Titel: | Ueber das Verfahren des Hrn. Beaujeu bei der Fabrikation des Runkelrübenzukers. |
Fundstelle: | Band 51, Jahrgang 1834, Nr. C., S. 450 |
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C.
Ueber das Verfahren des Hrn. Beaujeu bei der Fabrikation
des Runkelruͤbenzukers.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. October
1833, S. 199.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Beaujeu's Verfahren bei der Fabrikation des
Runkelruͤbenzukers.
Die Runkelruͤbenzukerfabrikation gehoͤrt unstreitig zu den
schoͤnsten, und was noch mehr ist, zu jenen Industriezweigen, die den
maͤchtigsten Einfluß auf die Cultur des Bodens, und mithin auf die Wohlfahrt
des ganzen Staates haben. Frankreich kann dieselbe, obschon sie anfangs auch hier
gegen die unguͤnstigsten Verhaͤltnisse anzukaͤmpfen hatte, und
obschon sie noch gegenwaͤrtig unkluger Weise von der Staatsverwaltung mit
einer Auflage bedroht wird, die ihren Untergang herbeifuͤhren muͤßte,
mit Recht und Stolz eine franzoͤsische nennen; denn in keinem Lande gibt es
so viele Runkelruͤbenzukerfabriken, als in Frankreich, und von Frankreich
gingen und gehen beinahe alle die Erfindungen und Verbesserungen aus, in Folge deren
diese Fabrikation mit Vortheil und Gewinn betrieben werden kann.
Die Regierungen, welche das Wohl ihres Landes verstehen und auch wirklich wollen,
sollten, wie wir glauben, diese Fabrikation nicht nur mit keiner Auflage belasten,
sondern dieselbe mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu foͤrdern und
emporzubringen bemuͤht seyn; denn sie hat nothwendig eine
Musterbewirthschaftung des Bodens zur Folge, die man bisher in keinem Lande in einem
solchen Grade trifft, als man sie da findet, wo Runkelruͤben gebaut werden.
Man gehe nach Flandern, in alle jene Theile des ehemaligen Artois und der Picardie,
wo Runkelruͤbenzuker erzeugt wird, und man wird finden, daß alle diese
Gegenden wahren Gaͤrten gleichen; die Brache, dieses traurige Zeichen der
Vernachlaͤssigung der Cultur des Bodens, ist daselbst verschwunden; die
Saaten sind uͤppig, ergiebig, rein, und wimmeln nicht von Unkraͤutern,
und der Viehstand, der mit dem Runkelruͤbenbaue in so innigem Verbande steht,
gewinnt taͤglich an Ausdehnung und Vollkommenheit, und mit ihm vermehrt sich
die Menge des Duͤngers, der kostbarsten und reichsten Huͤlfsquelle des
Oekonomen.
Beguͤnstigung jener aufkeimenden Industriezweige, die hauptsaͤchlich an
unserem Boden haͤngen, durch schuͤzende und fordernde Maßregeln, muß
der Zwek einer Regierung seyn, die bereits die Nothwendigkeit erkannte, in den nur
zu vielen unbebauten Gegenden unseres Landes landwirthschaftliche Colonien zu
errichten, aus welchen gleich aus Schulen, die Lust und die Kenntniß zum Betriebe
der Landescultur und vorzuͤglich zum Baue der verschiedenen nuͤzlichen
Wurzelarten hervorgehen. muß. Denn diese Gewaͤchse sind es
Hauptsaͤchlich, welche eine Mannigfaltigkeit in der Industrie, den Betrieb
von Zukerfabriken, Branntweinbrennereien, Staͤrkmehlfabriken, und
insbesondere eine Ausdehnung der viel zu beschrankten Viehzucht moͤglich
machen, damit es endlich dahin komme, daß Jedermann, wenn nicht sein Huhn, so doch
sein Stuͤk Fleisch im Topfe habe.
Die Runkelruͤbenzukerfabrikation vereinfacht sich von Tag zu Tag, und Alles
laͤßt hoffen, daß diese Vereinfachung bald so weit gediehen seyn wird, daß
jede groͤßere Oekonomie auch mit einer solchen Fabrik verbunden seyn wird.
Dahin arbeitet auch die Société
d'encouragement, die demjenigen einen namhaften Preis aussezte, der diese
Fabrikation jedem Oekonomen zugaͤnglich machte.
Hr. v. Dombasle machte vergangenes Jahr eine Abhandlung
bekannt, von der man große Fortschritte in dieser Hinsicht erwarten konnte; und
gegenwaͤrtig sind wir im Stande eine der vorzuͤglichsten Methoden, zu
welcher die Maceration fuͤhrte, anzugeben. Hr. v. Beaujeu hat, indem er die Geseze der Physik auf eine einfache Weise auf
die Runkelruͤbenzukerfabrikation anwandte, dem Lande einen unendlich großen
Dienst erwiesen, so daß sein Verfahren gewiß die Beruͤksichtigung aller
Industriemaͤnner verdient.
Der in den Zellen der Runkelruͤbe enthaltene Saft haͤlt den Zuker
aufgeloͤst. Um diesen Saft zu gewinnen, zerrieb man die Ruͤben, und
den auf diese Weise erhaltenen Brei preßte man in einer starken Presse aus; der
Saft, den man hierbei erhielt, gab bei gehoͤriger Behandlung den Syrup, aus
welchem der Zuker krystallisirte. Dieses Zerreiben zerstoͤrt jedoch
keineswegs alle die kleinen Blaͤschen, aus denen die Runkelruͤbe
besteht, und es blieb daher immer noch eine große Menge Saft in den ganz gebliebenen
Zellen zuruͤk.
Man empfahl aus diesem Grunde daher schon vor langer Zeit die Maceration, und dieses
Verfahren war sogar das erste, dessen man sich bei den in den Laboratorien
angestellten Versuchen bediente. Hr. v. Dombasle, der dieses
Mittel mehr in Aufnahme bringen wollte, nahm im Jahre 1831 ein Patent auf die
Maceration im Großen. Er hatte naͤmlich erkannt, daß man durch die Maceration
der in duͤnne Schnitten geschnittenen Runkelruͤben in Wasser von
80° eine mit Zuker beladene Fluͤssigkeit erhaͤlt; daß das
Wasser, welches bei der ersten Maceration nur 1/2 Grad an der Zukerwage zeigte, bei
wiederholter Maceration bis auf 7 1/2. Grad gestiegen war; und daß das Wasser in
diesem Zustande reich genug ist, um geklaͤrt und versotten zu werden. Er gab
daher den Rath, mehrere in einer schiefen Ebene uͤber einander gestellte,
hoͤlzerne Kufen anzuwenden, so daß das Wasser aus einer Kufe in die andere
gelangen, und auf diese Weise durch die gradweise Maceration immer staͤrker
und staͤrker werden koͤnnte.
Die Maceration im Wasser von 80° R. ist also hinreichend, um alle die Zellen,
in denen der Runkelruͤbenzuker enthalten ist, zu zerstoͤren, und in
Folge dieser Zerstoͤrung, welche dem Zerplazen der Huͤllen der
Staͤrkmehlkoͤrnchen bei demselben Hizgrade aͤhnlich ist,
ergießt sich der in ihnen enthaltene Saft, um sich mit dem Wasser zu vermengen.
Dieses Verfahren nun, welches fruͤher nicht im Großen befolgt wurde, und
welches nach Hrn. v. Dombasle's Erfahrungen den Ertrag an
Zuker um 7 bis 8 Proc. erhoͤht, befolgt unter sehr einfachen Modifikationen
auch Hr. v. Beaujeu. Sein Verfahren ist kein Project
mehr; denn seine Fabrik ist bereits in vollem Gange, und wurde auch schon von vielen
Fabrikanten eingesehen.
Alle Operationen bei diesem Verfahren sind sehr einfach; das dazu noͤthige
Material veranlaßt aͤußerst wenig Kosten, und die Zahl der dabei
noͤthigen Arbeiter ist um 2/3 geringer. Man braucht keine Reibe und keine
Presse mehr; einige hoͤlzerne Kufen und eine Maschine zum Zerkleinern der
Ruͤben sind die noͤthigsten Geraͤthe.
Die Schneidmaschine besteht aus einem horizontalen Aufsaze, welcher mittelst einer
Kurbel in Bewegung gesezt wird, und die an ihrem Umfange mit schneidenden
staͤhlernen Messern bewaffnet ist. Zwei Maͤnner koͤnnen auf
diese Weise in einigen Stunden eine sehr große Menge Runkelruͤben
zerkleinern. Die zerschnittenen Ruͤben werden in Kufen geworfen, welche
beilaͤufig 2000 Liter fassen, und in denen man sie mit 1000 Liter Wasser
maceriren laͤßt. Der ganze Macerationsapparat besteht aus 9 solchen Kufen,
welche, wie Fig.
11 zeigt, in einer Reihe und in einer und derselben Ebene hinter einander
aufgestellt sind. Ueber den Kufen ist ein vierekiger Wasserbehaͤlter A angebracht, welcher 3 bis 4 Hectoliter Wasser faßt,
und in welchem das Wasser durch die eintretende Dampfroͤhre B erhizt wird. Von dem unteren Theile dieses Behaͤlters
laͤuft eine Roͤhre C aus, die sich
laͤngs saͤmmtlicher Kufen erstrekt, und an der sich Haͤhne D befinden, aus denen jede der Kufen mit Wasser versehen
werden kann.
Wenn nun das Wasser in dem Behaͤlter bis auf 80° erhizt worden, so
laͤßt man dasselbe in die erste Kufe laufen. Nach einer halbstuͤndigen
Maceration zeigt der Saft 2°; man oͤffnet dann die Haͤhne KK, und laͤßt den Saft in die zweite Kufe
treten, und so fort bis zur 5ten Kufe, wo der Syrup 5 1/2° an der Syrupwage
zeigt, und eine zur Klaͤrung geeignete Staͤrke besizt. Auf diese Weise
werden die Runkelruͤben nach einander ausgezogen, und damit man die Kufen
wechseln kann, ohne daß die Operation eine Unterbrechung erleidet, ist der Apparat
aus 9 Kufen zusammengesezt. Hr. v. Beaujeu erhielt mit
seinem Apparate jedes Mal 1000 Liter Saft in einer Stunde.
Das System, dessen er sich bedient, um den Saft aus einer Kufe in die andere zu
schaffen, ist hoͤchst einfach, und auf ein Gesez des Gleichgewichtes
gegruͤndet. Fluͤssigkeiten von verschiedenen specifischen Schweren
koͤnnen auf einander gebracht werden, ohne sich mit einander zu vermengen;
das heiße Wasser gelangt auf die Oberflaͤche des kalten Wassers, und
geschieht dieß, wie Bossut zeigte, auf eine langsame und
sachte Weise, so fließt das kalte Wasser unten ab, so daß auf diese Weise nach und
nach alle Schichten der einen Fluͤssigkeit vertrieben werden, ohne daß sich
die Fluͤssigkeiten mit einander vermengen. Auf dieser Theorie beruht das
ganze System des Hrn. Beaujeu; der staͤrkste Syrup
befindet sich immer an, Boden der Kufe, und wird dann aus diesem vertrieben, um in
eine neue Kufe zu gelangen.
Um von dem Verfahren des Hrn. Beaujeu einen deutlicheren
Begriff zu geben, theilen wir in Fig. 11 einen dem
seinigen aͤhnlichen Apparat mit; wer uͤbrigens nach demselben arbeiten
will, beliebe sich mit dem Erfinder daruͤber zu verstaͤndigen, indem
derselbe ein Patent auf sein Verfahren genommen.
Jede Kufe aa ist an ihrem unteren Theile mit einem
kleinen Weidengeflechte oder mit einer durchloͤcherten Platte b versehen, wodurch die Runkelruͤbenschnitte
zuruͤkgehalten werden. Dieser Theil der Kufe, der einen kleinen Raum bildet,
ist mit Saft angefuͤllt, und geht in eine Roͤhre uͤber, welche
eine doppelte metallene Roͤhre aufnimmt. Durch diese leztere Roͤhre
circulirt Wasserdampf, durch welchen der abfließende Saft in einer solchen
Temperatur erhalten wird, daß die Fluͤssigkeit regelmaͤßig und ohne
Erschuͤtterungen abfließen und eine gute Maceration unterhalten kann. Der
Dampf gelangt durch eine Leitung, aus welcher jeder der Heber mit Dampf versehen wird, in die
Roͤhre. Jeder Heber ist mit einem Hahne k
ausgestattet, den man nach Belieben oͤffnen und schließen kann.
Wenn das Wasser durch die Maceration einen gehoͤrigen Grad von Staͤrke
erhalten hat, was ungefaͤhr nach einer halben Stunde der Fall ist, so
oͤffnet man die Haͤhne kk, wo sich
das Wasser dann in der naͤchstfolgenden Kufe auf eine neue Quantitaͤt
von Runkelruͤben ergießt, so daß man die Haͤhne nach einer halben
Stunde neuerdings wieder oͤffnen kann u.s.f. waͤhrend dieser Arbeit,
welche ununterbrochen fortgehen muß, kommen die Runkelruͤben und der Gast
nicht an das Tageslicht; der Saft erleidet keine Erschuͤtterungen, sondern
gelangt sachte, klar, durchsichtig und ohne heigemischte fremdartige Substanzen aus
dem Apparate, so daß er beim Klaͤren einen vollkommen weißen Schaum gibt, nur
einen halben Grad verliert, und nur eine sehr geringe Verminderung des Volumens
erleidet. Der Saft verlangt ferner weniger Kalk, wird sehr klar, und kann ganz so
behandelt werden, wie der beste, durch Auspressen gewonnene Saft.
Bei den vielen und erprobten Vorzuͤgen, welche dieses Verfahren darbietet,
laͤßt sich wohl erwarten, daß alle bereits bestehenden oder noch zu
errichtenden Fabriken nur mehr mit diesem Apparate arbeiten werden, der sehr wenig
Kosten veranlaßt, sehr dauerhaft ist, beinahe gar keine Ausgaben auf Unterhaltung
verursacht, die kostspieligen Pressen, Reiben und Dampfmaschinen entbehrlich macht,
den Unannehmlichkeiten der Weidengeflechte und der Sake, so wie dem Verluste an Saft
beim Reiben., beim Einfuͤllen des Markes in die Sake etc. abhilft, und
endlich keinen großen Raum erfordert.
Man koͤnnte vielleicht glauben, daß die nach dieser Methode ausgezogenen
Runkelruͤben als Viehfutter keine Vortheile mehr gewaͤhren; die
Erfahrung hat jedoch das Gegentheil bewiesen. Zwoͤlf Kuͤhe, welche
bloß mit solchen ausgezogenen Runkelruͤben und Haferstroh gefuͤttert
wurden, gaben bedeutend mehr Milch und Butter, als sie fruͤher bei der
gewoͤhnlichen Nahrung gaben, und nahmen uͤberdieß auch noch so an
Fleisch zu, daß sie nach zweimonatlicher Fuͤtterung mit bedeutendem Gewinne
verkauft werden konnten. Es scheint, daß die eiweißartigen und schleimigen Theile,
welche bei diesem Verfahren in den Runkelruͤben zuruͤkblieben, und
welche uͤberdieß eine Art von Kochung erleiden, diesen Ruͤkstand sehr
nahrhaft und zum Viehfutter hoͤchst geeignet machen.