Titel: | Weitere Versuche, welche an der Liverpool-Manchester-Eisenbahn zur Ermittelung der Richtigkeit des Systemes der undulirenden Eisenbahn angestellt wurden. Von Hrn. Richard Badnall. |
Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XCII., S. 403 |
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XCII.
Weitere Versuche, welche an der
Liverpool-Manchester-Eisenbahn zur Ermittelung der Richtigkeit des
Systemes der undulirenden Eisenbahn angestellt wurden. Von Hrn. Richard Badnall.
Aus dem Mechanics' Magazine No. 534, S.
69.
Weitere Versuche uͤber die
Liverpool-Manchester-Eisenbahn.
Ich hatte seit meiner lezten Mittheilung Gelegenheit, weitere Versuche an der
Liverpool-Manchester-Eisenbahn anzustellen, welche, wie ich hoffe.
Jedermann von den Vorzuͤgen des undulirenden Principes uͤberzeugen
sollen. Ich begab mich naͤmlich mit den HH. Stephenson dem aͤlteren und den HH. Dixon und Dagleish am 16. October an die
schiefe Flaͤche zu Sutton.
Die erwaͤhnten Mechaniker und ich waren vorlaͤufig daruͤber
uͤbereingekommen, daß die Richtigkeit des Principes und die Vortheile, die
sich bei der Annahme desselben ergeben wuͤrden, am besten und sichersten
durch folgenden Versuch ermittelt werden duͤrften:
Wenn die Maschine und die Last, bevor sie einen gegebenen Punkt am Fuße der schiefen
Ebene erreichten, die moͤglich groͤßte Geschwindigkeit erlangten, so
waͤre genau die Zeit zu bestimmen, die der Zug braucht, um beim Aufsteigen
von diesem Punkte aus in den Zustand der Ruhe zu gelangen. Wenn die Kraft auf diese
Weise umgekehrt worden, so waͤre auch genau jene Zeit zu messen, die der Zug
braucht, um von dem Ruhepunkte bis zu jenem Punkte herab zu gelangen, von dem aus er
sich vorher bergan bewegte.
Hieraus wuͤrde sich naͤmlich offenbar ergeben, daß, wenn das
Herabsteigen in kuͤrzerer Zeit geschah, als das Aufsteigen, die am Fuße der
Ebene erzeugte Geschwindigkeit verhaͤltnißmaͤßig groͤßer
gewesen waͤre, als die Geschwindigkeit des aufsteigenden Zuges an demselben
Punkte, und folglich wuͤrde es klar seyn, daß die Maschine und der Zug nicht
bloß zu einer eben so großen Hoͤhe emporgestiegen seyn wuͤrde, als
jene betrug, uͤber welche er herabfiel, sondern zu einer noch
groͤßeren Hoͤhe, und zwar im Verhaͤltnisse der Geschwindigkeit,
die er erlangte.
Versuch 1. Die Maschine Liver und eine Last von 13
Karren, welche zusammen 72 1/2 Tonne wogen, stiegen, nachdem sie 3/4 Meilen weit auf ebener Bahn
gelaufen waren, um eine gehoͤrige Geschwindigkeit zu erlangen, die schiefe
Ebene 278 Yards weit hinan; die Zeit, die sie brauchten, um so weit emporzukommen,
bis sie still standen, betrug 90 Secunden. Die Geschwindigkeit am Fuße der schiefen
Flaͤche betrug 12,60 engl. Meilen, und die
Durchschnitts-Geschwindigkeit 6,30 Meilen per
Stunde.
Versuch 2. Nachdem die Kraft umgekehrt worden, fuhr die
Maschine und der Zug die 278 Yards, d.h. von dem Ruhepunkte an bis zu dem Punkte, an
welchem vorher das Aufsteigen begann, in 50 Secunden hinab. Die Geschwindigkeit am
Fuße der schiefen Flaͤche betrug beilaͤufig 22,70 Meilen per Stunde; im Durchschnitte belief sich die
Geschwindigkeit aber auf 11,35 Meilen per Stunde.
Versuch 3. Die Maschine und der Zug liefen, nachdem sie
zur Erlangung der gehoͤrigen Geschwindigkeit 3/4 Meilen durchlaufen hatten,
in 75 Secunden 278 Yards hinan, bis sie still standen. Geschwindigkeit am Fuße der
schiefen Ebene 14,12; die Durchschnitts-Geschwindigkeit 7,6 Meilen per Stunde.
Versuch 4. Nachdem die Kraft umgekehrt worden, wurden die
278 Yards abwaͤrts in 40 Secunden zuruͤkgelegt. Geschwindigkeit am
Fuße der schiefen Ebene 28,32 Meilen; im Durchschnitte 14,16 Meilen per Stunde.
Versuch 5. Das Aufsteigen von 278 Yards geschah in 80
Secunden. Geschwindigkeit am Fuße der schiefen Ebene 14,22 Meilen; im Durchschnitte
7,11 Meilen per Stunde.
Versuch 6. Abwarts wurden die 278 Yards in 49 Secunden
zuruͤkgelegt. Geschwindigkeit am Fuße der schiefen Ebene 23,22; im
Durchschnitte 11,61 Meilen per Stunde.
Durchschnitt.
Summe der zur Erreichung des
Maximum der Geschwindigkeit vor dem
Aufsteigen durchlaufenen Raͤume.
Zeit, welche zum Aufsteigen der 278
Yards verbraucht wurde.
Versuch
1.
1320 Yards
90 Secunden
–
3.
1320 –
75
–
–
5.
1320 –
80
–
––––––––––––
––––––––––––
Summa
3960 Yards
245 Secunden.
––––––––––––
Durchschnitt
1320 Yards
87 2/3 Secunden
Summe der zur Erlangung des
Maximum der Geschwindigkeit beim
Herabfahren durchlaufenen Raͤume.
Zeit, welche zum
Herabsteigen uͤber die 278
Yards erforderlich war.
Versuch
2.
278 Yards
50 Secunden
–
4.
278 –
40 –
–
6.
278 –
49 –
–––––––––
––––––––––––
834 Yards
139 Secunden
–––––––––
278 Yards
46 1/3 Secunden.
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die groͤßte
Durchschnitts-Geschwindigkeit, welche die Maschine Liver bei dieser
Gelegenheit am Fuße der schiefen Ebene nach einem durchlaufenen Raume von 1320 Yards
erreichen konnte, 13,926 engl. Meilen betrug, und daß sie mit diesen Mitteln, wenn
die Kraft fortwaͤhrend wirkte, eine schiefe Ebene von 278 Yards ersteigen
konnte.
Andererseits ergibt sich aber auch, daß dieselbe Maschine mit derselben Last (wenn
der Dampf in jedem Falle auf einem Druke von beilaͤufig 50 Pfund auf den Zoll
erhallen wurde) nach dem Hinabrollen uͤber die schiefe Ebene eine
Geschwindigkeit von beilaͤufig 24,488 MeilenDie Geschwindigkeit ist in diesen Faͤllen aus der Durchschnittszahl
der zum Emporsteigen und Herabrollen noͤthigen Secunden berechnet;
wenn nun 278 beilaͤufig 6 1/3 Meile gleich sind, so erhalten wir die
absteigende Flaͤche 46 1/3 × 6 1/3 = 294 und 3600 Secunden
÷ 294 × 2 = 24,488 dem Maximum der Geschwindigkeit.A. d. O.
per Stunde erzeugte, was denn offenbar beweist, daß die
Maschine mit den angehaͤngten Wagen nicht nur den Gipfel einer Hoͤhe,
die jener, uͤber die sie herabrollte, gleich ist, erreicht, sondern auf dem
hoͤchsten Punkte noch mit einer Geschwindigkeit von mehr als 10 Meilen in der
Stunde fortgelaufen seyn wuͤrde, und zwar mit allen Mitteln, welche zur
beliebigen Erhoͤhung dieser Geschwindigkeit bei den naͤchstfolgenden
Undulationen der Bahn erforderlich sind.
Obschon nun diese Versuche die Vorzuͤge des undulirenden Principes zur
Zufriedenheit aller, die ihnen beiwohnten, erwiesen hatten, so wollte ich doch auch
noch das Resultat der Versuche bei einer doppelt so großen Last wissen. Ich schlug
daher, da es fuͤr dieß Mal zu spaͤt war, vor, das naͤchste Mal
mit einem doppelten Zuge und mit zwei Maschinen eine Geschwindigkeit von 20 engl.
Meilen zu erreichen. Ich habe schon mehrere Male vorausgesagt, welche Resultate sich
hierbei ergeben muͤßten, und freue mich nun die Details dieses wichtigen
Versuches mittheilen zu koͤnnen, der, wie man sehen wird, alle Erwartungen
uͤbertraf.
Sonntag den 20. October Morgens verließen zwei Dampfwagen, naͤmlich der
Firefly und der Pluto mit einem Zuge von beladenen Karren, welche ohne die Maschinen
und die Munitionswagen 150 Tonnen wogen, Manchester. Die ganze Laͤnge des
Zuges betrug beilaͤufig 155 Yards. Wir waͤhlten den Sonntag zu unseren
Versuchen, weil dieselben an anderen Tagen, wo bestaͤndig Waarenzuͤge
hin- und hergehen, sehr gefaͤhrlich und unbequem gewesen seyn
wuͤrden. Die Versuche wurden nach derselben Methode angestellt, wie die
vorhergehenden; gegenwaͤrtig bei denselben waren nicht nur die 9 franzoͤsischen
Ingenieurs, welche die franzoͤsische Regierung zur Untersuchung der
Eisenbahnen in England abgesandt hatte, sondern auch noch Hr. Stephenson der aͤltere von Manchester, Hr. Dagleish der aͤltere und der juͤngere, Hr. Dixon, Hr. Garnett und andere.
Die Resultate waren folgende:
Versuch 1. Die zwei Dampfwagen, der Firefly und der
Pluto, wurden an dem oben erwaͤhnten Zuge von Wagen angespannt, und langten,
nachdem sie zur Erzeugung der gehoͤrigen Geschwindigkeit eine Streke von
einer engl. Meile durchlaufen hatten, mit einer Geschwindigkeit von
beilaͤufig 20,28 engl. Meilen in der Stunde an dem Punkte an, von welchem aus
das Aufsteigen gemessen werden sollte. Hier verließ der Pluto den Zug, und der
Firefly allein stieg mit der ganzen Last in 116 Secunden 575 Yards hinan, und zwar
mit einer Geschwindigkeit, welche im Durchschnitte 10,14 engl. Meilen in der Stunde
betrug.
Versuch 2. Nachdem die Kraft des Firefly umgekehrt
worden, rollte die Maschine und die Last 575 Yards in 74 Secunden hinab. Die
Geschwindigkeit am Fuße der schiefen Ebene war 31,70 engl. Meilen per Stunde; im Durchschnitte betrug sie 15,85 Meilen per Stunde.
Versuch 3. Der Firefly und der Pluto erzeugten, nachdem
sie dieselbe Streke, wie bei dem vorhergehenden Versuche zuruͤkgelegt hatten,
am Fuße der schiefen Flaͤche eine Geschwindigkeit von beilaͤufig 14,34
Meilen in der Stunde. Der Pluto verließ hierauf den Zug, und der Firefly stieg mit
der Last in 90 Secunden 315 Yards hinan. Die Geschwindigkeit betrug im Durchschnitte
7,17 Meilen per Stunde.
Versuch 4. Nachdem die Kraft des Firefly umgekehrt
worden, rollte der ganze Zug die 315 Yards in 65 Secunden hinab. Das Maximum der
Geschwindigkeit betrug 19,82, der mittlere Durchschnitt 9,91 Meilen per Stunde.
Versuch 5. Dieselben Maschinen und dieselbe Last
erlangten, nachdem sie 1 1/2 Meilen zur Erzeugung der Geschwindigkeit
zuruͤkgelegt hatten, am Fuße der schiefen Ebene eine Geschwindigkeit von
beilaͤufig 18,32 Meilen in der Stunde. Der Pluto verließ hier wie
fruͤher den Zug, und der Firefly fuhr mit der Last in 102 1/2 Sekunde 457 1/2
Yards weit hinan, wobei die Geschwindigkeit im Durchschnitte 9,16 engl. Meilen per Stunde betrug.
Versuch 6. Der Firefly und die Last rollten die 457 1/2
Yards in 80 Secunden hinab. Das Maximum der Geschwindigkeit war 23,22 Meilen; der
mittlere Durchschnitt ergab hingegen 11,61 Meilen per
Stunde. Bei diesem Versuche ergab sich jedoch beim Umkehren der Kraft einiger Verzug,
wodurch sich der vergleichsweise Unterschied in der Geschwindigkeit
erklaͤrt.
Die Resultate aller dieser Versuche sprachen sehr zu Gunsten des undulirenden
Eisenbahnsystemes; denn es erhellte daraus offenbar, daß eine Last von weit mehr
dann 150 Tonnen durch den Firefly mit einer Geschwindigkeit, welche im Durchschnitte
15 Meilen per Stunde betrug, von dem einen Gipfel der
krummen Linie zum anderen geschafft werden koͤnne. Die Neigung betrug 1 in 99
und die ganze Laͤnge der Wellenlinie 630 bis 1150 Yards. Diese Resultate
veranlaßten mich zu folgenden Versuchen, deren Erfolge Alles uͤbertrafen.
Versuch 7. Die beiden Maschinen mit der Last hatten am
Fuße der schiefen Ebene eine Geschwindigkeit von 19,04 engl. Meilen per Stunde erreicht. Der Pluto verließ hier den Zug, und
in demselben Augenblike wurde der Dampf des Firefly abgeschlossen; und doch fuhr der
ganze Zug, welcher mit den Maschinen und den Munitionswagen an 164 Tonnen wog,
lediglich durch das erreichte Bewegungsmoment allein in 70 Secunden 323 Yards hinan,
und zwar im Durchschnitte mit einer Geschwindigkeit von 9,52 Meilen per Stunde.
Versuch 8. Der Firefly und der Zug fuhren,
waͤhrend die Kraft arbeitete, die 323 Yards in 66 Secunden hinab! Die
Geschwindigkeit belief sich am Fuße der schiefen Ebene auf 20,04; im Durchschnitte
hingegen auf 10,02 Meilen per Stunde.
Diese Versuche beweisen also ohne Zweifel zwei hoͤchst wichtige Angaben:
naͤmlich, daß eine gegebene Locomotivkraft nicht nur eine zwei Mal groͤßere Last, als sie auf einer
horizontalen Ebene fortzuschaffen vermag, mit derselben Geschwindigkeit von dem
Scheitel der einen Kruͤmme zum Scheitel der naͤchsten Kruͤmme
von gleicher Hoͤhe zu schaffen im Stande ist, sondern daß sie diese zwei Mal
groͤßere Last selbst dann von dem einen zum anderen Scheitel der
Kruͤmme von gleicher Hoͤhe zu treiben vermag, wenn die Dampfkraft auch nur die Haͤlfte der Entfernung hierdurch
angewendet wird.
Der guͤnstige Erfolg dieser meiner Versuche veranlaßte mich einen Schritt
weiter zu gehen. Ich behaupte naͤmlich, daß, wenn man die 150 Tonnen, welche
bei diesen Versuchen in Bewegung gebracht wurden, noch durch ein Gewicht vermehren
wuͤrde, wodurch das Maximum der Last fuͤr drei
Locomotivmaschinen auf ebener Flaͤche und bei einer Geschwindigkeit
von 15 engl. Meilen per Stunde erreicht waͤre,
daß, sage ich, der Firefly allein (wenn dessen Kraft den
Kraͤften der beiden anderen Maschinen gleich waͤre) den ganzen Zug mit einer
Geschwindigkeit, die im Durchschnitte 15 Meilen per
Stunde betruͤge, von dem einen Scheitel der Kruͤmme zum
naͤchsten Scheitel von gleicher Hoͤhe treiben muͤßte.
Wenn irgend Jemand einen Fehler oder Irrthum in diesen Schluͤssen oder
Behauptungen nachweisen kann, so wird er mich durch dessen Aufdekung sehr verbinden.
Ich schaͤze mich einstweilen gluͤklich uͤber die
guͤnstigen Resultate, die meine Versuche gaben, und welche alle die
Mechaniker, in deren Beiseyn sie unternommen wurden, hoͤchst zufrieden
stellten; ich glaube, daß dieselben alle die Vorurtheile und irrigen Ansichten, die
bisher uͤber diesen Gegenstand bestanden, widerlegen duͤrften, und daß
das Publikum endlich anerkennen wird, welche große Vortheile es von der Annahme des
undulirenden Eisenbahnsystemes zu erwarten hat.