Titel: | Bericht des Hrn. Baron Séguier über das einfache Mikroskop des Hrn. Carl Chevalier, Optikers zu Paris, Palais-Royal, Galerie de Valois, Nr. 163. |
Fundstelle: | Band 53, Jahrgang 1834, Nr. XII., S. 51 |
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XII.
Bericht des Hrn. Baron Séguier uͤber das
einfache Mikroskop des Hrn. Carl
Chevalier, Optikers zu Paris, Palais-Royal, Galerie de Valois, Nr. 163.
Im Auszuge aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Januar 1834, S. 17.
[Bericht des Hrn. Baron Séguier uͤber das einfache
Mikroskop des Hrn. Carl Chevalier.]
Das Mikroskop, welches urspruͤnglich aus einem einfachen Kuͤgelchen aus
Glas, oder aus einem anderen durchsichtigen Koͤrper bestand, erhielt seine
ersten Vervollkommnungen auf Kosten seiner Einfachheit; und wenn durch die
Verbindung mehrerer Glaͤser auch die Abirrung oder Farbenzerstreuung der
sphaͤrischen Glaͤser und die Strahlenbrechung vermieden wurden, so
wurden diese Vortheile doch durch die Umkehrung des Bildes bedeutend
geschmaͤlert. Das einfache Mikroskop, welches vergroͤßert ohne
umzukehren, verdient bei allen Beobachtungen, bei denen die Hand den Augen zu
Huͤlfe kommen muß, unstreitig den Vorzug; es war daher von groͤßter
Wichtigkeit, ihm diese schaͤzbare Eigenschaft zu erhalten, und dabei die
Deformationen und die falschen Farben, welche die Gegenstaͤnde annahmen, zu
beseitigen. Man stellte daher auch verschiedene Versuche hieruͤber an, und
blieb groͤßten Theils bei der Anwendung von Scheidewaͤnden, die das
Sehfeld des Glases beschraͤnken, und nur jenen Theil des Bildes zeigen, an
welchem die Deformation gering oder kaum merklich ist, stehen. Dieses
Huͤlfsmittel ist jedoch hoͤchst unvollkommen; ja es ist eigentlich gar
keines, indem es den Fehlern nicht abhilft, sondern sie bloß zudekt.
Die von Dr. Wollaston erfundene mikroskopische Dublette,
welche aus zwei Linsen besteht, war die wesentlichste Verbesserung, die das einfache
Mikroskop erhalten hatte, als Hr. Carl Chevalier, mit
Huͤlfe der Erfahrungen seiner Vorgaͤnger und reichlich mit
theoretischen und praktischen Kenntnissen ausgestattet, nach vielen Versuchen auf
eine neue Einrichtung der Linsen kam. Die Commission der mechanischen Kuͤnste
hat sich von der Groͤße des Sehfeldes, der Reinheit der Formen, der Klarheit
des Lichtes dieses Instrumentes durch vielfaͤltige Beobachtungen
uͤberzeugt, und hat nun die Ehre, folgenden Bericht daruͤber zu
erstatten.
Das einfache Mikroskop des Hrn. Chevalier besteht aus
einer vierekigen, messingenen Roͤhre, in welcher sich mittelst einer
Zahnstange eine aͤhnliche Roͤhre schieben laͤßt. An dem Ende
dieser lezteren Roͤhre ist ein kleiner, horizontal beweglicher Arm befestigt,
welcher Arm sich in einen Ring endigt, der zur Aufnahme der verschiedenen Linsen
dient. Die erstere dieser Roͤhren bildet den Koͤrper des Instrumentes;
sie wird mit ihrem unteren Ende entweder auf das Etui fuͤr das Mikroskop oder
auf ein sonstiges, hiezu taugliches Gestell geschraubt; sie ist ferner mit einem
Objecttraͤger und mit einem großen concaven Spiegel, der zur Beleuchtung
dient, ausgestattet. Der Objecttraͤger besteht aus einer Platte, auf der die
Gegenstaͤnde, welche untersucht werden sollen, durch den Druk zweier Federn
fixirt werden koͤnnen, und aus einer beweglichen Scheibe, in der sich
Loͤcher von verschiedenem Durchmesser, welche als graduirte
Scheidewaͤnde dienen, befinden. Der Mittelpunkt eines jeden Loches kann in
die senkrechte Achse des Instrumentes gebracht werden, und mithin koͤnnen
durch dessen Muͤndung nur so viele von den von dem Spiegel
zuruͤkgeworfenen Lichtstrahlen auf die Objecte gelangen, als zur
gehoͤrigen Erleuchtung derselben geeignet sind. Der Objecttraͤger
selbst ist unbeweglich; die Linse hingegen laͤßt sich mittelst des Knopfes
der Zahnstange naͤhern oder entfernen, um die Brennweite zu suchen; nur jenes
Stuͤk, an welchem sich die drehbare Scheibe befindet, ist mit einem
Scharniergelenke versehen, damit man dasselbe in jenen seltenen Faͤllen, in
denen man keine Scheidewaͤnde anzuwenden braucht, herabsenken kann. Bei
dieser Gelegenheit sey es uns erlaubt, auf den besonderen Nuzen dieser kleinen
Vorrichtung, welche das Licht immer mit der Groͤße und der Natur der zu
untersuchenden Gegenstaͤnde in Einklang bringt, aufmerksam zu machen; diese
Scheidewaͤnde sind naͤmlich fuͤr das Mikroskop eben so
unentbehrlich, als es die Iris fuͤr unser Auge ist, wenn wir gut mit
demselben sehen wollen; nur wer mit mikroskopischen Versuchen nicht vertraut ist,
wird dieß in Zweifel ziehen.
Die Linsen des einfachen Mikroskopes des Hrn. Chevalier
sind in 5 Gruppen abgetheilt, die sich in eigenen Fassungen befinden, und mit Nr. 1
bis Nr. 5 bezeichnet sind. Jede Fassung enthaͤlt, so wie die Wollaston'sche Dublette, mehrere Linsen; allein diese
Linsen sind uͤberdieß durch eine Scheidewand von einander getrennt; auch ist
die Einrichtung der Glaͤser und ihre Kruͤmmung verschieden.
Von den Nr. 1, 2, 3 und 5 enthaͤlt jedes zwei plan-convexe,
uͤber einander angebrachte Linsen; die convexe Seite ist gegen den
Beobachter, die flache gegen das Object gerichtet. Bei dieser Einrichtung
hoͤrt die Linse selbst dann nicht zu wirken auf, wenn sie mit einer Fluͤssigkeit in
Beruͤhrung kommt, was bei den doppelt-convexen Linsen mit kurzer
Brennweite so haͤufig Statt findet. Die Fassung Nr. 4 enthaͤlt drei
Linsen von derselben Einrichtung. Bei den Fassungen, die nur zwei Linsen enthalten,
bringt Hr. Chevalier, wenn dieselben von ungleicher
Groͤße sind, die kleinere in die Naͤhe des Auges, wodurch das Sehfeld
vergroͤßert, und die Brennweite verlaͤngert wird. Wir bemerken hiebei,
daß Hr. Chevalier der erste ist, der in Frankreich dem
Beispiele der HH. Wollaston und Pritchard folgte, und Linsen aus Diamant, Saphir und Granat
verfertigte.
Die Linsen sind saͤmmtlich nur einzeln gefaßt, und stehen nur durch ein
Schraubengewinde mit einander in Verbindung, so daß man sie, wenn es noͤthig
ist, von einander trennen kann, um auf diese Weise, je nachdem man sie einzeln oder
in Verbindung mit einander anwendet, eine aus der folgenden Tabelle ersichtliche
Reihe von Vergroͤßerungen hervorzubringen.
Fassung
Nr. 1.
Zwei Linsen
jede mit einer
6maligen
Vergroͤßerung
Zusammen
12malige
–
Fassung
Nr. 2.
Zwei Linsen
jede mit
12 –
–
Zusammen
24 –
–
Fassung
Nr. 3.
Zwei Linsen
jede mit
20 –
–
Zusammen
40 –
–
Fassung
Nr. 4.
Die erste Linse mit Die zweite Linse
mit Die 1ste u. 2te gepaart mit Die dritte mit Die 2te u. 3te
gepaart mit Alle drei zusammen mit
20 –
75 –
100 –
220 –
240 – 250 bis 270
–
–
–
–
–
–
Fassung
Nr. 5.
Die erste Linse allein mit
220maliger
–
Gepaart mit der zweiten mit
350 als Maximum.
Die in den Fassungen Nr. 1, 2 und 3 enthaltenen Gruppen sind besonders zur
Beobachtung und Zergliederung groͤberer Gegenstaͤnde bestimmt; sie
werden als undurchsichtige Koͤrper mittelst einer Luppe beleuchtet, die mit
dem Rande der Platte des Objecttraͤgers articulirt. Bedient man sich dieser
Nummern hingegen zur Untersuchung durchsichtiger Koͤrper, so ist es wegen der
geringen Vergroͤßerung, die sie gewaͤhren, gut, wenn man den
Gegenstand auf die Scheidewaͤnde herabsenkt, und die Beleuchtung
maͤßigt, indem man den Spiegel mit einer weißen Platte bedekt, um auf diese
Weise ein zerstreuteres Licht zu erhalten.
Die Nr. 4 und 5 und ihre Unterabtheilungen, denn jede Linse kann im Nothfalle auch
einzeln fuͤr sich angewendet werden, geben dem Beobachter alle wuͤnschenswerthen Grade
von Vergroͤßerung.
Um das Maximum der Wirkung saͤmmtlicher Linsen und aller ihrer Verbindungen zu
erhalten, muß man die Beleuchtung immer mit der Vergroͤßerung, der
Beschaffenheit und der Farbe des zu beobachtenden Koͤrpers in
Verhaͤltnis bringen; auch muß man die Linse immer in ihre wahre Brennweite
bringen, welche jedoch fuͤr jeden Punkt des Objectes, wenn dasselbe nicht
vollkommen flach ist, verschieden ist.
Die Beleuchtung durch den Spiegel und durch die Luppe koͤnnen bedeutend
mitwirken, wenn ein starkes Licht erforderlich ist.
Das Instrument ist uͤbrigens auch so eingerichtet, daß man den zu
beobachtenden Gegenstand auch direct betrachten kann, indem sich die Linse nach
Links oder Rechts beseitigen laͤßt, ohne daß deßhalb deren Brennweite
abgeaͤndert wird. Man kann die Linsen auch gegenseitig austauschen, ohne daß
man deßhalb den Beobachtungspunkt verliert; es braucht, um ihn nach dem Auswechseln
der Linse abermals zu finden, die Linse nur durch Umdrehen des Knopfes der
Zahnstange in gehoͤrige Entfernung gebracht zu werden.
Wir haben alle diese schaͤzbaren Eigenschaften des Instrumentes bei dem
taͤglichen Gebrauche desselben durch die Erfahrung erkannt, und
wuͤrdigen gelernt. Wir glauben jedoch, daß sich das einfache Mikroskop leicht
noch auf eine andere, in gewissen Faͤllen sehr nuͤzliche Weise benuzen
ließe, naͤmlich auf solche Weise, daß die Gegenstaͤnde durch das
directe Licht beleuchtet wuͤrden. Es ist hiezu nichts weiter nothwendig, als
daß das Mikroskop so eingerichtet wird, daß es aus der senkrechten Stellung in eine
wagerechte gebracht werden kann, bei welcher lezteren eine Menge von Beobachtungen,
wie z.B. die Untersuchung der Fluͤssigkeiten in den Flaͤschchen, in
denen sie enthalten sind, ohne daß man sie auf die Seite zu legen braucht, weit
leichter angestellt werden koͤnnen. Die Intensitaͤt des directen
Lichtes kann noch erhoͤht werden, indem man dasselbe durch eine starke Luppe,
die in diesem Falle die Stelle des Spiegels vertritt, und welche so angebracht
werden muß, daß ihr Brennpunkt mit dem zu beobachtenden Gegenstande
zusammenfaͤllt, treten laͤßt. Alles was zu geschehen braucht, damit
das Instrument des Hrn. Chevalier auch auf diese Weise
bequem angewendet werden kann, besteht in nichts weiter, als darin, daß man dessen
Koͤrper nicht an seiner Basis fixirt, sondern daß man ihn in einen Ring
einreibt, der sich um sich selbst drehen laͤßt, und daß man diesen Ring
mittelst eines Scharniergelenkes an dem Ende eines auf den Sokel des Instrumentes
geschraubten Saͤule anbringt. Diese Saͤule muͤßte aus zwei hohlen, concentrisch
in einander angebrachten Roͤhren bestehen, so daß sie nach Belieben
verlaͤngert oder verkuͤrzt werden koͤnnte. Man kann bei dieser
Einrichtung die Linse auf gleiche Hoͤhe mit dem Auge bringen, was fuͤr
den Beobachter sehr bequem ist.
Wir glauben, daß dieses Instrument unter allen bisher bekannten das vollkommenste
ist; und dieß ist nicht bloß die Ansicht der Commission, sondern auch jene der HH.
Audouin, Brogniart, Breschet und Nonat, die mit mikroskopischen Beobachtungen so innig
vertraut sind.
Hr. Chevalier, eben so gewandt in dem Gebrauche des
Mikroskopes, als erfahren in dem Baue derselben, hat die Bemerkungen der zahlreichen
Gelehrten, mit denen er bestaͤndig in Verbindung steht, gesammelt und
erwogen; er war lange Zeit der Freund Le Baillif's, eines
Mannes, der sich so außerordentlich viel mit dem Mikroskope beschaͤftigte.
Die gluͤklichen Resultate, die wir vor uns haben, sind die Fruͤchte
der immer folgenreichen Allianz der Theorie mit der Praxis. Die Commission
schlaͤgt vor, Hrn. Chevalier von Seite der
Gesellschaft eine Medaille fuͤr seine Erfindung zuzuerkennen.