Titel: | Bericht des Hrn. Gourlier über eine Abhandlung des Hrn. Lebrun d. jüng., Baumeister zu Alby, Dept. du Tarn, die Anwendung des Grund- oder Steinmörtels (béton) zum Baue ganzer Wohnhäuser betreffend. |
Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XXV., S. 115 |
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XXV.
Bericht des Hrn. Gourlier uͤber eine Abhandlung des Hrn.
Lebrun d.
juͤng., Baumeister zu Alby, Dept. du Tarn, die Anwendung des Grund- oder
Steinmoͤrtels (béton) zum Baue ganzer
Wohnhaͤuser betreffend.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Maͤrz 1832, S. 99.
Gourlier, Bericht uͤber die Anwendung des Grund- oder
Steinmoͤrtels.
Unter dem Namen Grund- oder Steinmoͤrtel versteht man, wie bekannt,
einen Moͤrtel, welcher aus einem mehr oder weniger hydraulischen Kalke und
aus Sand oder Kitt (d.h. aus einer, im umgekehrten Verhaͤltnisse zu dem Grade
der Hydraulicitaͤt des Kalkes, mehr oder weniger energischen Substanz)
zusammengesezt ist, und unter welchen verschiedene, kleine, unregelmaͤßige
Materialien, wie zerschlagene Kieselsteine, Muͤhlsteine, Bausteine,
Geroͤll, Truͤmmer von Baksteinen und dergl. gemischt werden, um
dadurch die Festigkeit des Baues zu erhoͤhen, und zugleich auch diesen
Moͤrtel minder kostspielig zu machen.
Man wendet diese Art zu bauen, gewoͤhnlich in sogenannten Steinkaͤsten
(par encaissement) an. Sie eignet sich
vorzuͤglich fuͤr die Grundmauern und Grundlagen, und wenn der
Moͤrtel in hinlaͤnglichem Grade hydraulisch ist, besonders zur
Herstellung solcher Bauten, die dem Wasser und der Feuchtigkeit zu widerstehen
haben.
Die alten Roͤmer benuzten den Steinmoͤrtel in sehr vielen
Faͤllen sehr haͤufig und auf eine sehr wichtige Weise; besonders
haͤufig findet man ihn bei Bauten verwendet, die unter dem Kaiserreiche
aufgefuͤhrt wurden, wie man dieß aus den Ruinen der zu Schiffgefechten
bestimmten Orte, der Baͤder, mancher Theater und Amphitheater, des Pantheons,
des Friedenstempels etc., sieht.
Man hat sich desselben auch bis zu den neuesten Zeiten an solchen Orten bedient, an
welchen die natuͤrliche Guͤte des Kalkes und Kittes dessen Anwendung
beguͤnstigte, wie z.B. in Italien, in mehreren Gegenden Frankreichs, im
Lyonesischen. Doch wurde er kaum zu etwas anderem, als zu Grundmauern oder zu solchen
Bauten verwendet, die groͤßten Theils unter Wasser standen; indem die
Dazwischenkunft der Feuchtigkeit, und selbst des Wassers, oder wenigstens die mehr
oder weniger gehemmte Einwirkung der Luft noͤthig oder wuͤnschenswerth
ist, wenn ein rein hydraulischer Kalk ein vollkommenes Resultat geben soll. Die Encyclopédie méthodique berichtet z.B.
unter dem Worte Voutes die in einigen Gegenden der
Bresse oder des Lyonesischen gebraͤuchliche Methode, die Gewoͤlbe der
Keller, und selbst die Mauern auf Steinmoͤrtel aufzubauen. Die
schoͤnen Untersuchungen und Nachforschungen, welche die HH. Berthier, Vicat und andere Gelehrte uͤber die
Natur der Kalkarten, und im Allgemeinen uͤber die Kunst die Moͤrtel zu
bereiten und anzuwenden, anstellten, mußten nothwendig auch die Anwendung des
Steinmoͤrtels haͤufiger und allgemeiner machen. So bediente man sich
desselben z.B. neuerlich haͤufig theils bei vielen großen Bauten, welche die
Straßen- und Bruͤken-Bauinspectoren fuͤr den Staat
fuͤhrten, theils auch bei vielen anderen oͤffentlichen oder
Privatgebaͤuden. Ich will hier nur die Grundlagen der neuen Kirche
Bonne-Nouvelle zu Paris, und jene der Papierfabrik zu Écharçon
bei Essonne erwaͤhnen, von denen die ersteren in einem ganz aus Schutt, die
lezteren hingegen in einem morastigen und uͤberschwemmten Boden
aufgefuͤhrt sind.
Hieraus erhellt, daß es sich hier immer nur um die Anwendung des Moͤrtels an
einem gegen den Zutritt der Luft gesicherten Orte handelte, d.h. unter
Umstaͤnden, die im Allgemeinen nur mehr oder weniger hydraulische
Moͤrtel erfordern, waͤhrend bei der Benuzung eines solchen
Moͤrtels in freier Luft ein im hoͤchsten Grade hydraulischer Kalk
noͤthig ist, den man aus diesem Grunde auch einen hydraulisch-aërischen Kalk (chaux
hyraulique-aérienne) nennen kann. Zu diesem lezteren
gehoͤren z.B. der sogenannte roͤmische Kitt
(ciment romain), dessen man sich seit vielen Jahren
in England bedient; jener, den man zu Boulogne, jedoch in zu geringer Menge findet,
als daß er einen ausgedehnteren Gebrauch zuließe, und endlich jener, den in neuerer
Zeit Hr. Ingenieur Lacordaire bei Pouilly in Burgund
entdekte und anwendete.
Zu diesen Substanzen scheint nun auch jene zu gehoͤren, die den Gegenstand der
Abhandlung des Hrn. Lebrun d. juͤng. ausmacht,
uͤber welche ich der Gesellschaft einen Bericht zu erstatten habe.
Da sich in dem groͤßten Theile des Departement du Tarn nur sehr selten
Kalkbausteine finden, so werden die meisten Gebaͤude daselbst aus Baksteinen
aufgefuͤhrt. An diesen Gebaͤuden kommt der Kubikmeter der Mauern auf
16 bis 17 Franken, jener der Theile mit zubehauenen Baksteinen auf 22, und jener, an welchem
Simswerke angebracht sind, auf 28 bis 30 Franken zu stehen, so daß man als
Durchschnittszahl, und bei jenen Verhaͤltnissen, unter welchen diese
verschiedenen Theile gewoͤhnlich an den Gebaͤuden vorkommen, 20
Franken annehmen kann.
Es scheint aber, daß gewisse Gegenden dieses Departements, und besonders die
Umgebungen von Gaillac und Alby, einen Kalk von erster Guͤte liefern. Der
Bruder des Hrn. Lebrun, Straßen- und
Bruͤkenbau-Unternehmer, uͤberzeugte sich naͤmlich hievon
bei mehreren hydraulischen Arbeiten, und vorzuͤglich bei den Schleußen,
welche er auffuͤhrte, um die Schifffahrt auf dem Tarn weiter auszudehnen, und
welche er beinahe ganz aus Steinmoͤrtel auffuͤhrte. Hr. Lebrun beschloß nun nach diesen Erfahrungen, auf seinem
Gute ganz aus solchem Steinmoͤrtel ein kleines Wohnhaus aufzufuͤhren,
welches aus einem Geschoße mit drei gewoͤlbten Zimmern, aus einem ersten
Stokwerke mit drei Gemaͤchern, und aus einem großen, gleichfalls
gewoͤlbten Boden besteht. Auf der einen Seite laͤuft eine Gallerie von
der ganzen Hoͤhe des Gebaͤudes, die auf einem kleinen
gewoͤlbten Geschoße ruht.
Das ganze Gebaͤude, selbst die Arcaden, die Simswerke, womit die
aͤußeren Flaͤchen verziert sind, die Stufen, welche außen von dem
Boden zu dem Hauptgeschoße emporfuͤhren, und die Gewoͤlbe des unteren
Stokwerkes sind aus Steinmoͤrtel aufgefuͤhrt. Von diesen
Gewoͤlben haben jene unter der Gallerie 3 Meter Sehne, 30 Centimeter Pfeil
oder Sinus versus, und an dem Schlußsteine (clef) 12 Centimeter Dike; jedes der drei anderen
Gewoͤlbe hat 5 Meter 30 Centimeter Sehne, 1 Meter Pfeil, und an dem
Schlußsteine 25 Centimeter Dike. Von den beiden vollen Bogen, die das Dach des
Hauses bilden, hat der groͤßere einen inneren Durchmesser von 6 Meter 20
Centimeter, am Anfange eine Dike von 25 und am Schlußsteine eine Dike von 15
Centimeter, waͤhrend der volle Bogen der Gallerie 3 Meter im Durchmesser, und
am Anfange 15, am Schlußsteine hingegen 8 Fuß Dike hat. Von den Deken des ersten
Stokwerkes ist eine jede durch zwei Balken, die 1 Meter 80 Centimeter von einander
entfernt sind, in drei Theile getheilt; der Zwischenraum zwischen den Balken ist
durch ein kleines, gleichfalls aus Steinmoͤrtel. bestehendes Gewoͤlbe
ausgefuͤllt, dessen Pfeil 15 Centimeter, und dessen Dike an den Balken 25, am
Scheitel aber nur 10 Centimeter betraͤgt.
Der Steinmoͤrtel zu diesen Bauten wurde gewoͤhnlich auf folgende Weise
zusammengesezt:
1 Theil durch Untertauchen geloͤschter Kalk;
1 Theil reiner Sand;
2 Theile Kiesgeroͤll von 8–12 Centimeter Groͤße; je nach der
Dike der Theile, zu denen der Steinmoͤrtel bestimmt war. Zu den Mauern und
Grundlagen wurden die groͤßten, zu den Gewoͤlben hingegen die
kleineren Kieselsteine genommen.
Dieser Moͤrtel wurde lang und innig mit den Armen gemischt, und dann fest in
die Kasten gedruͤkt, mittelst welcher der Bau in regelmaͤßigen
Aufsaͤzen von 30 Centimeter Hoͤhe gefuͤhrt wurde. Aus den
Ruinen scheint es, daß die Alten auf dieselbe Weise bei ihren Bauten verfuhren, und
auf eine aͤhnliche Weise verfaͤhrt man auch im Lyonesischen und in der
Dauphiné bei dem sogenannten Pisébaue oder bei dem Baue mit
Stampferde, nur mit dem einzigen Unterschiede, daß bei dem Pisébaue die
Baͤnke (banches) von einer mehr oder weniger
beschraͤnkten Laͤnge seyn muͤssen, waͤhrend sie hier mit
einem Male in der ganzen Dike der Mauern gelegt werden koͤnnen. Die Arcaden
und Gewoͤlbe wurden mittelst hoͤlzerner Lehrbogen, und die Simswerke
mittelst Kasten, die im Hohlen gemodelt waren, aufgefuͤhrt. Auf jene
Flaͤchen, welche außen sichtbar werden sollten, wurde gewoͤhnlich eine
duͤnne Schichte Moͤrtel, der mit gesiebtem Sande angemacht war,
aufgetragen, welcher dann geglaͤttet wurde, und auf diese Weise vollkommen
ebene Waͤnde und scharfe Kanten gab.
Die Zeit, welche noͤthig war, bis der Moͤrtel den ersten Grad von
Trokenheit erreichte, betrug im Sommer beinahe 6, im Fruͤhjahre hingegen 12
Stunden. In eben dieser Zeit war gewoͤhnlich auch rings herum ein ganzer
Aufsaz fertig, so daß am Schlusse die zuerst aufgefuͤhrten Theile jedes Mal
schon so weit erhaͤrtet waren, daß man die Kasten abnehmen, und mit einem
neuen Aufsaze auf denselben beginnen konnte. An den Arcaden wurden die Lehrbogen
nach 4 Tagen, an den Gewoͤlben der Gallerte nach einem Monate, und an dem
großen Gewoͤlbe nach 2 1/2 Monaten abgenommen; nach dieser Zeit hatte der
Steinmoͤrtel einen solchen Grad von Festigkeit erreicht, daß er ein
Gemaͤuer ohne Druk bildete.
Die aͤußeren Oberflaͤchen der vorderen Waͤnde und des großen
Gewoͤlbes, welches den Giebel bildet, wurden mit mehreren Schichten Oehlfarbe
uͤberstrichen, und zwar theils zur Verschoͤnerung, theils um diese
Theile gegen den Regen und den Frost des Winters zu schuͤzen. Hr. Lebrun bemerkt jedoch, daß mehrere einzelne und nicht mit
Oehlfarbe uͤberstrichene Bloͤke aus Steinmoͤrtel allen Unbilden
des Wetters widerstanden, ohne auch nur die geringste Veraͤnderung zu
erleiden.
Das Gebaͤude des Hrn. Lebrun ist nun beinahe 2
Jahre alt, und hat sich, wie er versichert, innerhalb dieser Zeit, nicht im
Geringsten veraͤndert. Dasselbe bestaͤttigen auch die Zeugnisse,
welche der Praͤfect und Unterpraͤfect hieruͤber
ausstellten.
Um die Festigkeit eines der Bogen des unteren Stokwerkes zu erproben, wurde derselbe
3 Monate nachdem die Lehrbogen abgenommen worden, in seiner ganzen Ausdehnung mit
einer Schichte Erde von 3 Meter Hoͤhe bedekt, ohne daß diese große Last auch
nur irgend eine Veraͤnderung hervorgebracht haͤtte.
Endlich kommt bei dieser Bauart der Kubikmeter im Durchschnitte nur auf 8 Fr. 20
Cent. zu stehen, woraus sich, im Vergleiche mit den in jenen Gegenden
gebraͤuchlichen Ziegelbauten, eine Ersparniß von mehr als um die
Haͤlfte in den Kosten ergibt.
So viel Vertrauen auch die Worte eines Mannes, wie Hr. Lebrun und die amtlichen Zeugnisse des Praͤfecten und
Unterpraͤfecten einfloͤßen, so glaubt die Commission doch, daß man bei
einem Gegenstande dieser Art noch die Erfolge und Wirkungen eines Zeitraumes von
mehreren Jahren abwarten muͤsse, und daß man sich mit eigenen Augen, und
durch die Untersuchungen von Sachverstaͤndigen, die bei der Sache gar nicht
interessirt sind, uͤberzeugt haben muͤsse, ehe man ein Urtheil
daruͤber auszusprechen wagen darf.
Wie groß aber auch im Allgemeinen die Vortheile der Bauart, die Hr. Lebrun mit lobenswerthem Eifer und eben so großen
Kenntnissen einzufuͤhren bemuͤht ist, seyn moͤgen, so scheint
uns doch das Muster, welches derselbe in dieser Bauart auffuͤhrte, einige
Einwendungen zuzulassen.
Was naͤmlich die Deken betrifft, so steht zu fuͤrchten, daß der Kalk
die Balken, welche die Abtheilungen der Deken bilden, bald zerstoͤrt. Man
koͤnnte sich zwar, um diesem Nachtheile in Hinsicht auf die Deken abzuhelfen,
in den meisten Gegenden leicht Gyps verschaffen, allein dieß wuͤrde doch bei
den Laͤngenflaͤchen dieser Balken, gegen welche sich die kleinen
Theile der Steinmoͤrtelgewoͤlbe nothwendig stemmen muͤssen,
nicht der Fall seyn koͤnnen.
Im Allgemeinen scheint uns auch, daß weder der Steinmoͤrtel, noch irgend eine
andere aͤhnliche Substanz fuͤr sich allein zur Bildung des
Koͤrpers eines Gewoͤlbes von so geringer Dike angewendet werden
duͤrfe; und zwar aus dem Grunde, weil wenn durch die Senkung des Bodens oder
aus irgend einem anderen Grunde der geringste Bruch in dem Gewoͤlbe
entstuͤnde, nothwendig das Ganze in Gefahr kaͤme
einzustuͤrzen.
Die Commission schlaͤgt vor, die Gesellschaft soll Hrn. Lebrun und seinem Hrn. Bruder ihren Dank fuͤr ihre Mittheilung
bezeugen, und die
Sachverstaͤndigen durch Bekanntmachung dieses Berichtes auf diese neue Bauart
aufmerksam zu machen.