Titel: | Ueber die Wirkung des salzsauren Gases auf das Silber bei hoher Temperatur, nebst Bemerkungen über die Scheidung auf trokenem Wege; von Hrn. Boussingault. |
Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LXXXV., S. 452 |
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LXXXV.
Ueber die Wirkung des
salzsauren Gases auf das Silber bei hoher Temperatur, nebst
Bemerkungen uͤber die Scheidung auf trokenem Wege; von Hrn.
Boussingault.
Aus den Annales de Chimie et
de Physique. December 1833, S.
253.
Wirkung des salzsauren Gases auf das Silber bei
hoher Temperatur etc.
Die alten Chemiker nannten trokene Scheidung ein Verfahren,
wodurch es ihnen mittelst lange anhaltender Cementation gelang,
das Silber und die anderen mit dem Gold legirten Metalle fast
vollstaͤndig von demselben zu trennen. Dieses Verfahren
ist schon sehr alt, und erst gegen das Jahr 1850 fing die
Scheidung mittelst Scheidewasser an sich in Europa zu
verbreiten; wegen des außerordentlich hohen Preises der
Saͤuren wurde jedoch diese Methode lange Zeit nur in den
Laboratorien der Probirer angewandt, und die Verfahrungsarten
auf trokenem Wege, wie z.B. das Schwefeln durch Schwefelantimon,
die Behandlung mit Queksilbersublimat, die Cementation mit einem
Cementirpulver von Thon und Salz, wurden noch
fortwaͤhrend zum Reinigen des Goldes benuzt. Nachdem aber
in Folge der großen Fortschritte der chemischen Kuͤnste
die Saͤuren ziemlich wohlfeil geworden waren, benuzte man
sie bald im Großen zur Scheidung auf nassem Wege. Die
franzoͤsischen Chemiker haben bekanntlich das Feinmachen
der gold- und silberhaltigen Legirungen auf einen hohen
Grad von Vollkommenheit gebracht, und heut zu Tage sind die
alten Verfahrungsarten in Europa gaͤnzlich
aufgegeben.
Die europaͤischen Kuͤnste, welche sich zur Zeit der
Eroberung von Amerika dorthin verpflanzten, blieben jedoch
daselbst so stationaͤr, daß ich noch vor Kurzem in vielen
Werkstaͤtten die Verfahrungsarten des Mittelalters wieder
traf. So wird in den so wichtigen Muͤnzen von Neugranada
die Scheidung (el apartado) des in
dem Gold enthaltenen Silbers noch auf trokenem Wege
bewerkstelligt. Ich befand mich hier in der Metallurgie des
sechszehnten Jahrhunderts, und sah diese complicirten Oefen,
welche an die Alchemisten erinnerten.
In der Muͤnze von Santa-Fé wendet man jedes Mal die
Scheidung auf trokenem Wege oder die Cementation an, wenn es
sich darum handelt, aus den Silbererzen ihren oft
betraͤchtlichen Goldgehalt zu gewinnen; das silberhaltige
Gold wird im Zustande von Granalien in aus poroͤser Erde
verfertigten Tiegeln der Cementation unterworfen. Das
Cementirpulver besteht aus zwei Theilen Ziegelmehl und einem
Theil Seesalz. Man bringt zuerst auf den Boden des
Tiegels eine Schichte Cementirpulver, die man mit Goldgranalien
bedekt; das Gold wird dann wieder mit Cementirpulver bedekt, und
so fort. Die Schichten des Cementirpulvers muͤssen
ungefaͤhr einen Zoll dik seyn. Ein Cementirtiegel kann 10
bis 15 Pfd. Gold enthalten. Der Ofen, worin die Cementation
vorgenommen wird, hat einen cylindrischen Hohlraum von 4 1/2 Fuß
Durchmesser auf 9 Fuß Hoͤhe. Drei Fuß uͤber dem
Boden ist ein Rost zur Aufnahme der Cementirtiegel angebracht,
und unten am Ofen, in gleicher Flucht mit dem Boden, befindet
sich eine Oeffnung, durch welche das Brennmaterial eingetragen
wird. Dieser Ofen hat weder einen Rost fuͤr das
Brennmaterial noch einen Schornstein, und die Cementirtiegel
werden durch den oberen Theil hinein- und
herausgebracht.
Die Cementation dauert 24 bis 36 Stunden; dieß haͤngt von
der Menge des auszuziehenden Silbers ab. Die Cementirtiegel
werden auf der Kirschrothgluͤhhize erhalten. Nach
beendigter Operation weicht man das Cement in Wasser auf, und
trennt die Goldgranalien davon durch Schlammen. Das Gold,
welches dann gewoͤhnlich 21 bis 22 Karat hat, wird in
Barren geschmolzen, die gewalzt werden koͤnnen.
Nachdem das Cement zu einem feinen Teige zerrieben ist, vermengt
man es mit 1/10 seines Gewichtes Kochsalz, und incorporirt es
dann mit Queksilber. Man sezt beilaͤufig zehn Mal so viel
Queksilber zu, als das Cement Silber enthaͤlt. Die
Amalgamation wird in großen hoͤlzernen Wannen bei einer
Temperatur von 14° bis 18° ausgefuͤhrt; die
Operation dauert vier bis fuͤnf Tage. Das im Cement
enthaltene Chlorsilber wird durch das Queksilber reducirt; unter
dem Einflusse des Kochsalzes amalgamirt sich das metallische
Silber, und das Chlorqueksilber wird spaͤter
ausgeschlaͤmmt. Das nach diesem Verfahren erhaltene
Amalgam ist immer sehr troken, wegen der großen Menge
Chlorqueksilber, welche darin vertheilt ist. Das Silber, welches
man bei dieser Operation gewinnt, ist fast rein; es
enthaͤlt nur einige Tausendtheile Gold.
Waͤhrend der Cementation wird das Silber durch die Wirkung
des trokenen Thons und des ebenfalls trokenen Seesalzes in
Chlorsilber verwandelt. Bei dem gegenwaͤrtigen Zustande
unserer Kenntnisse ist es beinahe unmoͤglich, eine
genuͤgende Erklaͤrung des hiebei Statt findenden
Processes zu geben. Da das Verfahren aber bei silberhaltigem
Gold in sehr großen Granalien gelang, so glaubte ich es auch zum
Ausziehen des Silbers aus dem Goldpulver, welches ich durch
Schlaͤmmen der Kiese von Marmaco erhielt, anwenden zu muͤssen. Dieses Gold enthaͤlt gewoͤhnlich
26 Procent Silber. Ehe ich dieses Verfahren jedoch auf große
Quantitaͤten anwandte, wollte ich einige
Abaͤnderungen daran versuchen; ich stellte also einen
Ofen her, wobei an Brennmaterial erspart wurde, und nahm an
Statt der zerbrechlichen Gefaͤße, in die man
gewoͤhnlich das Gemenge eintraͤgt, Tiegel von
Cornwallis. Das Gemenge von Goldpulver und Cementirpulver wurde
demnach in einen Tiegel gebracht, und 30 Stunden lang der Hize
des mit einer Kuppel versehenen Ofens, den ich mit Holzkohlen
speiste, ausgesezt. Nach Verlauf dieser Zeit war der Goldgehalt
nicht merklich groͤßer geworden, woruͤber ich mich
verwunderte. Ich hatte die Geduld, das Goldpulver 72 Stunden
lang zu erhizen; dessen ungeachtet war das Gold nach der
Operation fast noch eben so silberhaltig wie vorher. Kurz alle
Versuche, die ich mit guten Tiegeln anstellte, schlugen stets
fehl, so daß ich genoͤthigt war, auf die alle Methode
zuruͤkzugehen. Es war mir nun sehr wahrscheinlich, daß
der Zutritt der Luft bei der Cementation unumgaͤnglich
noͤthig ist, wenigstens ließ sich nur dadurch der bessere
Erfolg mit schlecht gebrannten und poroͤsen irdenen
Gefaͤßen als mit guten und beinahe undurchdringlichen
Tiegeln erklaͤren. Um mich davon zu uͤberzeugen,
stellte ich folgenden Versuch an.
Ich nahm zwei Silberbleche, wovon jedes 24,6 Gran wog; das eine
brachte ich in die Mitte eines kleinen Porcellangefaͤßes,
welches mit einem aus Ziegelmehl und Kochsalz bereiteten
Cementirpulver gefuͤllt wurde; dieses kleine
Porcellangefaͤß brachte ich dann in die Mitte eines
gefuͤtterten Tiegels, und bedekte es mit Kohlenpulver,
das ich stark einpreßte; kurz, es wurden alle Vorsichtsmaßregeln
genommen, um das Metall gegen den Luftzutritt zu verwahren. Das
andere Silberblech wurde hingegen auf einer Kapelle, worin sich
Cementirpulver befand, unter die Muffel eines Probirofens
gebracht; dadurch war also der Luftzutritt beguͤnstigt.
Man erhizte beide Silberbleche 7 Stunden lang; das im Tiegel
eingeschlossene hatte nach dieser Zeit nicht merklich an Gewicht
abgenommen; es wog noch 21,3 Gr. Das Blech in der Muffel wog
hingegen nur noch 9,5 Gr. und halte also 15,1 Gr. verloren; bei
lezterem war das Metall auf der Oberflaͤche stark
zerfressen, und das Cement mit Chlorsilber durchdrungen.
Die Wirkung der Luft war folglich außer Zweifel gesezt, es blieb
aber noch zu untersuchen uͤbrig, auf welche Art die
atmosphaͤrische Luft zur Verwandlung des Silbers in
Chlorsilber beitragen kann. Zuerst wollte ich ermitteln, ob das
Kochsalz allein bei der Rothgluͤhhize das Silber
angreifen kann. Ich brachte also ein Silberblech in einer
Kapelle, mit Kochsalz bedekt, unter die Muffel; es erlitt aber
selbst nach dreistuͤndigem Erhizen keine
Veraͤnderung. Bei diesem Versuche hatte ich Gelegenheit
zu bemerken, wie sehr die Fluͤchtigkeit des Chlornatriums
durch einen Strom sehr heißer Luft erhoͤht wird.
Nachdem das Salz in der Kapelle war, verbreitete es reichliche
Daͤmpfe, und verfluͤchtigte sich in sehr kurzer
Zeit gaͤnzlich. Die Gegenwart einer Erde ist also
noͤthig, damit das Kochsalz das Silber in Chlorsilber
verwandeln kann, und da der Thon, welcher zum Cementirpulver
kommt, aus Kieselerde und Alaunerde besteht, so war ich
neugierig, die Wirkung jeder dieser beiden Erden fuͤr
sich kennen zu lernen.
Zwei Silberbleche, wovon jedes 6,5 Gran wog, wurden in zwei
verschiedene Kapellen gelegt; in die eine hatte man ein aus
Kieselerde und Kochsalz, und in die andere ein aus Alaunerde und
Kochs salz bereitetes Cementirpulver gebracht. Die Muffel des
Ofens wurde vier Stunden lang uͤber der
Kirschrothgluͤhhize erhalten. Im alaunerdehaltigen
Gemenge verschwand das Silber vollstaͤndig. Das erkaltete
Cement war schwach zusammengebaken, zeigte eine krystallinische
Structur, und schmekte nicht merklich salzig. Als es aus dem
Ofen kam, war es rein weiß, wurde aber am Sonnenlicht bald
dunkelviolett; das Blech im kieselerdehaltigen Cementirpulver
wog noch 4 Gr., zeigte auf seiner ganzen Oberflaͤche eine
merkwuͤrdige krystallinische Structur, und auf einigen
Stellen desselben bemerkte man einen olivengruͤnen
Ueberzug, welcher stark an dem Metalle hing; die Theile des
Cementirpulvers, welche mit dem Silber in Beruͤhrung
gewesen waren, hatten eine dunkelbraune Farbe. Das Cement
schmekte durchaus nicht salzig, und war fast vollkommen
verglast. Ohne Zweifel ist diesem Umstande, der Verglasung, der
schlechte Erfolg der Cementation im kieselerdehaltigen Gemenge
zuzuschreiben.
Bei einer hohen Temperatur hat die Kieselerde bekanntlich gar
keine Wirkung auf das Kochsalz, wenn beide ganz troken sind;
durch Wasserdampf wird hingegen nach den Versuchen der HH. Gay-Lussac und Thenard sogleich eine sehr starke
Reaction derselben veranlaßt, wobei sich salzsaures Gas
entwikelt, und kieselsaures Natron gebildet wird. Bei den so
eben angefuͤhrten Versuchen mußte offenbar Wasserdampf
ins Spiel kommen, weil das Chlornatrium durch die Kieselerde
verglast wurde. Die Luft mußte also, als sie durch die Muffel
des Probirofens strich, eine hinreichende Menge Wasserdampf mit
sich gefuͤhrt Habens damit die Reaction Statt finden
konnte. Bei der Cementation im Großen, wie sie zu
Santa-Fé ausgefuͤhrt, sind die zu
cementirenden Substanzen bestaͤndig mit Wasserdampf umgeben, der sich durch die Verbrennung des Holzes bildet,
eines Koͤrpers, der bekanntlich viel Wasserstoff
enthaͤlt.
Um zu beweisen, daß wirklich der Wasserdampf, welcher in der Luft
enthalten ist, oder sich Waͤhrend der Verbrennung bildet,
die Cementation beguͤnstigt, brachte ich in eine
Porcellanroͤhre ein mit Cementirpulver umgebenes
Silberblech, und leitete, nachdem ich sie rothgluͤhend
gemacht hatte, einen anhaltenden Strom ganz trokener Luft
hindurch; das Silber erlitt hiebei, wie es sich erwarten ließ,
keine Veraͤnderung.
Nun war noch eine Schwierigkeit zu heben. Wenn der Wasserdampf
wirklich das Agens ist, welches bei der Cementation die Wirkung
der Erden auf das Kochsalz veranlaßt, so muß nothwendig
salzsaures Gas entstehen, und da das Silber, wie wir gesehen
haben, in Chlorsilber verwandelt wird, so sollte man glauben,
daß das salzsaure Gas in der Rothgluͤhhize durch das
Silber zersezt wird, obgleich man allgemein annimmt, daß dieses
Metall auf jenes Gas selbst bei einer hohen Temperatur keine
Wirkung hat; dieser Punkt mußte also nothwendig
aufgeklaͤrt werden.
Ich brachte ein spiralfoͤrmig gewundenes Silberblech in
eine Porcellanroͤhre, und legte diese durch einen Ofen.
Durch das eine Ende der Roͤhre leitete ich einen Strom
salzsauren Gases hinein, welches durch Chlorcalcium ausgetroknet
war:Bei meinen ersten Versuchen gebrauchte ich nicht die
Vorsicht, das salzsaure Gas auszutroknen, da man mir
aber die Bemerkung machte, daß das Wasser wohl durch das
Silber unter dem Einflusse der Salzsaͤure zersezt
werden konnte, so ließ ich bei meinen neuen Versuchen
das salzsaure Gas uͤber Chlorcalcium streichen.
Um mich zu uͤberzeugen, daß dasselbe dadurch
vollkommen getroknet wird, benuzte ich eine schon von
den HH. Thenard und Gay-Lussac angewandte
Methode: ich vermischte naͤmlich das salzsaure
Gas mit Fluorborongas. Die gemischten Gasarten blieben
vollkommen durchsichtig, ein Beweis, daß nicht die
geringste Menge Wasserdampf vorhanden war. Das
Fluorboron ist gegen Feuchtigkeit so empfindlich, daß,
wenn man in das Gemisch nur eine sehr kleine Blase
atmosphaͤrischer Luft streichen laͤßt,
sich dadurch augenbliklich eine Wolke in der Gloke
bildet. A. d. O. am anderen Ende war eine Rohre angebracht, welche unter
eine mit Wasser gefuͤllte Gloke tauchte. Nachdem das
Silber auf die Rothgluͤhhize gekommen war, fing es an
Wasserstoffgas zu entwikeln; die Gasentbindung hoͤrte
aber bald wieder auf, und das salzsaure Gas gelangte, ohne
zersezt zu werden, in das Wasser der Gloke. Als man das
Silberblech untersuchte, fand man seine Oberflaͤche mit
einem Firniß von Chlorsilber uͤberzogen, wodurch das
Metall also gegen die Wirkung der Saͤure geschuͤzt
wurde.
Um diesem nachtheiligen Umstaͤnde abzuhelfen, wurde das
Silberblech mit Thonerde umgeben, welche das Chlorsilber
verschluken sollte. Dieser zweite Versuch ging viel besser von
Statten als der erste, und man konnte mehrere Gloken mit
Wasserstoffgas fuͤllen; das Gas langte unter der Gloke in
sehr kleinen Blasen an, und das Wasser, durch welches es strich,
wurde sehr sauer, ein Beweis, daß der groͤßte Theil der
Saͤure der Zersezung entging; die Entwiklung von
Wasserstoffgas nahm immer mehr ab, und hoͤrte bald ganz
auf; das Silber war stark angegriffen, und das entstandene
Chlorsilber nicht tief in die Alaunerde eingedrungen; das Metall
war noch mit einer Schichte Chlorsilber uͤberzogen,
wodurch es sich erklaͤrt, warum die Entbindung von
Wasserstoffgas vor der gaͤnzlichen Zerstoͤrung des
Silbers aufhoͤrte.
Bei einem neuen Versuche sezte ich der Alaunerde Kochsalz zu, und
die Operation ging dann ohne Hinderniß vor sich. Das
Wasserstoffgas entwikelte sich immer in sehr kleinen Blasen, und
wie bei den fruͤheren Versuchen strich der groͤßte
Theil der Saͤure, ohne eine Veraͤnderung zu
erleiden, hindurch. Der Zusaz von Kochsalz hatte die Verbreitung
des Chlorsilbers in der Alaunerde sehr beguͤnstigt, und
es ist mehr als wahrscheinlich, daß man dieses Resultat der
Tendenz der beiden Chloride, sich zu verbinden, zuschreiben muß.
Man kann sogar dieses Doppelchlorid hervorbringen, wenn man
Chlorsilber in schmelzendes Chlornatrium wirft. Dieses
Doppelchlorid wird bei der Dunkelrothgluͤhhize fest;
erkaltet ist es glasig, durchsichtig, schwach opalisirend; es
schmekt salzig und gar nicht metallisch; Wasser zersezt es; am
Sonnenlichte wird es violett.
Ich habe auch noch die Wirkung der Salzsaͤure auf das
Silber auf folgende Art ausgemittelt. Ein Blech dieses Metalles,
welches 13,3 Gr. wog, wurde sehr duͤnn gehaͤmmert
und in eine Kapelle gebracht. Man ließ darunter die Muffel des
Ofens, worin sie sich befand, eine Stunde lang einen Strom
salzsauren Gases stroͤmen. Waͤhrend der ganzen
Dauer des Versuches stieg von der Kapelle ein leichter, weißer
Dampf auf. Nach der Operation wog das Silberblech nur noch 9,5
Gr.; seine Oberflaͤche war sehr schoͤn matt; auf
der Kapelle zeigte sich keine Spur Chlorsilber; lezteres wurde
also in dem Maße, als es sich auf der Oberflaͤche des
Metalles bildete, von dem Gasstrome fortgerissen, welcher
bestaͤndig die Muffel des Ofens durchstrich.
Die Eigenschaft des Silbers, bei einer hohen Temperatur
Sauerstoff aufzunehmen, ließ vermuthen, daß bei der Cementation
der Luftzutritt die Wirkung der Saͤure
beguͤnstigt; ein mit zwei Silberblechen von gleich großer
Oberflaͤche angestellter vergleichender Versuch
uͤberzeugte mich aber, daß der Sauerstoff der Luft die
Wirkung der Salzsaͤure auf das Silber nicht merklich
beguͤnstigt.
Die Zersezung der Salzsaͤure durch Silber ist derjenigen
des Wassers durch Eisen analog. Das Silber vereinigt sich mit
dem Chlor der Salzsaͤure, wie das Eisen
mit dem Sauerstoff des Wasserdampfes, und in beiden
Faͤllen wird der Wasserstoff in Freiheit gesezt.
Bei derselben Temperatur, wo diese Metalle solche Zersezungen
bewirken, besizt aber auch das Wasserstoffgas die Eigenschaft,
das Chlorsilber und das Eisenoxyd in den metallischen Zustand
zuruͤkzufuͤhren, indem Salzsaͤure und
Wasser entstehen.
Wenn man Silber einem anhaltenden Strome von salzsaurem Gase
aussezt, so wird der sich entbindende Wasserstoff sogleich in
einer zu großen Menge Salzsaͤure zertheilt, als daß er
auf das schon gebildete Chlorsilber wirken koͤnnte;
uͤberdieß wird das Wasserstoffgas durch den anhaltenden
Saurestrom rasch aus dem Apparate hinausgezogen. Das Umgekehrte
findet Statt, wenn man Chlorsilber durch Wasserstoffgas
reducirt; die sich bildende Salzsaͤure wird so zu sagen
in dem Wasserstoffgasstrom ersauft, und sodann kann sie
unmoͤglich mehr auf das schon reducirte Silber
wirken.
Um das Silber durch salzsaures Gas anzugreifen, muß man einen
großen Ueberschuß dieser Saͤure anwenden, damit das
Metall in Chlorid verwandelt; aus demselben Grunde ist zur
Reduction des Chlorsilbers eine viel groͤßere Menge
Wasserstoff noͤthig, als erforderlich waͤre, um
das Chlor in Salzsaͤure zu verwandeln. Nachdem nun die
Zersezung der Salzsaͤure durch Silber eine erwiesene
Thatsache ist, erklaͤren sich die bei der trokenen
Scheidung Statt findenden Erscheinungen so zu sagen von selbst:
der Thon des Cementirpulvers wirkt mit Beihuͤlfe des
Wasserdampfes auf das Kochsalz, wodurch Salzsaͤure
entsteht, welche das Silber angreift, und es in Chlorsilber
verwandelt. Das Chlorsilber verbindet sich dann wahrscheinlich
mit dem Kochsalze zu einem Doppelchlorid, welches in die
Cementmasse eindringt, so daß das Silber mit vollkommen reiner
Oberflaͤche zuruͤkbleibt. Wegen dieses Umstandes
kann die sich bildende Saͤure unaufhoͤrlich auf
das Metall wirken, bis es gaͤnzlich in Chlorsilber
verwandelt ist.