Titel: | Einiges über Snowden's Eisenbahn mit Zahnstange. |
Fundstelle: | Band 53, Jahrgang 1834, Nr. XXX., S. 162 |
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XXX.
Einiges uͤber Snowden's Eisenbahn mit Zahnstange.
Aus dem Mechanics' Magazine, No. 566, S.
178.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Einiges uͤber Snowden's Eisenbahn mit
Zahnstange.
Die Aufmerksamkeit des englischen Publikums wurde in neuester Zeit abermals auf jene
Eisenbahn und jene Art von Wagen, auf welche sich der bekannte Mechaniker Wilh.
Franz Snowden vor mehreren Jahren ein Patent ertheilen
ließ, gelenkt, und zwar durch eine gedrukte Broschuͤre, in welcher Hr. John
Ward Esq. die Verdienste dieser Erfindung aufs
Hoͤchste anpreist.Die Broschuͤre erschien im laufenden Jahre bei E. Wilson zu London
unter folgendem Titel: „A new Discovery,
whereby Manual Labour can be most advantageously substituted for
Steam-Power on Railways. Being an Exposition on the Merits
and National-Importance of Mr.
Snowden
's Patent Improvements on Railway's and
Carriages.“ Wir haben zwar schon im Polytechn.
Journale Bd. XX. S. 326 und S. 404 die im Jahre 1824 patentirte
Erfindung des Hrn. Snowden bekannt gemacht, sehen
uns aber bei dem großen Aufsehen, das sie in neuerer Zeit wieder machte,
veranlaͤßt, noch ein Mal auf dieselbe zuruͤkzukommen, und zwar
um so mehr, da gegenwaͤrtige Zeichnung einige Modificationen der
fruͤheren darbietet, und da hier in diesem Aufsaze die angeblichen
Verdienste dieser Erfindung naͤher beleuchtet werden.A. d. R. Hr. Ward versichert naͤmlich ganz
ernstlich, daß Snowden's bewundernswerthe Erfindung ohne
Scheu mit dem besten Dampfwagen in Vergleich gebracht werden kann, und sowohl in
Hinsicht auf Kraft und Geschwindigkeit, als in Hinsicht auf Anschaffung- und
Unterhaltungskosten alle derlei Erfindungen uͤbertreffen wird. Wir wollen
daher hienach zuerst in Kuͤrze zeigen, worin denn diese gepriesenen
Erfindungen bestehen,
und dann zu zeigen suchen, in wiefern ihnen die Vorzuͤge, die man ihnen
zuschreibt, auch wirklich zukommen.
Fig. 12 ist
ein Aufriß der Eisenbahn mit dem dazu gehoͤrigen Wagen im Durchschnitte; Fig. 13 ist
ein Endaufriß, und Fig. 14 ein Grundriß. Alle diese Zeichnungen wurden theils nach einer
kleinen Bahnstreke, welche Hr. Snowden auf seinem eigenen
Grund und Boden erbaute, und die wir selbst zu untersuchen Gelegenheit hatten;
theils nach der Abbildung eines Wagens entworfen, der nach Hrn. Ward's Ansicht am meisten zur Anwendung von
Menschenkraͤften als Triebkraft geeignet seyn duͤrfte.
Die Eisenbahn besteht aus zwei Seitenschienen, welche auf zwekmaͤßigen
Unterlagen ruhen und gehoͤrig zusammengehalten werden, waͤhrend die
Flaͤchen Oberflaͤchen L, L derselben 3
Zoll in der Breite messen. An der inneren Seite der einen dieser Schienen, und
unmittelbar unter der oberen Platte laͤuft eine Zahnstange K, in welche ein horizontales Zahnrad B von 4 Fuß 6 Zoll im Durchmesser eingreift. Die Welle
A dieses Rades steigt senkrecht durch den
Mittelpunkt des arbeitenden Theiles des Wagens empor. Unter diesem Rade ist lose und
an derselben Welle ein anderes Rad C angebracht, welches
keine Zahne hat, und welches dazu dient, das Zahnrad in gehoͤriger
Hoͤhe zu erhalten. Ein anderes, dem Rade C
aͤhnliches Rad D befindet sich unter dem
fuͤr die Reisenden bestimmten Theile des Wagens, und verhindert das Abgleiten
desselben von den flachen Schienen L, L Die Kurbel G wird von Maͤnnern getrieben, welche wie beim
Vorspinnen sizen, indem diese Stellung bekanntlich die zur Ausuͤbung der
Kraft eines Menschen vortheilhafteste ist. Diese Kurbel sezt die beiden Rollen H, H in Bewegung, und diese treiben ihrerseits durch ein
eigenes, mit ihnen in Verbindung stehendes Raͤderwerk die Welle A, wodurch der Wagen selbst getrieben wird. Zur
Ausgleichung der Bewegung ist ein Flugrad F von
gewoͤhnlichem Baue angebracht, und außerdem bemerkt man auch noch zwei
Leitungswalzen E, durch welche sich der Wagen allen
Ungleichheiten, welche die Eisenbahn allenfalls darbietet, anpaßt. Die
Wagenraͤder koͤnnen, da die Schienen keine hervorstehenden
Raͤnder haben, irgend eine der gewoͤhnlichen Formen haben; in der
Zeichnung ist ihnen eine kegelfoͤrmige Gestalt gegeben, die jedoch gerade die
unvortheilhafteste Gestalt, die man ihnen geben kann, seyn duͤrfte.
Hr. Snowden berechnet das ganze Gewicht seines Wagens mit
der Einrichtung fuͤr 16 Personen, mit Ausschluß der an der Kurbel
beschaͤftigten Menschenhaͤnde, auf nicht mehr als 18 Cntr. Die
Vorzuͤge, welche Hr. Ward nun dieser Erfindung
zuschreibt, sind folgende:
1) Bei der Anwendung der Zahnstange und des Zahnrades ist es ziemlich
gleichguͤltig, ob die Eisenbahn eben oder uneben ist; die Eisenbahn kann ganz
der natuͤrlichen Neigung des Bodens folgen, so daß also die ungeheuren
Ausgaben fuͤr das Abgraben von Huͤgeln und fuͤr das
Ausfuͤllen von Vertiefungen wegfallen. Die Kosten der Eisenbahnen werden sich
hienach nicht hoͤher belaufen, als auf die Anschaffungskosten des Eisens, auf
den Ankauf des Grundes und Bodens und auf den Arbeitslohn.
2) Die Schienen werden, da sie eine flache Oberflaͤche und keine
hervorstehenden Raͤnder darbieten, dem Fortschreiten des Wagens so wenig
Widerstand als moͤglich entgegensezen.
3) Die Anschaffungskosten der Wagen werden, wenn Menschenhaͤnde als Triebkraft
benuzt werden, nicht nur nicht 1000 Pfd. St. betragen, wie dieß bei den Dampfwagen
der Fall ist, sondern sie wuͤrden sich hoͤchstens auf 100 Pfd.
belaufen; und dabei wuͤrden die Kosten fuͤr Reparaturen hoͤchst
unbedeutend seyn.
4) Die aus Menschenhaͤnden bestehende Triebkraft kann jederzeit nach dem
Gewichte der Lasten und der Reisenden regulirt werden, waͤhrend die
Dampfkraft immer eine und dieselbe bleibt, und dadurch wuͤrden die
jaͤhrlichen Kosten gleichfalls bedeutend vermindert werden.
5) Man kann Reisende nach diesem Plane mit einem hinreichenden Gewinne fuͤr
einen Penny (3 kr.) per engl. Meile, und Guͤter
fuͤr 5 Farthing per Tonne mit einer
Geschwindigkeit von 20 engl. Meilen in der Stunde fortschaffen, waͤhrend der
Frachtlohn auf der Liverpool-Manchester-Eisenbahn bei einer nicht
groͤßeren Geschwindigkeit fuͤr Reisende 2 Pence (6 kr.) und
fuͤr die Tonne Waare 2 Pence 3 Farthings per
engl. Meile betraͤgt.Der gegenwaͤrtige Frachtlohn auf dieser Eisenbahn ist etwas
hoͤher; denn er betraͤgt dem lezten halbjaͤhrigen
Berichte der Direktoren dieser Bank gemaͤß fuͤr Reisende
fuͤr die ganze Streke 5 Schill. 1 1/4 Den., fuͤr Waaren
hingegen 9 Schill. 8 1/2 Den., per Tonne. Anm.
d. Mech. Mag., Wir bemerken bei dieser
Gelegenheit, daß Hr. Thom. Gray, Verfasser der
Bemerkungen uͤber Eisenbahnen, in demselben Blatte des Mech. Magazine, S. 482 einen Aufsaz bekannt
machte, in welchem er den Directoren der fraglichen Eisenbahn
Vorwuͤrfe uͤber hohen Fuhr- und Frachtlohn auf
derselben machte. Er ist der Ueberzeugung, daß die Compagnie bei einem um
die Haͤlfte herabgesezten Fuhrlohne sehr gute Geschaͤfte
machen, und daß hiedurch der Verkehr auf der Eisenbahn erst wahres Leben
bekommen wuͤrde. Ja er haͤlt die hohen Preise, wie uns
scheint, ganz richtig fuͤr so sehr mit dem Interesse Her Compagnie im
Widerspruche stehend, daß er fraͤgt, wie viele Actienbesizer der
Eisenbahn denn auch zu den Eigenthuͤmern des Canales zwischen beiden
Staͤdten gehoͤren, welche Eigenthuͤmer bekanntlich die
groͤßten Feinde der Eisenbahn sind? Hr. Gray erinnert hiebei am Schlusse wieder an sein
National-Eisenbahnsystem, welches er seit dem Jahre 1820
jaͤhrlich der englischen Regierung vorlegt, und welches seiner
Ansicht nach so viel abwerfen muͤßte, daß es nicht nur zur
Bestreitung der jaͤhrlichen Kosten des Staatshaushaltes, sondern nach
und nach sogar zur Tilgung der enormen englischen Staatsschuld hinreichen
muͤßte)!A. d. R.
Die Berechnung, auf der diese Resultate beruhen, geht davon aus, daß die Kraft von 4
Maͤnnern, welche eine Kurbel drehen, 144 Pfd. betraͤgt, und daß diese
Kraft mehr als hinreichend ist, um 3 Tonnen einen Arbeitstag von 8 Stunden hindurch
mit einer Geschwindigkeit von 20 engl. Meilen in der Stunde fortzuschaffen.
6) Der Verbrauch an Brennmaterial, das Laͤstige des Rauches und der Hize
fallen weg, so wie auch alle Gefahren von Explosionen.
7) Endlich kann man bei der Anwendung der menschlichen Kraͤfte gewiß mit
geringeren Kosten schnell reisen, als dieß mit den Dampfwagen von irgend einer Art
moͤglich ist; und außerdem wird dadurch der große Zwek erreicht, vielen
Individuen, die gegenwaͤrtig vergebens nach Arbeit suchen, eine
eintraͤgliche Beschaͤftigung zu verschaffen. Hrn. Snowden's Erfindung wird daher der Klage uͤber
Uebervoͤlkerung wesentlich steuern, und die ganze große Gesellschaft wird
dadurch einen neuen Impuls erhalten, der zuverlaͤssig viel zur Verbreitung
von allgemeiner Zufriedenheit und Wohlfahrt beitragen wird.
Wir wollen nun sehen, in wiefern diese Behauptungen Stich halten.
Ad 1. Die Anwendung der Zahnstange und des Zahnrades auf
Eisenbahnen ist, obwohl sie von Hrn. Ward als Snowden's Erfindung erklaͤrt wird, nichts weniger,
als neu; sie bildete im Gegentheile das Wesentliche des Patentes, welches Blenkinsop bereits im Jahre 1811 auf einen Eisenbahnwagen
nahm, und wurde von Hrn. Thomas Gray im Jahre 1818 in
seinem Werke uͤber eine allgemeine Eisenbahn lebhaft vertheidigt. Wir selbst
sagten in einem fruͤheren Bande, daß die Anwendung der Zahnstange beim
Transporte von sehr schweren Lasten uͤber alle Arten von flachen Schienen
einen großen Vortheil voraus haben muͤßte, indem die bloße Adhaͤsion
von ebenen Flaͤchen nie so gut wirken koͤnne, als eine gute
Verzahnung. Gern gestehen wir jedoch Hrn. Snowden die
Erfindung einer besseren und vorteilhafteren Anwendung der Zahnstange und des
Zahnrades, als sie Hr. Blenkinsop oder irgend einer
seiner Nachfolger erdachte, zu; denn sie ist einfach, und wird, wie wir gar nicht
zweifeln, in der Praxis gewiß gute Dienste leisten.Wir verweisen in Betreff der verzahnten Eisenbahnen unsere Leser auch noch
auf das Polyt. Journal Bd. XLIV. S.
167.A. d. R. Wir glauben jedoch, daß sich diese Vortheile bloß auf jene Gegenden
beschraͤnken werden, in welchen bedeutende Anhoͤhen, die sich entweder
gar nicht, oder nur mit ungeheuren Kosten ebnen lassen, zu uͤbersteigen sind;
denn uͤberall, wo sich eine vollkommen ebene Eisenbahn ohne große
Schwierigkeiten und ohne große Kosten herstellen laͤßt, wird dieselbe um so besser seyn,
je ebener und glatter sie ist. Es gibt naͤmlich keine Geschwindigkeit oder
Kraft, die sich auf einer horizontalen Eisenbahn nicht auch durch bloße
Adhaͤsion erzielen ließe.
2) Die Flaͤche der Snowden'schen Schienen und der
Mangel der hervorstehenden Raͤnder sind zwar offenbare Vortheile; allein
diese werden durch die groͤßere Reibung, welche die Zahnstange und die
Zaͤhne des Rades erzeugen, wieder reichlich aufgewogen.
3) Die Ersparnisse in den Anschaffungskosten der Wagen und an den Kosten der
Reparaturen werden ohne Zweifel sehr groß seyn.
4) Daß die Menschenkraft je nach der fortzuschaffenden Last, und je nach der zu
erzielenden Geschwindigkeit, auf angemessene Weise vermehrt oder vermindert werden
kann, als dieß bei der Dampfkraft moͤglich ist, ist gleichfalls richtig. Die
Maschine eines Dampfwagens bleibt, was das darauf ruhende Capital betrifft, immer
eine und dieselbe, obschon die Quantitaͤt der Arbeit, die sie liefert, oft
sehr verschieden seyn kann. An Hrn. Snowden's Wagen
hingegen wird die Zahl der verwendeten Menschenhaͤnde bei jeder Fahrt und bei
jeder Veraͤnderung der Last wechseln.
5) Die Berechnungen des Fuhrlohnes, bei welchem Hrn. Ward
zu Folge die Snowden'schen Wagen noch mit Vortheil fahren
koͤnnen, beruhen auf sehr unvollkommenen und sehr ungenuͤgenden
Thatsachen. Glaubt er die 20 engl. Meilen per Stunde auf
einer ebenen oder auf einer geneigten Bahn zu erreichen? Welchen Grad von Neigung
rechnet er in lezterem Falle, oder glaubt er, daß fuͤr alle Neigungen eine
und dieselbe Kraft erforderlich ist? Wir koͤnnen nicht einsehen, woher er die
Materialien zu seiner Berechnung nahm, und glauben daher, dieselben seyen aus der
Luft gegriffen.
6) Die Abwesenheit von Hize, Rauch und Explosionsgefahr sind unbestreitbare
Vortheile.
7) Was aber endlich die glaͤnzenden Erwartungen betrifft, mit denen Hr. Ward schließt, und nach welchen in Zukunft alle
unbeschaͤftigten Menschen sehr nuͤzliche und eintraͤgliche
Beschaͤftigung finden sollen, nach denen alle Furcht vor
Uebervoͤlkerung verschwinden wuͤrde, so scheinen uns dieselben ganz
unbegruͤndet. Daß man mit Huͤlfe der Menschenkraft eben so schnell und
wohlfeiler als mit Dampfkraft reisen koͤnne, ist eine bisher nur von Hrn. Ward aufgestellte, und alles Beweises ermangelnde
Behauptung, welche gegen alle Erfahrung und sogar gegen alle Wahrscheinlichkeit
streitet. Waͤre sein Princip richtig, so muͤßten sich die Vortheile
der Menschenkraft nicht bloß auf den Eisenbahnen mit Zahnstangen, sondern eben so
auch auf den glatten Schienen erweisen.