Titel: | Ueber einige Eigenschaften der Salpetersäure; von Hrn. H. Braconnot. |
Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. LIV., S. 297 |
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LIV.
Ueber einige Eigenschaften der
Salpetersaͤure; von Hrn. H. Braconnot.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Maͤrz
1833, S. 286.
Braconnot, uͤber die Eigenschaften der
Salpetersaͤure.
Die im Folgenden beschriebenen Versuche wurden durch die Abhandlung des Hrn.
Pelouze uͤber den
Einfluß des Wassers bei den chemischen ReactionenPolyt. Journal Bd. XLVII. S. 63.A. d. R. veranlaͤßt. Dieser Chemiker aͤußert sich uͤber die
concentrirte Salpetersaͤure folgender Maßen: „Mit Alkohol
vermischt, zersezt sie das kohlensaure Kali nicht, hingegen sehr leicht den
kohlensauren Kalk und Strontian. Kohlensaurer Baryt, kohlensaure Bittererde und
kohlensaures Natron werden auch angegriffen, aber sehr langsam.“
Ich habe diese Beobachtungen bestaͤtigt gefunden; waͤhrend die mit
Alkohol vermischte Salpetersaͤure kraͤftig auf den kohlensauren Kalk
wirkt, hat nach meinen Versuchen dieselbe Saͤure, wenn sie nicht mit Alkohol
vermischt ist, im siedenden Zustande ganz und gar keine Wirkung auf Stuͤke
weißen Marmors, und eben so wenig auf pulverfoͤrmigen kohlensauren Baryt, was
sehr auffallend scheinen duͤrfte.Die Saͤure, welche ich anwandte, erhielt ich ganz einfach, indem ich
ein Gemenge von 500 Grammen salpetersaurem Kali mit 430 Grammen
kaͤuflicher Schwefelsaͤure in einer mit Vorlage versehenen
glaͤsernen Retorte destillirte. Sie wurde dann mit salpetersaurem
Silber gereinigt und neuerdings umdestillirt.A. d. O.Daß sie auf diese Koͤrper nicht wirkt, erklaͤrt sich meiner
Meinung nach dadurch, daß salpetersaurer Kalk und Baryt in concentrirter
Salpetersaͤure unaufloͤslich sind, so wie durch die Verwandtschaft,
welche die Kohlensaͤure in ihren Verbindungen zuruͤkhaͤlt.
Ich habe mich in der That uͤberzeugt, daß diese Salze sogar in kochender concentrirter
Salpetersaͤure vollkommen unaufloͤslich sind; man braucht nur ein
wenig von dieser Saͤure in eine in der Kaͤlte bereitete
Aufloͤsung von salpetersaurem Baryt zu gießen, so schlaͤgt sich
sogleich ein großer Theil von lezterem Salze nieder; und wenn bei dem von Hrn.
Pelouze
angefuͤhrten Beispiel die mit Alkohol vermischte Salpetersaͤure auf
den kohlensauren Kalk und Baryt wirkt, so geschieht dieß, weil in diesem Falle
fuͤr jene Salze der Alkohol eben so gut ein Aufloͤsungsmittel ist wie
das Wasser, und dann findet ein lebhaftes Aufbrausen Statt.
Wird geschmolzenes kohlensaures Natron in Stuͤken in dieselbe concentrirte
Saͤure geworfen, so entweichen kaum einige kleine Blasen von kohlensaurem
Gas; sezt man aber Wasser zu, so entwikelt sich lezteres mit Heftigkeit.
Die mit Alkohol vermischte concentrirte Salpetersaͤure, welche bei dem
Versuche des Hrn. Pelouze
nicht auf das kohlensaure Kali wirkt, zersezt es rasch, wenn man den Alkohol
weglaͤßt, was ich der Aufloͤslichkeit des salpetersauren Kali's in der
concentrirten Saͤure zuschreibe; denn ich habe mich uͤberzeugt, daß
sich geschmolzener Salpeter wirklich in dieser lezteren in der Kaͤlte schon
sehr leicht aufloͤst, und daß die Aufloͤsung durch Alkohol reichlich
gefaͤllt wird.
Ich warf Stuͤke von Aezkali in concentrirte Salpetersaͤure, die mit
ihrem mehrfachen Volumen Aether verduͤnnt war; sie blieben darin; ohne daß
irgend eine Reaction Statt fand; die Temperatur darf aber nicht hoch seyn, und man
darf das Gemenge auch nicht zu sehr schuͤtteln, weil sich sonst die
Einwirkung mit Heftigkeit einstellt und so viel Waͤrme dabei frei wird, daß
der Aether bald verfluͤchtigt ist, so daß nur noch eine Masse von
salpetersaurem Kali zuruͤkbleibt.
Die concentrirte Salpetersaͤure greift das Zinn in der Kaͤlte nicht an
und hat auch keine Wirkung auf dasselbe, wenn man sie mit diesem Metall kocht.
Bekanntlich findet hingegen eine der heftigsten Reactionen Statt, wenn man dieses
Metall in verduͤnnte Salpetersaͤure bringt.
Eisenfeile oder, wenn man will, Eisenbleche, die in concentrirte
Salpetersaͤure getaucht werden, behalten darin, ohne die geringste
Veraͤnderung zu erleiden, ihren Metallglanz vollstaͤndig, so daß sie
auf diese Art gegen den Rost geschuͤzt sind. Kocht man dieselbe Saͤure
uͤber diesen Blechen, und uͤbersaͤttigt sie dann mit Ammoniak,
so fallen kaum einige unbedeutende Floken von Eisenoxyd nieder.
Kochende concentrirte Salpetersaͤure greift das Silber gar nicht an. Das
salpetersaure Silber ist aber auch in der Salpetersaͤure vollkommen unaufloͤslich,
und die Aufloͤsung d. s. Metallsalzes in Wasser wird durch dieselbe
Saͤure reichlich gefaͤllt.
Kocht man concentrirte Salpetersaͤure mit zertheiltem Blei, so loͤst
sie davon nicht die geringste Spur auf; denn wenn man die Saͤure nach dem
Kochen mir Ammoniak saͤttigt und dann Schwefelsaͤure zusezt, so bleibt
die Fluͤssigkeit vollkommen klar. Uebrigens ist das salpetersaure Blei in
Salpetersaͤure so wenig aufloͤslich, daß die waͤsserige
Aufloͤsung desselben großen Theils durch diese Saͤure gefaͤllt
wird. Ich mußte hieraus folgern, daß leztere in concentrirtem Zustande trokenes
kohlensaures Blei nicht zersezen wuͤrde, was auch wirklich der Fall ist.
Kupfer, Zink, Queksilber und Wismuth werden durch die concentrirte
Salpetersaͤure lebhaft angegriffen, jedoch weniger als durch die
verduͤnnte Saͤure; hieraus muß man also schließen, daß die
salpetersauren Salze dieser Metalle in concentrirter Salpetersaͤure
aufloͤslich sind; da sie sich aber in Alkohol noch leichter aufloͤsen,
und das salpetersaure Queksilberoxydul sich darin ganz und gar nicht
aufloͤst, so folgt daraus, daß ein Gemisch von concentrirter
Salpetersaͤure mit Alkohol gar nicht auf das Queksilber wirken wird, und nur
schwach auf das Kupfer, Zink und Wismuth. Dieß ist auch wirklich der Fall.
Es schien mir, daß die von Hrn. Pelouze beobachteten Erscheinungen sich ungefaͤhr auf
dieselbe Art erklaͤren lassen. Daß z.B. die kochende geistige
Aufloͤsung der Trauben- oder Weinsteinsaͤure die kohlensauren
Salze nicht zersezt, ruͤhrt daher, daß die weinsteinsauren Salze in Alkohol
unaufloͤslich sind. Daß die concentrirte mit Alkohol vermischte
Essigsaͤure das kohlensaure Kali ebenfalls nicht zersezt, was Hrn. Pelouze sonderbar und schwer zu
erklaͤren schien, stimmt mit der von mir gemachten Beobachtung
uͤberein, daß das essigsaure Kali in einem Gemisch von concentrirter
Essigsaͤure mit Alkohol weniger aufloͤslich ist, und daß der
essigsaure Kalk sich in concentrirter Essigsaͤure auch nicht besser
aufloͤst.
Die in dieser Abhandlung angegebenen Beobachtungen uͤber die Wirkungsweise der
Salpetersaͤure, je nachdem sie concentrirt oder verduͤnnt ist,
koͤnnen fuͤr die analytische Chemie wichtig werden, indem sie ein
neues Mittel an die Hand geben, um mehrere Metalle von einander zu scheiden.