Titel: | Von der Kunst, lederne Schläuche zu verfertigen. |
Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XCIXC., S. 434 |
Download: | XML |
XCIXC.
Von der Kunst, lederne Schlaͤuche zu
verfertigen.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. August
1833, S. 83.
Kunst, lederne Schlaͤuche zu verfertigen.
Unter dem Namen Schlaͤuche (outres) versteht man lederne Saͤke, deren man sich im
suͤdlichen Frankreich, in Italien, Spanien und uͤberhaupt in allen
suͤdlichen Laͤndern zum Transporte des Weines und des Oehles bedient.
In Frankreich werden dieselben vorzuͤglich im Departement du Puy-de-Dôme, du Cantal, de la
Lozère, de l'Aveyron, de la Creuse, des Pyrénées, de
l'Isère, du Var, des Alpes etc. fabricirt, und zwar nach zweierlei
Methoden; d.h. erstens aus ausgedehnten und dann zusammengenaͤhten
Haͤuten, und zweitens aus einem Stuͤke Haut ohne Nath. Wir wollen
beide Methoden naͤher betrachten.
1. Von den genaͤhten
Schlaͤuchen.
Zu dieser Art von Schlauchen nimmt man hauptsaͤchlich Kuhhaͤute, indem
diese, wie man behauptet, schwammiger und daher mehr ausdehnbar sind:
Vorzuͤge, die den Ochsenhaͤuten keineswegs zukommen sollen. Man
verfertigt sie vorzuͤglich im Puy, und zwar besonders aus den Haͤuten,
welche von den Bergbewohnern der benachbarten Gegenden geliefert werden.
Die Haͤute, deren man sich zur Fabrikation von Schlauchen bedienen will,
muͤssen gleich nachdem sie von den Kuͤhen abgezogen worden, eine
Zubereitung erleiden; d.h. die Fleischer muͤssen sie alsogleich auf Stangen
ausspannen, und zwar so, daß keine Falte darin bleibt.
Man laͤßt diese Haͤute acht Tage lang in einem Kalkwasser weichen,
welches bereits ein Mal angewendet worden; d.h. man laͤßt sie so lange in
dieser Fluͤssigkeit eingeweicht, bis sie vollkommen erweicht sind, so daß
man, nachdem sie nach allen Richtungen ausgezogen worden, mit Leichtigkeit
Saͤke von solcher Groͤße, als es die Groͤße der Haut gestattet,
daraus schneiden kann.
Die auf diese Weise zugeschnittenen Haͤute werden in frisches, noch nicht
gebrauchtes Kalkwasser gelegt, und in diesem laͤßt man sie beilaͤufig
einen Monat lang, d.h. so lange, bis sie zum Abnehmen der Haare reif sind, weichen.
Ist dieß der Fall, so nimmt man sie heraus, und arbeitet sie im Flusse ab, um sie
hierauf abzufleischen und zu enthaaren. Der Kalk wird hier nur angewendet, um die
Fasern der Haut einander zu naͤhern und dichter zu machen, ohne ihr dabei die
Geschmeidigkeit zu benehmen: ein Umstand, der bei dieser Fabrikation ganz
vorzuͤglich im Auge behalten werden muß.
Nach diesen vorlaͤufigen Operationen werden die Haͤute auf Stangen an
der Sonne ausgebreitet; haben sie hierbei ihre Naͤsse, nicht aber ihre
Geschmeidigkeit verloren, so nimmt man sie aus der Sonne, und breitet sie einige
Tage hindurch Morgens und Abends auf einen trokenen Boden, ohne sie den
staͤrkeren Sonnenstrahlen auszusezen, weil sie durch diese vertroknen und zu
schnell eingehen (revenir) wuͤrden. In diesem
Falle wuͤrden sie sich naͤmlich verkruͤppeln und Saͤke
bilden, waͤhrend sie vollkommen eben bleiben muͤssen, wenn die
Schlaͤuche gut werden sollen.
Hat man die Haͤute auf diese Weise und mit aller Vorsicht auf einen
scheinbaren Grad von Trokenheit gebracht, so gibt man ihnen endlich noch die lezte
Zubereitung, indem man sie mehrere Tage lang waͤhrend der heißesten Stunden,
und wenn der Boden bereits alle seine Feuchtigkeit abgegeben hat, auf einem ebenen
und vollkommen trokenen Boden der Sonne aussezt. Es ist hier alle Sorgfalt
noͤthig, denn die geringste Feuchtigkeit des Bodens wuͤrde in die
Haͤute eindringen und dieselben eingehen machen. Im Allgemeinen gilt, daß
sich die Poren der Haute um so mehr zusammenziehen, und daß die Schlaͤuche
also um so besser werden, je laͤnger man die Haͤute der Sonne
ausgesezt laͤßt. Nach 20 bis 30 Tagen erreicht man jedoch bei guter Witterung
gewoͤhnlich das Maximum, welches zu erlangen ist.
Ist die Behandlung der Haͤute so weit gediehen, so weicht man dieselben in
reines Wasser, um sie so zu erweichen, daß man sie nahen kann, was mit derselben
Ahle und mit demselben Faden geschieht, dessen sich die Schuster, die Sattler etc.
bedienen. Dieses Naͤhen muß mit eben so vieler Sorgfalt geschehen, als die
Sattler auf das Naͤhen ihrer Riemen verwenden; die beiden Raͤnder
werden auf einander gelegt, und durch doppelte Reihen von Stichen befestigt. Zuerst
werden die Laͤngennaͤthe genaͤht, dann die Nach auf dem Boden,
und endlich jene am oberen Ende, an welchem man eine Oeffnung von beilaͤufig
2 bis 3 Zollen laͤßt, die zum Fuͤllen und Entleeren der Schlauche
dient. Beim Zuschneiden der Schlaͤuche muß man an diesem oberen Ende auch ein
um 6 Zoll laͤngeres Stuͤk lassen, damit aus diesem eine Roͤhre
von dieser Laͤnge gebildet werden koͤnne, die dann, nachdem ein guter
Kork oder ein mit Zeug umgebener, hoͤlzerner Pfropf in dieselbe gebracht
worden, mit starkem Bindfaden zugebunden werden kann. Man darf beim Naͤhen
der Schlaͤuche nicht vergessen, daß die Fleischseite der Haut nach Innen
gekehrt seyn muß.
2. Von den Schlaͤuchen ohne
Nath.
Die Schlauche dieser Art werden gewoͤhnlich nur aus Boksfellen verfertigt, und
die ganze dabei noͤthige Fertigkeit besteht darin, daß man den ganzen
Koͤrper des Thieres bei dem moͤglich kleinsten Loche in der Haut
herausschaffe. Die schoͤnsten Schlauche ohne Nath kommen aus den Departements
der sogenannten alten Auvergne, weil dort die groͤßten Boͤke gezogen
werden.
Ehemals verfuhr man bei der Fabrikation dieser Schlauche auf folgende hoͤchst
grausame Weise. Man haͤngte das Thier lebendig beim Halse und den
Vorderbeinen auf, schnitt ihm das linke Hinterbein am Kniegelenke ab, und zog dann
den ganzen Koͤrper des Thieres bei einer Oeffnung heraus, die man von dem
linken Hinterbeine bis gegen den After des Thieres hin erweiterte. War man aus diese
Weise bis zum Kopfe gelangt, so wurde derselbe abgeschnitten. Man beging diese
graͤßliche Barbarei, von der man wahrhaftig nicht glauben sollte, daß sie
sich unter menschlichen Geschoͤpfen so lange erhalten konnte, weil man
glaubte, die Schlauche wuͤrden um so besser, in je kuͤrzerer Zeit die
Haut von einem lebenden und vollkommen gesunden Thiere abgezogen worden.
Dieses Verfahren ist nun seit laͤngerer Zeit den Fortschritten der Civilisation gewichen; und
merkwuͤrdig hierbei ist, daß die Bauern der ehemaligen Auvergne, die von
manchen Reisenden beinahe mit wilden Thieren verglichen wurden, gerade die ersten
waren, die davon zuruͤkkamen. Man verfahrt gegenwaͤrtig folgender
Maßen. Nachdem der Bok erwuͤrgt worden, wird er nach der gewoͤhnlichen
Methode mit einem Blasebalge aufgeblasen, um die Haut von dem Fleische loszumachen.
Dann werden ihm der Kopf uͤber dem Halse und die Beine vor dem Kniegelenke
abgeschnitten, worauf man ihn bei den Hinterbeinen aufhaͤngt, und bei der
Oeffnung des Halses nach und nach saͤmmtliche Theile des Koͤrpers
heraus befoͤrdert. Man vollbringt diese Arbeit mit solcher Schnelligkeit, daß
das Fell noch warm ist, wenn die Operation vollendet ist. Zulezt werden die beiden
Hinterbeine gleichfalls am Kniegelenke abgeschnitten.
Die erste Operation, welche nun folgt, besteht darin, daß man das Fell stark
einsalzt, wozu man dasselbe noch warm umkehrt, so daß die Fleischseite noch Außen,
die Haarseite hingegen nach Innen gekehrt ist. Das umgekehrte Fell wird auf einem
Tische ausgebreitet und mit gestoßenem Salze bestreut, welches man dann durch
starkes und lange fortgeseztes Einreiben so in das Fell einreibt, daß alle Theile
desselben an der Fleischseite gehoͤrig mit Salz gesaͤttigt sind. Auf
der ganzen Oberflaͤche wird zulezt auch noch eine leichte Schichte
gepulverten Salzes aufgestreut. Die auf diese Weise behandelten Haͤute werden
dann zusammengefaltet und auf einander gelegt, so daß die zulezt erwaͤhnte
Salzschichte zwischen je zwei Haͤute zu liegen kommt. Auf den dadurch
gebildeten Haufen wird ein Brett gelegt, welches man mit Steinen beschwert, um die
Haͤute dann 14 Tage lang in diesem Zustande liegen zu lassen.
Nach Ablauf dieser Zeit kehrt man die Haute wieder um, so daß die Haare nach
Auswaͤrts gekehrt sind, worauf man dann die Haare ziemlich kurz abschneidet.
Ist dieß geschehen, so werden die Oeffnungen der vier Beine mit gutem Bindfaden fest
zugebunden, und der After mit Ahle und Pechdraht zugenaͤht. Auch die Oeffnung
des Halses, durch welche der Schlauch gefuͤllt und ausgeleert wird, wird auf
gleiche Weise mittelst einiger Windungen starken Spagates gut zugebunden. Einige
Fabrikanten bringen, um die Bildung von Falten an der zugebundenen Stelle des
Halses, und das haͤufige Aussikern der Fluͤssigkeiten an denselben zu
vermeiden, einen hoͤlzernen Spund, welcher im Umfange etwas ausgeschweift
ist, und der mit Leinwand umwikelt wird, in das Loch des Halses, um dieses dann mit
gutem festem Spagate, der sich gehoͤrig an die am Umfange des Spundes
angebrachte Ausschweifung anlegt, gut zuzubinden. In der Mitte des hoͤlzernen
Spundes bringt man gleichfalls wieder ein Loch an, welches mit einem guten Korkstoͤpsel
verschlossen wird. Man braucht auf diese Weise, wenn man die in dem Schlauche
enthaltene Fluͤssigkeit kosten lassen will, nur den Korkstoͤpsel
herauszuziehen. Gewoͤhnlich geschieht dieses Kosten dadurch, daß man einen
der Fuͤße des Schlauches aufbindet, ein Verfahren, welches weit
muͤhsamer ist.
3. Von dem Aufbewahren der
Schlaͤuche.
Um die Schlauche laͤnger in brauchbarem Zustande Zu erhalten, ist es von
großer Wichtigkeit, denselben jene Geschmeidigkeit zu sichern, die zu ihren
vorzuͤglichsten Charakteren gehoͤrt, und in Folge deren sie die
Reibung, welcher sie bei dem Transporte auf dem Ruͤken von Eseln und
Maulthieren bestaͤndig ausgesezt sind, gut vertragen. Das beste bisher
bekannte Verfahren in dieser Hinsicht besteht darin, daß man die Schlauche von Zeit
zu Zeit mit Honig behandelt.
Man laͤßt zu diesem Behufe auf jeden Schlauch 4 Pfund Honig in 8 Liter Wasser
kochen, schaͤumt dieses, nachdem es 1/4 Stunde lang gekocht, ab, nimmt es
dann vom Feuer, und versezt es, nachdem es seine groͤßte Hize verloren, mit
einem Pfunde Rokenmehl, welches vorher durch ein seidenes Sieb geseiht worden. Man
erhaͤlt auf diese Weise einen klaren Brei, den man noch heiß in den Schlauch
gießt, worauf man denselben verschließt, und ihn nach allen Seiten und Richtungen
beutelt, damit sich das Gemenge vollkommen gleichmaͤßig uͤber das
ganze Innere des Schlauches verbreite. Die Fluͤssigkeit sikert in Folge der
Waͤrme durch die Haut nach Außen, worauf man dann die Außenseite des
Schlauches gleichfalls mit Rokenmehl abreibt. Man rollt hierauf den Schlauch nach
allen Seiten, und kann sich dann desselben einige Augenblike, nachdem die
Fluͤssigkeit ausgelaufen, sogleich bedienen. Dieses Verfahren eignet sich
sehr gut fuͤr die Weinschlaͤuche, und noch besser fuͤr die
Oehlschlaͤuche.
Man hat bisher leider noch kein Mittel ausfindig gemacht, wodurch den
Schlaͤuchen der unangenehme Ledergeruch, den sie so lange behalten, und den
sie auch den darin enthaltenen Fluͤssigkeiten mittheilen, benommen werden
koͤnnte. Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß sich ein Mal ein
Chemiker mit diesem Gegenstaͤnde beschaͤftigen moͤchte.