Titel: | Ueber die Anwendung der Milch und des Käses anstatt des Oehls und Leims bei den Farben zum Bemahlen der Zimmer etc. |
Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XI., S. 68 |
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XI.
Ueber die Anwendung der Milch
und des Kaͤses anstatt des Oehls und Leims bei den Farben zum
Bemahlen der Zimmer etc.
Aus dem Journal des
connaissances usuelles. Febr. 1833, S.
106.
Ueber das Bemahlen der Zimmer.
Die wahrhaft nuͤzlichen Sachen brauchen nicht immer erst
neu erfunden zu werden; es gibt eine Menge schaͤzbarer
Erfindungen, die oͤkonomisch, leicht anwendbar und
Jedermann einleuchtend sind, aber ganz in Vergessenheit
geriethen. Dahin gehoͤrt auch die Milch, und
Kaͤsemahlerei, gegen deren Zwekmaͤßigkeit sich
nichts einwenden laͤßt.
Die Milchmahlerei war aller Wahrscheinlichkeit nach den Alten
unbekannt und wir verdanken sie den Indiern, welche ihre
Huͤtten und gewisse Moͤbeln mit Farben, die mit
Milch angeruͤhrt sind, bemahlen. Die Chinesen, welche
große Liebhaber dauerhafter Farben sind, benuzten diese Mahlerei
ebenfalls zur Verzierung ihrer Wohnungen; in Frankreich hat der
beruͤhmte Cadet de Vaux vor
fuͤnfzig Jahren davon die erste Anwendung gemacht und
sein Verfahren wurde spaͤter von d'Arcet noch verbessert.
Die Oehlfarben sind bekanntlich ungesund, uͤbelriechend,
kostspielig und beschmuzen sich bald; sie eignen sich daher,
besonders da sie sehr dauerhaft sind, mehr fuͤr die
außerhalb der Wohnungen befindlichen Gegenstaͤnde;
fuͤr das Innere der Wohnzimmer und auf allen gegen den
Regen geschuͤzten Stellen kann man statt ihrer die
Milchfarben anwenden.
Die Leimfarben haben mehrere nachteilige Eigenschaften: wenn sie
zu schwach verdikt sind, so verdorren sie leicht und
haͤngen sich an die Kleider an, und wenn sie zu stark
verdikt sind, schuppen sie sich ab; bei feuchter und warmer Luft
verbreiten sie außerdem einen uͤblen Geruch.
Die Milchfarben haben keine dieser nachteiligen Eigenschaften;
sie sind geruchlos und selbst in feuchter Luft
unveraͤnderlich; dazu kommt noch, daß sie nicht so
kostspielig wie die beiden anderen sind. Indessen kommt Alles
auf die Localitaͤt an; in Paris zum Beispiel, wo die
Milch theuer und gewoͤhnlich von schlechter
Beschaffenheit ist, duͤrften die Milchfarben so theuer
wie die Leimfarben zu stehen kommen, wuͤrden ihnen aber
doch in Bezug auf Schoͤnheit und Dauerhaftigkeit
vorzuziehen seyn. Obgleich wir nun die Milchfarben
hauptsaͤchlich fuͤr das Innere der Gebaͤude
empfehlen, so duͤrften sie doch, wenn man ihnen fette
Substanzen zusezt, sich auch fuͤr ihr Aeußeres eignen;
die Milch hat naͤmlich die merkwuͤrdige
Eigenschaft, daß sie sich leicht mit Substanzen mischen
laͤßt, von denen man glauben sollte, daß sie ihr nicht
einverleibt werden koͤnnten.
Verfahren des Hrn. Cadet de
Vaux.
„Man nimmt, abgerahmte Milch, 4 Pfund.
Frisch geloͤschten Kalk, 6 Unzen;
Nuß- oder Leinoͤhl, 4 Unzen;
Spanischweiß (geschlaͤmmte Kreide in Kuchen), 3
Pfund:
Gut abgetropften
Kaͤse
4 Unzen
5 Quentchen
48 Gran.
Geloͤschten
Kalk
1
–
59
–
Spanischweiß
9 Unzen
1
–
19
–
Fein zerriebene
Kohle
37
–
Wasser
2 Unzen
4
–
67 Gran.“
„Man faͤngt die Operation damit an, daß man
eine gewisse Quantitaͤt gut gebrannten Kalk mit
moͤglichst wenig Wasser abloͤscht und ihn dann
siebt, um die nicht geloͤschten Stuͤke
abzusondern; man wiegt von dem Pulver 1 Quentchen 59 Gran
ab.“
„Die oben angegebene Menge Kaͤse wird dann
zerrieben, bis sie das Ansehen einer Salbe hat und mit dem
oben besprochenen Kalkpulver, welches 1 Quentchen 59 Gran
wiegt, gut vermengt. Das Gemenge nimmt bald die Consistenz
des heißen und frisch bereiteten Leimes an.“
„Man pulverisirt nun das Spanischweiß, versezt es mit
dem Wasser und der Kohle und ruͤhrt es damit gut an.
Man kann das Gemenge sogar durch ein weites Sieb treiben, um
diese Substanzen in einen gleichartigen Teig zu
verwandeln.“
„Der mit Kalk gemengte Kaͤse wird nun mit dem
Spanischweiß, das mit Wasser und Kohle angeruͤhrt
ist, sorgfaͤltig vermischt, worauf die Farbe fertig
ist. Leztere versezt man erst in dem Augenblike wo man sie
anwenden will, mit so viel Wasser, daß sie gehoͤrig
fließt; die Farbe haͤlt sich naͤmlich besser,
wenn sie weniger Wasser enthaͤlt.“
„Sechs Unzen 6 Quentchen 68 Gran Wasser, der auf
angegebene Weise bereiteten Farbe zugesezt, reichen hin, um
eine Quadrattoise genau zu bedeken.“
„Will man eine rothe oder gelbe Farbe, aͤhnlich
denjenigen, die man zum Bemahlen der Fußbodentafeln, der
Parkette etc. gebraucht, sich verschaffen, so nimmt man
statt des Spanischweiß und der Kohle im vorhergehenden
Recepte eine andere Farbe. Folgende Verhaͤltnisse
schienen mir die dauerhafteste und zum Wichsen geeignetste
Farbe zu liefern:
„Gut
abgetropfter Kaͤse
4 Unzen
5 Quentchen
48 Gran.
Geloͤschter
Kalk
1
–
59
–
Farbe (Roth oder
irgend eine andere)
6 Unzen
4
–
24 Gran.“
„Man verfaͤhrt auf die oben angegebene Weise
und sezt so viel Wasser zu als noͤthig ist, um die
Farbe hinreichend fluͤssig zu machen, und die erste
und zweite Schichte zu mahlen; man uͤberzieht endlich
das Ganze mit der gewoͤhnlichen Wichse.“
Man bringt den Kalk in ein irdenes Gefaͤße,
uͤbergießt ihn mit so viel Milch, daß ein klarer Brei
entsteht; man sezt allmaͤhlich Oehl zu, indem man mit
einer kleinen Spatel umruͤhrt, worauf man die
uͤbrige Milch zugießt und endlich das Spanischweiß
einruͤhrt; die Farbe kann nun angewandt werden. Die Milch
muß frisch abgerahmt und darf nicht sauer seyn, weil sonst die
Farben Feuchtigkeit anziehen.
Diese Quantitaͤt reicht hin, um 6 Quadrattoisen die erste
Schichte zu geben.
Das mit dem Kalk vermengte Oehl bildet eine Kalkseife, daher es
sehr schnell trokner und fast gar keinen Geruch verbreitet.
Auf Stellen, die schon bemahlt worden sind, ist eine einzige
Schichte hinreichend; erst wenn wieder Fleken erschienen,
muͤßte man deren zwei auftragen; man muß sich dann durch
ein starkes Kalkwasser oder eine schwache Lauge helfen.
Fuͤr neues Holz sind zwei Schichten noͤthig;
fuͤr Zimmerdeken, das Mauerwerk der Treppen und Gange,
reicht eine Schichte hin.
Milchfarben die mit Harz versezt
sind.
Um die aͤußeren Theile der Gebaͤude etc. zu
bemahlen, kann man der Milchfarbe zusezen:
Geloͤschten Kalk, 2 Unzen;
Oehl, 2 Unzen;
Weißharz, 2 Unzen.
Man laͤßt das Harz bei gelinder Waͤrme in dem Oehl
zergehen, welches man dem aus Milch und Kalk gebildeten
duͤnnen Brei zusezt; bei kaltem Wetter macht man diesen
Brei lauwarm, damit das Harz nicht zu schnell erkaltet und sich
leichter mit der Kalkmilch vereinigt. Diese Mahlerei hat einige
Aehnlichkeit mit der sogenannten Wachsmahlerei. Man kann die
harzhaltigen Milchfarben sehr gut zum Anstreichen der
Haͤuser benuzen; ihre Dauer geht uͤber zwanzig
Jahre.
Hr. d'Arcet laͤßt bei Bereitung
der Milchfarben das Oehl und burgundische Pech ganz weg.