Titel: | Ueber neue Verbesserungen an Gewehren. |
Fundstelle: | Band 54, Jahrgang 1834, Nr. XXXV., S. 178 |
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XXXV.
Ueber neue Verbesserungen an
Gewehren.
Neue Verbesserungen an Gewehren.
Unlaͤngst kam ein Englaͤnder auf die Idee, aus einem Blaserohr einen
Spazierstok mit Percussion, um damit mit Pulver schießen zu koͤnnen, zu
machen. Ich besize einen solchen sehr duͤnnen Stok, dem man es wahrlich von
Außen nicht ansieht, daß damit, wenn gehoͤrig gezielt wird, richtig
geschossen werden koͤnne. Das Ganze ist so einfach, daß es gar keiner
Zeichnung bedarf, um von Jedermann begriffen zu werden. Das Rohr ist in zwei Theile
abgesondert, welche auf einander geschraubt werden. Derjenige Theil des Rohres,
welcher an den Mund gesezt wird, um damit vermoͤge eines durchbohrten Knopfes
zu blasen, enthaͤlt einen kleinen, genau passenden Cylinder von Stahl,
ungefaͤhr 1/4 Zoll dik, der durch das Blasen mit dem Munde
hinlaͤngliche Kraft erhaͤlt, um ein Zuͤndhuͤtchen,
welches auf einem an dem vorderen Rohr angebrachten Piston aufgestekt wird, zu
entzuͤnden. Dieses vordere Rohr wird, wie jedes andere Gewehr, mit Pulver und
Blei geladen, und das Treffen demjenigen uͤberlassen, der dazu
Geschiklichkeit besizt. In diesem vorderen Rohre befindet sich ein zusammengelegter
eiserner Ladstok, und vorne ein Knopf, um dessen Herausfallen zu verhindern.
Nachdem ich lange nachgedacht hatte, in wiefern sich diese Spielerei benuzen ließe,
um daraus ein wirkliches fuͤr Jedermann brauchbares Gewehr zu verfertigen,
ist es mir endlich gelungen, dieses auf eine befriedigende Weise zu realisiren. Dazu
ließ ich einen Schaft machen, dessen Hals in so weit gekruͤmmt ist, daß mein
darauf festgeschraubtes Blase- und Schießrohr in derjenigen Richtung zu
stehen kommt, welche sowohl die gerade Linie des Schusses erheischt, als auch das
aufgeschraubte Mundstuͤk bei dem Anschlage dem Munde zufuͤhrt. Zu
groͤßerer Sicherheit, daß dieses auch immer geschehen muͤsse, ließ ich
mehrere Mundstuͤke von verschiedener Laͤnge von Horn verfertigen. Wer
nun ein solches Gewehr an den Baken bringt, kann nach kurzer Uebung eben so genau
durch das Blasen schießen, als mit jedem Gewehr mit Schloß. Zu moͤglichst
groͤßerer Bequemlichkeit ließ ich die staͤhlerne Klappe der
Schaftgarnitur vermoͤge einer Feder zum Aufspringen einrichten, damit ich
unter derselben ein kleines Pulverhorn, einen Behaͤlter fuͤr die
Zuͤndhuͤtchen und die Ladung in dem Kolben anbringen konnte. Dieses
Gewehr schießt aͤußerst scharf, und eben so gut die Kugeln, als auch die
verschiedenen Schrotarten. Der Ladestok zum Zusammenlegen befindet sich im vorderen
Roͤhre.
Naͤchstens denke ich ein anderes schon laͤnger von mir erfundenes
Percussionsgewehr bekannt zu machen, welches, wie ich glaube, alle Vorzuͤge
besizt, die bisher mehr oder weniger den andern abgehen. Ich erhielt
unlaͤngst aus Paris das kuͤrzlich neu erfundene Gewehr des Hrn. Pottet, rue neuve de Luxemburg
No. 1, dessen das zweite dießjaͤhrige Augustheft des Polytechn.
Journals nach dem Berichte der Société
d'encouragement pour l'industrie nationale erwaͤhnt. Ohne dem Hrn.
Buͤchsenmacher Pottet in Paris sein Verdienst
schmaͤlern zu wollen, muß ich doch hier erwaͤhnen, daß die Benuzung
der Spiralfedern (Ressors á Boudin) statt der
Anwendung der Schlagfedern und anderer Schloͤssereinrichtungen nichts weniger
als neu ist, indem ich in meiner großen Gewehrsammlung, welche sich
fortwaͤhrend mit den nur einiger Maßen brauchbaren neuen Erfindungen
rekrutirt, schon wenigstens seit 20 Jahren eine Zwillings- und eine einfache
Flinte, so wie drei Kugelbuͤchsen besize, welche saͤmmtlich statt
anderer Schloͤsser Spiralfedern (Ressors á
Boudin) haben, und schon laͤngst nach mehreren waͤhrend
dieser Zeit vorgenommenen Percussionsumaͤnderungen mit
Zuͤndhuͤtchen aufgerohrt werden, und wie alle aus dem Centrum der
Pulverkammer sich entzuͤndenden Gewehre aͤußerst scharf schießen, weil
sie sich schneller als andere entladen. – Ulm, den 18. October 1834.
Heinrich, Herzog von Wuͤrtemberg, mehrerer
gelehrten Gesellschaften theils wirklichem, theils Ehrenmitglied.