Titel: | Ueber ein ballistisches Flugrad von Hrn. J. Gorrie zu Clerkenwell. |
Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. VI., S. 53 |
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VI.
Ueber ein ballistisches
Flugrad von Hrn. J. Gorrie zu Clerkenwell.
Aus dem Mechanics'
Magazine N. 492. S. 248.
Mit einer Abbildung auf Tab. I.
Gorrie, uͤber ein ballistisches
Flugrad.
Die Schwierigkeit, mit welcher sich dem Dampfe eine directe
rotirende Bewegung mittheilen laͤßt, machte es bisher
uͤberall, wo man sich desselben mit Vortheil bedienen
wollte, noͤthig, ihn mit Beihuͤlfe oder durch
Vermittelung eines Winkelhebels oder eines bestaͤndig
wechselnden Hebels anzuwenden. Bei der Umwandlung einer
geradlinigen in eine rotirende Bewegung durch diese Mittel
entstehen nothwendig zwei sogenannte todte Punkte, an welchen
die Maschine still stehen wuͤrde, wenn die Triebkraft
nicht auf irgend eine Weise etwas vermehrt wuͤrde. Dieses
Hinderniß, welches sich einer gleichfoͤrmigen und
ununterbrochenen Bewegung entgegenstemmt, wird
gewoͤhnlich durch die Anwendung eines wohlbekannten, in
dem Flugrade gelegenen, mechanischen Principes beseitigt.
Da nun aber diese Flugraͤder nothwendig ein sehr großes
Gewicht haben muͤssen, so trachtete man schon lange eine
Verbesserung oder Erfindung auszusinnen, wodurch die Anwendung
der Flugraͤder uͤberfluͤssig gemacht
wuͤrde. Es wurden in dieser Hinsicht bereits auch sehr
verschiedene Vorrichtungen ausgedacht und angewendet; allein, so
viel ich weiß, fand man dieselben in der Praxis theils zu
complicirt, theils so kostspielig, daß diese Nachtheile alle
wirklichen Vortheile, die sich aus deren Anwendung ergaben,
aufwogen. Durch meine Vorgaͤnger von der Hoffnung
abgeschrekt, das Flugrad ganz entbehrlich zu machen, richtete ich
meine Aufmerksamkeit nun hauptsaͤchlich auf solche
Mittel, durch welche wenigstens einigen Nachtheilen der
Flugraͤder abgeholfen wuͤrde. Ich glaube nun
hiebei auch wirklich auf eine Veraͤnderung in dem Baue
derselben gekommen zu seyn, wodurch deren Schwere bedeutend
vermindert wuͤrde, waͤhrend deren volle Kraft
keine Veraͤnderung erlitte.
Man mache nach meiner Idee ein Rad, Fig.
13, in dessen Durchmesser sich zwei, aus hohlen
Eisenroͤhren bestehende Kreise befinden. In jeden dieser
Ringe oder Kreise gebe man eine Kugel, z.B. eine bleierne,
welche sich vollkommen frei durch den Ring zu bewegen im Stande
ist. Nimmt man nun an, das Rad sey in Hinsicht auf den
Winkelhebel oder die Kurbel so aufgehaͤngt, daß sich,
wenn der Winkelhebel oder die Kurbel an dem todten Punkte
eintrifft, die Kugel des einen Ringes an dem dem Mittelpunkte
zunaͤchst gelegenen Punkte befinde, waͤhrend die
andere Kugel am weitesten davon entfernt ist, so erhellt hieraus
offenbar, daß an dem todten Punkte eine groͤßere Kraft
ausgeuͤbt wird, als an irgend einer anderen Stelle der
halben Umdrehung des großen Rades. In demselben Augenblike aber,
in welchem der Winkelhebel an den zweiten todten Punkt gelangt,
wird auch die Stellung der Kugeln umgekehrt werden, so daß deren
groͤßere Kraft abermals dahin wirkt, denselben
uͤber diesen Punkt hinaus zu treiben.
Es geht nun also aus diesem Baue des Rades deutlich hervor, daß
es die Natur eines sich immerwaͤhrend aͤndernden
Hebels habe, und daß dasselbe, waͤhrend im Ganzen weder
ein Gewinn noch ein Verlust an Kraft Statt findet, bei jeder
halben Umdrehung als eine regelmaͤßig aufhaltende oder
beschleunigende Kraft wirken muͤsse. Zu der Zeit, zu
welcher der Dampf in der gewoͤhnlichen Cylindermaschine
mit seiner groͤßten Kraft auf den Winkelhebel oder die
Kurbel wirkt, wird das Rad durch die Stellung der Kugeln eine
aufhaltende oder retardirende Kraft werden; so wie aber die
Hebelkraft, welche auf den Winkelhebel einwirkt, abnimmt, wird
die beschleunigende Kraft des Rades zunehmen. In dieser Hinsicht
hat also dieses zusammengesezte Rad weder einen Nachteil noch
einen Vortheil vor dem gewoͤhnlichen Flugrade voraus; es
wird wie dieses das Bewegungsmoment regelmaͤßig aufnehmen
und Gertragen.
In jenen Faͤllen, in welchen keine sehr schnelle Bewegung
erforderlich ist, duͤrfte es vielleicht besser seyn, wenn
die Roͤhren, in denen sich die Kugeln bewegen, aus zwei
Kreissegmenten bestuͤnden, wie sie in der Figur durch die
punktirten Linien dargestellt sind.
Ich glaube, daß man bei einer solchen Einrichtung der
Flugraͤder mit einem Gewichte von 100 Pfunden eben so
viel ausrichten koͤnne, als an einem gewoͤhnlichen
Flugrade mit einem Gewichte von 1000 Pfunden. Die
nothwendige Folge hievon waͤre natuͤrlich eine
bedeutende Ersparniß an den Kosten.