Titel: | Ueber eine neue Behandlung des Aepfelweines oder Ciders. Von Hrn. P. H. Boutigny. |
Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. LVII., S. 303 |
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LVII.
Ueber eine neue Behandlung des Aepfelweines oder
Ciders. Von Hrn. P. H.
Boutigny.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. Julius
1833, S. 44.
Boutigny, uͤber eine neue Behandlung des Aepfelweines oder
Ciders.
Einer der vorzuͤglichsten Gelehrten Frankreichs, Hr. A. Leprévost, hat vor einigen Jahren in
dem Recueil du Departement de l'Eure eine Notiz bekannt
gemacht, in der er die Bewohner jenes Departements mit der Methode vertraut zu
machen suchte, nach welcher der beruͤhmte Guernsey-Aepfelwein
behandelt wird, um ihm eine groͤßere Haltbarkeit zu geben. Diese Methode hat
jedoch, so
vorzuͤglich sie in ihren Resultaten ist, doch den Nachtheil, daß sie sehr
viel Zeit und Arbeit kostet, – ein Nachtheil, der der Befolgung derselben in
manchen Gegenden bedeutend im Wege stehen duͤrfte. Nach Hrn. Leprévost die Behandlung des
Ciders nicht eher beendigt, als bis derselbe drei Mal abgezogen worden.
Ueberzeugt von den großen Vortheilen, welche die Normandie, und uͤberhaupt
alle Gegenden, in denen Aepfelwein oder Cider erzeugt wird, von einer leichter
anwendbaren und zwekmaͤßigeren Methode ziehen wuͤrden, stellte ich
mehrere Versuche an, um auszumitteln, ob es nicht moͤglich waͤre, das
oͤftere Abziehen durch irgend ein chemisches Agens oder irgend eine andere
Operation vollkommen zu ersezen. Ich glaube so gluͤklich gewesen zu seyn,
diese Frage bejahend loͤsen zu koͤnnen.
Die Operationen, welche man zu Guernsey mit dem Cider anstellt, haben offenbar keinen
anderen Zwek, als den, einen großen Theil des Gaͤrungsstoffes, welcher in dem
Aepfelmoste in weit groͤßerer Menge enthalten ist, als es die geistige
Gaͤhrung erfordert, auszuscheiden. Wenn man nun diesen
uͤberschuͤssigen Gaͤhrungsstoff durch ein anderes einfacheres
Mittel zerstoͤrt, so muͤßte man auf diese Weise, wie mir scheint, zu
einem aͤhnlichen Resultate gelangen, wie die Erfahrung dieß denn auch
bestaͤtigt hat.
Die Methode, deren ich mich hiezu bediente, ist folgende: Ich ruͤhrte 2 Pfund
Senfmehl sorgfaͤltig mit 120 Liter suͤßen Aepfelmostes ab, spundete
das Faß, in welches ich dieß Gemisch brachte, zu, und ließ es 14 Tage ruhig liegen.
Nach Ablauf dieser Zeit fand ich, daß mein Aepfelmost schoͤn goldgelb und
vollkommen durchsichtig geworden war, so daß er in Flaschen gefuͤllt werden
konnte.
Dieses Verfahren scheint, mir theils deßwegen, weil es von Jedermann leicht befolgt
werden kann, theils weil es nur sehr wenige Unkosten veranlaͤßt, vor dem zu
Guernsey befolgten Verfahren den Vorzug zu verdienen. Jeder Landwirth kann sich
uͤbrigens, wenn sich mein Verfahren bewahren sollte, auf irgend einem
schlechten Winkel seines eigenen Grund und Bodens seinen Bedarf an Senf selbst
bauen.
Hr. Julia Fontenelle hat
bekanntlich eine große Menge von Versuchen angestellt, um auszumitteln, welche
Substanzen die Gaͤhrung des Traubenmostes am sichersten aufzuhalten oder zu
unterdruͤken vermoͤgen. Er fand hiebei, daß das Senfmehl das beste
Mittel sey, welches sich in dieser Beziehung anwenden laͤßt. Ich stellte nun
dieselben Versuche, wie dieser beruͤhmte Chemiker an dem Aepfelmoste an, und
erhielt beinahe dieselben Resultate. Es ist anerkannt, daß diese Wirkung des
Senfmehles bloß dem in ihm enthaltenen fluͤchtigen Oehle oder der Schwefel-Senfsame
zuzuschreiben ist. Dessen ungeachtet finde ich fuͤr meine Person die
Anwendung des Senfmehles vorzuͤglicher, als jene des Senfoͤhles, weil
die große Menge Eiweißstoff, welche in dem Senfsamen enthalten ist, einerseits als
Klaͤrungsmittel wirkt, waͤhrend das Senfoͤhl die
Zerstoͤrung des Gaͤhrungsstoffes bewirkt.
Ich darf jedoch nicht verschweigen, daß das Senfmehl nicht jedes Mal eine und
dieselbe Wirkung hervorbringt. Woher diese Anomalie kommt, habe ich, meiner vielen
Nachforschungen ungeachtet, noch nicht ermitteln koͤnnen. Ich habe daher
wegen dieser Unsicherheit noch ein anderes Mittel ausfindig gemacht, welches zwar
nicht besser, aber doch sicherer als das Senfmehl wirkt.
Ich ließ naͤmlich 30 Liter suͤßen Aepfelmost fuͤnf Minuten lang
mit einem halben Pfunde Klatschrosen oder Feldmohn-Blumen kochen;
fuͤllte dieß in ein Faß von 120 Liter, welches vorher gehoͤrig
geschwefelt worden, und fuͤllte es dann mit ungekochtem Aepfelmoste an.
Nachdem ich das Gemenge gut umgeruͤhrt, ließ ich es 1 bis 2 Monate ruhig
stehen, je nachdem die Temperatur hoͤher oder niedriger war. Als der Wer
vollkommen klar geworden, fuͤllte ich ihn bei gutem Wetter in Flaschen, die
ich gut verpfropfte und versiegelte. Ich glaube, daß der Aepfelwein durch dieses
Verfahren weit angenehmer und haltbarer gemacht werden kann; ich werde
uͤbrigens meine Versuche weiter fortsezen, und hoffe es noch dahin zu
bringen, daß der Cider einst bei einem Vergleiche mit dem Champagner nicht gar zu
weit zuruͤkstehen wird.