frisch und
durchscheinend sind, und daß dieß selbst nach mehr als einem Jahrhunderte noch der
Fall ist. Betrachtet man dagegen die Mehrzahl der modernen Arbeiten, so wird man
eher das Gegentheil finden, weil, die Kuͤnstler auf die Wahl der Farben zu
wenig Aufmerksamkeit verwenden, und sich zu wenig um deren Reinheit und deren
sonstige gute oder schlechte Eigenschaften kuͤmmern.
Ich halte hiernach das Berlinerblau fuͤr eine Farbe, die nicht wuͤrdig
ist, in den schoͤnen Kuͤnsten angewendet zu werden, und will nun zu
einigen Bemerkungen uͤber den Indigo uͤbergehen. Ich glaubte immer,
daß der Indigo vorzuͤglichere Eigenschaften besize als das Berlinerblau, und
daß er fruͤher oder spaͤter das Berlinerblau ganz verdraͤngen
wuͤrde. Es ist zwar ein unter den Kuͤnstlern allgemein angenommener
Grundsaz, daß man sich nie auf die Dauerhaftigkeit der vegetabilischen Farben
verlassen darf; dieß leidet jedoch seine Ausnahmen, wie der aus Krapp bereitete Lak
beweist, der zu den dauerhaftesten Farben gehoͤrt. Warum sollte dieß nicht
auch beim Indigo der Fall seyn? Wenn die Versuche, die man bisher mit demselben
anstellte, keine ganz guͤnstigen Resultate hatten, so ruͤhrt dieß, wie
ich glaube, davon her, daß der im Handel vorkommende Indigo nie ganz rein ist,
sondern viele fremdartige und ihm nachtheilige Substanzen enthaͤlt. Die blaue
Faͤrberkuͤpe enthaͤlt Indigo, welcher durch das Eisenprotoxyd
desoxydirt und in seinem gruͤnlich gelben Zustande in Kalkwasser
aufloͤslich gemacht worden. Sezt man diese Aufloͤsung in einem
Flaͤchen Gefaͤße der Luft aus, so oxydirt sich der Indigo wieder und
faͤllt als blaues unaufloͤsliches Pulver zu Boden. Wird dieses Pulver
getroknet und mit einem Gemenge aus Salzsaͤure und Weingeist behandelt, so
wird der Kalk und das Harz aufgeloͤst, und man erhaͤlt reinen Indigo,
der ein feines Pulver von sehr dunkler, aber milder und sanfter, dem Ultramarin
aͤhnlicher Farbe bildet, welches sich an der Luft nicht
veraͤndert.
Es ist als gewiß anzunehmen, daß wenn solcher reiner Indigo bei den Farbenhaͤndlern
zu finden waͤre, die Mahler sich bald von der Guͤte und
Schaͤzbarkeit desselben uͤberzeugen, und ihn durchaus dem Berlinerblau
vorziehen wuͤrden. Wenn naͤmlich dieser reine Indigo, wie es gewiß der
Fall ist, der Einwirkung des Lichtes und der Luft widersteht ohne eines
oͤhligen oder schleimigen Ueberzuges zu beduͤrfen, so wird die
Mahlerkunst eine vortreffliche Eroberung an demselben gemacht haben; er wird sowohl
fuͤr getuschte, als fuͤr Miniaturgemaͤhlde die beste blaue
Farbe geben. Wie sehr die vegetabilischen Farben bei gleicher Haltbarkeit den Vorzug
vor den mineralischen verdienen, weiß Jedermann; sie fließen leichter vom Pinsel,
sind lebhafter und bequemer zu fuͤhren.