Titel: | Ueber die Anwendung des Gypses bei der Weinbereitung. Von Hrn. C. D. J. N. |
Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XXVII., S. 109 |
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XXVII.
Ueber die Anwendung des Gypses bei der
Weinbereitung. Von Hrn. C. D. J. N.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. October
1833, S. 202.
Ueber die Anwendung des Gypses bei der Weinbereitung.
In den meisten Weinbau treibenden Gegenden Frankreichs laͤßt man sich's
angelegen seyn, den rothen Weinen eine so dunkle Farbe zu geben, als man sie nur zu
erreichen im Stande ist. Dieses Streben geht so weit, daß die Weine mancher Gegenden
eine beinahe schwaͤrzliche Farbe haben, und daß mehrere Winzer oder
Weinhaͤndler sich sogar erfrechen, deßhalb zur Beimischung verschiedener
schaͤdlicher Substanzen ihre Zuflucht zu nehmen. Die Sorgfalt, mit der man
den rothen Weinen eine dunkle Farbe zu geben bemuͤht ist, beruht keineswegs
darauf, daß die Weine hierdurch besser werden, sondern lediglich darauf, weil diese
Weine im Handel gesuchter sind und folglich auch theurer bezahlt werden, als die
schwach gefaͤrbten. Da nun die Weine des Roussillon unter allen
franzoͤsischen Weinen diejenigen sind, welche am meisten Faͤrbestoff
enthalten, und da man im Roussillon die Weine zu gypsen pflegt, so bildet man sich
in vielen Gegenden ein, der Gyps habe die Eigenschaft, dem Weine eine dunklere Farbe
mitzutheilen. Um mich nun zu uͤberzeugen, ob diese allgemein verbreitete
Meinung auch wirklich begruͤndet sey, machte ich bei der Weinlese im Jahre
1832 folgenden Versuch.
Ich nahm 40 Pfunde vollkommen reife schwarze Trauben von der aus Spanien stammenden
und unter dem Namen Morastel bekannten Sorte, und theilte dieselben in zwei Theile,
wovon ich den einen mit No. 1 und den andern mit No. 2 bezeichnete. Reibe Theile wurden abgebeert,
zerquetscht und in einen irdenen, glasirten Topf gebracht. No. 1 wurde mit frisch gebranntem Gypse bestreut, waͤhrend zu No. 2 gar nichts zugesezt wurde. Die Gaͤhrung
begann noch an demselben Abende in beiden Toͤpfen, und dauerte unter den
Erscheinungen, die gewoͤhnlich bei der Gaͤhrung Statt finden, 7 bis 8
Tage lang. Nach 14
Tagen schien mir die Vinification beendigt; ich zog daher den Wein ab, und brachte
beide Fluͤssigkeiten in silberne Gefaͤße mit diamantirten Boden, in
welchem ich sie von einem sehr erfahrenen Weinbeschauer, dem ich vorher nichts von
meinem Versuche gesagt hatte, untersuchen ließ. Beide Weine hatten nach seinem
Ausspruche ganz gleiche Farbe, und unterschieden sich auch nicht durch die
leichteste Schattirung. Hiermit nicht zufrieden, wendete ich auch jenes Probemittel
an, dessen sich die Weinhaͤndler an der Kuͤste von Genua bedienen,
d.h. ich goß in ein Weinglas 3 bis 4 Finger hoch Wein, bedekte es mit der flachen
Hand und schuͤttelte es lebhaft von Oben nach Unten. Das Glas fuͤllt
sich hierbei mit Schaum, und betrachtet man es dann gegen das Licht, so kann man den
Grad der Faͤrbung leicht erkennen. Dieser Versuch zeigte jedoch so wenig eine
verschiedene Faͤrbung, wie folgender, den ich zu noch groͤßerer
Sicherheit anstellte. Ich fuͤllte naͤmlich Wein von beiden Nummern in
gleichdike Glasroͤhren von 3 Linien im Durchmesser, und beobachtete beide
neben einander gegen das Licht gehalten: die Farbe war in beiden Roͤhren
vollkommen gleich.
Es erhellt also offenbar, daß der in den Wein gebrachte Gyps keinen Einfluß auf
dessen Farbe hat, und daß die unter den Winzern hieruͤber verbreitete Ansicht
auf einem Irrthume beruhe. Wozu dient denn nun aber der Gyps, den man dem Weine
zusezt? Schon zu Zeiten der Griechen und Roͤmer uͤberstreute man die
Trauben, so wie man sie zerquetschte und in die Buͤtte brachte, mit
gebranntem Gypse, und in neuerer Zeit befolgt man in Spanien und im
suͤdlichen Frankreich dasselbe Verfahren. Sollte sich diese Methode so
unendlich lange Zeit hindurch erhalten haben, wenn sie nicht doch von einigem
wirklichen Nuzen waͤre?
Schlaͤgt man hieruͤber Chaptals Werk
uͤber die Kunst guten Wein zu bereiten nach, so wird man darin geschrieben
finden, daß der Gyps zur Aufsaugung der uͤberschuͤssigen Feuchtigkeit,
die allenfalls in den Trauben enthalten ist, dienen duͤrfte. Parmentier und Proust sagen in
der Abhandlung uͤber den Traubenzuker, daß der Gyps in der Absicht dadurch
die in den Trauben enthaltenen Saͤuren zu neutralisiren zugesezt werde. Alle
diese Ansichten sind offenbar unrichtig. Wie koͤnnten z.B. einige
Haͤnde voll Gyps die in 7 bis 8 Hectolitern Most enthaltene Feuchtigkeit
aufsaugen? Die zweite Ansicht hat zwar mehr Wahrscheinlichkeit fuͤr sich, ist
aber dennoch irrig; denn der reine Gyps hat keine Wirkung auf die in dem Moste
enthaltenen Wanzensamen, oder richtiger diese Saͤuren wirken nicht auf ihn,
so daß also seine nur
auf der geringen Menge Kalk beruhen koͤnnte, mit der er vermengt ist. Diese
geringe Menge reicht jedoch gleichfalls nicht hin, um die Wirkung, die man ihr
zuschreibt, hervorzubringen; und wozu sollte man uͤberdieß die Saͤuren
des Mostes abzustumpfen suchen? Ohne diese Saͤuren wuͤrden die Weine
nur fad und geschmaklos werden.
Die schwarzen Trauben Griechenlands, Italiens, Spaniens und des suͤdlichen
Frankreichs sind so reich an Zukerstoff, daß die daraus erzielten Weine, der
laͤngeren Gaͤhrung ungeachtet, suͤße und milde Weine sind.
Diese Weine haben daher ebendeßhalb die NeigungNeignng in den Gefaͤßen so lange still fortzugaͤhren, bis aller
Zukerstoff in Alkohol verwandelt ist, oder bis die erzeugte Menge Alkohols alle
weitere Gaͤhrung verhindert. Selten geschieht es, daß die zukerreichen Weine
bei dieser spaͤter eintretenden Gaͤhrung nicht sauer werden. Die
Weinhaͤndler, die dieß wissen, kaufen solche Weine daher meistens nur zum
Mischen anderer Weine. Zur Verhinderung dieser sauren Entartung oder dieses
Sauerwerdens dient mm eben die Anwendung des Gypses oder Kalkes, die man in den
angefuͤhrten Laͤndern vorzunehmen pflegt. Man nimmt 3 bis 5 Liter Gyps
auf 7 Hectoliter Fluͤssigkeit. Der aufloͤsliche Theil des Gypses
loͤst sich in der Fluͤssigkeit auf, und bewahrt dieselbe gegen das
Sauerwerden, gleichwie das Kochsalz das Muskelfleisch der Thiere vor Faͤulniß
bewahrt; und was den Kalk betrifft, so verbindet er sich mit den Saͤuren des
Mostes und erzeugt dadurch Salze die in ihren Eigenschaften dem Gypse gleichkommen.
Ganz aͤhnliche Resultate wuͤrde man bei der Anwendung anderer Salze,
wie z. V. der schwefelsauren Thonerde, erhalten, und daß eine solche Anwendung
wirklich hier und da geschieht, erhellt daraus, daß kuͤrzlich zu Marseille
mehrere hundert Faͤsser Wein, der mit Alaun versezt und fuͤr Algier
bestimmt war, weggenommen wurden. Die Eigenthuͤmer hatten diesem Weine
wahrscheinlich deßhalb Alaun zugesezt, damit er in dem heißen Klima Afrikas nicht so
leicht sauer werde, als dieß sonst gewoͤhnlich der Fall zu seyn pflegt.
Wahrscheinlich haͤtte sich dieser Wein durch eine sehr einfache chemische
Operation wieder von dem Alaune befreien, und dann wieder ohne Nachtheil fuͤr
die Gesundheit trinkbar machen lassen. Die mit schwefelsaurem Kalke
gesaͤttigten Weine verlieren, obschon man sie aͤußerst selten in so
hohem Grade gypst, nichts von ihren Eigenschaften; sie behalten ihren reinen
Geschmak und ihr natuͤrliches Bouquet, und koͤnnen, wie die spanischen
Weine und jene aus dem Roussillon beweisen, sehr alt werden. Sie sind der Gesundheit
nicht nachtheilig, denn die 15 bis 20 Gran Gyps, die sie hoͤchstens per Liter enthalten, machen sie gewiß nicht
schaͤdlicher, als
es ein großer Theil unserer Brunnen- oder Quellwasser, die oft weit mehr Gyps
enthalten, seyn muͤßte.Wir koͤnnen unmoͤglich dem Schluͤsse beistimmen, daß,
weil man an einigen Orten schlechtes, mit Gyps uͤberfuͤlltes
Wasser trinke, man auch schlechten gypshaltigen Wein trinken koͤnne
und muͤsse. Es ist uͤbrigens durchaus falsch, daß gypshaltiges
Wasser so unschaͤdlich sey, wie der Verfasser zu glauben scheint;
haͤtte der Hr. Verf., der sogar die Verfaͤlschung des Weines
mit Alaun in Schuz zu nehmen scheint, auch nur einen etwas in die
Arzeneikunde Eingeweihten hieruͤber um Rath befragt, so waͤre
er gewiß eines Besseren belehrt worden. Man thaͤte besser, wenn man
durch Versuche auszumitteln suchte, auf welche Weise man ohne allen Zusaz
von dergleichen schaͤdlichen Dingen guten und haltbaren Wein zu
erzeugen im Stande ist, statt daß man bestaͤndig auf dergleichen neue
oder aufgewaͤrmte Verfaͤlschungen sinnt.A. d. Ueb.
Um jedoch wieder auf meinen Versuch zuruͤkzukommen, habe ich nur noch zu
bemerken, daß ich meine Weine von beiden Nummern in Flaschen fuͤllte, welche
ich unvollkommen mit einem Korke verschloß, damit der Wein mit der
atmosphaͤrischen Luft communiciren konnte. Ich untersuchte beide Weine am
Ende des verflossenen Monates August, und fand, daß der Wein No. 1 ganz sauer und verdorben war, waͤhrend der gegypste Wein No. 2 seinen reinen Geschmak und seine schoͤne
lebhafte rothe Farbe beibehalten hatte.