Titel: | Ueber ein sehr empfindliches Reagens auf Blausäure, wodurch man auch ihre Quantität bestimmen kann. |
Fundstelle: | Band 51, Jahrgang 1834, Nr. CIII., S. 457 |
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CIII.
Ueber ein sehr empfindliches Reagens auf
Blausaͤure, wodurch man auch ihre Quantitaͤt bestimmen kann.
Aus dem London and Edinburgh Philos. Mag. Febr. 1834,
S. 151.
Ein sehr empfindliches Reagens auf Blausaͤure
etc.
Das salpetersaure Silber ist nach Hrn. Barry ein so
empfindliches Reagens auf Blausaͤure, daß man sie dadurch leicht in einem
Tropfen Wasser entdeken kann, der viel weniger als den zehntausenden Theil eines
Granes von dieser giftigen Substanz enthaͤlt. Wenn z.B. ein wenig von der
verduͤnnten officinellen Aufloͤsung dieser Saͤure mit einer
Pinte Wasser vermischt wird, so kann man ihre Gegenwart in einem einzigen Tropfen
der Mischung nachweisen. Das Gemisch darf auch verschiedene organische Substanzen
enthalten, wie die in den Naͤhrungsmitteln, der Milch, dem Kaffee, Thee,
Bier, Wein und der Fleischbruͤhe vorkommenden, ohne, so viel wir bis jezt
wissen, von seiner Empfindlichkeit zu verlieren. Hr. Barry glaubt jedoch, daß diese außerordentliche Empfindlichkeit des
Silberreagens, waͤhrend sie als entscheidend uͤber die Abwesenheit von Blausaͤure betrachtet werden kann,
beschraͤnktere Dienste leistet, wenn es sich darum handelt ihre Gegenwart darzuthun; denn abgesehen davon, daß man in der
Folge noch andere fluͤchtige Substanzen entdeken duͤrfte, welche auf
aͤhnliche Art auf die Silberaufloͤsung wirken, muß man bedenken, daß
dieses Reagens das Vorkommen von Blausaͤure in einigen Nahrungsmitteln
anzeigt, die bekantlich solche enthalten und auch in solchen, von denen man dieses
bisher noch nicht wußte. Ueber diesen Gegenstand muͤssen daher in
medicinisch-polizeilicher Hinsicht noch mehrere Tatsachen gesammelt
werden.
Die Anwendung der Silberaufloͤsung ist einfach. Die verdaͤchtige
Fluͤssigkeit wird mit Essigsaͤure angesaͤuert, aber so, daß sie
das Lakmuspapier nur ganz schwach roͤthet. Diese Vorsichtsmaßregel ist
noͤthig, um die Reaction von Ammoniak oder Salzsaͤure, wenn solche
vorhanden seyn sollten, zu verhindern: Man bringt dann zwei oder drei Tropfen der
(ganz kalten) Fluͤssigkeit in ein Uhrglas und bedekt dasselbe sogleich mit
einer Glasplatte, deren untere Flaͤche in der Breite einer Erbse mit einer
Aufloͤsung von salpetersaurem Silber befeuchtet wird. (Die
Silberaufloͤsung erhaͤlt man durch Aufloͤsen eines Grans
Hoͤllenstein in 100 Gran Wasser.)
Wenn nach dem Umkehren der Glasplatte der Tropfen Silberaufloͤsung ganz
ungetruͤbt geblieben ist so kann man uͤberzeugt seyn, daß keine
Blausaͤure vorhanden ist; denn im entgegengesezten Falle wird die
Silberaufloͤsung in wenigen Augenbliken durch die Bildung eines weißen
Niederschlages getruͤbt, falls die Blausaͤure nicht ganz
außerordentlich verduͤnnt ist. Wenn man aber einen Niederschlag erhalten hat,
so muß man daraus noch nicht schließen, daß derselbe Cyansilber ist, es sey denn,
daß er folgende beide Eigenschaften besizt: erstlich muß er sich in Ammoniak schnell
aufloͤsen, der wolkige Tropfen also uͤber einem Gefaͤße,
welches Aezammoniak enthaͤlt, wieder klar werden, wodurch sich das Cyansilber
von dem Jod- und Bromsilber unterscheidet; und zweitens muß er, einige
Minuten lang dem Sonnenlicht, oder laͤnger dem Tageslicht ausgesezt, seine
reinweiße Farbe unveraͤndert beibehalten. Da er sich durch diese Eigenschaft
wesentlich vom Chlorsilber unterscheidet, so ist es wichtig, sich von derselben
durch einen besonderen in groͤßerem Maßstabe angestellten Versuch zu
uͤberzeugen; man bringt daher den umgekehrten Tropfen von
salpetersaͤurem Silber stets uͤber neue Portionen der zu
pruͤfenden Fluͤssigkeit, welche in einem Schaͤlchen enthalten
ist, das durch eine Lampe erhizt wird: sobald sich der Niederschlag in deutlichen
milchweißen Floken absondert, kann man ihn den Sonnenstrahlen aussezen.
Das Cyansilber unterscheidet sich von dem Chlorsilber auch noch dadurch, daß bei der
Entzuͤndung desselben in einer offenen kurzen Glasroͤhre, das Cyan mit
einer Flamme von der gewoͤhnlichen Farbe brennt, wobei das reine Metall
zuruͤkbleibt, wenn anders die Hize stark genug war; durch diese Eigenschaft
desselben laͤßt sich auch die Quantitaͤt der (wasserfreien)
Blausaͤure sehr leicht bestimmen, welche man, wo es nicht auf große
Genauigkeit ankommt, zu ein Viertel des Gewichtes des ruͤkstaͤndigen
Silbers annehmen darf.
Will man mittelst salpetersauren Silbers die Quantitaͤt der Blausaͤure
in irgend einer Fluͤssigkeit ausmitteln, so muß man von der zu untersuchenden
angesaͤuerten Fluͤssigkeit in beinahe damit angefuͤllten verschlossenen
Gefaͤßen ungefaͤhr ein Achtel sanft uͤberdestilliren, das
Destillat rectificiren, wieder mit Essigsaͤure ansaͤuren und mit einem
schwachen Ueberschuß von salpetersaurem Silber niederschlagen; der Niederschlag darf
nur so lange mit destillirtem Wasser ausgesuͤßt werden, als die von ihm
ablaufende Fluͤssigkeit auf Lakmuspapier reagirt; er wird dann bei der
Temperatur des siedenden Wassers getroknet, hierauf gegluͤht und wieder
gewogen.
Die officinelle Blausaͤure (von der wir oben sagten, daß sie zum Versuche im
Verhaͤltniß von einem Tropfen derselben auf eine Pinte Wasser
verduͤnnt werden soll) enthaͤlt in runden Zahlen beinahe ein
Sechszehntel ihres Gewichtes wasserfreie Blausaͤure, so wie sie einige
angesehene chemische Fabriken in London (als Scheele'sche
Blausaͤure) liefern. Die Methode, die nach der pharmaceutischen Vorschrift
bereitete Blausaͤure mittelst salpetersauren Silbers auf ihren Gehalt an
Wasserfreier Saͤure zu untersuchen, um sie dann genau auf eine bestimmte
Staͤrke bringen zu koͤnnen, verdient allgemein in den Apotheken
eingefuͤhrt zu werden.