Titel: | Ueber ein Mittel, wodurch man das Kartoffelstärkmehl von dem Weizenstärkmehl unterscheiden und jene Substanz im Mehle entdeken kann; von Hrn. Marozeau. |
Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XXIX., S. 128 |
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XXIX.
Ueber ein Mittel, wodurch man das
Kartoffelstaͤrkmehl von dem Weizenstaͤrkmehl unterscheiden und jene
Substanz im Mehle entdeken kann; von Hrn. Marozeau.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhausen Nro. 23, S. 239.
Marozeau, uͤber das Kartoffelstaͤrkmehl.
Die Société d'Encouragement schrieb einen
Preis auf die Entdekung eines Verfahrens aus, wodurch man ohne chemische Kenntnisse
leicht und verlaͤßlich die Verfaͤlschung des Mehles der Getreidearten
mit Amidon entdeken kann. Ich uͤberschikte der Gesellschaft eine Abhandlung,
worin ich eine Methode angab, die mir bei den mannigfaltigen Pruͤfungen,
denen ich sie unterzog, nie fehlschlug. Obgleich die Société d'Encouragement aber entschied, daß diese Methode
nicht ganz den Bedingungen ihres Programms Genuͤge leistet, so glaube ich
doch, daß ein leichtes und meiner Meinung nach sicheres Verfahren, um sehr geringe
Quantitaͤten von Kartoffelstaͤrkmehl in dem Sazmehl der Getreidearten
zu entdeken, die Société industrielle (in
Muͤlhausen) interessieren duͤrfte.Wir haben im polyt. Journal Bd. XLIV. S.
202 den Bericht mitgetheilt, welcher der Société d'Encouragement uͤber die auf jene
Preisfrage eingegangenen Abhandlungen von Hrn. Gautier
de Claubry erstattet wurde; dieser Chemiker scheint aber seinem
Gegenstande nicht die gehoͤrige Aufmerksamkeit gewidmet und viele
nicht unwichtige Versuche der Preisbewerber gar nicht wiederholt zu
haben.A. d. R.
Gießt man Salzsaͤure auf Kartoffelsazmehl, so daß man durch Umruͤhren
eine Art von Brei bildet und sezt sodann dem Gemenge einige Tropfen Wasser zu, um
die Entbindung der salzsauren Daͤmpfe zu vermindern, so erkennt man leicht,
daß sich ein eigenthuͤmlicher Geruch verbreitet, welcher demjenigen der
Ameisen aͤhnlich ist und den ich daher Ameisengeruch nennen will.
Dieser Geruch zeigt sich in der Kaͤlte aber niemals bei dem Sazmehl des
Getreides und eben so wenig bei dem Mehle; behandelt man diese Substanzen auf
angegebene Weise mit Salzsaͤure, so entdekt man keinen anderen Geruch als
denjenigen der Salzsaͤure.
Die Vermengung des Kartoffelstaͤrkmehls mit dem Amidon oder Mehl von
Getreidearten verhindert die Production des Ameisengeruches nicht, dessen
Intensitaͤt immer mit der Quantitaͤt des beigemengten Kartoffelmehles
in Verhaͤltniß steht.
Nichts ist also leichter als die Gegenwart des Kartoffelstaͤrkmehls zu entdeken, wenn es
entweder mit dem Amidon oder Mehl von Weizen vermengt ist. Man bringt in ein
Gefaͤß eine beliebige Menge von dem zu pruͤfenden Mehl oder Amidon und
in ein anderes beilaͤufig eine gleiche Menge von reinem Mehl oder Amidon; in
jedes Gefaͤß gießt man dann so viel concentrirte Salzsaͤure als
noͤthig ist, um einen Brei zu bilden und vermengt sie innig durch
Umruͤhren mit einem Glasstabe; man sezt dann einige Tropfen Wasser zu, um die
Entbindung der sauren Daͤmpfe zu schwaͤchen, durch die man ohne diese
Vorsichtsmaßregel belaͤstigt werden koͤnnte; man vergleicht den
Geruch, der sich von jedem Gefaͤße aus verbreitet; ist dieser Geruch, gleich,
so kann man daraus mit aller Sicherheit schließen, daß das gepruͤfte Mehl
oder Amidon keine Kartoffelstaͤrke enthaͤlt, indem es sonst den
Ameisengeruch verbreitet haben wuͤrde.
Ich bediene mich zu diesen Versuchen der sogenannten Reactionsglaͤser, nehme
von der zu pruͤfenden Substanz 5 Gramme, und verseze sie mit 5 Kub. Cent.
concentrirter Salzsaͤure und nach der Vermengung mit 2 1/2 Kub. Cent. reinem
Wasser; oder ich nehme an Statt der reinen Salzsaͤure 5 Gramme
verduͤnnte Saͤure, von 13° an Beaumé's
Araͤometer, auf 5 Gramme der zu pruͤfenden Substanz, ohne nach der
Vermengung Wasser zuzusezen. Auf diese Art konnte ich immer das Vorkommen des
Kartoffelstaͤrkmehls in einem Gemenge entdeken, welches davon nur 1/50
enthielt.
Dieses Verfahren kann nicht nur benuzt werden, um die Verfaͤlschung der
Weizenstaͤrke und des Mehls mit Kartoffelstaͤrkmehl zu entdeken,
sondern auch um die Graͤnzen zu bestimmen, innerhalb derer die Vermengung
gemacht wurde. Man bereitet sich naͤmlich im Voraus Gemenge, deren Gehalt
bekannt ist, und welche z.B. 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, Kartoffelstaͤrkmehl
enthalten; dann nimmt man 5 Gramme von jedem dieser Gemenge und von der zu
pruͤfenden Substanz, bringt jede in ein besonderes Gefaͤß und
laͤßt zu gleicher Zeit Salzsaͤure auf sie einwirken. Man vergleicht
dann die Intensitaͤt des entwikelnden Ameisengeruches und weist darnach der
gepruͤften Substanz ihren Plaz in der Reihe der Gemenge an. Dieser zweite
Theil meines Verfahrens ist zwar etwas delicater als der erste, aber er fordert doch
keine große Geschiklichkeit und lieferte mir immer sehr genaue Resultate.
Der Ameisengeruch wird auch in der Kaͤlte hervorgebracht, wenn man
Salpetersaͤure auf das Kartoffelstaͤrkmehl wirken laͤßt; da
diese Saͤure aber durch ihre Reaction auf die Getreidestaͤrke und
besonders auf das Mehl, einen sehr auffallenden eigenthuͤmlichen Geruch
hervorbringt, welcher an denjenigen gewisser Birnen, die noch nicht ganz zur Reife
gelangt sind, erinnert, so kann sie zur Pruͤfung der Getreidestaͤrke
und des Mehles nicht
angewandt werden, denn der Ameisengeruch wuͤrde mehr oder weniger durch den
diesen lezteren Substanzen eigenthuͤmlichen Geruch geschwaͤcht.
Wenn man in der Waͤrme operirt, es sey nun mit Salzsaͤure oder
Schwefelsaͤure, so gibt nicht nur das Kartoffelstarkmehl, sondern auch das
Mehl und Getreidestaͤrkmehl den Ameisengeruch aus.
Bericht des chemischen Comies der Société industriell uͤber die Notiz des Hrn.
Marozeau.
Das Verfahren des Hrn. Marozeau, um das Vorkommen des
Kartoffelstaͤrkmehls in dem Getreidestaͤrkmehl oder in dem Mehle zu
entdeken, wurde von mehreren Mitgliedern des chemischen Comité's
gepruͤft; alle erkannten deutlich den charakteristischen Geruch, welchen das
Kartoffelstaͤrkmehl verbreitet, wenn man es in der Kaͤlte mit
verduͤnnter Salzsaͤure behandelt; sie fanden auch, daß dieses Gemenge
durchsichtig wurde, waͤhrend ein Gemenge von Getreidestaͤrkmehl und
derselben Saͤure undurchsichtig blieb, so lange es kalt war und erst bei
gelindem Erwaͤrmen dasselbe Aussehen erhielt, wie jenes, und denselben Geruch
entwikelte.
Nun weiß man durch die mikroskopischen Beobachtungen des Hrn. Raspail, daß diese Substanzen aus Kuͤgelchen bestehen, welche eine
gummige Substanz unter einer in kaltem Wasser unaufloͤslichen Huͤlse
enthalten, und daß diese gummige Substanz sich leicht im Wasser aufloͤst,
wenn die Huͤlse zerrissen wird, es sey nun in der Kaͤlte durch
Zerreiben, oder in der Waͤrme durch Ausdehnung, oder endlich durch ein Alkali
oder eine starke Saͤure, welche sie zerfrißt. Es scheint also, daß diese
Huͤlse bei den Kuͤgelchen des Getreidestaͤrkmehls
staͤrker ist, als bei denen des Kartoffelstaͤrkmehls, und daß die
Salzsaͤure deßhalb in der Kaͤlte erstere nicht aufloͤst, wohl
aber die zweite. Das Comité laͤßt der Idee des Verfassers, diesen
Umstand zur Unterscheidung der beiden Sazmehlarten zu benuzen, alle Gerechtigkeit
widerfahren, glaubt aber dessen ungeachtet nicht, daß seine Methode genau genug ist,
um geringe Mengen von Kartoffelstaͤrkmehl in Getreidestaͤrkmehl oder
im Mehl zu entdeken und noch weniger um das Verhaͤltniß auszumitteln, worin
leztere mit jenem versezt sind. Nach Hrn. Raspail
unterscheidet man diese beiden Substanzen durch das Mikroskop oder auch mittelst
einer starken Lupe sehr gut durch die Groͤße und das verschiedene Aussehen
der Kuͤgelchen, woraus sie bestehen, und diese Pruͤfungsart scheint
auch dem Comité genauer, obgleich sie ebenfalls zur Bestimmung der
Verhaͤltnisse unzureichend ist.
Da jedoch Hr. Marozeau behauptet, daß man bei jeniger Uebung mittelst seines
Verfahrens zu sehr genauen Resultaten gelangt, so schlagen wir der Gesellschaft vor
seine Abhandlung im Bulletin bekannt zu machen und ihm
fuͤr seine nuͤzliche Mittheilung zu danken.