Titel: | Ueber die elektrischen Eigenschaften des Kautschuks. Von Hrn. J. O. N. Rutter. |
Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XII., S. 45 |
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XII.
Ueber die elektrischen Eigenschaften des
Kautschuks. Von Hrn. J. O. N.
Rutter.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
515.
Rutter, ueber die elektrischen Eigenschaften des
Kautschuks.
Einer meiner Freunde, Hr. W. Dixon, sah vor ein Paar
Monaten ein Paar meiner Kautschukballons, welche ich nach meiner Methode aufgeblasen
hatte.Hr. Rutter erweicht die Kautschukflaschen vor dem
Aufblasen in heißem Wasser, wogegen Hr. Baddeley
bemerkte, daß es besser sey, die Flaschen durch trokene Hize zu
erwaͤrmen, indem das heiße Wasser nachtheilig auf die Eigenschaften
des Kautschuks einwirke. Hr. Rutter versichert
nun aber, daß er von der Anwendung des heißen Wassers durchaus keine
Nachtheile sah, daß er die Flaschen nur deßwegen anfangs in heißes Wasser
eintauche, um sie so schnell als moͤglich gleichmaͤßig zu
erwaͤrmen; und daß er spaͤter gleichfalls trokene
Waͤrme zur Erweichung des Kautschuks anwende.A. d. Ueb. Als er nach Hause zuruͤkgekehrt war, versuchte er auf gleiche Weise
einen Ballon zu blasen, und der Versuch gelang ihm vollkommen. Voll Freude
uͤber dieses guͤnstige Resultat nahm er den Ballon, und zeigte ihn
seiner Frau, welche eben mit Naͤhen beschaͤftigt war, und das
Kunstproduct ihres Mannes mit Aufmerksamkeit betrachtete. Zu seinem Erstaunen machte
nun Hr. Dixon hierbei die Bemerkung, daß der Faden, womit sein
Weib naͤhte, von dem Kautschukballon abwechselnd angezogen und abgestoßen
wurde, und daß diese Bewegung wiederholten Versuchen gemaͤß von nichts
Anderem, als von Elektricitaͤt herruͤhrte. Er theilte mir also gleich
den Morgen darauf seine Entdekung mit, und ersuchte mich, dieselbe weiter zu
pruͤfen und zu erforschen.
Ich hatte gehofft, uͤber diesen interessanten, und wie mir scheint, neuen
Gegenstand eine vollkommene Reihe von Versuchen anstellen zu koͤnnen; leider
wurde ich aber daran gehindert, so daß ich mich mit einigen unausgearbeiteten
Mittheilungen hieruͤber begnuͤgen muß.
Nach einigen Versuchen, die mein Freund und ich mitsammen mit Kautschukballons von
verschiedener Groͤße angestellt, kamen wir endlich dahin uͤberein, an
einer Elektrisirmaschine statt des glaͤsernen Cylinders oder statt der
Glasscheibe einen solchen Kautschukballon anzubringen. Da Hr. Dixon eine kleine Scheibenmaschine besaß, so nahmen wir demgemaͤß
sogleich die Scheibe ab, und brachten einen Ballon von beilaͤufig 9 Zoll im
Durchmesser an deren Stelle. Der Versuch entsprach unseren Erwartungen.
Hierdurch ermuntert ließ ich einen einfachen Apparat verfertigen, und an diesem einen
Ballon von beilaͤufig 14 Zollen im Durchmesser anbringen. Wenn nun dieser
Apparat in Bewegung gesezt und mit der Hand gerieben wurde, so entstand eine
elektrische Wirkung, die jener einer kleinen Elektrisirmaschine von
gewoͤhnlicher Form vollkommen gleichkam.
Der Kautschuk in seinem gewoͤhnlichen Zustande, d.h. in festen Massen oder in
Flaschen, ist, gleich anderen Harzen, ein elektrischer Koͤrper, jedoch in
weit geringerem Grade, als das Siegellak. Wird er hingegen aufgeblasen, so entwikeln
sich dessen elektrische Eigenschaften in einem weit hoͤheren Grade, als es
mir an irgend einer anderen Substanz bekannt ist. Ein bloßer Schlag mit der Hand auf
einen Ballon von mittlerer Groͤße reicht hin, um so viel Elektricitaͤt
in demselben rege zu machen, daß er ein aus Goldblaͤttchen verfertigtes
Elektrometer in einer Entfernung von 6 Zollen afficirt. Mit einem Ballon, den ich
fest mit der einen Hand faßte und staͤrk mit der anderen Hand rieb, brachte
ich einen elektrischen Zustand hervor, in Folge dessen die Goldblaͤttchen
selbst in einer Entfernung von 4 Fuß noch in sehr merkliche Bewegung kamen. War die
Elektricitaͤt des Ballons sehr angeregt, und befand sich derselbe sehr nahe
an dem Elektrometer, so wurde das Goldblaͤttchen oͤfter zerrissen und
in Truͤmmern an die Waͤnde des glaͤsernen Gefaͤßes, in
welchem es aufgehaͤngt war, geschleudert.
Wenn ich einen Kautschukballon an einem gehoͤrigen Apparate anbrachte, und ihn wie eine
Elektrisirmaschine in Bewegung sezte, so konnte ich mit diesem Apparate die meisten
jener einfachen Versuche anstellen, die man mit einer Elektrisirmaschine, deren
Cylinder 5 Zoll, oder deren Scheibe 10 Zoll mißt, anzustellen pflegt. Der
elektrische Funken einer solchen Maschine ist jedoch minder glaͤnzend, und
wie mir duͤnkt, mehr blaßblau, als jener einer Glasmaschine.
Die groͤßte Laͤnge der Funken, welche ich bisher auf diese Weise
erreichte, betrug 1/10 Zoll. Ein zwei Unzenflaͤschchen, welches mit der
Kautschukmaschine geladen wurde, gab mir und Anderen einen Schlag, der eben ohne ein
Gefuͤhl von Schmerz ertragen werden konnte.
Die Hauptschwierigkeit bei der Anwendung dieses Ballons liegt im Sammeln der auf
deren Oberflaͤche erzeugten Elektricitaͤt. Vielleicht wird der
Kautschuk in dem Verhaͤltnisse, in welchem er duͤnner wird, ein
vollkommnerer Nichtleiter. Ich fand, daß die Elektricitaͤt dem Kautschuk mit
außerordentlicher Hartnaͤkigkeit anhaͤnge, so daß das
guͤnstigste Verhaͤltniß einer nicht leitenden Substanz noͤthig
ist. Ich habe oͤfter mittelst eines Ballons zwischen dem Conductor und der
Achse einer 24zoͤlligen Scheibenmaschine eine Verbindung hergestellt, fand
aber deren elektrische Wirkung nie dadurch beeintraͤchtigt.
Die Kautschukmaschine ist gegen eine feuchte Luft weniger empfindlich, als die
Glasmaschine. Sie erfordert kein Amalgam und kein anderes Reibkissen, als die Hand
des Operateurs. Ich wendete Seide, Wollenzeug und Pelz als Reibkissen an; die
staͤrkste Wirkung erhielt ich jedoch immer, wenn ich mich bloß der Hand
bediente. Zuweilen mag es wohl gut seyn, statt der Hand ein seidenes Tuch zu nehmen,
allein bloß zu dem Behufe, um die durch die Ausduͤnstung feucht gewordene
Haut wieder zu troknen. Ich ziehe die Hand aus mannigfachen Gruͤnden als
Reibkissen vor, und diese Gruͤnde werden sich Jedem, der meine Versuche
wiederholen will, von selbst ergeben.
Ich habe bereits angedeutet, daß meine Maschine außerordentlich einfach in ihrem Baue
ist: ich wollte fuͤr ein bloßes Experiment keine großen Ausgaben machen. Nun
kann ich aber mit voller Ueberzeugung behaupten, daß ein gehoͤrig
angebrachter Kautschukballon unsere physikalischen Apparate auf eine sehr
interessante und nuͤzliche Weise vermehren wird, und daß ein solcher Apparat
durchaus nicht als bloße Spielerei betrachtet werden darf. Es ist dieß, wie ich
glaube, das erste Mal, daß eine einfache und wenig kostspielige
Harz-Elektrisirmaschine erbaut wurde. In dem Laboratorium der Chemiker
duͤrfte eine solche Maschine durchaus nicht ohne Nuzen seyn, und bei der
Demonstration der Harzelektricitaͤt in der Physik ist sie gewiß
zwekmaͤßiger, als eine Stange rothes Siegellak, deren man sich
gewoͤhnlich bedient.