Titel: | Ueber künstliche Teiche zur Aufbewahrung, Erhaltung und Fortpflanzung der Blutegel. Von J. Kollmann, magistratischem Bauingenieur in Augsburg. |
Autor: | J. Kollmann |
Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XXXV., S. 139 |
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XXXV.
Ueber kuͤnstliche Teiche zur Aufbewahrung,
Erhaltung und Fortpflanzung der Blutegel. Von J. Kollmann, magistratischem Bauingenieur in
Augsburg.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Kollmann, uͤber die Erhaltung und Aufbewahrung der
Blutegel.
Der Verbrauch der Blutegel (Hirudo medicinalis), die
eines der vorzuͤglichsten Heilmittel der neueren Zeit bilden, nimmt noch
fortwaͤhrend taͤglich mehr und mehr zu, zum deutlichen Beweise, daß
die vielen, in England, Frankreich und Belgien erfundenen kuͤnstlichen
Blutegel entweder ihrem Zweke nicht entsprachen, oder sonst aus irgend einem Grunde
sich weder die Gunst der Aerzte, noch jene der Kranken erringen konnten. Viele
hundert Millionen dieser Thiere werden jaͤhrlich nicht nur in jenen Gegenden,
in welchen sie sich in groͤßerer Menge finden, verbraucht, sondern auch aus
diesen Laͤndern, unter denen sich besonders Spanien, Deutschland, Ungarn und
Polen auszeichnen, nach
Frankreich, England und selbst Amerika versendet, so zwar, daß die Blutegel
gegenwaͤrtig einen bedeutenden Handelszweig bilden. Ueber Augsburg allein
werden alle Jahre gegen 32 Millionen Blutegel aus Ungarn nach Frankreich
verfuͤhrt!
Durch die fortschreitende Cultur des Bodens, namentlich durch die Austroknung der
Suͤmpfe und Moraste in manchen Laͤndern und Gegenden, in welchen sich
die Egel sonst in zahlloser Menge fortpflanzten, wurde die Zahl dieser Thiere hie
und da betraͤchtlich vermindert. Selbst bei uns in Bayern glaubte die
hoͤchste Medicinalbehoͤrde bereits vor mehreren Jahren einem einstigen
Mangel an thierischen Blutsaugern vorbeugen zu muͤssen. Es erschienen in
dieser Hinsicht Verordnungen, die das Austroknen der Suͤmpfe und Graben in
gewissen Faͤllen, und besonders in der Naͤhe von Staͤdten,
untersagten. Nicht in dem Fortschreiten der Cultur allein liegt jedoch der Grund der
Kostspieligkeit dieser Thiere, sondern auch in der großen Sterblichkeit, die unter
denselben so haͤufig einreißt, wenn man sie aus ihren natuͤrlichen
Verhaͤltnissen bringt, so wie auch in der an vielen Orten noch
uͤblichen unsinnigen Vernichtung derselben, nachdem man sich ihrer bedient
hat. Millionen Blutegel gehen schon auf dem mehr oder weniger weiten Transporte von
einem Orte zum anderen, von einem Lande in das andere zu Grunde, und eben so viele
sterben in den fehlerhaften Aufbewahrungsbehaͤltnissen der Apotheker und
Chirurgen, noch ehe dieselben gebraucht werden konnten. Es ist eine eben so
bekannte, als allgemeine Klage, daß sich der Preis der Blutegel von Jahr zu Jahr
immer mehr und mehr erhoͤht, daß der Mangel an denselben nicht nur in
Spitaͤlern und einzelnen Staͤdten, sondern sogar in ganzen
Laͤndern immer fuͤhlbarer wird, und daß sich dadurch die Anwendung und
Benuzung dieses trefflichen Heilmittels fuͤr den Armen und sogar bereits
fuͤr den Mittelmann bedeutend vermindern mußte. Chirurgen und Apotheker
werden sehr oft durch das unerwartete Absterben einer großen Menge Blutegel, welches
zuweilen troz der muͤhsamsten Unterhaltung und Pflege erfolgt, in
empfindliche Geldverluste versezt; sie verweigern oder versaͤumen deßwegen
sehr oft sich den vorgeschriebenen Vorrath anzuschaffen, und beeintraͤchtigen
dadurch die aͤrztlichen Dispositionen zuweilen sehr empfindlich. Die
Spitaͤler fuͤhlen die Kostbarkeit der Blutegel gleichfalls nur zu
sehr; denn auch sie sind durch die bestaͤndige Unterhaltung und
Ergaͤnzung eines gehoͤrigen Vorrathes derselben, durch den
stuͤndlichen Verbrauch und durch das nur allzuhaͤufige Sterben beim
Aufbewahren dieser Thiere in Glaͤsern, oder sonstigen ungeeigneten
Behaͤltern, nicht selten zu großem Geldaufwands genoͤthigt. So z. B. werden in dem allgemeinen
Local-Krankenhause zu Augsburg alljaͤhrlich wenigstens 15,000 Blutegel
verbraucht, und hiedurch fuͤr die Stiftungscasse ein Kostenaufwand von 4 bis 500 Fl.
verursacht. Diese Thatsache veranlaßte den gegenwaͤrtigen Direktor des
Krankenhauses, Hrn. Hofr. Dr. Reisinger, den Magistrat
der Stadt Augsburg auf die großen Blutegelkosten aufmerksam zu machen- und
ermunterte zu einem Versuche die Blutegel nach einer besseren Methode als bisher
aufzubewahren, und dabei besonders auch dahin zu wirken, daß die bereits gebrauchten
Thiere wieder brauchbar wuͤrden, und daß waͤhrend der Aufbewahrung
zugleich auch deren Fortpflanzung und Vermehrung Statt finden koͤnne. Ich
erhielt sofort vom Stadtmagistrat den Auftrag, unverzuͤglich in einem
abgelegenen Theile des großen Hofraumes des Krankenhauses zwei Bassins herzustellen,
und fuͤr die noͤthige Bewaͤsserung derselben durch Quellwasser
zu sorgen.
Diese beiden Bassins, die auf Tab. II. Fig. 1 bis 3 dargestellt sind,
scheinen nun, wenigstens nach einjaͤhriger Erfahrung, dem beabsichtigten
Zweke die Blutegel aufzubewahren, zu uͤberwintern, und die schon gebrauchten
wieder brauchbar zu machen, vollkommen zu entsprechen. In dem Zeitraume von einem
Jahre ist wenigstens in dem Aufbewahrungsbassin auch nicht ein einziger Blutegel zu
Grunde gegangen, waͤhrend in jenem Bassin, in welchen die bereits gebrauchten
Blutegel gebracht werden, nur einzelne wenige Blutegel starben, was man wohl nicht
dem Bassin, sondern vielleicht eher der Art und der Menge des Blutes, welches sie
eingesogen hatten, zuschreiben darf. Alle bereits gebrauchten Egel haben sich in
wenigen Tagen gereinigt, und entsprechen ihrem Zweke dann weit schneller und
sicherer, als die Erstlinge, und auch sicherer als jene Blutegel, die man nach der
gewoͤhnlichen Methode durch Ausstreifen und durch wiederholtes
Waͤssern mit Zukerwasser wieder brauchbar machen will. Der Hof des Augsburger
Krankenhauses liegt 11 Fuß uͤber dem Niveau des eigentlichen Quellwassers,
und die ganze Erdschichte uͤber diesem besteht aus lokerem Sand,
Kieselgeroͤll, Mauerschutt, Dammerde und drgl. Da nun unter solchen
Localverhaͤltnissen die Herstellung von Blutegelteichen, wie sie Hr. Dr. Buchner im Repertorium fuͤr die Pharmacie
Band XVII, Heft 1 beschreibt, theils viel zu kostspielig, theils zum Einsezen und
zum Herausnehmen der Egel viel zu unbequem gewesen waͤre; da sie ferner wegen
der zu großen und zu tiefen Einschnitte in den Boden zu kalt und schattig geworden
waͤren, so daß keine Vegetation in denselben hatte Statt finden
koͤnnen, und sie mithin den durch die Natur selbst gebildeten Blutegelteichen
ganz unaͤhnlich gewesen seyn wuͤrden, so verfiel ich auf die hier
vorliegende Teichconstruction. –
Fig. 1 ist der
Grundriß;
Fig. 2 der
Laͤngendurchschnitt;
Fig. 3 der
Querdurchschnitt.
a ist der Hauptaufbewahrungsbassin.
b ist der Bassin, in welchem die bereits gebrauchten,
d.h. mit Blut gesaͤttigten, Blutegel zum abermaligen Gebrauche faͤhig
gemacht werden.
cghid ist die wasserdichte Unterlage der Teiche,
die aus gut durchgearbeitetem Ziegellehm schichtenweise 1 1/2 Fuß hoch aufgetragen
ist.
kc ist die Zulaufroͤhre, die in einer
Stunde einen Eimer Brunnenwasser liefert: dieses Wasser geht durch die Enge h in den zweiten Bassin vermittelst einer vergitterten
Roͤhre uͤber.
dl ist die Abflußroͤhre aus dem Bassin der
gebrauchten Egel.
Auf dem Boden der Bassins wurden stellenweise noch besondere verschiedene
Terrainabwechslungen gebildet, als Sand, Kies, Dammerde, Moor und Schlamm, in
welchen auch die Wasserpflanzen Poa aquatica und Acorus calamus eingesezt wurden.
Die Raͤnder und Ranquets der Teiche sind mit dichtem Rasen uͤberlegt
und mit hoͤlzernen Naͤgeln befestigt worden.
Fuͤr den Winter wird zur Abhaltung jedes zu heftigen Frostes und zu
haͤufigen Schnee's ein Holzgeruͤst mit einem Bretterdachs, worauf
Stroh oder Laub gelegt werden kann, uͤber die Teiche gestellt, und von Zeit
zu Zeit geoͤffnet.
Als Feind der Egel wurde die Larve des Wasserschwimmkaͤfers (Dytiscus marginalis) in den Bassins entdekt, welche sich
an die Egel anhaͤngt, sie verwundet und auch toͤdtet. Da die Eier
dieses Kaͤfers sehr wahrscheinlich mit dem Schlamme und der Poa aquatica in die Teiche gebracht wurden, und jede
ausgebildete Larve mit besonderem Fleiße aufgesucht wird, so steht zu erwarten, daß
dieses Insect bald vertilgt seyn wird.
Als Nahrungsmittel fuͤr die Blutegel werden Froͤsche groͤßerer
Art eingesezt, welche sich troz der Mißhandlungen und der vielen Verwundungen, die
sie durch die Egel erleiden, deren sich oft 4–5 an einen Frosch, besonders am
Kopfe anhaͤngen, dennoch gern in diesen Bassins verweilen, oder nach einer
kleinen Excursion wieder zuruͤkkehren.
Die auf dem Wasserspiegel der Teiche in den Sommermonaten sich haͤufig
bildende Conferve wird von Zeit zu Zeit theilweise abgenommen. Sie ist indeß den
Egeln bei großer Hize und grellem Sonnenlichte sehr wohlthaͤtig, wenn nicht
durch Baͤume der noͤthige Schuz gegen die Wirkung des Sonnenlichtes,
welches sie immer etwas beunruhigt, gegeben werden kann.In der ersten Haͤlfte des Monates August zeigten sich in dem
groͤßeren Bassin schon mehrere junge Blutegel.