Titel: | Versuche über den Einfluß der Farbe auf die Aussaugung und Ausdünstung von Gerüchen. Von Hrn. Dr. Stark. |
Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LXVI., S. 360 |
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LXVI.
Versuche uͤber den
Einfluß der Farbe auf die Aussaugung und Ausduͤnstung von
Geruͤchen. Von Hrn. Dr. Stark.Wir haben bereits im Polyt. Journale Bd. LI. S. 157 eine
kurze Notiz uͤber die Arbeiten des Hrn. Dr. Stark mitgetheilt, finden uns jedoch wegen der
Neuheit des Gegenstandes und wegen der Wichtigkeit, die
derselbe in mancher Hinsicht erlangen duͤrfte,
veranlaßt, einen etwas ausfuͤhrlichen Auszug seiner
Abhandlung bekannt zu machen. Wir umgehen hiebei den ersten
Theil derselben, der von dem Einflusse der Farben auf die
Absorption und Ausstrahlung der Waͤrme handelt, indem
die Resultate der Versuche des Verfassers in dieser Hinsicht
beinahe durchaus mit jenen Franklin's und Davy's
uͤbereinstimmen. Wer Interesse daran findet, kann
auch hieruͤber in dem Repertory of Patent-Inventions, April 1834,
S. 257 einen Auszug nachlesen.
Im Auszuge aus den Philosophical
Transactions for 1833, Part. II.; auch im Repertory
of Patent-Inventions. Mai 1834, S.
312.
Einfluß der Farbe auf die Aussaugung und
Ausduͤnstung von Geruͤchen.
Wenn schon der Einfluß der Farbe auf die Waͤrme die
Aufmerksamkeit jener, die sich mit der Erforschung der
Absorptions- und Ausstrahlungskraft verschiedener
Substanzen beschaͤftigten, nur in geringem Grade auf sich
zog, so darf man sich wohl nicht wundern, wenn der weit minder
augenscheinliche Einfluß der Farbe auf die Geruͤche
denselben beinahe ganz entging. Ich fuͤr meinen Theil
weiß naͤmlich nicht, daß dieser Gegenstand bereits
fruͤher untersucht, und daß von irgend Jemandem
Beobachtungen oder Versuche daruͤber angestellt worden.
Ich hoffe durch meine Arbeiten wenigstens die Bahn zur weiteren
Erforschung dieses Gegenstandes gebrochen zu haben, und daß
derselbe um so mehr die Aufmerksamkeit des gelehrten und nicht
gelehrten Publikums auf sich ziehen wird, als aus meinen
Versuchen hervorgeht, daß der Einfluß der Farbe auf das
Einsaugen von Geruͤchen mit der Kraft, welche gewissen
Farben in Hinsicht auf das Einsaugen und Ausstrahlen der
Waͤrme eigen ist, im Verhaͤltnisse steht.
Meine Aufmerksamkeit wurde zuerst im Winter 1830/31,
waͤhrend welchem ich die anatomischen Saͤle
besuchte, auf diesen Gegenstand geleitet. Ich trug damals
gewoͤhnlich einen olivengruͤnen Rok;
zufaͤllig kam ich aber eines Tages in schwarzen Kleidern
in die Saͤle, und die Folge hievon war zu meinem
Erstaunen, daß diese lezteren den Cadavergeruch in hohem Grade
annahmen, und selbst nach einigen Tagen nicht ganz verloren,
waͤhrend ihn meine lichter gefaͤrbten Kleider in
weit geringerem Grade angenommen hatten, und ihn ganz verloren,
wenn man sie nur einige Zeit uͤber an der Luft
haͤngen ließ. Dieß veranlaßte mich zu einer Reihe von
Versuchen, von denen ich hier mehrere mittheilen will, und die
mich zu dem Schluͤsse brachten, daß die Farbe der
Koͤrper, abgesehen von der Natur ihrer Substanzen, einen
auffallenden Einfluß auf die Faͤhigkeit ihrer
Oberflaͤche Geruͤche einzusaugen und von sich zu
geben ausuͤbt.
1) Ich brachte 10 Gran schwarze, und eben so viel weiße Wolle mit
einem kleinen Stuͤke Kampher in ein Gefaͤß,
welches ich sorgfaͤltig vor dem Lichte bewahrte. Nach 6
Stunden zeigte sich offenbar, daß die schwarze Wolle einen weit
staͤrkeren Kamphergeruch angenommen hatte, als die weiße,
obschon keine von beiden merklich an Gewicht zugenommen
hatte.
2) Ich brachte gleiche Gewichtstheile schwarze und weiße Wolle
mit einem Stuͤke Stinkasand in eine Schublade; nach 24
Stunden roch erstere stark nach Asand, leztere hingegen kaum
merklich.
3) Ich nahm gleiche Gewichtstheile, schwarze und weiße Baumwolle,
und schloß sie mit Asand ein; ebendieß that ich auch mit
Kampher; in beiden Faͤllen nahm die schwarze Baumwolle am
meisten Riechstoff auf.
4) Ich nahm gleiche Quantitaͤten schwarze, rothe und weiße
Wolle, und stellte auf dieselbe Weise einen Versuch mit Kampher
und Stinkasand an. Das Resultat war dasselbe; die schwarze Wolle
roch bei weitem am staͤrksten, die rothe weniger, und die
weiße am wenigsten.
5) Dieselben Versuche mit Baumwolle angestellt fuͤhrten zu
gleichem Resultate.
6) Ich brachte gleiche Quantitaͤten schwarze, blaue,
gruͤne, rothe, gelbe und weiße Wolle mit Stinkasand in
eine Buͤchse, und zwar so, daß die Wollen in einem Kreise
um den Asand lagen, und weder diesen, noch einander gegenseitig
beruͤhrten. Die Buͤchse wurde an einen finsteren
Ort gestellt, und nach 24 Stunden untersucht; die schwarze Wolle
roch am staͤrksten; hierauf kam die blaue, dann die
rothe, dann die gruͤne, die gelbe roch nur sehr wenig,
und die weiße beinahe gar nicht.
7) Derselbe Versuch mit Kampher angestellt gab ein gleiches
Resultat.
8) Baumwolle von verschiedener Farbe verhielt sich auf vollkommen
aͤhnliche Weise; eben so auch Seide.
9) Ich versuchte nun das Verhaͤltniß zu ermitteln, in
welchem dieser Einfluß der Farbe bei
vegetabilischen und thierischen Substanzen zu einander steht.
Dieß war schwerer mit Genauigkeit und Gewißheit zu erforschen,
indem es außerordentlich schwer war, Wolle und Baumwolle, die
ich fuͤr die zu diesen Versuchen tauglichsten Substanzen
hielt, von gleicher Feinheit zu erhalten. Ich schloß zuerst
gleiche Gewichtstheile schwarze und weiße Wolle und eben solche
Baumwolle mit Kampher ein. Nach 24 Stunden hatte die schwarze
Wolle einen staͤrkeren Geruch angenommen, als die
schwarze Baumwolle; auch die weiße Wolle besaß mehr Geruch, als
die weiße Baumwolle; obwohl der Geruch an beiden lezteren nur
hoͤchst unbedeutend war.
10) Bei der Wiederholung dieses Versuches mit Stinkasand zeigte
sich's noch auffallender, daß beide Wollen weit mehr Geruch
angenommen hatten, als die Baumwollen. Ich stellte noch mehrere
Versuche hieruͤber an, und es schien mir aus denselben
hervorzugehen, daß die Wolle eine besondere Anziehungskraft
fuͤr uͤble Geruͤche besize. Wenn ich z.B.
Wolle, die einige Zeit mit Kampher in Beruͤhrung lag und
die stark nach Kampher roch, nur einige Stunden lang in die
Naͤhe einer geringen Quantitaͤt Schwefelbarium
brachte, so verlor sie den Kamphergeruch sehr schnell, und nahm
dafuͤr den Schwefellebergeruch in hohem Grade an. Ich muß
bemerken, daß ich mich bei allen diesen Versuchen nicht auf mein
eigenes Geruchorgan allein verließ, sondern daß ich
saͤmmtliche Glieder meiner Familie, und mehrere meiner
Freunde mit ihren Nasen zu Rache zog. Ich erwaͤhnte hier
nur einiger weniger Versuche, obwohl ich deren noch eine große
Anzahl und zwar mit verschiedenen riechenden Stoffen anstellte;
alle fuͤhrten sie zu dem allgemeinen Schluͤsse,
daß die Farbe einen großen und eigenthuͤmlichen Einfluß
auf die Einsaugung von Geruͤchen uͤbe.
Da sich alle meine Versuche bisher nur auf die unsicheren
Wahrnehmungen durch den Geruchsinn stuͤzten, so lag mir
sehr daran, wenigstens durch einen Versuch zu beweisen, daß in
den angegebenen Faͤllen auch wirklich eine
verhaͤltnißmaͤßige Vermehrung des Gewichtes der
Substanzen Statt finde, und daß die eine Farbe unwandelbar eine
groͤßere Quantitaͤt Geruch annehme, als die
andere. Als ich nun zu diesem Behufe die riechenden Substanzen,
die sich leicht verfluͤchtigen lassen, ohne bei der
Verfluͤchtigung eine Veraͤnderung zu erleiden,
durchmusterte, blieb ich beim Kampher als der zu meinen
Versuchen tauglichsten Substanz stehen. Um die verschieden
gefaͤrbten Koͤrper dem Kampherdampfe aussezen zu
koͤnnen, und zugleich zu verhindert, daß in dem
Gefaͤße, dessen ich mich hiezu bediente, keine
Luftstroͤmungen entstehen, bediente ich mich eines
trichterfoͤrmigen, oben und unten offenen Gefaͤßes
aus Weißblech. Dieses Gefaͤß ruhte auf einer eisernen
Platte, auf deren Mitte der zu verfluͤchtigende Kampher
gelegt wurde. Die gefaͤrbten Substanzen wurden, nachdem
sie genau gewogen worden, an einem gebogenen Drahte
aufgehaͤngt, und durch die obere Oeffnung des Trichters,
die hierauf mit einer Glasplatte geschlossen wurde,
eingefuͤhrt. Nach diesen Vorbereitungen wurde der Kampher
bei gelinder Hize verfluͤchtigt; nach dem
Abkuͤhlen des Apparates wurden dann die gefaͤrbten
Substanzen wieder gewogen, und die Gewichtsvermehrung
aufgezeichnet.
Nach diesem Plane arbeitend gelangte ich nun zu den
genuͤgendsten und schlagendsten Resultaten; ich habe nach
diesem Verfahren alle meine fruͤheren Versuche
wiederholt; es mag jedoch genuͤgen, wenn ich hier nur
einige derselben anfuͤhre.
1) Ich nahm 10 Gran weiße und ein gleiches Gewicht schwarze
Wolle, hing sie auf die beschriebene Weise auf, und
verfluͤchtigte dann den Kampher. Nach dem
Abkuͤhlen des Apparates zeigte sich, daß die weiße Wolle
um 1,5, die schwarze hingegen um 1,8 Gran an Gewicht zugenommen
hatte.
2) Bei einem aͤhnlichen Versuche, bei welchem jedoch
schwarze, rothe und weiße Wolle genommen wurde, ergab sich, daß
die weiße Wolle um 0,3, die rothe um 0,8, und die schwarze um
1,4 Gran schwerer geworden.
3) Bei einem anderen Versuche, bei welchem die Hize
beilaͤufig nur 10 Secunden lang auf den Kampher
einwirkte, hatte die weiße Wolle kaum merklich an Gewicht
zugenommen und nur einen schwachen Geruch angenommen; die rothe
war um 0,05, die schwarze hingegen um 0,2 Gran schwerer geworden
war.
4) Bei einem anderen Versuche wurde schwarze Wolle um 0,3, rothe
um 0,2, gruͤne um 0,25 und weiße um 0,1 Gran
schwerer.
5) Bei einem weiteren Versuche, bei welchem die verschieden
gefaͤrbten Wollen beinahe von gleicher Feinheit waren,
nahm das Gewicht der schwarzen um 1,2, jenes der dunkelblauen um
1,2, jenes der scharlachrothen um 1, jenes der
dunkelgruͤnen um 1, und jenes der weißen um 0,7 Gran zu.
Bei der Wiederholung dieses Versuches betrug die Zunahme des
Gewichtes bei der dunkelgruͤnen 0,7, bei der rothen
hingegen nur 0,6 Gran; alle die uͤbrigen Resultate
hingegen blieben sich gleich.
Um zu ermitteln, ob glatte Oberflaͤchen von gleicher
Dichtheit, welche mit Substanzen gefaͤrbt waren, die
ihrer Natur nach einander so nahe als moͤglich kamen, die
Riechstoffe eben so leicht aufnehmen, als dieß bei der Wolle der
Fall ist, nahm ich zu meinen weiteren Versuchen vierekige und
gleichgroße Stuͤke Kartenblaͤtter, die mit
verschiedenen Bleifarben angestrichen wurden. Die Farben wurden
mit einer Aufloͤsung von arabischem Gummi angemacht, und
mit einem Haarpinsel so gleichmaͤßig als moͤglich
aufgetragen. Der Apparat, dessen ich mich hiebei zur
Verfluͤchtigung des Kamphers bediente, war derselbe.
6) Von mehreren Kartenblattern von gleicher Groͤße hatte,
nachdem sie einige Zeit uͤber dem Kampherdampfe ausgesezt
gewesen, das rothe um 1, das braune um 0,9, das gelbe um 0,5
Gran, das weiße hingegen kaum merklich an Gewicht zugenommen.
Die Oberflaͤche der rothen und der braunen Karte war mit
einem feinen, leichten, wolligen Kampheranfluge bedekt; die
weiße Karte hatte einen aͤußerst zarten Anflug erhalten,
der jedoch auf meiner Waage, die bis an 0,02 Gran empfindlich
ist, keinen Ausschlag gab.
7) Bei einem anderen Versuche hatte sich das Gewicht des
schwarzen Kartenblattes um 1 Gran, jenes des rothen um 0,9,
jenes des braunen um 0,7, jenes des gelben um 0,5 und jenes des
weißen um 0,4 vermehrt.
8) Bei einem weiteren Versuche zeigte sich an dem schwarzen
Kartenblatte eine Gewichtszunahme von 0,9, an dem dunkelblauen
eine von 0,8, an dem dunkelbraunen eine von 0,4, an dem
orangefarbenen eine von 0,3, und an dem weißen eine von 0,1
Gran.
Bei allen diesen Versuchen zeigte sich, daß die schwarze Farbe am
meisten Kampher anzog, und daß die uͤbrigen Farben in
folgender Ordnung auf einander folgten: blau, roth,
gruͤn, gelb, weiß. Die Hize wurde bei den Versuchen nie
bis zur Erhizung des ganzen Apparates getrieben, weil sonst
aller Kampher verfluͤchtigt worden waͤre; auch
bediente ich mich nie einer solchen Quantitaͤt Kampher,
daß dadurch ein diker Kampheranflug haͤtte entstehen
koͤnnen, indem durch diesen Anflug sonst die
Anziehungskraft der gefaͤrbten Oberflaͤche
beeintraͤchtigt worden waͤre.
1) Eine andere Reihe von Versuchen stellte ich an, um zu
erfahren, in welchem Verhaͤltnisse die Anziehungskraft
der thierischen Substanzen zu jener der vegetabilischen Stoffe
stehe. Ich seze daher zuerst gleiche Gewichtstheile schwarzer
Wolle und schwarzer Seide (von jeder 10 Gran) in dem
beschriebenen Apparate den Kampherdaͤmpfen aus. Das
Gewicht der Wolle vermehrte sich hiebei um 1,5, jenes der Seide
hingegen um 1,7 Gran, so daß es hiernach scheint, die Seide
besize die groͤßte Anziehungskraft fuͤr
Geruͤche.
2) Von gleichen Gewichtstheilen weißer Wolle und weißer Baumwolle
nahm leztere um 0,3, leztere hingegen um 0,4 an Gewicht zu.
3) Bei einem anderen Versuche hatte die weiße Seide 1,4, die
Wolle 0,5, die Baumwolle 0,4 Gran an Gewicht gewonnen.
4) Bei einem anderen aͤhnlichen Versuche vermehrte sich
das Gewicht der weißen Seide um 3,5, jenes der Wolle um 2,4, und
jenes der Baumwolle um 2,2 Gran.
5) Ich nahm nun gefaͤrbte Seide, Wolle und Baumwolle, und
hiebei zeigte sich, daß die schwarze Seide 0,2, die schwarze
Wolle 0,1, die schwarze Baumwolle 0,05 an Gewicht
zugenommen.
6) Bei einem Versuche mit 10 Gran weißer Seide, eben so viel
weißer Wolle, weißer Baumwolle und weißem Kartenpapiere ergaben
sich folgende Resultate: die weiße Seide nahm um 1,9, die weiße
Wolle um 1,1, die weiße Baumwolle um 1, und das weiße
Kartenpapier um 0,4 an Gewicht zu.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß verschiedene Substanzen die
Geruͤche in verschiedenem Grade anziehen, und daß dieß
mit der Textur oder dem Grade der Feinheit der Fasern dieser
Substanzen nicht im Verhaͤltnisse stehe. Denn, obwohl die
Wollenfasern im Durchschnitte groͤber sind, als die
Baumwollenfasern, so besizen erstere doch eine groͤßere
Anziehungskraft fuͤr die Geruͤche, als leztere,
und die Seide ihrerseits wieder eine groͤßere, als die
Wolle. Im Allgemeinen laͤßt sich der Schluß ziehen, daß
den thierischen Substanzen eine groͤßere derlei
Anziehungskraft zukomme, als den vegetabilischen, und daß diese
Kraft an allen Substanzen, sie moͤgen thierischen oder
vegetabilischen Ursprunges seyn, durch die Dunkelheit und
Intensitaͤt der Farbe erhoͤht wird. Es scheint
ferner aus den angegebenen Versuchen hervorzugehen, daß die
Absorption der Geruͤche durch gefaͤrbte Substanzen
sich nach demselben Geseze richtet, nach welchem sich die
Absorption des Lichtes und der Waͤrme richtet. Die
Analogie geht sogar noch weiter; denn bei Versuchen, die ich in
dieser Hinsicht anstellte, fand ich jedes Mal, daß die Kraft der
Farben Geruͤche auszustrahlen in genauem
Verhaͤltnisse mit deren Kraft Waͤrme auszustrahlen
stand. Bei meinen ersten Versuchen hieruͤber sezte ich
verschieden gefaͤrbte Wollen, die eine bestimmte Zeit
hindurch mit Asand und Kampher in einer Schublade gelegen, eine
gewisse Periode uͤber dem Einfluͤsse der Luft aus.
Obschon man durch den Geruchsinn allein die Intensitaͤt
des Geruches, den die verschiedenen Wollen angenommen hatten,
unmittelbar nach dem Herausnehmen derselben aus der Schublade
wohl so ziemlich zu beurtheilen im Stande war, so ließ sich,
nachdem die Wolle einige Zeit uͤber der Luft ausgesezt
gewesen, der Unterschied in dieser Intensitaͤt doch weit
schwerer ermessen. Im Allgemeinen schien es mir, daß
saͤmmtliche Substanzen ihren Geruch innerhalb eines und
desselben Zeitraumes verloren, und daß die
schwarzen Koͤrper folglich eine
verhaͤltnißmaͤßig weit groͤßere Menge
Riechstoff ausstrahlen mußten.
Um dieß zu beweisen, nahm ich Stuͤke Kartenpapier, die auf
die fruͤher beschriebene Weise schwarz, dunkelblau,
braun, orange und weiß gefaͤrbt waren, und ließ sie,
nachdem sie nach der angegebenen Methode dem Kampherdampfe
ausgesezt gewesen, und nachdem sie gewogen worden, in einem
Zimmer 24 Stunden lang an der Luft liegen. Nach Ablauf dieser
Zeit wurden die Kartenblaͤtter abermals
sorgfaͤltig gewogen, wobei sich zeigte, daß das schwarze
einen ganzen, das blaue beinahe eben so viel, das braune 0,9,
das rothe 0,8 und das weiße 0,5 Gran am Gewichte verloren
hatten. Sechs Stunden spaͤter hatten das schwarze und das
blaue Kartenblatt allen Kampher verloren; das braune und das
rothe enthielten nur eine schwache, selbst mit Huͤlfe
einer zarten Waage nicht schaͤzbare Menge,
waͤhrend dem weißen immer noch 0,03 anhingen.
Bei einem anderen Versuche vermehrte sich das Gewicht des
dunkelblauen Kartenblattes um 0,9, jenes des dunkelbraunen um
0,8, jenes des orangefarbenen um 0,6, jenes des gelben um 0,5
und jenes des weißen um 0,4 Gran. Nachdem diese
Kartenblaͤtter aber 24 Stunden an der Luft gelegen, hing
dem dunkelblauen nur mehr 0,03, dem dunkelbraunen 0,1, dem
orangefarbenen 0,2, dem gelben 0,1, dem weißen hingegen 0,3 Gran
Kampher an, so daß das dunkelblaue folglich innerhalb dieser
Zeit 26/30, das dunkelbraune 21/30, das orangefarbene 12/30, das
gelbe 12/30 und das weiße 3/30 Gran an Gewicht verloren
hatte.
Nachdem ich nun auf diese Weise den Einfluß der Farben auf die
Einsaugung und Aushauchung der Geruͤche
hinlaͤnglich erwiesen zu haben glaube, erlaube ich mir
nur noch einige der praktischen Folgerungen, die sich aus diesen
Versuchen ziehen lassen duͤrften, beizufuͤgen.
Wenn es gewiß ist, daß riechende Ausduͤnstungen nicht bloß
eine besondere Verwandtschaft zu verschiedenen Substanzen haben,
sondern daß die Farbe dieser Substanzen auch auf die
Einsaugungs- oder Aushauchungsthaͤtigkeit
derselben einen wesentlichen Einfluß hat, so duͤrfte man
vielleicht hieraus einige nuͤzliche Winke uͤber
das Verhalten und Verfahren bei contagioͤsen oder
epidemischen Krankheiten entnehmen koͤnnen. Es
koͤnnen zwar solche schaͤdliche, und durch die
Waage nicht nachweisbare Ausduͤnstungen in einer großen
Menge in der Luft enthalten seyn, ohne daß sie durch den Geruch
bemerkbar werden; allein in den meisten Faͤllen wird man
finden, daß wenn contagioͤse Krankheiten in hohem Grade
herrschen, die Ausduͤnstung des Kranken das sicherste
Zeichen der Verunreinigung der ihn umgebenden Luft abgibt.
Es ist durch die Erfahrung erwiesen, daß solche
Ausduͤnstungen oder Ausfluͤsse von einem
Individuum auf das andere, und durch Kleider und Waaren selbst
von einem Orte zum anderen fortgepflanzt werden koͤnnen;
die Pest, die Poken sind Beweise dafuͤr, und in neuerer
Zeit wollten Einige auch die Cholera als solches Beispiel
geltend machen. Auf diesen Erfahrungen beruhen auch die
Quarantaineanstalten.
Ich will mich hier nicht uͤber die Reinigungsmittel
verpesteter Waaren und Kleider, uͤber das Rauchern jener
Wohnungen, in denen Personen an anstekenden Krankheiten krank
lagen, auslassen; es mag genuͤgen, wenn ich
anfuͤhre, daß eine hohe Temperatur, der man die
Gegenstaͤnde aussezt, Raͤucherungen mit Chlor und
Schwefel, freies Aussezen an die Luft, in ersterem Falle als
vollkommen hinreichend befunden wurden, und daß man zum
Desinficiren von Zimmern Raͤucherungen mit Chlor und
Waschungen mit Aezkalk empfiehlt. Was die Raͤucherungen
mit Chlor betrifft, so laͤßt sich nicht laͤugnen,
daß das Chlor die in der Luft schwebenden, animalischen Stoffe
zerstoͤrt; allein wenn das Raͤuchern nicht oft
wiederholt wird, so kann es nur wenig nuͤzen, weil die
Waͤnde und die Waͤsche, die vorher die
Ausduͤnstungen einsogen, die Luft immer neuerdings wieder
verpesten. Man hat allgemein geglaubt, daß das Waschen mit Kalk
auf dieselbe Weise, wie die Raͤucherungen wirke, und die
contagioͤsen Stoffe oder Miasmen zerstoͤre; allein
aus den Versuchen Guyton Morveau's
geht hervor, daß der Kalk weder als Aezkalk, noch in irgend
einem anderen Zustande diese Wirkung habe. Der Kalk saugt die
Gase bloß ein; allein er veraͤndert sie weder in ihren
schaͤdlichen Eigenschaften, noch aͤndert er deren
wirklichen Geruch, und deßhalb schreibt Guyton Morveau dem Waschen der Waͤnde
mit Kalkwasser keine andere wohlthaͤtige Wirkung, als die
zu, daß die Reinlichkeit dadurch befoͤrdert wird.
Die Resultate meiner Versuche hingegen brachten mich zu einer
ganz anderen Ansicht. Nach meiner Meinung traͤgt das
Ausweißen wesentlich zu den guten Wirkungen der uͤbrigen
Reinigungsmittel bei; ja ich halte sogar auf das Ueberweißen der
Waͤnde, auf Reinlichkeit in allem Uebrigen und auf gute
Ventilation mehr, als auf die uͤbrigen Maßregeln.
Saͤure und andere Raͤucherungen, mit Ausnahme des
Chlors, machen eigentlich die krankhaften thierischen
Ausduͤnstungen nur unkenntlich, ohne ihre
schaͤdlichen Eigenschaften zu zerstoͤren.
Nur ein Beispiel fuͤr den Nuzen des Ausweißens. Die
Cholera brach in Schottland bekanntlich zuerst, und im
heftigsten Grade in dem nordwestlich von Edinburgh, an beiden
Ufern des Leith gelegenen Fleken Water-of-Leith
aus. Wenn feuchte und tiefe Lage, Anhaͤufung von Schmuz
aller Art eine Krankheit verderblicher zu machen im Stande sind,
so mußte dieß hier eintreten, wie es sich dann auch wirklich
zeigte. Das Sanitaͤts-Comité schaffte
jedoch auch hier mit seiner gewohnten Schnelligkeit
Abhuͤlfe; es ließ den Unrath so schnell und so vollkommen
als moͤglich entfernen, die Haͤuser
saͤmmtlich ausraͤuchern, und die Waͤnde
sowohl von Innen als von Außen uͤberweißen, und die Folge
davon war, daß die Heftigkeit der Krankheit schnell abnahm. Die
Raͤucherungen konnten hier bloß die bereits von der Luft
aufgenommenen, schaͤdlichen Duͤnste
zerstoͤren, und um so weniger auf die sich
fortwaͤhrend entwikelnden Ausduͤnstungen wirken,
als das Chlor in Folge der gleichfalls nothwendigen lebhaften
Ventilation schnell fortgerissen wurde.
Das Ausweißen hingegen trug, obschon es keine specifische Wirkung
auf die contagioͤsen Ausduͤnstungen hatte,
wesentlich zur Reinigung der Luft in den Zimmern bei, indem die
weißen Waͤnde diese Ausduͤnstungen
bestaͤndig zuruͤkwarfen, so daß dieselben selbst
bei einer maͤßigen Ventilation leicht fortgerissen werden
konnten. Schmuzige oder dunkel angestrichene Waͤnde
wuͤrden die schaͤdlichen Geruͤche im
Gegentheile eingesaugt, und sie, nachdem die Raͤucherung
voruͤber, allmaͤhlich wieder von sich gegeben
haben. Ich fuͤr meine Person bin wenigstens
uͤberzeugt, daß das allgemeine Ueberweißen der Mauern in
Edinburgh mehr zu der Milde des Cholerasturmes beitrug, als das
theilweise Raͤuchern und das Ausstreuen von Chlorkalk;
die weißen Waͤnde nahmen die Krankheitsstoffe nicht so
leicht auf, und die Luftstroͤmungen konnten sie daher
fortreißen, ehe sie sich noch in einem solchen Grade
angehaͤuft hatten, daß sie eine reichhaltige Quelle von
Krankheitsausbruͤchen werden konnten.
Ich schließe daher mit dem aus meinen zahlreichen Versuchen
abstrahlten Rache, daß nicht nur die Waͤnde der
Spitaͤler, Gefaͤngnisse und aller Gebaͤude,
in denen eine groͤßere Anzahl von Menschen beisammen
lebt, weiß uͤbertuͤncht seyn, sondern daß auch die
Bettstellen, Tische, Stuͤhle, Baͤnke etc. weiß
angestrichen werden sollen. Die Waͤrterinnen und
Dienstboten in den Spitaͤlern etc. sollen lediglich nur
weiß gekleidet seyn; denn auf diese Weise werden ihre Kleider am
wenigsten von den Krankheitsstoffen aufnehmen, abgesehen davon,
daß nur hiedurch die gehoͤrige Reinlichkeit dieser
Individuen zu erzielen ist. Ich kann nicht umhin, endlich auch
noch zu bemerken, daß die Aerzte nicht leicht eine
ungluͤklichere Farbe zu ihren Kleidern waͤhlen
konnten und waͤhlen koͤnnen, als die schwarze, da
diese die schaͤdlichen Geruͤche und Duͤnste
am meisten einsaugt. und folglich sowohl ihnen selbst, als
ihren Kranken am gefaͤhrlichsten werden muß.Ohne mit dem Verfasser dieses in mannigfachen Hinsichten
hoͤchst schaͤzbaren Aufsazes in den alten
Streit uͤber die Contagien und Miasmen eingehen
zu wollen, ohne ihm zeigen zu wollen, daß die
Quarantaineanstalten, so wie gewoͤhnlich in
denselben verfahren wird, nicht nur nichts
nuͤzen, sondern auf eine laͤcherliche
Weise den Verkehr stoͤren, erlauben wir ihm zu
bemerken, daß er uns den Beweis schuldig geblieben ist,
daß sich die Krankheitsstoffe und Miasmen auf
aͤhnliche Weise verhalten, wie die
Geruͤche. Der Analogie nach hat dieß allerdings
große Wahrscheinlichkeit fuͤr sich; allein die
Analogie truͤgt auch sehr oft, und nach Analogie
zu schließen, ist weit leichter, als unbefangen und mit
Umsicht und Ruhe zu beobachten. Wir bemerken ferner, daß
uns der Verfasser der Wirksamkeit des Chlors viel zu
nahe getreten zu seyn scheint. Daß das Chlor thierische
und vegetabilische Ausduͤnstungen nicht bloß
versteke, sondern zerstoͤre oder chemisch
zerseze, ist erwiesen, der Verf. gibt dieß selbst zu,
indem er sagt, daß Chlorraͤucherungen zum
Desinficiren von Kleidern etc. vollkommen hinreichen.
Warum sollen nun also Chlorraͤucherungen nicht
auch zum Desinficiren von Zimmern und ganzen
Gebaͤuden hinreichen? Dieß hieße voraussezen, daß
nur die dunstfoͤrmigen Krankheitsstoffe von den
Wanden aufgesaugt werden, das Chlor aber nicht: eine
Annahme, die auf gar keinem Grunde beruht, und die, wie
uns scheint, ganz einfach schon dadurch widerlegt ist,
daß der Chlorgeruch sehr lange nicht aus den Zimmern
gebracht werden kann. Dieß abgerechnet, scheint uns aber
der Rath des Hrn. Dr. Stark, die Waͤnde weiß
zu erhalten, und sie fleißig zu
uͤbertuͤnchen, in allen den oben
angedeuteten Faͤllen nicht genug zu empfehlen;
denn es wird dadurch groͤßere Reinlichkeit
bezwekt, und die Waͤnde werden, wie es sich nach
seinen Versuchen gar nicht bezweifeln laͤßt, auch
weit weniger von den Geruͤchen einsaugen. Eben so
stimmen wir auch darin. mit ihm uͤberein, daß
Krankenwaͤrter und Warterinnen nur weiß gekleidet
seyn sollen, waͤre es auch nur deßhalb, weil sich
nur auf diese Weise die bei diesen Individuen so
hoͤchst nothwendige Reinlichkeit erzielen und
controliren laͤßt. Wir sehen daher schon aus
diesem Grunde allein das Einfuͤhren von grauen
oder schwarzen Schwestern in unseren
Krankenhaͤusern mit wahrem Bedauern; leider wird
dieses Bedauern aber auch noch dadurch erhoͤht,
daß dieses halbkloͤsterliche Institut bisher
nicht nur die Vortheile nicht gewahrte, die man sich
thoͤrichter Weise davon traͤumte, andern
Nachtheile mit sich brachte, die man nach
herkoͤmmlicher kurzsichtiger Weise nicht
voraussah. A. d. R.