Titel: | Ueber die Wirkungen der Größe bei dem Baue verschiedener Maschinen. Von J. S. |
Fundstelle: | Band 53, Jahrgang 1834, Nr. XLIII., S. 280 |
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XLIII.
Ueber die Wirkungen der Groͤße bei dem
Baue verschiedener Maschinen. Von J. S.
Aus dem London Journal of Arts. Julius 1834, S.
304.
Wirkungen der Groͤße bei dem Baue verschiedener
Maschinen.
Der Einfluß der Groͤße auf die Kraft und auf die Bewegung der Maschinen, so
wie auf den Bau aller mechanischen Vorrichtungen im Allgemeinen, erhellt am
Auffallendsten aus den Unterschieden, welche zwischen den Resultaten, die die
Versuche mit Modellen geben, und jenen, die sich zeigen, wenn die Maschinen im
Großen ausgefuͤhrt werden, Statt finden. Es geschieht nur zu haͤufig,
daß man, wenn eine neue Theorie aufgestellt, oder eine neue Maschine erfunden wird,
aus Versuchen, die im Kleinen oder mit Modellen angestellt wurden, Schluͤsse
zieht, die sich in der Praxis und im Großen nicht bewaͤhren; aus diesem
Grunde sezen auch erfahrene und praktische Mechaniker in Versuche, die bloß mit
Modellen angestellt wurden, großen Theils nur geringes Vertrauen. Es laͤßt
sich jedoch aus verschiedenen Gruͤnden annehmen, daß dieser haͤufige
Gegensaz zwischen den theoretischen oder experimentellen und praktischen Resultaten
nicht in allen Faͤllen Statt findet, und daher duͤrfte es sehr gut
seyn, wenn man auch in dieser Hinsicht mit gehoͤriger Vorsicht zu Werke
ginge.
Eine Ursache, warum der Effect eines Modelles sehr haͤufig keinen Maßstab
fuͤr den Effect einer nach demselben Principe, aber im Großen
ausgefuͤhrten Maschine gibt, beruht darin, daß die Intensitaͤt der
Thaͤtigkeit der Eigenschaften einer Materie nicht immer mit der bloßen
Quantitaͤt der Materie im Verhaͤltnisse stehen: d.h. daß es in
Hinsicht auf alle Materien oder Koͤrper einen gewissen Punkt gibt, bei
welchem deren Eigenschaften in Thaͤtigkeit zu kommen beginnen,
waͤhrend sie unter diesem Punkte nur schlummern oder gebunden, latent sind.
Dieser Punkt nun wird in sehr vielen Modellen gar nicht erreicht, und daher kommt
oft die oben erwaͤhnte Verschiedenheit.
Nehmen wir z.B. nur die Schwingung. Eine schwere, zwischen zwei Punkten
aufgehaͤngte Kette kann dadurch, daß man sie in Schwingung versezt, bloß in
Folge ihrer eigenen Schwingung bis zum Brechen gebracht werden; ein duͤnner
Draht hingegen kann, wenn er zwischen zwei verhaͤltnißmaͤßig weit von
einander entfernten Punkten aufgehaͤngt wird, durch seine eigene Schwingung
nicht zum Abreißen gebracht werden.
Die Ursache des zwischen diesen Resultaten bestehenden Unterschiedes liegt darin, daß
der Bruch durch das Bewegungsmoment, welches der in Bewegung befindliche
Koͤrper erreicht, hervorgebracht wird. Dieses Bewegungsmoment, welches durch
das Gewicht und das Quadrat der Geschwindigkeit bedingt wird, kann in dem Falle, in
welchem es sich um eine schwere Kette handelt, leicht ein solches werden, daß es die
Staͤrke der Kette uͤbersteigt. In dem Falle hingegen, in welchem es
sich von einem feinen Drahte handelt, kann, indem das Gewicht beinahe nichtig ist,
das zur Erzeugung des Bruches noͤthige Bewegungsmoment nur dadurch erreicht
werden, daß man das Gewicht mit einer sehr großen Geschwindigkeit verbindet: eine
Geschwindigkeit, welche so groß seyn muͤßte, daß sie bei der Natur des
Experimentes kaum erreichbar waͤre. Daher ist der Punkt, wo die effektive
Schwingung beginnt, außerhalb der Graͤnzen, die der Versuch mit dem Drahte
zulaͤßt, und innerhalb der Graͤnzen des Versuches mit einer Kette.
Was die Reibung betrifft, so wissen wir, daß die Theilchen an allen Koͤrpern
eine gewisse Zeit brauchen, ehe sie sich gewaltsam aus ihrer Stelle vertreiben
lassen. Aus diesem Grunde erhebt sich ein Boot, welches mit einer großen
Geschwindigkeit durch das Wasser gezogen wird, naͤher an die
Oberflaͤche des Wassers, wodurch die Quantitaͤt des Wassers, die es
aus der Stelle treibt, vermindert wird. Die Wassertheilchen, welche aus der Stelle
getrieben werden, erfordern naͤmlich, um der Gewalt, die auf jede einzelne
Schichte der Theilchen einwirkt, nachgeben zu koͤnnen, mehr Zeit, als ihnen
in Folge der Geschwindigkeit des Bootes gestattet wird, und daher muß das Boot
nachgeben, und uͤber jene Theilchen hingleiten, die es nicht aus der Stelle
treiben hann.
Aus demselben Grunde nimmt auch wahrscheinlich die Kraft, die zum Ziehen einer
Landkutsche auf einer gewoͤhnlichen Landstraße noͤthig ist, in einem
geringeren Verhaͤltnisse, als die Geschwindigkeit zu: ein Gesez, welches wohl
auch auf die Eisenbahnen angewendet werden kann; d.h. in beiden Faͤllen
theilen die Materialien, aus denen die Straßen erbaut sind, insofern die Natur von
Fluͤssigkeiten, als die Koͤrper, die auf ihnen ruhen, so schwer sind,
daß sie merkbar oder unmerkbar in die Substanz des Materiales einsinken. Die
Wagenraͤder muͤssen, wenn sie in Bewegung kommen, entweder alle vor
ihnen liegenden Theilchen zerquetschen, oder sie muͤssen dieselben aus der
Stelle treiben, oder endlich ihre Stellung muß durch die Widerstand leistenden
Theile veraͤndert werden. Da nun aber die Theilchen der Straße, dieselbe mag
aus Stein oder aus Eisen bestehen, wie die Theilchen anderer Koͤrper je nach
ihrer eigenthuͤmlichen Natur eine bestimmte Zeit erfordern, um der Gewalt
nachgeben, und ohne zerquetscht zu werden, von der Stelle weichen zu koͤnnen,
so folgt hieraus, daß, wenn die Last die Theilchen nicht durch ihr Gewicht zu
zerquetschen im Stande ist, und wenn die Zunahme der Bewegung groͤßer ist,
als die Zeit, welche erforderlich ist, damit die Theilchen der Straße aus der Stelle
getrieben werden koͤnnen, die Raͤder uͤber diese Theilchen
emporgehoben werden muͤssen. Durch dieses theilweise Emporheben der
Raͤder aus dem Medium, in welchem sie sich bewegen, werden die Raͤder
ein Koͤrper, der weniger Theile aus der Stelle treibt, und der, indem er auf
eine geringere Anzahl Widerstand leistender Theilchen trifft, auch weniger Reibung
erfaͤhrt, wenn seine Geschwindigkeit beibehalten wird.
Diese ganze Theorie haͤngt jedoch von Beobachtungen ab, die bei Versuchen im
Kleinen nicht genuͤgend angestellt werden koͤnnen, indem die zu
beobachtende Wirkung der Eigenschaften der Koͤrper bis zu einem gewissen
Punkte gebunden oder verborgen ist; d.h. die Zusammendruͤkbarkeit einer guten
Landstraße oder einer Eisenbahn ist gebunden oder unbemerkbar, bis ein gewisses
Gewicht auf dieselben wirkt, und dieses Gewicht laͤßt sich mit einem Modelle
nicht erzielen. Daher koͤnnen alle Versuche, die uͤber verschiedene
Dampf- oder sogenannte Locomotiv-Wagen angestellt werden, bei denen
der Vortheil oder Nachtheil von der Vermehrung oder Verminderung der Reibung
abhaͤngt, zu keinem entscheidenden Resultate fuͤhren, indem sie nie
den Widerstand, welcher bemessen werden soll, hervorbringen.
Es sollte daher bei allen Versuchen vor der Festsezung der Groͤße der Modelle,
oder bevor man sich uͤberhaupt zur Anwendung von Modellen entschließt,
ausgemittelt werden, ob die Kraͤfte, die dabei in's Spiel kommen, von solcher
absoluter Intensitaͤt sind, daß sie auf die Widerstandskraͤfte, auf
welche sie treffen, wirken koͤnnen; sind sie naͤmlich zu klein, als
daß sie dieß thun koͤnnten, so sind die Versuche mit diesen Modellen offenbar
unnuͤz, indem sie durchaus keinen Maßstab fuͤr die wirkliche Leistung
einer nach dem Modelle gebauten Maschine geben koͤnnen.
Ein anderer Grund, warum die Resultate der mit Modellen angestellten Versuche so oft
nichts entscheiden, beruht darauf, daß, indem die Operationen gewoͤhnlich in
sehr kleinem Maßstabe erfolgen, und saͤmmtliche Quantitaͤten folglich
verhaͤltnißmaͤßig klein sind, die Unterschiede nothwendig auch so
klein sind, daß sie nicht gehoͤrig bemessen werden koͤnnen,
waͤhrend doch Irrthuͤmer, die im Kleinen klein und kaum bemerkbar
sind, im Großen sehr bedeutend werden koͤnnen. Man beobachtet ferner bei dem
Baue von Modellen zwischen der Staͤrke und der Kraft der arbeitenden und
jener der Widerstand leistenden Theile selten jenes Verhaͤltniß, welches bei Maschinen im Großen
beobachtet werden muß.
Die vielen Faͤlle, in welchen Dinge in kleinem Maßstabe ausgefuͤhrt
sehr gut entsprachen, waͤhrend sie, wenn sie ganz nach demselben Principe im
Großen ausgefuͤhrt wurden, mißlangen, lassen sich groͤßten Theils auf
die hier beruͤhrten Irrthuͤmer zuruͤkfuͤhren. Ich will
nur einige Beispiele hiefuͤr anfuͤhren.
Als man zuerst Haͤngebruͤken zu bauen anfing, baute man deren mehrere
kleine, welche sehr gut hielten, und an denen die Platform von schiefgeneigten
Drahten getragen wurde; als man aber spaͤter nach demselben Plane eine
groͤßere erbaute, wurde dieselbe alsbald durch einen Windstoß abgerissen. Es
laͤßt sich durchaus nicht annehmen oder erweisen, daß dieser Unfall wegen
schlechter Groͤßenverhaͤltnisse, welche man der Bruͤke gab,
oder wegen schlechter Arbeit eintrat; sondern der Grund des Unterschiedes in den
Resultaten lag darin, daß das Princip des Baues fehlerhaft war, indem die Ketten,
wenn sie beinahe straff angezogen sind, zu sehr geschwaͤcht werden,
waͤhrend sie, wenn man sie zu schlaff laͤßt, lauter verschiedene
Kruͤmmen bilden, so daß also die Schwingungen, in welche sie durch einen
heftigen Windstoß versezt werden, ungleich werden, und folglich nicht jede
Kruͤmme einen gleichen Grad von Spannung auszuhalten hat. Dieser Fehler im
Principe konnte bei einem Baue im Kleinen verborgen bleiben, weil hier
wahrscheinlich ein sehr großer Ueberschuß von Kraft vorhanden war, und weil die
ganze Masse zu leicht war, als daß sie durch ihre eigene Schwingung hatte
beschaͤdigt werden koͤnnen. So wie aber dasselbe Princip auch auf
einen groͤßeren Bau ausgedehnt wurde, so wurde die Kraft, die durch die
Bewegung der Theile in Wirksamkeit kam, um Vieles vergroͤßert; die
Staͤrke der Theile uͤbertraf den zu uͤberwindenden Widerstand
nicht mehr so sehr, und der Fehler im Principe wurde daher offenbar.
Eben so verhielt sich's auch bei den Dampfmaschinen. Die sogenannte Dampfmaschine mit
Winkeleisen entsprach in kleinem Maßstabe ausgefuͤhrt, sehr gut; so wie man
sie aber im Großen baute, schlug sie fehl: und zwar aus dem Grunde, weil in ihr das
Gleichgewicht nicht hergestellt ist, indem der Kolben und die damit verbundenen
Theile bei der Bewegung des Kolbens nach Abwaͤrts nicht nur durch die Kraft
des Dampfes, sondern auch durch ihr eigenes Gewicht herabgedruͤkt werden,
waͤhrend ihnen bei dem Heben des Kolbens eben dieses Gewicht ein Hinderniß in
den Weg legt. Dieser Fehler blieb verborgen oder unbemerkt, so lange die Maschine
nur von geringer Kraft war; und zwar weil das Gewicht, welches die nachtheilige Wirkung
ausuͤbte, im Verhaͤltnisse zu der Masse, Staͤrke und Harte der
Materialien so klein war, daß es kein solches Moment erlangen konnte, als daß es die
Festigkeit des Baues merklich hatte beeintraͤchtigen koͤnnen. An der
großen Maschine hingegen blieb zwar die Haͤrte der Materialien eine und
dieselbe, allein die Masse, welche die Kraft auszuhalten hatte, war, da große
Gegenstaͤnde in der Regel verhaͤltnißmaͤßig schwacher gebaut
werden, als kleine, im Verhaͤltnisse zu der ihr mitgetheilten Kraft viel
geringer, als an der kleinen Maschine, wo alsdann der Fehler im Principe nothwendig
fuͤhlbar werden mußte.
Die außerordentlichen Resultate, die man in lezter Zeit bei den Versuchen
uͤber undulirende Eisenbahnen erhalten haben will, und die Schluͤsse,
die von Manchen daraus gezogen wurden, geben ein auffallendes Beispiel von dem
Irrwahne, der daraus erwachsen kann, wenn man gewisse Wirkungen oder
Umstaͤnde und die Unterschiede zwischen den beobachteten Quantitaͤten
wegen der Kleinheit der mitgetheilten Quantitaͤten uͤbersieht. Man
behauptete, und wie mir scheint, mit Recht, daß bei jenen Versuchen ein Modell eines
Dampfwagens, welches durch eine Feder in Bewegung gesezt wurde, bei uͤbrigens
ganz gleichen Umstaͤnden eine bestimmte horizontale Streke auf einer
undulirenden Eisenbahn in kuͤrzerer Zeit durchlief, als es zum Durchlaufen
derselben Streke auf einer horizontalen Eisenbahn brauchte. Man schloß aber hieraus,
daß mehrere bisher allgemein anerkannte Grundsaͤze vollkommen
umgestuͤrzt werden muͤssen; und der Irrthum in diesem Schluͤsse
scheint davon herzuruͤhren, daß man zuerst nicht darauf achtete, daß das
Modell auf der horizontalen Bahn, nachdem es diese Bahn durchlaufen, mehr Neigung zu
einer kraftvollen Bewegung hatte, als auf der undulirenden Bahn. Es darf jedoch
nicht Wunder nehmen, daß dieß vernachlaͤssigt wurde, indem der Unterschied im
Kleinen wahrscheinlich so gering war, daß er nur mit Huͤlfe sehr
empfindlicher Instrumente haͤtte bemessen werden koͤnnen.
Ich schließe mit dem Rache, daß Versuche, die mit Modellen vorgenommen werden, wenn
man sich ja darauf stuͤzen will, mit der groͤßten und bis in's
Kleinliche gehenden Aufmerksamkeit angestellt werden sollen; daß man sich nie mit
Versuchen im Kleinen begnuͤgen soll, wenn Versuche im Großen angestellt
werden koͤnnen; und daß man solche im Kleinen vorgenommene Versuche unter
keinen Umstaͤnden fuͤr mehr als Daten zur Beurtheilung der
wahrscheinlichen Wirkungen halten soll.