Titel: | Ueber den gegenwärtigen Zustand der Schafzucht und der Wollenwaaren-Fabrikation in Frankreich, wie er sich bei der lezten Industrieausstellung beurkundete. |
Fundstelle: | Band 54, Jahrgang 1834, Nr. LII., S. 293 |
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LII.
Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand der
Schafzucht und der Wollenwaaren-Fabrikation in Frankreich, wie er sich bei der
lezten Industrieausstellung beurkundete.
Im Auszuge aus dem ersten Capitel des Musée
industriel.
Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand der Schafzucht in
Frankreich.
Wenn das franzoͤsische Volk auch nicht gleich dem englischen durch die
Wollsaͤke seines Parliamentes bestaͤndig an die hohe Wichtigkeit jenes
Industriezweiges, Hessen Basis die Wolle bildet, erinnert wird, so ist es doch nicht
weniger von der großen Bedeutung desselben und von seinem unberechenbaren Einflusse
auf das Nationalwohl durchdrungen. In Frankreich, wie in England und mehreren
anderen Staaten unterhaͤlt die Wolle eine unabsehbare Thaͤtigkeit
eines weit verbreiteten Geschaͤftes. Wie viele Haͤnde
beschaͤftigt sie nicht vom Schaͤfer bis zu jenem Fabrikarbeiter, der
dem Wollenzeuge die lezte Appretur gibt? Welche Werthe und Reichthuͤmer
erzeugt sie fortwaͤhrend und taͤglich? Welche Bewegung bringt sie in
unserem Handel im Binnenlande sowohl, als mit dem Auslande hervor?
Die einzelnen Zweige der Wollenwaaren-Fabrikation haben sich in Frankreich
fortwaͤhrend verbessert, und einige lassen nur wenig mehr zu wuͤnschen
uͤbrig. Hauptsaͤchlich fehlt es nur mehr an einer ausgebreiteten
Erzeugung jener langen, glaͤnzenden, fuͤr den Kamm bestimmten Wollen,
die das Material einer großen Menge von Artikeln bilden, welche man
gewoͤhnlich mit dem Namen der geschornen oder glatten Zeuge (étoffes rases) bezeichnet. Die Art der Schafe,
welche diese Wollen liefern, ist unseren Oekonomen nicht mehr unbekannt; viele
derselben suchten sie im Gegentheile bereits auf ihm Guͤtern zu
acclimatisiren. Wenn diese Versuche bisher auch noch nicht gelangen, so ist es
deßhalb doch nicht weniger gewiß, daß neue, mit groͤßerer Sorgfalt
unternommene Versuche endlich dennoch zu dem gewuͤnschten Resultate
fuͤhren werden. Die franzoͤsische Regierung beauftragte daher auch
gegen das Ende des vorigen Jahres den Director der Veterinaͤrschule von
Alfort, Hrn. Yvart, eine Schafheerde aus der Grafschaft
Leicester nach Frankreich uͤberzufuͤhren; und bereits
gegenwaͤrtig befindet sich daselbst eine solche Heerde von 122
Stuͤken, welche nicht nur ein bisher noch nicht erzieltes Gedeihen
verspricht, sondern aus deren Pflege, Vermehrung und Kreuzung sich auch praktische
Regeln fuͤr die Zucht dieser Race und eine Aneiferung fuͤr die
Schafzuͤchter Frankreichs ergeben wird.
Mit Ausnahme dieser einzigen Verbesserung, deren Frankreich noch hierin bedarf, kann
sich dasselbe bereits in allen anderen Zwei gen mit dem Auslande messen. Das Fließ
vieler seiner Schafe, besonders jener der beruͤhmten Heerde von Naz, im Dept. de l'Ain kommt an Feinheit bereits der
schoͤnsten saͤchsischen Electoralwolle gleich; das Sortiren und
Waschen der Wolle geschieht gegenwaͤrtig nach den besten Methoden; das
Oeffnen, Kardaͤtschen, Mengen Kaͤmmen, Spinnen und Weben der Wolle, so
wie die weitere Behandlung der gewebten Zeuge wird mit den vortrefflichsten
Maschinen vollbracht; kurz Alles verspricht den glaͤnzendsten Erfolg.
Die ersten Maschinen dieser Art brachte im Jahre 1802 ein Schottlaͤnder,
Namens James Douglas, der nach seiner Naturalisation bei
uns leider zu fruͤh fuͤr die Industrie verstarb, nach Frankreich das
Gluͤk, welches er in kurzer Zeit machte, bewog spaͤter manche gewandte
Mechaniker Englands sich bei uns niederzulassen, und uns mit den Talenten und den
Entdekungen ihrer Landsleute zu bereichern. Um dieselbe Zeit machte Hr. Cokerill die Fabrikanten von Verviers, Malmedy, Eupen
etc., welche Orte damals zu Frankreich gehoͤrten, mit aͤhnlichen
Maschinen bekannt. Beiderlei Maschinen gingen nach und nach auf alle unsere Fabriken
uͤber, und erzeugten in den Preisen unserer Tuͤcher eine Verminderung
von 8 bis 10 Proc.
Selbst jene Gewerbsleute, die sich der Anwendung der Maschinen am
hartnaͤkigsten widersezten, waren endlich aus Furcht, ihr Gewerbe zu Grunde
gehen sehen zu muͤssen, zu deren Annahme gezwungen. Wir erinnern in dieser
Hinsicht nur an die Kadisfabrikanten im Departement de la
Lozére, welche ohne Maschinen unmoͤglich mehr in Concurrenz
treten konnten.
Die meisten der Maschinen, welche Douglas und Cokerill in Frankreich einfuͤhrten, wurden seither
verbessert, oder durch andere bessere mit Vortheil ersezt; diese Verbesserungen sind
hauptsaͤchlich im Kardaͤtschen, Kaͤmmen und Spinnen der Wolle,
so wie im Weben der Zeuge und im Scheeren derselben rasch auf einander gefolgt. Die
Industrieausstellungen der Jahre 1819, 1823 und 1827 zeigten uns die
Kardaͤtsch-, Kaͤmm- und Spinnmaschinen Dubo's, John Collier's,
Bélanger's und anderer; sie enthuͤllten die
Webestuͤhle Collier's, Cala's, Debergue's etc.;
die Scheermaschine mit schnekenfoͤrmig wirkender Kraft der HH. Sevenne, Collier und Poupart-Neuflise; die Scheermaschine mit schwingender Bewegung des
Hrn. Abraham Poupart von Sedan; die
Transversalscheermaschine des Hrn. Collier und andere
mehr.
Man glaubt allgemein, daß die Veredlung der franzoͤsischen Schafzucht sich von
einer Merinosheerde her datire, welche Ludwig XVI. nach Rambouillet verpflanzte;
wahrscheinlich duͤrfte dieser Monarch jedoch dieses Verdienst mit dem
Oekonomen Heurtaut de Lamerville theilen, der schon im
Jahre 1781 fuͤr sein Landgut in der Gemeinde Dun, Dept. du Cher, 12 Merinosschafe kaufte. Dem sey nun aber, wie ihm wolle,
so wurde die Verbesserung der Schafe bei uns erst einige Jahre nach dem Anno 1795 zu Basel zwischen Frankreich und Spanien
abgeschlossenen Frieden bemerkbar, indem sich Spanien in diesem Friedensschlusse
anheischig machte, die Ausfuhr von 4000 Merinos nach Frankreich zu gestatten.
Auf diese Einfuhr folgte nothwendig auch die Errichtung von Wollenwaͤschereien
nach spanischer Methode, und die Befolgung einer Sortirmethode, nach welcher die
verschiedenen Theile der Fließe je nach den Zweken, zu denen sie bestimmt sind,
sortirt werden. Eine der ersten dieser Anstalten gruͤndete der sel. Ternaux in Passy; eine zweite errichtete die Stadt Paris
unter der Leitung des gegenwaͤrtig in Odessa befindlichen Hrn. Daralon; eine dritte erstand im Dept. de la Vienne, wo sie den Schafzuͤchtern dieses Landstriches
große Dienste leistet. Die Gesellschaft zu Naz errichtete neuerlich eine solche in
Croissy bei Chaton, welche nach Auftrag arbeitet, und in der die Wollen, nachdem sie
entweder kalt oder warm gewaschen worden, so sortirt werden, wie sie die
Tuchfabriken brauchen. Allmaͤhlich haben sich diese Anstalten dermaßen
vermehrt, daß sich die Regierung nicht mehr darum zu kuͤmmern braucht.
Auf diese Weise und bei der Sorgfalt, welche die Heerdenbesizer auf die Reinerhaltung
der Racen und auf die Veredlung der einheimischen Racen durch gehoͤrige
Kreuzung mit edleren verwendeten, sind diese Verbesserungen allmaͤhlich so
weit gediehen, daß die Regierung, welche anfangs in dieser Absicht mehrere
Schaͤfereien errichtet hatte, sie bis auf zwei saͤmmtlich als nunmehr
uͤberfluͤssig aufgab. Die besten unserer einheimischen Merinoswollen
haben, wer sollte es glauben, bereits die Spanischen an Guͤte
uͤbertreffen, indem sie bei gleicher Festigkeit weniger steif sind, und sich
daher vorzugsweise fuͤr die superfeinen Tuͤcher eignen; sie wetteifern
selbst mit der schoͤnsten sich fischen Electoralwolle, welche die feinste
ist, die man kennt, und vereinen das Weiche, Markige, Feine, Elastische und Nervige
in hohem Grade in sich.
Alle diese Eigenschaften zeichneten mit einigen Schattirungen die Merinoswollen aus,
welche bei der dießjaͤhrigen Industrieausstellung vorgelegt wurden, und
welche nun in Kuͤrze erwaͤhnt werden sollen, und zwar in
alphabetischer Ordnung der Concurrenten.
1) Association rurale de Naz. Die Heerde von Naz
gehoͤrt zwar nicht der Zahl, wohl aber der Schoͤnheit der Wollen nach
zu den ersten im Koͤnigreiche; an diese Gesellschaft wenden sich die
Schafzuͤchter hauptsaͤchlich, wenn sie ihre Merinosrace veredeln
wollen. Sie besteht nun 35 Jahre, und hat sich diese Zeit in sich selbst erhalten;
sie ist das Eigenthum der HH. Girod de l'Ain und Perrault de Jotemps. Sie wurde zu Chevry, Bezirk von Gex,
in der Nachbarschaft von Genéve gegruͤndet, wo sie 2500 Stuͤk
zahlt; spaͤter bildete sie jedoch ein Depot zu Créteil bei Paris. Die
Gesellschaft erhielt schon im Jahre 1823 und im Jahre 1827 die goldene Medaille, und
zeigte sich seither dieser Auszeichnung immer wuͤrdiger.
2) Hr. Baudouin der Vater von Poitiers, der im Jahre 1827
von der Société d'encouragement
fuͤr eine seiner Erfindungen die goldene Medaille erhielt, legte in diesem
Jahre zum ersten Male Wollen seiner kleinen Heerde im Haut-Poitou vor, welche
viel versprechen.
3) Hr. Bourgeois, Eigenthuͤmer zu Rambouillet, und
Director der koͤnigl. Schaͤferei daselbst, erhielt im Jahre 1823 eine
bronzene und im Jahre 1827 eine silberne Medaille. Seine Heerde ist von reiner
Rambouilletrace, und ihre Wolle wird von den Fabrikanten feiner Tuͤcher sehr
gesucht. Er suchte durch die Wollen und die Documente, welche er einsandte,
hauptsaͤchlich zu beweisen, daß große und starke Merinos eine eben so feine Wolle geben
koͤnnen, als die kleine Merinosrace, was von großer Wichtigkeit ist. Zugleich
legte er auch die Instrumente vor, mit denen er auf den Ohren der Schafe die Zeichen
anbringt, mit deren Huͤlfe man leicht eine Heerde, welche bis an 10,000
Stuͤk stark ist, bezeichnen und zaͤhlen kann, und deren er sich schon
seit vielen Jahren bedient. Unter den 50 Lotten von Wolle, welche Hr. Bourgeois außerdem vorlegte, zeichnete sich eine neue Art
von Merinoswolle aus, welche sich zur Fabrikation der Rheimser Waaren eignet, und
den englischen Wollen aus Flandern und dem Artois aͤhnlich ist; sie besizt
jedoch die Feinheit der Merinoswollen, waͤhrend leztere grob sind.
4) Hr. Caille von Varastre, Seine und Marne, legte
schoͤne Merinoswolle vor, und erhielt dafuͤr eine bronzene
Medaille.
5) Hr. Clausel von Mirepoix, Ariége, sandte sehr
feine Wolle ein.
6) Hr. Du Preuil von Pouy, Aube, besizt eine Heerde von
3400 Merinosschafen, welche zu den zahlreichsten und schoͤnsten in Frankreich
gehoͤrt. Hr. Fortier, Schwiegervater des Hrn. Du Preuil, gruͤndete diese Heerde vor 30 Jahren
mir Schafen, die er aus Spanien, Rambouillet, Perpignan, Malmaison etc. bezog. Durch
Kreuzung mit saͤchsischen und Nazer Widdern brachte Hr. Du Preuil seine Wolle in den lezten 12 Jahren auf den hoͤchsten
Grad von Vollkommenheit. Er erhielt eine silberne Medaille.
7) Hr. Godain der altere zu
Chatillon-sur-Seine begruͤndete eine Heerde aus reiner
Elektoralrace, welche er durch Kreuzung mit franzoͤsischen Merinos auf 550
Stuͤk brachte. Er erhielt eine silberne Medaille.
8) Hr. Ganeron der Sohn zu
Bussy-St.-Georges, Seine und Marne besizt gegenwaͤrtig gegen
1600 reine Merinos. Er erhielt schon im Jahre 1827 die silberne Medaille und die
Jury ertheilte ihm auch dieß Mal großes Lob.
9) Hr. Houdeville zu St. Denis d'Aclon, untere Seine, hat
seine Merinosheerde, welche Hr. Delessert durch Einfuhr
spanischer Schafe vor 32 Jahren begruͤndete, auf 700 Stuͤk vermehrt.
Die Jury kannte ihm die silberne Medaille zu.
10) Hr. Vicomte de Jessaint besizt zu Beaulieu, Marne,
zwei getrennte Heerden, von denen die eine von der Rambouilleter, die andere von der
Nazer Race abstammt. Seine Wollen sind ausgezeichnet; er erhielt schon im Jahre 1827
die Auszeichnung erster Classe.
11) Hr. Lacroix Sohn zu Roquetaillade,
Haute-Garonne, sandte schoͤne Wollenmuster von seiner Heerde, welche er aufmerksam zu
veredeln und zu vermehren sucht.
12) Hr. Lépine von Montaulin, Aube sandte zu kleine
Muster, als daß sie gehoͤrig beurtheilt werden konnten.
13) Hr. Joseph Maître von Villotte, Côte
d'or besizt eine Heerde von 1500 Stuͤken von ganz reiner saͤchsischer
Race, welch durch keine Kreuzung vermischt ist. Er sendet seine Wolle
jaͤhrlich nach Sedan; sie ist schwach gekraͤuselt, sanft
anzufuͤhlen und seidenartig. Die Loken oder Meschen dieser Art von Wolle sind
selten regelmaͤßig sondern spizig; auch ist das Fließ nicht so fest. Um den
Loken das regelmaͤßige, vierekige Aussehen zu geben, und um die
Kaͤufer da durch zu verfuͤhren, schneidet man deren Enden zuweilen ab.
Die List wurde auch hier angewandt; der Jury, welche Hrn. Maître eine silberne Medaille zuerkannte, wird dieß wohl nicht
entgangen seyn.
14) Hr. Massin in Paris gruͤndete vor 15 Jahren zu
Baudepart, Aube, eine Merinosheerde, welche er seither durch Widder und Schafe von
Naz noch mehr veredelte. Die Jury erkannte ihm eine silberne Medaille zu.
15) Hr. Moët de Romont in Epernay, Besizer einer
aus spanischen und Nazer Schafen erzogenen Heerde, legte gekaͤmmte Wolle von
merkwuͤrdiger Feinheit und Weiße vor. Er erhielt eine silberne Medaille
dafuͤr.
16) Hr. Monnot Leroy in Pontru, Aisne, besizt eine Herde,
deren Stok im Jahre 1809 von dem Herzoge von Vicenza aus Spanien eingefuͤhrt
wurde, und welche seither durch Kreuzung mit Widdern von Naz und aus Sachsen noch
veredelt ward.
17) Hr. Graf Heracle de Polignac besizt auf seinem
Schlosse zu Outrelaize, Calendas, die groͤßte Merinosheerde, welche in
Frankreich existirt; sie zaͤhlt nicht weniger als 7000 Stuͤk. Der Graf
erhielt schon zwei Mal die goldene Medaille, und machte sich auch jezt wieder dieser
Auszeichnung wuͤrdig.
Wir erlauben uns, nachdem wir die einzelnen, in diesem Jahre aufgetretenen
Concurrenten aufgefuͤhrt, noch einige Bemerkungen beizufuͤgen.
Man befolgt seit einer Reihe von Jahren bei der Merinoszucht zwei ganz
entgegengesezte Systeme. Die meisten Heerdenbesizer, und besonders die Oekonomen,
haben jenes System angenommen, welches seit der Einfuhr der feinwolligen spanischen
Schafe in Frankreich in Rambouillet befolgt wird. Dieses System beruht darauf, daß
man saͤmmtliche Producte der Merinos auf die groͤßte Menge und
zugleich auch auf die groͤßte Vollkommenheit bringen will. Man will hienach
allerdings die
moͤglich feinste Wolle, allein man will zugleich auch nicht jene
Eigenschaften vernachlaͤssigen, welche dem Tuche das Markige, den
Koͤrper und die Festigkeit geben, und welche mit dem Gewebe des Fließes in
Zusammenhang stehen. Man will ferner, daß die Schafe, abgesehen von der Guͤte
der Wolle, auch viel Fleisch geben. Jeder Oekonom befolgt hiebei jene Methode,
welche seiner Wirthschaft und seinen Localverhaͤltnissen am besten
entspricht. Durch Beobachtung dieses Systemes, welches von Rambouillet und der
daselbst befindlichen Musterheerde ausging, brachte man es endlich dahin, daß die
franzoͤsische Wolle selbst vor der spanischen den Vorzug verdient, und zur
Fabrikation der feinsten und besten Tuͤcher geeignet ist; daß der Ertrag an
Wolle dabei um den vierten und selbst um den dritten Theil erhoͤht wurde, und
daß auch die Groͤße und Schwere der Thiere in demselben Verhaͤltnisse
zunahm.
Andere Besizer feinwolliger Schafe hingegen haben in Frankreich das
saͤchsische System eingefuͤhrt, nach welchem bei der Merinoszucht
lediglich der hoͤchste Grad von Feinheit der Wolle beruͤksichtigt
wird, waͤhrend man von der Quantitaͤt Wolle, die jedes Stuͤk
gibt, von dem Nervigen der Wolle und von dem guten Baue, der Groͤße und der
Kraft der Thiere ganz Umgang nimmt. Um diesen hoͤchsten Grad von Feinheit zu
erreichen, behauptete man nach diesem Systeme sogar, daß man die Heerden so ziehen
muͤsse, daß die Thiere nie einen gewissen Grad von Beleibtheit erreichen,
indem die Wolle bei einem gewissen kraͤnklichen Zustande feiner wird. Mit
einer solchen Wolle laͤßt sich jedoch nur ein lokeres Tuch ohne
Koͤrper verfertigen, wenn man als Kette nicht eine nervigere Wolle
anwendet.
Beide Systeme koͤnnen unter gewissen Verhaͤltnissen vorteilhaft seyn;
und obschon wir unsererseits dem von Rambouillet ausgegangenen, welches alle
Vortheile, die man von den Schafen erwarten kann, in sich vereint, den Vorzug vor
dem saͤchsischen geben moͤchten, welches gewisser Maßen nur ein
ausnahmsweiser Industriezweig mit beschrankten Absazwegen werden kann, so sind wir
doch weit entfernt lezteres zu verdammen. Wir geben sogar zu, daß sich die kleinen
Schafracen sehr gut fuͤr gebirgige und fuͤr trokene unfruchtbare
Gegenden, in denen es nur kurzes spaͤrliches Gras gibt, und in welchen man
nicht so viel Winterfutter ziehen kann, als fuͤr starke große Schafe
erforderlich ist, eignen duͤrften.Zur Nachlese hieruͤber empfehlen wir hauptsaͤchlich eine
Schrift, welche Hr. Bourgeois unter folgendem
Titel herausgab: „Examen des
différens systémes d'éducation des
Mérinos.“
Paris, chez Gueffier
. A. d. O.
Bei den Industrieausstellungen von den Jahren 1823 und 1827 wollte es der Zufall, daß
die Heerden von kleiner Race beguͤnstigt wurden, indem sich in der Jury immer
Eigenthuͤmer solcher Heerden oder Fabrikanten befanden, die die Wollen der
mageren Schafe von ziehen, weil sie wegen ihres geringeren Fettgehaltes beim Waschen
weniger Verlust erleiden. Die Jury vom Jahre 1823 schien sogar die Heerden von
großen Schafen ganz zu verdammen, und das, was eine gute Eigenschaft ist, vielmehr
fuͤr einen Fehler erklaͤren zu wollen. Man liest naͤmlich S. 11
des Berichtes von jenem Jahre: „Hr. B* legte ein Fließ eines
Merinosschafes vor, dessen Wolle lang und seidenartig ist, welches jedoch von
einem Schafe von zu großer Statur herzukommen scheint. Bei der aufgeklarten
Praxis, welche dieser Oekonom befolgt, darf man nicht zweifeln, daß derselbe
seine Heerden auf jede moͤgliche Weise verbessern werde.“ An
einer anderen Stelle liest man: „Die HH. M* haben sehr schoͤne
Merinosfließe vorgelegt; doch scheinen ihre Schafe zu groß zu seyn.“
Diese Bemerkungen sind den Wollenzuͤchtern nicht entgangen, und wir
hoͤrten sie mehrere Male ihr Bedauern daruͤber ausbruͤten, daß
auch in der Jury vom Jahre 1834 nicht beide Systeme gehoͤrig vertreten waren,
obschon sie uͤbrigens den Einsichten jener Glieder, die ausschließlich dem
einen Systeme huldigen, Gerechtigkeit wiederfahren ließen.
Alle die feinen Merinoswollen, so wie die gewoͤhnlichen Wollen unserer
Bastarde und unserer unveredelten Schafe, filzen sich gut, und eignen sich daher
sehr wohl zu den tuchartigen Stoffen. Sie muͤssen jedoch kardaͤtscht
werden, bevor sie gesponnen werden koͤnnen. Solche in den Kardatschmaschinen
behandelte Wolle wurde keine zur Ausstellung gebracht.
Ganz anders verhalten sich dagegen die langen, glatten, seidenartigen und
glaͤnzenden Kammwollen, die sich nur sehr schwer filzen. Obschon wir oben
unser Bedauern geaͤußert haben, daß in Frankreich gegenwaͤrtig nur
sehr wenig solche Wolle gezogen wird, so muͤssen wir doch auf die Muster, die
bei der Ausstellung zu sehen waren, aufmerksam machen.
Die ersten dieser Muster kamen von der koͤnigl. Veterinaͤrschule zu
Alfort, wo die von der Regierung aus England uͤbersiedelte Heerde unterhalten
und vermehrt wird. Diese Wollen sind sehr lang und aͤußerst glaͤnzend.
Die anderen Muster, 56 an der Zahl, sind von Hrn. Graux,
Oekonomen zu Mauchamp, im Bezirke von Laon. Sie kommen von einer neuen Art von
Schafen, welche von einem maͤnnlichen Schafe abstammen, welches im Jahre 1828
zufaͤllig in seiner Heerde geworfen wurde. Die neue Race zaͤhlt nun 70
Stuͤk, abgesehen
von 300 Bastarden, deren Wolle einen Uebergang zu derselben Sorte zeigt. Die Wolle
dieser Race ist glatt, sie spinnt sich außerordentlich fein, und gleicht wegen ihrer
Weichheit, ihrer seidenartigen Beschaffenheit und ihres Glanzes mehr Haaren oder den
Cachemirfloken, als einer Wolle.
Gekaͤmmte Wolle wurde von folgenden Fabrikanten zur Ausstellung gebracht.
1) Die HH. Beglet und Mogin zu
Rheims stellten hoͤchst feine und vollkommen gute Kammwolle aus, welche sich
hauptsaͤchlich dadurch auszeichnete, daß auch keine Spur von Seifenschaum
daran zu bemerken war; ein Fehler, den man an jenen Wollen, die erst nach dem
Entfetten gekaͤmmt werden, nur zu haͤufig findet.
2) Hr. John Collier von Paris, der schon im Jahre 1809
eine goldene Medaille erhielt, welche in den Jahren 1823 und 1827 wiederholt wurde,
stellte dieses Mal eine zum Kaͤmmen der Wolle bestimmte Maschine, und mehrere
mit derselben erzielte Muster aus. Liese ganz aus Gußeisen gebaute und leicht zu
unterhaltende Maschine erfordert vier Menschen, um sie in Bewegung zu sezen; zu
ihrer Bedienung reichen jedoch ein junger Mensch, zwei Maͤdchen und drei
Kinder hin. Die Wolle wird wie gewoͤhnlich heiß gekaͤmmt; allein die
Kaͤmme werden mit Dampf geheizt, wodurch die Erhizung gleichfoͤrmiger
wird, als durch die Erwaͤrmung mit Kohlen, die uͤberdieß die Wolle
weit trokener macht. Die Maschine vermag taͤglich 230 bis 240 Pfd. lange
Wolle zu kaͤmmen; und sie gewaͤhrt nicht nur die Vortheile der
aͤlteren Kaͤmmmethode, sondern hat auch noch das voraus, daß die
langen Fasern, wenn es verlangt werden sollte, von den kuͤrzeren geschieden
werden koͤnnen. Die damit gekaͤmmte Volle ist auch vollkommener
geoͤffnet, und wird daher von den Fabrikanten sehr gesucht. Die Maschine
befindet sich seit zwei Jahren in den Fabriken von Manchester, Leeds und Bradfort in
Thaͤtigkeit.
3) Die HH. C. Gamand und Armand
von Amiens legten zwei Muster von englischer Wolle vor; das eine war fett
gekaͤmmte Wolle fuͤr die Spinnerei mit ununterbrochen arbeitenden
Maschinen; das andere bestand aus Wolle, die erst nach dem Entfetten gekaͤmmt
worden, und welche zum Spinnen in Mulejennys bestimmt ist.
Von den zur Ausstellung gekommenen Wollengespinnsten und Geweben soll ein weiterer
Artikel handeln. [Fortsetzung]