Titel: | Ueber das Verhältniß, welches zwischen den Leistungen einer Maschine und ihres Modelles Statt findet; von Edward Sang, Lehrer der Mathematik in Edinburgh. |
Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XLIX., S. 264 |
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XLIX.
Ueber das Verhaͤltniß,
welches zwischen den Leistungen einer Maschine und ihres Modelles
Statt findet; von Edward Sang, Lehrer der Mathematik in
Edinburgh.
Aus Jameson's
Edinburgh new Philosophical Journal. Januar 1833,
S. 145.
Sang, uͤber das Verhaͤltniß einer
Maschine und ihres Modelles.
Auf den ersten Blik sollte man glauben, daß ein gut verfertigtes
Modell die Anordnung und das Verhaͤltniß der Theile einer
Maschine und ihre Wirkungsart vollkommen repraͤsentirt.
Man koͤnnte hiernach, wenn man die Sache nicht genauer
untersucht, auch vermuthen, daß die Leistung eines Modelles in
allen Faͤllen mit derjenigen einer darnach verfertigten
Maschine uͤbereinstimmt. In diesen Irrthum verfielen
viele unserer geschiktesten Mechaniker und besten Arbeiter, und
verschwendeten so ihre Zeit und Geschiklichkeit mit der
Verfertigung von Apparaten, die, obgleich sie in kleinem
Maßstabe ihren Zwek erfuͤllen, doch gerade wegen ihrer
Einrichtung denselben verfehlen mußten, sobald sie im Großen
ausgefuͤhrt wurden. Waͤren diese Leute mit dem
Verfahren bekannt, wie man die Wirkungen einer Maschine
berechnet, oder waͤren sie in der Physik in so weit
bewandert, daß sie die Basis, auf welche solche Berechnungen
gegruͤndet sind, verstehen koͤnnten, so
wuͤrden im Maschinenfache nicht so oft unzeitige und
unausfuͤhrbare Vorschlage dem Publikum vorgelegt werden.
Sie betrachten aber diese Kenntniß zu haͤufig als
unrichtig oder als zu schwierig zum Erlernen. Sie werden
naͤmlich durch die ungereimte Unterscheidung, welche man
zwischen Theorie und Praxis gemacht hat, – als wenn die
Theorie etwas Anderes als eine Zusammenfassung der Resultate der
Erfahrung waͤre, – abgeschrekt; oder, wenn sie
auch dieses Vorurtheil uͤberwinden und sich entschließen,
in die Geheimnisse der Naturlehre einzudringen, so verirren sie
sich unter Namen und Zeichen, weit sie die Sache auf der
unrechten Seite angefangen haben. Die Aneignung solcher Kenntniß
ist allerdings mit Schwierigkeiten verbunden, aber diese
koͤnnen auch nur durch ein zwekmaͤßig angeordnetes
Studium uͤberwunden werden. Es waͤre eine grobe
Taͤuschung, wenn man die Leute in der Ansicht aufziehen
wollte, daß Kenntnisse, sie moͤgen noch so
geringfuͤgig seyn, ohne Muͤhe erworben werden
koͤnnen. Es duͤrfte jedoch sowohl fuͤr diejenigen, welche mit diesen Grundlehren schon bekannt sind,
als auch fuͤr diejenigen, die es nicht sind, nicht ganz
unnuͤz seyn, die hauptsaͤchlichsten Ursachen
anzudeuten, warum die Leistungen eines Modelles mit denen einer
darnach gebauten Maschine, nie, unter keinen Umstaͤnden,
uͤbereinstimmen koͤnnen. Dadurch duͤrfte
wenigstens die Aufmerksamkeit auf diesen wichtigen Gegenstand
geleitet werden. Bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der
Gewerbe ist es dem Erfinder einer Maschine selten
moͤglich, sie in der vollen Groͤße zu bauen; man
verfertigt gewoͤhnlich ein Modell, und fuͤhrt den
Versuch dann in großem Maßstabe aus. Wenn man aber uͤber
das Verhaͤltniß, welches zwischen einem Modelle und einem
vollkommenen Apparate Statt findet, richtige Vorstellungen hat,
so wird man auch mit ziemlicher Sicherheit den wirklichen Werth
einer Maschine oder eines Apparates zu beurtheilen im Stande
seyn.
Ich will im Folgenden den Einfluß untersuchen, welchen ein
verschiedener Maßstab auf die Staͤrke und Reibung der
Maschinen hat; wenn wir die Werke der Natur betrachten, so
finden wir, daß immer die richtigsten Grundsaͤze dabei
befolgt sind, und ich werde mich derselben auch als Beweis
fuͤr meine Behauptung bedienen.
Ehe ich aber auf den eigentlichen Gegenstand meiner Abhandlung
uͤbergehe, muß ich bemerken, daß wenn wir den Maßstab,
wornach irgend ein Instrument gebaut ist. vergroͤßern,
seine Oberflaͤche und sein Volumen in viel
hoͤherem Verhaͤltnisse zunehmen. Werden z.B. die
linearen Dimensionen eines Instrumentes alle verdoppelt, so wird
seine Oberflaͤche vier Mal und seine Staͤrke (oder
Masse) acht Mal so groß. Nimmt man die linearen Dimensionen zehn
Mal groͤßer, so wird die Oberflaͤche hundert Mal
und die Staͤrke tausend Mal groͤßer. Auf diese
Thatsachen werde ich meine spaͤteren Bemerkungen meistens
gruͤnden.
Alle Maschinen bestehen aus beweglichen Theilen, die auf einander
gleiten oder sich drehen, und entweder durch Baͤnder mit
einander verbunden sind, oder durch Stuͤzen in ihrer Lage
erhalten werden. – Auf das Gestell will ich nun zuerst
meine Aufmerksamkeit richten.
Wenn eine einfache Stuͤze bloß das Gewicht irgend eines
Maschinentheiles zu tragen hat, so wird die Staͤrke auf
eine gewisse Anzahl Centner per
Quadratzoll des Querschnittes geschaͤzt. Wir wollen nun
annehmen, die Staͤrke der Stuͤze reiche bei dem
Modelle fuͤr die doppelte darauf gelegte Last hin, und
untersuchen, was geschieht, wenn man den Maßstab, wonach das
Instrument gebaut ist, zehn Mal groͤßer nimmt. Die
Staͤrke der Stuͤze wird dadurch offenbar hundert
Mal groͤßer werden; sie koͤnnte nun 200
Belastungen von der Groͤße derjenigen des
Modelles tragen, aber dann wuͤrde das Gewicht, welches
darauf zu liegen kommt, tausend Mal so groß als bei der kleinen
Maschine, so daß die Stuͤze bei der großen Maschine nur
den fuͤnften Theil ihrer Belastung zu tragen
vermoͤchte, und die Maschine also durch ihr eigenes
Gewicht zusammenfallen muͤßte.
Hier haben wir ein Beispiel, wie sehr man sich irrt, wenn man
glaubt, daß ein Modell die Leistungen einer darnach gebauten
Maschine repraͤsentirt. Die Stuͤzen kleiner
Gegenstaͤnde sollten offenbar
verhaͤltnißmaͤßig kleiner seyn, als die
Stuͤzen groͤßerer. Die Architecten pflegen
allerdings nach Verhaͤltniß zu vergroͤßern und zu
verkleinern, aber die Natur, deren Werke unendlich
symmetrischer, schoͤner und mannigfaltiger sind als
diejenigen der Kunst, begnuͤgt sich ihre
Verhaͤltnisse mit jeder Veraͤnderung der
Groͤße zu aͤndern. Stellen wir uns einmal ein
Thier vor, welches die Proportionen eines Elephanten und bloß
die Groͤße einer Maus haͤtte; offenbar
wuͤrden die Glieder eines solchen Thieres nicht nur zu
stark fuͤr dasselbe seyn, sondern auch so
schwerfaͤllig, daß es mit den fluͤchtigeren und
besser proportionirten Geschoͤpfen von dieser
Groͤße keinen Vergleich aushielte. Kehren wir den Fall um
und vergroͤßern die Maus zum Elephanten, so werden ihre
Glieder nicht nur ganz und gar nicht im Stande seyn, das Gewicht
ihres unermeßlichen Koͤrpers zu tragen, sondern sie
duͤrften kaum mehr stark genug seyn, damit sie ihre Lage
veraͤndern koͤnnte, selbst wenn sie auf dem
Ruͤken laͤge.
Ganz dieselben Betrachtungen sind auf den Fall anwendbar, wenn
die Stuͤze durch das Gewicht anstatt
zusammengedruͤkt, ausgedehnt wird. Die Ketten der
Trinity-Bruͤke sind so angefertigt, daß sie eine
neun Mal groͤßere Last, als auf ihnen ruht, tragen
koͤnnen. Wenn man aber einen aͤhnlichen Bau von
zehn Mal groͤßeren linearen Dimensionen ausfuͤhren
wuͤrde, so waͤre die Staͤrke der neuen
Kette nur hundert Mal groͤßer als derjenigen bei Trinity,
die darauf ruhende Last hingegen tausend Mal groͤßer; so
daß der neue Bau also nur nenn Zehntel der Staͤrke
besaͤße, die noͤthig ist, damit er sich selbst
erhaͤlt. Von welcher geringen Wichtigkeit ist es also
beim Bruͤkenbau, ob ein Modell, das nach dem Maßstabe von
vielleicht eins gegen hundert gebaut ist, sein eigenes Gewicht
traͤgt! Und doch stuͤzte man auf solche
Gruͤnde einen Vorschlag, um eine Bruͤke von zwei
Boͤgen uͤber den Forth bei Queensferry zu
fuͤhren. Ganz abgesehen von dem Fahrwege und den
Fußgaͤngern wuͤrde das Gewicht der Kette allein
sie in Stuͤke zerrissen haben. Die groͤßeren
Spinnenarten spinnen im Vergleiche mit der Dike ihrer eigenen
Koͤrper viel dikere Faͤden als die kleineren; sie
waͤhlen dazu auch die verborgensten Stellen, gleichsam
als wenn sie wuͤßten, daß die ganze Kraft ihres Systems
durch haͤufige Wiedererzeugung so dichter
Gewebe aufgeopfert wuͤrde, waͤhrend die kleineren
Arten, keinen Nachtheil von einer haͤufigen Erneuerung
der ihrigen befuͤrchtend, sie von Zweig zu Zweig und oft
von Baum zu Baum fortfuͤhren. Ich erstaunte oft
uͤber die wunderbare Laͤnge dieser Faden, und
dachte dabei an die unermeßlichen Verbesserungen, die in den
Wissenschaften und zugleich in der Staͤrke der
Materialien eintreten muͤssen, wenn wir individuell Werks
von verhaͤltnißmaͤßiger Groͤße sollen
unternehmen koͤnnen.
Wenn ein Pfeiler seitwaͤrts stuͤzt, so ist seine
Staͤrke seiner Breite und dem Quadrate seiner Tiefe
zusammengenommen proportional. Macht man nun einen solchen
Pfeiler in jeder seiner linearen Dimensionen zehn Mal
groͤßer, so wuͤrde sein Vermoͤgen ein an
seinem Ende befindliches Gewicht zu tragen, wegen der vermehrten
Entfernung vom Fuße, nur hundert Mal groͤßer werden, die
Last, welche auf ihn zu liegen kaͤme, wuͤrde aber
tausend Mal groͤßer werden; daraus, daß die Theile eines
Modelles stark genug sind, kann man also keineswegs schließen,
daß die der darnach gebauten Maschine es ebenfalls seyn
werden.
Man kann demnach den allgemeinen Grundsaz aufstellen, daß bei
aͤhnlichen Maschinen die Staͤrke der Theile, wie
das Quadrat, die auf sie gelegten Gewichte aber wie der Cubus
der entsprechenden linearen Dimension variiren.
Diese Thatsache koͤnnen sich die Maschinenverfertiger
nicht genug einpraͤgen; sie sollte bei der geringsten
Veraͤnderung des Maßstabes immer beruͤksichtigt
werden, denn wenn man alle Theile einer Maschine in demselben
Verhaͤltnisse groͤßer oder kleiner machen wollte,
so beginge man den groͤßten Fehler. Wir wollen einmal den
Fluͤgel eines Insectes mit dem eines Vogels vergleichen:
wenn man eine Muͤke so lange vergroͤßert, bis ihr
Gesammtgewicht dem eines Meeradlers gleich wird, so wird ihr
Fluͤgel noch nicht einmal die Dike einer Schreibfeder
erreicht haben. Die Fluͤgel eines Vogels machen, selbst
wenn er muͤßig ist, einen betraͤchtlichen Theil
des ganzen Thieres aus; es gibt aber Insecten, die unter zwei
kaum bemerklichen Bedekungen Fluͤgel entfalten, welche
die ganze Oberflaͤche ihres Koͤrpers mehrmals
uͤbertreffen.
Die groͤßeren Thiere sind niemals seitwaͤrts
gestuͤzt; ihre Glieder (Fuͤße) sind immer in einer
beinahe senkrechten Lage: bei kleineren Thieren wird die
seitliche Unterstuͤzung immer haͤufiger, und
endlich finden wir ganze Familien von Insecten, welche auf
beinahe horizontalen Gliedern ruhen. Bei dem geringsten
Nachdenken wird sich Jedermann uͤberzeugen, daß schiefe
oder horizontale Fuͤße das Gepicht der groͤßeren
Thiere ganz und gar nicht zu stuͤzen vermoͤchten.
Man stelle sich eine Spinne so vergroͤßert vor, daß ihr
Koͤrper eben so viel wie der eines Menschen wiegt; welche
Kunstspruͤnge wuͤrde unser eins mit
fortschaffenden Instrumenten wie sie die Spinne dann
besaͤße, machen!
Ich habe bisher ziemlich verschiedene Geschoͤpfe mit
einander verglichen, um die Vergleichungen desto auffallender zu
machen; dieselben Principien lassen sich aber auch durch
Vergleichung von Individuen derselben Art erlaͤutern. Die
groͤßeren Spinnenarten zum Beispiel haben selten so lange
Beine wie die kleineren.
Wie interessant ist es die verschiedenen Thiere zu vergleichen
und die allmaͤhliche Veraͤnderung der Gestalt,
welche mit jeder Zunahme der Groͤße Statt findet, zu
betrachten! Bei kleineren Thieren tritt die Staͤrke
gleichsam in den Hintergrund, und es findet sich Raum
fuͤr die Entwiklung der kuͤnstlichsten Verzierung.
Wie zusammengesezt oder schoͤn sind die Myriaden von
Insecten, die in der Luft schweben oder das Laubwerk
bevoͤlkern. Allmaͤhlich werden die
groͤßeren davon einfacher in ihrem Bau, ihre Verzierungen
weniger. Der Bau der Voͤgel ist einfacher und
gleichfoͤrmiger, derjenige der vierfuͤßigen Thiere
noch mehr. So wie wir uns den groͤßeren
vierfuͤßigen Thieren naͤhern, verschwinden
Verzierung und Eleganz. Dieß ist das Gesez bei den Werken der
Natur und sollte es auch bei denen der Kunst seyn.
Bei einer Classe von Thieren kann man allerdings sagen, daß
dieses Gesez umgekehrt ist; wir haben noch keine allgemeine
Classification der Fische, unter den uns bekannten finden wir
aber keine so auffallende Veraͤnderung der Gestalt. Hier
braucht aber das Thier nicht sein eigenes Gewicht zu tragen; die
Groͤße desselben mag noch so sehr zunehmen, so nimmt auf
gleiche Weise die Verminderung seines Gewichtes durch die
Fluͤssigkeit, in der es schwimmt, zu. Viele von den
kleineren Wasserthieren sind aͤußerst einfach gebaut; wir
kennen aber die Beschaffenheit ihrer Verrichtungen nicht so
genau, daß wir aus dieser Thatsache nuͤzliche
Schluͤsse zu ziehen vermoͤchten.
Nachdem ich nun uͤber die relative Staͤrke einer
Maschine und ihres Modelles, wenn beide in Ruhe sind, Mehreres
gesagt habe, will ich ihre Staͤrke und Wirkungen, wenn
sie in Bewegung sind, mit einander vergleichen; dabei betrachte
ich zuerst natuͤrlich das Vermoͤgen der
Vorrichtung, dem Stoße der beweglichen Theile zu widerstehen,
sowohl wenn Alles in regelmaͤßigem Gange ist, als auch
wenn sie aus ihrem gewoͤhnlichen Laufe gerathen; dann die
Veraͤnderungen, welche in der Reibung der Theile Statt
finden, wenn dieselben vergroͤßert oder verkleinert
werden.
Die Faͤhigkeit einer Stuͤze, dem Stoße eines
beweglichen Koͤrpers zu widerstehen, haͤngt sowohl
von dem Druke, den sie aushalten kann, als auch von der
Entfernung, durch welche sie nachgeben kann, ehe Zerreißen Statt
findet, ab. Wenn eine Stuͤze ihrer Laͤnge nach
wirkt, ist ihre Staͤrke dem Quadrate der linearen
Dimension proportional, waͤhrend die Entfernung, durch
welche sie nachgeben kann, sich wie die lineare Dimension selbst
verhaͤlt; im Ganzen ist also die Faͤhigkeit, einem
Stoße zu widerstehen, dem Cubus der Laͤnge proportional,
das heißt dem Gewichte des Koͤrpers, welches auf
denselben wirken muß. Wenn also die lineare Geschwindigkeit der
Maschine mit derjenigen des Modelles einerlei seyn soll, so
werden diese Theile, was diese Wirkung betrifft, mit einander
gleichen Schritt halten.
Wirkt aber die Stuͤze seitwaͤrts, so nimmt die
Entfernung, durch welche sie ohne zu brechen nachgeben kann, bei
einer Vergroͤßerung des Maßstabes nicht zu, so daß in
diesen Theilen die große Maschine
verhaͤltnißmaͤßig schwach ist, selbst wenn die
Geschwindigkeit der Bewegung bei ihr derjenigen des Modelles
gleich bleibt.
Diejenigen Bewegungen aber, welche auf diese Weise am ersten
nachtheilige Folgen fuͤr das Ganze haben koͤnnten,
werden durch Vorrichtungen hervorgebracht, die in einem
bestimmten Verhaͤltnisse zur Dimension der Maschine
stehen: die Geschwindigkeit ist daher in der Regel bei der
großen Maschine betraͤchtlicher als bei der kleinen; so
daß bei großen Maschinen die beweglichen Theile leichter in
Unordnung gerathen koͤnnen, als bei kleinen; sie besizen
jedoch mehr absolute Staͤrke und koͤnnen einer
außerordentlichen Kraft besser widerstehen. Die absolute
Staͤrke irgend einer Vorrichtung, oder die Kraft, womit
sie aͤußeren Eindruͤken widerstehen kann, ist von
der Faͤhigkeit dieser Vorrichtung, den Wirkungen zu
widerstehen, welche dadurch entstehen, daß ihre eigenen Theile
in Unordnung gerathen, wohl zu unterscheiden.
Jedermann weiß, daß eine Thermometerkugel durch einen sehr
schwachen Schlag zerbrochen wird, und daß sie doch von einer
betraͤchtlichen Hoͤhe herabfallen kann, ohne
beschaͤdigt zu werden. Eine große Kugel von
verhaͤltnißmaͤßiger Dike kann zwar einem viel
staͤrkeren Schlage widerstehen, wird aber durch einen
Fall in Stuͤke zertruͤmmert. Die Insecten kann man
durch eine Beruͤhrung zerdruͤken, und doch besizen
viele Insectenarten eine Kraft nach Entfernungen zu
huͤpfen, die unbegreiflich scheint, wenn man sie mit der
Kleinheit des Thieres vergleicht.
Die Leistung einer Maschine ist also nie mit derjenigen des
Modelles in geradem Verhaͤltnisse, weder in Betreff des
Vermoͤgens einem bloßen Druke zu widerstehen,
noch hinsichtlich der Faͤhigkeit dem Stoße zu
widerstehen. Ich habe nun noch zu zeigen, daß eine eben so große
Verschiedenheit in Bezug auf die Reibung der Theile Statt
findet. Ich war vielleicht in meinen vorhergehenden Angaben zu
allgemein, und will nun, da ich von der Reibung spreche, mich
auf die Dampfmaschine als Beispiel beschranken. Bei einigem
Nachdenken wird Jedermann diese Bemerkungen auf andere Maschinen
anzuwenden im Stande seyn.
Die Dampfmaschine bewegt sich durch den Druk des Dampfes gegen
den Kolben. Dieser Druk kann zu ungefaͤhr zehn Pfund auf
den Zirkelzoll geschaͤzt werden. Die Reibung, welche
dieser Druk zu uͤberwinden hat, zerfallt in drei Arten:
die erste begreift die ganze Reibung in sich, welche durch die
Liederung des Kolbens und der Stopfbuͤchsen verursacht
wird, und diese steht mit der Lineardimension in geradem
Verhaͤltnisse; in der zweiten ist diejenige Reibung
inbegriffen, welche durch den Druk des Dampfes auf den Kolben
entsteht, so wie jede andere Reibung, die dem Quadrate der
linearen Dimension proportional ist; in die dritte
gehoͤrt alle diejenige Reibung, welche durch das Gewicht
der Theile entsteht, und somit dem Cubus der Dimension
proportional ist.
Angenommen nun, bei einer Dampfmaschine, deren Cylinder 20 Zoll
im Durchmesser hat, und deren Druk also, wenn er durch die
Reibung nicht vermindert wuͤrde, 4000 Pfd.
betruͤge, sey die Reibung jeglicher Art 100 Pfd.; die
Gesammtreibung wird also 300 Pfd. oder ungefaͤhr 1/13 der
Triebkraft betragen. Wir wollen jezt den Fall sezen, diese
Dampfmaschine waͤre bloß das Modell einer anderen im
Maßstabe von 1/20; so wuͤrde der neue Cylinder 4000 Zoll
im Durchmesser haben und der Druk auf den Kolben 1,600,000 Pfd.
betragen. Die Reibung der ersten Art beliefe sich auf 2000, die
der zweiten auf 40,000 und die der dritten auf 800,000 Pfd.,
daher die Gesammtsumme der Reibung nicht weniger als 842,000
Pfd. waͤre, also mehr als die Haͤlfte des
urspruͤnglichen Drukes.
Es ist nun klar, daß eine so ungeheure Maschine als Kraftapparat
hoͤchst unzwekmaͤßig waͤre, und daß, wenn
man die Vergroͤßerung noch ein wenig weiter triebe, die
ganze Triebkraft zur Ueberwindung der Reibung verwandt
wuͤrde. Es gibt also eine hoͤchste Groͤße,
uͤber welche hinaus man bei Erbauung von Dampfmaschinen
nicht gehen kann; es gibt aber auch eine geringste.
Angenommen eine unserer ersten aͤhnliche Dampfmaschine
habe einen Cylinder von bloß 1 Zoll im Durchmesser. Bei einer
solchen Maschine wird der Druk des Dampfes auf den Kolben nur 10
Pfund betragen; die dreierlei Arten von Reibung beliefen sich
respective auf 5 Pfd., 1 Pfd. und 1/80 Pfd., wovon
schon die erste der halben Triebkraft gleichkommt. Wenn man die
Verkleinerung noch weiter fortsezen wuͤrde,
duͤrfte die Reibung der Kolbenliederung bald dem Druke
des Dampfes gleichkommen.
Man ersieht hieraus, daß es fuͤr jede Art von
Dampfmaschinen zwei aͤußerste Graͤnzen
hinsichtlich der Groͤße gibt, wobei die Maschine ganz
aufhoͤrt vortheilhaft zu seyn, und zwischen diesen gibt
es eine zwekmaͤßigste Groͤße, wobei der Apparat
die groͤßte Kraft entwikelt. Durch eine geschikte
Anordnung der Theile kann man allerdings die Graͤnzen auf
beiden Seiten ausdehnen, und so die vortheilhafteste Große
bedeutend abaͤndern; aber selbst mit dieser
Beihuͤlfe erzeugen sehr große oder sehr kleine Maschinen
weniger Kraft im Verhaͤltniß zu ihrem
Brennmaterialverbrauche, als solche von mittelmaͤßiger
Groͤße, und in vielen Faͤllen waͤre es viel
zwekmaͤßiger, zwei oder drei Maschinen von mittlerer
Groͤße anstatt einer einzigen, welche ihre Gesammtkraft
hat, anzuwenden.
Jedes Instrument, es mag zur Erzeugung oder Uebertragung von
Kraft gebraucht werden, hat eine zwekmaͤßigste
Groͤße und Gestalt. Die Betrachtung des ganzen
Thier- und Pflanzenreiches lehrt diese Wahrheit. Jede
Thierart erreicht eine bestimmte Groͤße, die sie selten
uͤberschreitet, und unter welcher sie selten stehen
bleibt, wenn nicht der Mensch den regelmaͤßigen Gang der
Natur, wie dieses bei den Hausthieren geschieht, unterbricht.
Jedes Thier (und jede Pflanze) nimmt bei seinem Fortschreiten
von der Kindheit zur Reife, auf jede, Stufe dieses Fortschrittes
die Gestalt an, die dem Festerwerden ferner Theile und seiner
Lebensart am zutraͤglichsten ist. Die Weisheit und
Wohlthaͤtigkeit dieser Einrichtung werden am
auffallendsten, wenn wir unsere Betrachtungen von der Erde, die
wir bewohnen, auf andere Himmelskoͤrper lenken, welche
sich um die Sonne bewegen. Der Mensch in seinem
gegenwaͤrtigen Zustande und mit den Kraͤften, die
er auf dieser Erde besizt, auf die Oberflaͤche des
Jupiters verpflanzt, muͤßte unter seinem eigenen Gewichte
zermalmt werden; auf der Oberflaͤche des Mondes aber
wuͤrde uns unsere Staͤrke in Stand sezen, eher
nach Art der Feldheime als des Menschen uns fortzubewegen.
Die Großen der Gegenstaͤnde, welche uns auf dieser Erde
umgeben, sind daher nicht durch den Zufall, sondern nach den
unabaͤnderlichen Gesezen der Natur bestimmt; und in jedem
Falle hat die Natur ihre Anstrengungen auf das Aeußerste
getrieben. Es gibt auf jeder Seite eine Graͤnze
fuͤr die Groͤße der vierfuͤßigen Thiere
deßgleichen fuͤr die der Voͤgel; und obgleich
Myriaden von Insecten noch unbekannt seyn moͤgen, so
getraue ich mich doch zu behaupten, daß wir auch unter
diesen die doppelte Graͤnze haben. Es sind dieß nicht
bloß speculative Wahrheiten; sie geben uns die nuͤzliche,
Lehre, daß es Graͤnzen gibt, welche wir bei allem
Scharfsinne nicht zu uͤberschreiten vermoͤgen, und
denen wir uns bloß naͤhern koͤnnen. Wie oft haben
die Menschen sich mit Fluͤgeln zu versehen versucht? Wie
viele Jahre wurden verschwendet, um die Goldmacherkunst zu
erfinden? Wie vieles Geld wurde vergeudet, um ein Perpetuum mobile herzustellen! Und,
um auf die gegenwaͤrtige Zeit zu kommen, wie viele haben
sich mit den Dampfwagen ruinirt! Diese lezteren sind das
Schooßkind unserer Tage, und ich will daher einige Bemerkungen
daruͤber machen.
Auf der Oberflaͤche des Jupiter wuͤrde eine
Dampfmaschine von zwanzig Pferde Kraft nicht im Stande seyn,
sich zu bewegen: auf der Oberflaͤche unserer Erde
koͤnnte vielleicht eine von tausend Pferde Kraft ziemlich
gut gehen; auf der Oberflaͤche des Mondes hingegen
koͤnnte man sie vielleicht von 20,000 Pferden Kraft bauen
– vorausgesezt, daß der Druk der Atmosphaͤren in
den drei Faͤllen gleich ist. Auf dem Jupiter
wuͤrde ein Dampfwagen eine voͤllige
Chimaͤre seyn; auf der Erde ist er gerade noch anwendbar;
aber auf dem Monde waͤre er etwas ganz Praktisches. Wenn
die Intensitaͤt der Schwerkraft unserer Erde nur um
Weniges groͤßer waͤre, so haͤtten wir gar
keine Hoffnung mehr eine fortschaffende Maschine (Dampfwagen) zu
erhalten. Bei ihrer gegenwaͤrtigen Beschaffenheit gehen
sie gut auf flachen Eisenbahnen; so wie die Straße aber eine
Neigung erhaͤlt, werden sie weniger praktisch; auf
gewoͤhnlichen Landstraßen kann man vollends nur durch die
groͤßte Geschiklichkeit in der Auswahl und Anwendung des
Materials sowohl, als in der Anordnung der Theile bei ihrem Bau,
zu einem guͤnstigen Resultate kommen. Die Sicherheit
erfordert Staͤrke, die Staͤrke Gewicht; das
Gewicht vermehrt die Reibung, die Reibung macht eine
groͤßere Kraft noͤthig, und Kraft kann man sich
nur durch eine Vergroͤßerung des Gewichtes verschaffen.
Diesen widerstreitenden Anforderungen zu genuͤgen, kann
kein Anfaͤnger in der Mechanik versuchen, sondern nur ein
in der Theorie und Praxis derselben gleich bewanderter Mann.
Modelle nuͤzen gar nichts; denn wenn auch das Modell auf
eine betraͤchtliche Anhoͤhe zu gelangen vermag, so
beweist diese Thatsache noch nicht, daß der Apparat in seiner
vollstaͤndigen Groͤße seinem Vorbilde zu folgen im
Stande seyn wird.
Ich glaube nun auf eine Jedermann einleuchtende Weise dargethan
zu haben, daß man nie eine Maschine in allen ihren Theilen nach
einem und demselben Maßstabe vergroͤßern oder verkleinern
darf.