Titel: | Beobachtungen über die Krystallisation der Salze; von Dr.Ogden. |
Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XXXVII., S. 206 |
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XXXVII.
Beobachtungen uͤber
die Krystallisation der Salze; von Dr.Ogden.
Aus Jameson's
Edinburgh new philosophical Journal. Julius
– October 1832, S. 309.
Ogden, uͤber die Krystallisation der
Salze.
Bei dem Krystallisiren geringer Quantitaͤten von
Salzaufloͤsungen habe ich oͤfters die Beobachtung
gemacht, daß concentrirte warme Aufloͤsungen auf die
gewoͤhnliche Temperatur abkuͤhlen koͤnnen,
ohne Krystalle abzusezen. In den meisten Lehrbuͤchern der
Chemie findet man bemerkt, daß diese Eigenschaft das
schwefelsaure Natron besizt; gewoͤhnlich wird aber dabei
behauptet, daß es noͤthig ist die Aufloͤsung gegen
den Luftdruk zu verwahren, indem man das die Aufloͤsung
enthaltende Gefaͤß vom Feuer nimmt, waͤhrend sie
noch siedet und sogleich verkorkt.
Gay-LussacAnn. de Chimie Bd. LXXXVII.
A. d. O. hat jedoch gezeigt, daß der Druk der Luft gerade nicht
immer die Krystallisation veranlassen muß; er fand, daß wenn die
Fluͤssigkeit mit einer Schichte Terpenthinoͤhl
bedekt wird, sie erkalten kann, ohne zu krystallisiren.
Spaͤter stellte Professor Turner
Elem. Chem. den Versuch mit demselben Erfolg an, ohne Oehl zu
gebrauchen; er ließ naͤmlich die Luft in der Flasche mit
der aͤußeren Luft durch eine ziemlich enge Roͤhre
communiciren.
Ich habe uͤber diesen Gegenstand Versuche mit vielerlei
Salzen gemacht, fand aber immer, daß der Luftdruk mit dem
Eintritt der Krystallisation bei uͤbersaͤttigten
Aufloͤsungen in keiner Beziehung steht. Die
Aufloͤsungen erkalteten in Gefaͤßen von allen
Gestalten, in enghalsigen, verkorkten oder nicht verkorkten
Flaschen, offenen Kolben und sogar weiten Schalen, ohne zu
krystallisiren. In anderen Faͤllen mißlang mir der
Versuch und das Salz krystallisirte, selbst wenn die
Aufloͤsung gegen den Luftdruk verwahrt wurde. Man muß
sehr vorsichtig verfahren, wenn man diesen Versuch mit Erfolg
ausfuͤhren will, denn er kann bei ausgeschlossenem
Luftdruk mißlingen. Wenn er aber auch gelingt und man also eine
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung in einem wohl
verschlossenen Kolben erhalten hat, so wird sie durch
Schuͤtteln, ohne daß man den Kork herausnimmt, gerade so
als wenn sie in einem offenen Gefaͤße enthalten
waͤre, zur Krystallisation veranlaßt.
Ich glaube daher annehmen zu duͤrfen, daß der Luftdruk
durchaus nicht noͤthig ist, um die Krystallisation einer
uͤbersaͤttigten Aufloͤsung zu
erleichtern, war aber auch nicht im Stande ihre wesentlichen
Bedingungen auszumitteln. Die Krystallisation findet oft ohne
eine bemerkliche Ursache Statt. Die geringste Bewegung ruft sie
bisweilen hervor, ja es ist oft hinreichend, wenn man nur durch
das Zimmer geht, worin die Aufloͤsung sieht. Manchmal
kann man sie aber auch taͤglich einige Mal schnell
schuͤtteln und dieses einige Tage hinter einander
wiederholen, ohne daß sie krystallisirt. Ein Krystall desselben
Salzes, welches aufgeloͤst ist, bringt meistentheils die
Krystallisation hervor, wenn er mit der Fluͤssigkeit in
Beruͤhrung gebracht wird; haͤufig findet dieses
aber auch nicht Statt. Als allgemeine Regel kann man aufstellen,
daß eine Aufloͤsung desto leichter durch irgend eines
dieser Mittel zur Krystallisation disponirt wird, je
staͤrker sie ist.
Das schwefelsaure Natron ist nicht das einzige Salz, welches die
Eigenschaft hat, der Krystallisation zu widerstehen; sie findet
auch bei anderen alkalischen, erdigen und Metallsalzen Statt.
Von vielen Salzen konnte ich aber niemals eine
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung erhalten; wenn
der geringste Ueberschuß uͤber die in kaltem Wasser
aufloͤsliche Quantitaͤt vorhanden war, schied er
sich jedes Mal beim Erkalten aus, so sorgfaͤltig auch der
Versuch angestellt werden mochte, man mochte den Luftdruk von
der Aufloͤsung ausschließen oder nicht. Auf diese
Eigentuͤmlichkeit komme ich in der Folge wieder
zuruͤk.
Wenn ich aber die Behauptung aufstelle, daß der Druk der Luft
ganz und gar keinen Einfluß auf die Krystallisation hat, so bin
ich weit entfernt, dieses fuͤr eine neue Entdekung
auszugeben, sondern glaube vielmehr, daß uͤber diesen
Gegenstand noch weitere Untersuchungen noͤthig sind. Am
ersten hat, so viel ich weiß, Gay-Lussac jener Eigenschaft des Glaubersalzes
in einer Abhandlung, die im J. 1813 geschrieben wurde,
erwaͤhnt; er hielt aber doch einige Verwahrung gegen den
Zutritt der Luft fuͤr noͤthig und benuzte dazu
eine Schichte Terpenthinoͤhl. Gay-Lussac stellte auch Versuche mit
uͤbersaͤttigten Aufloͤsungen von drei oder
vier anderen Salzen an und zeigte, daß diese Eigenschaft dem
schwefelsauren Natron nicht allein zukommt. Im Repertory of Arts vom J. 1818, Bd.
XXXIII. findet man eine Abhandlung von Dr.
Ure, worin einige merkwuͤrdige
Versuche angefuͤhrt sind, woraus hervorzugehen scheint,
daß die negative Elektricitaͤt die Krystallisation
besonders leicht veranlaßt. Er stellte sie mit schwefelsaurem
Natron an und kommt auch auf den Schluß, daß weder die
chemischen Eigenschaften der Luft noch ihr Druk irgend einen
Einfluß auf die Krystallisation haben. Seitdem hat Hr. Graham in Glasgow es wahrscheinlich
gemacht, daß die chemischen Eigenschaften der Luft oder
wenigstens einiger Gasarten die Krystallisation veranlassen
koͤnnen, Er brachte geringe Quantitaͤten der
Gasarten durch Queksilber hindurch in
uͤbersaͤttigte Aufloͤsungen von
schwefelsaurem Natron und kam auf die Folgerung, daß die Luft
die Krystallisation uͤbersaͤttigter
Salzaufloͤsungen dadurch bewirkt, daß sie sich in dem
Wasser aufloͤst und somit der schwachen Kraft, durch
welche der Ueberschuß des Salzes in Aufloͤsung erhalten
wird, einen Stoß gibt. Ammoniakgas zeigte sich am wirksamsten.
Man findet seine Versuche in den Transactions of the Royal Society of Edinburgh for
1828. Sie beweisen auch, daß die Krystallisation von dem Druk
der Luft unabhaͤngig ist.
Ungeachtet dieser Autoritaͤten ist aber die Ansicht, daß
der Druk der Luft die Krystallisation veranlaßt, noch ziemlich
herrschend und wird in den besten Lehrbuͤchern der Chemie
aufgestellt. Es findet naͤmlich eine gewisse Analogie
zwischen der Verwandlung einer elastischen Gasart in eine
Fluͤssigkeit durch starken Druk und zwischen der
Verwandlung einer uͤbersaͤttigten
Fluͤssigkeit in einen krystallinischen festen
Koͤrper Statt, welche sehr viel dazu beitrug jene Ansicht
in Aufnahme zu bringen und wahrscheinlich zu machen. Gegen diese
Analogie laͤßt sich aber mit Grund bemerken, daß wenn
eine Gasart in fluͤssigen Zustand uͤbergeht, eine
außerordentliche Verminderung des Volumens Statt findet,
waͤhrend bei dem Festwerden einer Fluͤssigkeit das
Volumen wenig oder gar nicht geaͤndert wird. Auch
koͤnnen einige Umstaͤnde bei Anstellung des
Versuches leicht dazu beigetragen haben, diesen Irrthum
fortzupflanzen. Wenn man naͤmlich aus einem
verschlossenen Gefaͤße, das eine
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung enthaͤlt,
den Kork oder Stoͤpsel herauszieht, koͤnnen sehr
leicht einige kaum wahrnehmbare Salzstuͤkchen vom Halse
losgehen, in die Fluͤssigkeit hinabfallen und sogleich
die Krystallisation veranlassen; wodurch man dann auf die
Vermuthung gerathen koͤnnte, daß sie durch den Zutritt
der Luft veranlaßt worden sey. Angenommen aber auch, daß der
Experimentator kein solches Versehen begeht, so kann die
Erschuͤtterung, welche durch den Eintritt der Luft
hervorgebracht wird, an und fuͤr sich schon eine
hinreichende Ursache seyn.
Wir haben bisher gesehen, daß der Druk der Luft nicht durchaus
nothwendig ist, um die Krystallisation zu veranlassen, und daß
man sie durch denselben auch nicht immer sicher
herbeifuͤhren kann; die uͤbersaͤttigten
Salzaufloͤsungen haben aber auch noch andere
beachtungswerthe Eigenschaften, woruͤber ich Versuche
anstelle. Ich muß bemerken, daß dabei in allen Faͤllen
die Aufloͤsungen gegen den Druk der Luft nicht verwahrt
wurden, ausgenommen wenn ausdruͤklich das Gegentheil
angegeben ist.
1) Eine heiße beinahe gesaͤttigte Aufloͤsung von
kohlensaurem Natron, welche in einem sechs Unzen Glase enthalten
war, ließ man in einem heißen Sandbade stehen, bis
das Ganze erkaltet war. Vier und zwanzig Stunden darnach war sie
noch ganz fluͤssig, erstarrte aber als sie sanft bewegt
wurde.
2) Eine starke Aufloͤsung von schwefelsaurem Natron
filtrirte man waͤhrend sie noch heiß war, in zwei
Phiolen, wovon eine sogleich verlockt, die andere aber offen
gelassen wurde. Nach Verlauf von drei Stunden war der Inhalt von
jeder noch fluͤssig und jeder wurde durch
Umschuͤtteln fest.
3) Eine starke Aufloͤsung von schwefelsaurem Natron wurde
noch heiß in eine offene Flasche von drei Zoll Durchmesser
filtrirt. Vier und zwanzig Stunden darauf war sie noch
vollkommen fluͤssig. Als man einen Krystall von demselben
Salze in sie brachte, wurde das Ganze in wenigen Secunden
fest.
Diese Versuche beweisen deutlich, daß der Luftdruk allein die
Krystallisation nicht hervorbringt. Das schwefelsaure Natron
eignet sich besonders gut zu dergleichen Versuchen, weil es die
merkwuͤrdige Eigenschaft hat, daß es bei einer Temperatur
von 106° F. (32° R.) am aufloͤslichsten
ist. Man kann seine Aufloͤsung bei jeder dem Siedepunkt
nahen Temperatur filtriren, denn es hat erst nachdem sie auf
106° gesunken ist, Neigung zur Krystallisation. Viele
Salze fangen hingegen bei dem geringsten Sinken der Temperatur
zu krystallisiren an und thun es auch sogleich, wenn man ihre
voͤllig gesaͤttigten Ausloͤsungen zu
filtriren versucht. Man muß daher Aufloͤsungen von ihnen
anwenden, die bei der Siedehize nicht voͤllig
gesaͤttigt sind.
4) Eine starke Aufloͤsung von salzsaurem Kalk wurde,
waͤhrend sie noch heiß war, verkorkt, worauf man sie
erkalten ließ. Sie konnte oͤfters geschuͤttelt
werden, ohne daß dieß eine Wirkung hervorbrachte; als man aber
auf die Phiole, welche sie enthielt, kalte Luft blies,
krystallisirte sie. Dieselbe Wirkung findet Statt, wenn man auf
die Außenseite eines eine uͤbersaͤttigte
Aufloͤsung enthaltenden Gefaͤßes kaltes Wasser
gießt. Der Ausschluß des Luftdruks konnte in diesem Falle die
Krystallisation nicht verhindern.
5) Um zu erfahren, ob eine uͤbersaͤttigte
Aufloͤsung ihre eigenthuͤmlichen chemischen
Eigenschaften zeigen kann, ohne zu krystallisiren, erhizte ich
das den salzsauren Kalk enthaltende Gefaͤß nochmals und
ließ es allmaͤhlich erkalten. In die so gebildete kalte
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung ließ ich einige
Tropfen concentrirter Schwefelsaͤure fallen, die eine
feste Kruste von schwefelsaurem Kalk erzeugten und salzsaure
Daͤmpfe austrieben, ohne die Krystallisation
herbeizufuͤhren.
6) Der lezte Versuch wurde wiederholt, wobei man die Mischung
waͤhrend man die Schwefelsaͤure zusezte,
schuͤttelte; sie krystallisirte jedoch nicht.
7) Auch durch kleesaures Ammoniak wurde diese Aufloͤsung
zersezt, ohne daß Krystallisation Statt fand.
8) Salpetersaurer Baryt wurde in eine
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung von
schwefelsaurer Bittererde getropft, wodurch schwefelsaurer Baryt
und salpetersaure Bittererde entstanden. Die Aufloͤsung
krystallisirte nicht.
Das einzige Resultat der lezten vier Versuche ist, daß die Salze
in uͤbersaͤttigten Aufloͤsungen ihre
chemischen Verwandtschaften ausuͤben koͤnnen, ohne
nothwendig in den Zustand der gewoͤhnlichen
Saͤttigung zuruͤkzukehren. Es konnte dieses
bezweifelt werden, weil das Salz durch eine sehr schwache
Verwandtschaft in Aufloͤsung erhalten wird. Sezt man aber
einen Tropfen Alkohol zu, so verbindet sich dieser mit dem
Wasser, scheidet dadurch einen Kern ab und so krystallisirt das
Ganze.
9) Ich versezte eine uͤbersaͤttigte
Aufloͤsung von salzsaurem Kalk mit einer Drachme
Mutterlauge von demselben Salze und schuͤttelte sie
schnell, es erfolgte aber keine Krystallisation.
Bei einigen uͤbersaͤttigten Aufloͤsungen
schreitet die Krystallisation langsam vorwaͤrts, bei
anderen hingegen schreitet sie, besonders wenn dieselben
concentrirt sind, nachdem einmal ein Kern vorhanden ist, so
schnell vor, daß man glauben koͤnnte, die Neigung zu
krystallisiren werde der ganzen Masse wie ein elektrischer
Schlag augenbliklich mitgetheilt. Folgender Versuch beweist
jedoch, daß dieß nicht der Fall ist.
10) Eine uͤbersaͤttigte Aufloͤsung von
essigsaurem Natron wurde in einer Abdampfschale vier und zwanzig
Stunden lang ruhig stehen gelassen und dann ein Krystall
sorgfaͤltig an einer Seite hineingelassen. Nachdem
ungefaͤhr der vierte Theil der Masse krystallisirt war,
goß man eine Portion von der ruͤkstaͤndigen
Fluͤssigkeit in ein anderes Gefaͤß, wo sie aber
bis zum folgenden Tage fluͤssig blieb; sie konnte dann
auf dieselbe Art zur Krystallisation gebracht werden.
11) Ein Gefaͤß, welches eine uͤbersaͤttigte
Alaunaufloͤsung enthielt, die schon zu einem Versuche
gedient hatte, wurde in einem Sandbade erhizt, bis alles Salz
sich wieder aufgeloͤst hatte. Beim Erkalten
krystallisirte ungefaͤhr der dritte Theil davon, der Rest
blieb fluͤssig, bis er geschuͤttelt wurde.
– Dieser Versuch zeigt, daß durch die Gegenwart von
Krystallen in einer uͤbersaͤttigten
Aufloͤsung die Krystallisation nicht nothwendig
herbeigefuͤhrt wird.
12) Die Zeit, waͤhrend welcher eine
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung in
fluͤssigem Zustande bleiben kann, scheint keine bestimmte
Glaͤnze zu haben. Phosphorsaures Natron wurde eilf Tage
lang in diesem Zustande erhalten, dann einige Minuten lang
geschuͤttelt und in ein anderes Gefaͤß gegossen. Es blieb vollkommen fluͤssig,
bis ein Krystall hineingelegt wurde.
Ich habe schon bemerkt, daß es mir bei einigen Salzen niemals
gelang uͤbersaͤttigte Aufloͤsungen zu
erhalten, indem der Ueberschuß sich beim Erkalten immer absezte.
Man kann diese Eigenschaft auf verschiedene Art ausmitteln, am
besten geschieht es aber durch folgendes Verfahren: Man
loͤst das Salz in einer Quantitaͤt destillirten
Wassers auf, die weniger betraͤgt als noͤthig ist,
eine gesaͤttigte Aufloͤsung nach dem Erkalten zu
bilden, aber mehr als zu einer heißen gesaͤttigten
Aufloͤsung erfordert wird. Zu dem Versuche bedient man
sich eines glaͤsernen Kolbens, den man uͤber
Kohlenfeuer erhizt; nachdem die Aufloͤsung einige
Secunden lang gekocht hat, wird sie durch Papier in einen
anderen kleinen Kolben filtrirt, worin man sie wieder zum Sieden
bringt. Das Feuer wird dann mit einer Eisenplatte bedekt,
wodurch es langsam und allmaͤhlich erloͤscht. Das
die Aufloͤsung enthaltende Gefaͤß wird
uͤber der Eisenplatte aufgehaͤngt, so daß es einen
Zoll weit von derselben absteht und so laͤßt man es zehn
oder zwoͤlf Stunden lang unberuͤhrt. Findet man
nach dem Erkalten desselben das Salz krystallisirt, so muß
entweder bei dem Versuche ein Fehler vorgefallen oder das Salz
unfaͤhig seyn eine uͤbersaͤttigte
Aufloͤsung zu bilden. Man muß daher das Gefaͤß mit
seinem Inhalte neuerdings erhizen und erkalten lassen und dieses
oͤfters wiederholen; sezt sich dabei stets das
uͤberschuͤssige Salz ab, so muß man daraus
schließen, daß es keine uͤbersaͤttigte
Aufloͤsung bilden kann.
Die erste der folgenden Tabellen enthaͤlt die Salze, die
mir uͤbersaͤttigte Aufloͤsungen lieferten;
die zweite aber solche, welche dazu unfaͤhig zu seyn
scheinen.
I. Tabelle.
Kohlensaures
Natron.
Kleesaures Ammoniak.
Schwefelsaures
Natron.
Schwefelsaures
Bittererde-Ammoniak.
Weinsaures
Natron-Kali.
Schwefelsaure Bittererde.
Zweifach-borsaures Natron.
Salzsaurer Kalk.
Essigsaures
Natron.
Salzsaurer Baryt.
Phosphorsaures
Natron.
Essigsaures Blei.
Eisenblausaures
Kali.
Schwefelsaures Eisen.
Schwefelsaures
Alaunerde-Kali.
Schwefelsaures Zink.
Zweifach-schwefelsaures Kali.
Schwefelsaures Kupfer.
Weinsaures
Antimonoxyd-Kali.
Zweifach-chromsaures Kali.
Salpetersaures
Ammoniak.
II. Tabelle.
Salzsaures Kali.
Queksilberchlorid
(Sublimat).
Salpetersaures
Kali.
Salpetersaurer Baryt.
Schwefelsaures Kali.
Salzsaures Ammoniak.
Chromsaures
Kali.
Schwefelsaures Ammoniak.
Chlorsaures
Kali.
Schwefelsaures
Bittererde-Kali.
Salpetersaures
Blei.
Zwischen den Salzen in den beiden Tabellen findet
hauptsaͤchlich der Unterschied Statt, daß die in der
ersten Krystallwasser enthalten, die in der zweiten aber
wasserfrei sind. Nur das zweifach-chromsaure Kali, ein
wasserfreies Salz, macht eine Ausnahme. Von allen anderen Salzen
in der ersten Tabelle sind die Krystalle Hydrate. In der zweiten
Tabelle sind zwei Ausnahmen, schwefelsaures Ammoniak und
schwefelsaures Bittererde-Kali, welche beide
krystallinische Hydrate sind. Wegen dieser Ausnahmen (deren man
in der Folge wahrscheinlich noch mehrere entdeken wird)
laͤßt sich keine allgemeine Regel festsezen.
Bei meinen Versuchen mit schwefelsaurem Natron bemerkte ich oft,
daß sich ein Theil des Salzes in glaͤnzenden
durchsichtigen Krystallen absezt, welche, wenn die
uͤbrige Fluͤssigkeit zu krystallisiren anfing,
weiß und undurchsichtig wurden. Faraday hat bereits diese Erscheinung im Journal of Science Bd. XIX.
beschrieben; er fand, daß die Krystalle nur acht anstatt zehn
Atome Krystallwasser enthalten. Nach Faraday sollen sie sich nur in verschlossenen
Gefaͤßen bilden; ich habe gewoͤhnlich mit offenen
Gesaͤßen gearbeitet; in einem Falle war das Gefaͤß
eine offene vier Zoll weite Schale.
Das schwefelsaure Natron zeigt aber gegen das Wasser noch ein
anderes Verhalten, das meines Wissens bis jezt von keinem
Schriftsteller angegeben wurde. Unter gewissen Umstaͤnden
kann naͤmlich eine kalte uͤbersaͤttigte
Aufloͤsung noch mehr krystallisirtes Salz
aufloͤsen; sie loͤst es nicht nur auf, sondern die
Aufloͤsung wird durch Schuͤtteln (wenn nicht
zufaͤlliger Weise dadurch die Krystallisation
herbeigefuͤhrt wird) sehr erleichtert. Um sich davon zu
uͤberzeugen, kann man vier Unzen schwefelsaures Natron in
vier und einer halben Unze heißen destillirten Wassers in einem
glaͤsernen Kolben aufloͤsen. Man laͤßt das
uͤberfluͤssige Salz herauskrystallisiren und
stellt das Gefaͤß mit dem Salz und der Mutterlauge in
eine Sand enthaltende Schale, die in einem gewoͤhnlichen
Kuͤchenofen einer Temperatur von 120 bis 130° F.
(39 bis 43° R.) ausgesezt wird. Wenn sich alles Salz bis
auf ungefaͤhr eine Drachme aufgeloͤst hat, nimmt
man den Kolben weg und laͤßt ihn sorgfaͤltig
erkalten. Geschieht dieß mit Erfolg, so sezen sich dabei keine
Krystalle ab und die Flasche enthaͤlt nun eine kalte
uͤbersaͤttigte Aufloͤsung nebst demjenigen
Theile des Salzes, welches durch die Hize des Sandbades
unaufgeloͤst blieb. Man neigt sie nun sanft auf eine
Seite, so daß die unaufgeloͤsten Krystalle in den oberen
Theil der Fluͤssigkeit kommen. Nachdem sie eine oder zwei
Stunden lang in dieser Lage war, wird der zuoberst befindliche
Neil des Salzes aufgeloͤst worden seyn und wenn man nun
das Gefaͤß in einer anderen Richtung neigt, wird wieder
ein anderer Theil des Salzes auf den oberen Theil der
Fluͤssigkeit kommen und sich daselbst aufloͤsen.
Bei Wiederholung dieses Versuches schuͤttelte ich
gewoͤhnlich das Gefaͤß schnell um, wodurch sich
die Krystalle viel schneller aufloͤsten; aber gerade
durch dieses Schuͤtteln wurde auch oft die
Krystallisation veranlaßt, ohne daß die Aufloͤsung
beendigt war. Eine mehr als gesaͤttigte Aufloͤsung
von schwefelsaurem Natron, die zwei, drei oder vier Tage lang in
einem kuͤhlen Zimmer stand, kann also wirklich noch auf
dasselbe Natronsalz eine aufloͤsende Kraft
aͤußern.
Ich vermuthete, daß das unaufgeloͤste Salz nicht
schwefelsaures Natron, sondern irgend eine zufaͤllige
Unreinigkeit seyn moͤchte, die sich auflost in Folge der
bekannten Eigenschaft gesaͤttigter Aufloͤsunzen
von einem verschiedenartigen Salze ein wenig aufzuloͤsen.
Ich hatte aber leinen Grund an der Reinheit des angewandten
Salzes zu zweifeln und erhielt, als ich mit anderen
Praͤparaten die Versuche wiederholte, immer dasselbe
Resultat. Um mein Natronsalz noch einer anderen Probe zu
unterziehen, bereitete ich die Aufloͤsung auf oben
beschriebene Weise, goß, nachdem sie erkaltet war, die
uͤbersaͤttigte Fluͤssigkeit in ein anderes
Gefaͤß und ließ sie krystallisiren. Ich schuͤttete
dann die Mutterlauge wieder in die Flasche zuruͤk, welche
das unaufgeloͤste Salz enthielt; sie loͤste aber
nichts davon auf. Dasselbe Salz also, welches sich in einer
kalten uͤbersaͤttigten Aufloͤsung
aufgeloͤst haben wuͤrde, war in einer bloß
gesaͤttigten Aufloͤsung (was die von den
Krystallen abgegossene Mutterlauge ist)
unaufloͤslich.
Ohne Zweifel hat dieses Aufloͤsungsvermoͤgen der
uͤbersaͤttigten Aufloͤsung seine
Graͤnzen, so wie der erste Grad oder die bloße
Saͤttigung die Graͤnze der Aufloͤsungskraft
des kalten Wassers ist; wo aber die Graͤnze der
Uebersaͤttigung ist, bleibt noch auszumitteln
uͤbrig. Diese Untersuchung ist auch mit einigen
Schwierigkeiten verbunden; denn abgesehen davon, daß
uͤbersaͤttigte Aufloͤsungen sehr leicht
ganz krystallisiren, wird die Operation manchmal durch die
Ablagerung der glaͤnzenden vierseitigen Krystalle, welche
acht Mischungsgewichte Wasser enthalten, unterbrochen. Das
schwefelsaure Natron bietet uns in der That drei Grade der
Saͤttigung dar; der erste ist die Graͤnze der
Aufloͤsungskraft des kalten Wassers; der zweite ist die
Fluͤssigkeit, welche vierseitige Prismen abgesezt hat,
und der dritte enthaͤlt eine noch groͤßere Menge
Salz. Der folgende Versuch liefert davon ein Beispiel.
13) Man ließ eine uͤbersaͤttigte Aufloͤsung
von schwefelsaurem Natron, unter welcher sich noch
unaufgeloͤstes Salz befand, viel Tage ruhig stehen. Sie
wurde dann schnell geschuͤttelt, wodurch sich der
groͤßte Theil des Salzes aufloͤste. Diese ganze
Zeit uͤber befand sie sich auf dem dritten Grade der
Saͤttigung, obgleich nicht auf den Graͤnzen dieses
Grades. Am darauf folgenden Tage hatte sich eine
betraͤchtliche Menge von glaͤnzenden und
durchsichtigen Krystallen abgesezt. Die
ruͤkstaͤndige Fluͤssigkeit befand sich nun
auf dem zweiten Grade der Saͤttigung. Das Ganze wurde im
Verlauf von drei Stunden wieder oͤfters
geschuͤttelt, ohne daß sich eine Veraͤnderung
zeigte. Zwei Stunden darauf wurde die Fluͤssigkeit
ploͤzlich beinahe fest, ohne alle bemerkbare Ursache; die
geringe Menge Fluͤssigkeit, welche jezt noch
uͤbrig war, befand sich auf dem ersten Grade der
Saͤttigung.
Ich konnte niemals mit einiger Sicherheit auf die Erscheinungen,
welche sich bei diesen Versuchen einstellen wuͤrden,
rechnen. Sie mißlangen oft ganz und man konnte nur durch
haͤufige Wiederholung derselben ihre
Eigenthuͤmlichkeiten beobachten.
Folgender Versuch liefert ein Beispiel von den
unregelmaͤßigen Resultaten, die ich erhielt.
14) Ein Pfund krystallisirtes essigsaures Natron wurde in seinem
Krystallwasser geschmolzen und in eine reine glaͤserne
Retorte gegossen. Sechs Stunden darauf war es erkaltet und
vollkommen fluͤssig, bis auf eine Krystallmasse von der
Groͤße einer Haselnuß auf dem Boden der Retorte und
einige kleinere Massen, die in der Fluͤssigkeit
schwammen. Es wurde nun oͤfters geschuͤttelt, ohne
irgend eine Neigung zur Krystallisation zu zeigen. Als man aber
einen kleinen Krystall von demselben Salze hineinbrachte,
erstarrte die ganze Masse in wenigen Secunden. Bei diesem
Uebergange vom fluͤssigen in den festen Zustand wurde
viel Waͤrme frei.
15) Man sezte nun so viel Schwefelsaͤure zu, als zur
Zersezung des essigsauren Natrons hinreichte und zog die
Essigsaure durch Destillation uͤber. Auf das
ruͤkstaͤndige schwefelsaure Natron goß man nachdem
es erkaltet war, Wasser. Am naͤchsten Tage waren
ungefaͤhr zwei Drittel des Salzes aufgeloͤst; als
man aber die Fluͤssigkeit aus der Retorte laufen lassen
wollte, krystallisirte sie ploͤzlich und wurde eine
halbfluͤssige Masse.