Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XXVI., S. 134 |
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XXVI.
Ansichten verschiedener franzoͤsischer
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur
universel.
(Fortsezung von Heft 1, S. 61.)
Gegenwaͤrtiger Zustand einiger Industriezweige in
Frankreich.
IV. Ueber die Tuch- und
Wollenwaaren-Fabrikation.
10. Aussagen des Hrn. Vayson,
Teppichfabrikanten und Abgeordneten der Berathungskammer in
Abbeville.
Fr. Mit welchen Capitalien arbeiten Sie; wie viel
fabriciren Sie, und wie groß ist Ihre Ausfuhr? – A. Mein in
Gebaͤuden ruhendes Capital belaͤuft sich auf 200,000 Fr.; was aber
die Einrichtung meiner Fabrik betrifft, so kann ich diese nicht genau
schaͤzen, indem ich fortwaͤhrende Verbesserungen daran anbrachte,
und das ganze Material der Maschinen zwei Mal erneuerte. Das Betriebscapital ist
sehr bedeutend; denn wir Teppichfabrikanten muͤssen die Wollen, den
Flachs und den Hanf ohne alle Zubereitung kaufen, und sie dann vom ersten
Waschen an alle Manipulationen durchlaufen lassen, so daß wir die Rohstoffe
demnach 1 1/2 bis 2 Jahre in Haͤnden haben. – In guten Jahren
fabriciren wir in Abbeville fuͤr 250,000 Fr. Teppiche, wovon nur wenig
ausgefuͤhrt wird. Am meisten geht noch nach der Schweiz, wo man gute
Waare liebt, und wo ich deßhalb mit den Englaͤndern Concurrenz halten
kann, obschon meine Fabrikate um 60 Proc. theurer sind, als die ihrigen. Meine
Fabrikate behaupten sowohl an Geschmak, als an Dessein, Guͤte und Glanz
der Farben den Vorzug vor den englischen, und deßhalb war ich im
gegenwaͤrtigen Jahre so gluͤklich, auch einen Minister in England
mit meinen Teppichen zu versehen.
Fr. Was fuͤr Wollen verarbeiten Sie; wie
theuer zahlen Sie sie, und was koͤnnen Sie uͤber die Schwankungen
in deren Preisen sagen? – A. Ich verbrauche jaͤhrlich gegen
160,000 Pfd. Wolle, die ich saͤmmtlich aus Frankreich beziehe; nur zu
Versuchen ließ ich Wolle aus England kommen. Rohe Wolle zahle ich zu 20 bis 22,
Wolle, welche auf dem Ruͤken gewaschen worden, zu 45 Sous. Ich brauche
lange, starke Wollen, die viel Koͤrper haben, und aus denen ich
schoͤne Moketten fabricire; leider fehlt es in Frankreich aber an solchen
Wollen. Die Schwankungen in den Preisen waren in den lezten Jahren enorm; denn
Wollen, welche bei der Schur 38 bis 45 Sous galten, wurden im
Spaͤtherbste zu 55 Sous und 3 Fr. verkauft. Im heurigen Jahre (1834)
glaubte man, wuͤrden die Preise noch mehr steigen; man verkaufte
sie zu 2 Fr. 50 Cent. bis zu 1 Fr. 25 Cent.; sie fielen jedoch spaͤter
wieder bis auf 40 und 55 Sous herab. – Die gewoͤhnlichen Teppiche
bestehen zu 2/3, die schoͤnen zu 3/4 aus Wolle.
Fr. Welchen Einfluß schreiben Sie dem auf die fremden
Wollen gelegten Zolle von 30 Proc. und der spaͤteren Herabsezung
desselben zu? – A. Ich glaube, daß dieser Zoll den Fabrikanten sehr
nachtheilig war, ohne den Oekonomen besondern Nuzen zu bringen. Die Herabsezung
des Zolles scheine mir eine gute Maßregel zu seyn, obschon wir deren Wirkung
noch nicht verspuͤren. Als man die fremden Wollen mit einem Zolle von 30
Proc. belegte, hatte man nur die feinen Sorten im Auge und vergaß
daruͤber die ordinaͤren. Man vernachlaͤssigte daher die
grobwolligen Heerden, und folglich wurde die ordinaͤre Wolle seltener und
mithin verhaͤltnißmaͤßig theurer, als die feine.
Fr. Wie hoch schaͤzen Sie den Betrag der
Teppichfabrikation in Frankreich? – A. Ich kann dieß nicht beantworten,
indem hiezu besondere Erkundigungen und Nachforschungen erforderlich sind. Ich
erinnere mich jedoch im Jahre 1827 oder 28 eine Berechnung angestellt zu haben,
bei der ich von der Zahl der arbeitenden Stuͤhle ausging, und wonach ich
gefunden zu haben glaubte, daß in Frankreich jaͤhrlich fuͤr
900,000 Fr. Teppiche fabricirt wuͤrden. Heut zu Tage moͤchte sich
die Fabrikation jaͤhrlich auf einen Werth von 1,500,000 Fr. gehoben
haben. Uebrigens ist der Fabrikpreis von dem Verkaufspreise hoͤchst
verschieden. Unsere Ausfuhr ist, wie mir scheint, sehr gering, und
duͤrfte kaum mehr als 50 bis 60,000 Fr. betragen.
Fr. Die Mauthregister weisen aber im Gegentheile
fuͤr das Jahr 1833 nach, daß die Teppichausfuhr mit Praͤmie sich
auf 272,000 Fr. belief? – A. Ich streite nicht gegen die Angaben der
Mauth; aber ich glaube, daß der Unterschied von der Schaͤzung der
Teppiche nach dem Gewichte herruͤhre. Der officielle Werth ist
naͤmlich zu 25 Fr. angenommen, waͤhrend man ihn meiner Ansicht
nach nicht hoͤher, als zu 9 bis 10 Fr. annehmen kann. Wir haben Teppiche,
welche nur 4 Fr. 50 Cent. per Kilogr. gelten, und
viele der Teppiche, welche ausgefuͤhrt werden, gelten nur 8 Fr. Die
gewoͤhnlichen Knotenteppiche haben einen Werth von 9 Fr., und die
Moketten gelten nicht uͤber 10 bis 12 Fr. Wendet man diesen Werth auf den
Betrag der Ausfuhr an, so wird man finden, daß meine Angabe beinahe richtig
ist.
Fr. Glauben Sie, daß das Einfuhrverbot, welches auf
gewissen Teppichen lastet, durch einen gehoͤrigen Schuzzoll ersezt werden
koͤnnte? – A. Aus einer solchen Maßregel wuͤrden uns
allerdings Nachtheile erwachsen. Welchen Zoll man auch auf die
tuͤrkischen und indischen Teppiche legen moͤchte, so wuͤrde
uns dock schwer werden, Concurrenz mit ihnen zu halten, weil sie nicht nur in
der Mode, sondern auch warm, gut und wohlfeil sind. Nehmen wir einen
franzoͤsischen velutirten Teppich, wovon die Elle 10 Pfd. wiegt, so kommt
die Wolle, von der man die gewoͤhnliche Sorte zubereitet, im Werthe von 3
Fr. anschlagen kann, auf 30 Fr. zu stehen; rechnet man hiezu noch die
Façon, die Kette etc., so gibt dieß als Gestehungspreis eine Summe von 40
bis 45 Fr. per Elle, wozu natuͤrlich noch der
Gewinn des Kaufmanns geschlagen werden muß. Die Teppiche, welche in Smyrna
verkauft werden, haben 20 Ellen und kommen auf 400 bis 450 Fr. zu stehen, wonach
also nicht mehr als 20 bis 24 Fr. auf die Elle treffen. Der Unterschied ist
hienach allein schon einleuchtend. Ich bemerke nur noch, daß man in Marseille
und Toulon viele tuͤrkische Teppiche findet; ich selbst sah einen solchen, welcher nur
500 Fr. kostete, und den wir nicht unter 1500 Fr. zu liefern im Stande
waͤren. Der Arbeitslohn ist bei uns nicht nur viel theurer, obwohl wir
von Weibern arbeiten lassen, die nur 15 Sous verdienen; sondern wir
muͤssen auch noch unsere Kuͤnstler, wie die Dessinateurs und
Maler, theurer bezahlen.
Fr. Glauben Sie, daß bei der Zollerhebung
Unterschleife vorkommen? – A. Nein; allein man weiß den Zoll ganz zu
umgehen, indem man die Teppiche als Moͤbel declarirt, oder indem man sie
als Emballage verwendet. Die Quantitaͤt, welche auf diese Weise nach
Frankreich ihren Weg findet, ist nicht so ganz klein, als man glauben
moͤchte.
Fr. Welcher Unterschied besteht zwischen den
franzoͤsischen und englischen Teppichen? – A. Die englischen
Teppiche sind von derselben Art, wie jene, welche ich fabricire. Die englischen
Wilton-Teppiche sind unsere Moquette
coupée; die sogenannten Bruͤsseler-Teppiche sind
unsere Moquette bouclée oder à point rond; nur die Einfuhr dieser beiden
ist bei uns gestattet. Die Teppiche von Arminster und Kidderminster, so wie jene
Teppiche, welche die Englaͤnder als Venezianer-Teppiche verkaufen,
sind die franzoͤsischen velutirten, doppelten und
Venezianer-Teppiche. An allen diesen Fabrikaten haben die
Englaͤnder einen großen Vortheil vor uns voraus; denn sie koͤnnen
ihre Moketten z.B. wohlfeiler nach Paris stellen, als ich es zu thun im Stande
bin. Die Rohstoffe sind in England nicht nur wohlfeiler, sondern auch besser;
die Wollen sind staͤrker, glaͤnzender und in reichlicherer Menge.
Gute Arbeiter kaͤmmen davon taͤglich 25 bis 30 Pfd.,
waͤhrend unsere Leute kaum halb so viel leisten. Die Kosten des Spinnens
und des Faͤrbens sind gegen die Kosten, die diese Arbeiten bei uns
veranlassen, unbedeutend. Wir muͤssen in unseren Fabriken eigene
Dessinateurs und Zettler besolden, waͤhrend es in England eigene Fabriken
gibt, wo sich der Teppichfabrikant nach Belieben seine Muster auswaͤhlt,
und im Durchschnitte zu 1 bis 5 Guineen bezahlt. In Frankreich hingegen kommt
uns die schlechteste Zeichnung auf 50 Fr. zu stehen. Die Moketten mit runden
Pointen werden in London in allen Magazinen zu 4 Schill. 6 Den. bis 6 Schill. 9
Den. der Yard bezahlt, was in Frankreich so viel ist als 7 Fr. 40 Cent. bis 9
Fr. 50 Cent. die Elle. Fuͤgt man hiezu noch den gegenwaͤrtigen
Zoll und die Transportkosten, so gibt dieß 11 Fr. 14 Cent., zu welchem Preise
dieses Fabrikat auch von den Englaͤndern in Paris verkauft wird. Dem
franzoͤsischen Fabrikanten waͤre es unmoͤglich, eine
gleiche Waare um denselben Preis zu liefern; gluͤklicher Weise neigt sich
der Geschmak in Paris aber nicht auf Seite des englischen Fabrikates, und aus
diesem Grunde machen die Englaͤnder demnach keine großen
Geschaͤfte bei uns.
Fr. Welcher Zoll waͤre Ihrer Ansicht nach
noͤthig, im Falle das Einfuhrverbot aufgehoben werden sollte? – A.
Ich glaube, daß die Teppiche im Jahre 1816 vor der Einfuͤhrung des hohen
Zolles auf die fremden Wollen 4 oder 500 Fr. zahlten; ein solcher Zoll
koͤnnte genuͤgen. Allein selbst hiebei, obschon dieser Zoll
beinahe 100 Proc. betraͤgt, wird man auf Widerstand stoßen; ich
fuͤr meinen Theil verlange nur, daß man einen Zoll zugesteht, bei welchem
ich meine zahlreichen Arbeiter beschaͤftigen kann.
Fr. Glauben Sie, daß sich der Zoll, der
gegenwaͤrtig auf den Moketten von Tournay lastet, wohl reduciren ließe?
Sie wissen, daß diese Moketten fruͤher nur 160 Fr. zahlten, daß sie aber
spaͤter mit anderen Teppichen in jene Kategorie geworfen wurden, welche 300 Fr.
zahlen mußten. Belgien remonstrirt gegen diese Maßregel, welche nicht
begruͤndet zu seyn scheint. – A. Es wird immer sehr schwer seyn,
die belgischen Moketten von anderen Moketten-Teppichen zu unterscheiden;
und wenn man auch behauptet, die Fabrikate von Tournay haͤtten einen
eigenthuͤmlichen Charakter, so weiß ich doch auch, daß die Teppichfabrik
in Tournay in andere Haͤnde uͤberging, und daß deren
Fabrikationssystem Aenderungen erlitt. Ueberdieß werden in Belgien auf englische
Kosten neue Teppichfabriken errichtet, und diese wuͤrden offenbar die
Vortheile theilen, die man der Fabrik von Tournay zugestehen will.
Fr. Gesezt jedoch die Fabrik in Tournay behielte ihre
Fabrikzeichen bei, durch welches sich ihre Fabrikate unterscheiden;
haͤtten Sie auch dann noch einige Gruͤnde sich der Verminderung
ihrer Ueberlastung um 140 Fr. zu widersezen? – A. Als die Regierung im
Jahre 1829 den auf die fremden Teppiche gelegten Zoll erhoͤhte, lag der
Grund hiefuͤr darin, daß der Einfuhrzoll auf die Holle so erhoͤht
worden war, daß die zur Teppichfabrikation bestimmte rohe Wolle beinahe doppelt
so viel zahlte, als die fertigen Teppiche. Man darf nicht glauben, daß die 300
Fr., so hoch diese Summe auch scheinen mag, vollen Schuz gewaͤhren; denn
dadurch wird auf die fremden Teppiche eigentlich nur ein Zoll von 25 Proc.
gelegt; und selbst hievon kommt noch Folgendes abzuziehen: der auf die Wollen
gelegte Zoll von 22 Proc.; der auf das Garn gelegte Zoll von 25 Proc.; der auf
die Farbstoffe gelegte Zoll etc.
Fr. Koͤnnen Sie uns auch noch uͤber
andere Gegenstaͤnde der Wollenwaarenfabrikation Aufschluß geben? –
A. Die Berathungskammer von Abbeville hat mich beauftragt zu erklaͤren,
daß sie um die Beibehaltung der bestehenden Zoͤlle nachsuche. Ich weiß
sehr wohl, was das Prohibitivsystem ist, aber ich sage nicht, daß dieses System
meine Meinung repraͤsentire. Sie haben, was die Tuchfabrikation betrifft,
Hrn. Randoing von Abbeville angehoͤrt, der die große Tuchfabrik der HH. Lemaire und Randoing
dirigirt. Uebrigens gibt es in Abbeville auch noch viele kleine Tuchmacher,
welche 30, 40, 50 Stuͤke fabriciren und selbst verkaufen; alle diese
verlangen, daß die Dinge so bleiben, wie sie sind, indem sie sich schon dabei
nicht uͤbergluͤklich fuͤhlen.
Fr. Wie groß ist die Zahl dieser Fabrikanten, und wie
hoch belaͤuft sich ihre Fabrikation? – A. Ich war nicht im Stande,
mir hieruͤber genaue Aufschluͤsse zu verschaffen; nur nach der
Wolle, welche gekauft und verarbeitet wird, schließe ich, daß der Gesammtwerth
der fabricirten Zeuge 5 bis 600,000 Fr. betragen duͤrfte, worunter
beilaͤufig 100,000 Ellen Kalmuk zu 3 bis 5 Fr. die Elle begriffen sind.
Es werden ungefaͤhr 250,000 Pfd. ungewaschene Wolle verarbeitet, und
diese kommen 130,000 Pfd. gewaschener Wolle gleich. Man fabricirt
groͤßten Theils Kalmuks, Alepinen, weiße und wollgefaͤrbte
Bercans, Grenadinen und Circassiennen, wovon hauptsaͤchlich in das
suͤdliche Frankreich versandt wird; auch nach Spanien geht eine geringe
Menge davon.
Fr. Glauben Sie, daß diese Fabrikate durch einen
gehoͤrigen Zoll geschuͤzt werden koͤnnten? – A. Ich
glaube, daß gerade die gemeinsten Artikel die Concurrenz des Auslandes am
meisten zu fuͤrchten haben. Alle kleinen Fabrikanten sind der Meinung,
daß das Einfuhrverbot fuͤr ihre Existenz durchaus noͤthig sey;
allein sie geben sich nicht selbst gehoͤrig Rechenschaft hieruͤber, sondern
halten sich an das, was man ihnen vorsagte: daß naͤmlich
gegenwaͤrtig nicht die Zeit zu Veraͤnderungen sey, und daß zu
befuͤrchten stehe, daß das Gluͤk des Volkes, welches ohnedieß
nicht sehr groß sey, hiedurch nur noch mehr leiden wuͤrde.
Fr. Und welches ist denn Ihre persoͤnliche
Ansicht hieruͤber? – A. Ich glaube, daß man mit einem
gehoͤrig und nach dem Gewichte berechneten Schuzzolle unsere Fabrikation
schuͤzen, und zugleich die franzoͤsischen Fabrikanten antreiben
koͤnnte, bessere Artikel zu liefern. Haͤtte ich nicht die
belgische Concurrenz auf den Fersen gehabt, so waͤre meine Fabrikation
gewiß noch nicht das, was sie jezt ist. Gezwungen alle Verbesserungen Schritt
fuͤr Schritt zu verfolgen, um die Concurrenz halten zu koͤnnen;
und nur auf einen sehr kleinen Gewinn beschraͤnkt, mußte ich besser
fabriciren, als die anderen, um mein Haus gehoͤrig erhalten zu
koͤnnen.
Fr. Koͤnnen Sie uͤber die Preise der in
Abbeville verfertigten Wollenzeuge einige Aufschluͤsse geben? – A.
Der mittlere Preis der Kalmuks und Bercans betraͤgt 3 bis 3 1/2 Fr. per Elle; jener der Grenadinen 6 Fr.; das Gewicht
ist je nach der Qualitaͤt und Breite der Zeuge verschieden.
Fr. Haben Sie sonst noch etwas zu bemerken? –
A. Die Berathungskammer von Abbeville, die mich zu ihrem Abgeordneten ernannte,
hat mich beauftragt. Ihnen auch noch von dem Flachs- und Hanfgarne zu
sprechen, welches zu den gewoͤhnlichen Leinewanden verwendet wird. Die in
der Naͤhe von Abbeville befindliche Bevoͤlkerung lebt im Winter
hauptsaͤchlich von dieser Art von Spinnerei, und ist um so mehr zu
beruͤksichtigen, als derselben durch die Maschinenspinnerei bereits das
Verdienst bei der Wollenspinnerei mir der Hand entzogen wurde. Ein Weib, welches
sich fruͤher durch das Wollenspinnen 8 bis 12 Sous verdiente, verdient
gegenwaͤrtig durch das Spinnen von Flachs und Hanf nur mehr 4 bis 6 Sous,
und daher duͤrfte dieser Umstand bei der Regulirung der Zoͤlle
sehr zu beruͤksichtigen seyn.
11. Aussagen des Hrn. Hindenlang
Sohnes, Caschemirwollenspinner und Abgeordneten der Handelskammer in
Paris.
Fr. Wie viel Garn spinnen Sie und wie hoch kommt
Ihnen das Tibethaar zu stehen? – A. Ich spinne in meiner Fabrik, welche 5
bis 600 Arbeiter beschaͤftigt, taͤglich 80 und jaͤhrlich
24,000 Pfd.; davon die eine Haͤlfte zu Kammgarn, Kette und Eintrag, die
andere zu Wirkgarn. Der Preis des rohen Materiales, welches ich aus Rußland
beziehe, ist außerordentlich wechselnd; gegenwaͤrtig stehen die Preise
sehr hoch; in gewoͤhnlichen Jahren ist der Mittelpreis 7 bis 8 Fr. das
Kilogr. Ich verfertige aus meinem Garne selbst glatte Zeuge, und spinne
fuͤr die Shawlfabrikanten.
Fr. Wie hoch belaͤuft sich die Ausfuhr und
wohin findet sie Statt? – A. Beilaͤufig die Haͤlfte unserer
Fabrikate wird ausgefuͤhrt: und zwar nach Deutschland, Rußland und
England. Die Englaͤnder nehmen uns etwas Garn ab; sie versuchten sich
zwar selbst in der Caschemirspinnerei; allein sie gelang ihnen nicht, indem
diese Art von Spinnerei die kleinlichste Sorgfalt erfordert. Die russische
Regierung macht seit einem Jahre ungeheure Anstrengungen und bringt große Opfer,
um diesen Industriezweig nach Rußland zu ziehen, und um uns unsere Arbeiter
abwendig zu machen; eine truͤbe Zukunft haben wir daher in dieser
Hinsicht vor Augen. Andererseits unterscheidet unser Tarif nicht zwischen
den gekaͤmmten Wollen und den Wollen in Masse, so daß das Kaͤmmen
in Frankreich gar nicht geschuͤzt ist. Diese Arbeit kostet in Rußland
einen Rubel per Pfund, waͤhrend sie uns 5 bis
6 Fr. kostet. Ich sehe mich deßhalb veranlaßt, einen eigenen Zoll auf die
gekaͤmmten Wollen zu verlangen, unter welchen dann auch die
gekaͤmmten Caschemirwollen gereiht werden koͤnnten. Ich muß
bemerken, daß das Kaͤmmen in Frankreich eine große Menge von Individuen
beschaͤftigt, die keine andere Arbeit kennen, und daß diese Classe in
großes Elend gestuͤrzt werden wuͤrde, wenn der Einfuhr fremder
gekaͤmmter Wollen kein Hinderniß entgegengesezt wuͤrde.
Fr. Glauben Sie, daß das Einfuhrverbot, womit noch
gewisse Caschemirzeuge belegt sind, durch einen Schuzzoll ersezt werden
koͤnne? – A. Allerdings; allein die indischen Shawls
muͤßten mit einem Zolle belegt werden, der bei den Shawls uͤber
1000 Fr. im Werthe nur sehr gering, bei den wohlfeileren Shawls hingegen sehr
hoch waͤre.
Fr. Sie wissen doch, daß der Einfuhrzoll auf die
Shawls durch eine neuere Ordonnanz auf 22 Proc. festgesezt wurde, und daß dabei
das Minimum des Werthes zu 500 Fr. angenommen ist, wodurch also der Zoll
fuͤr die wohlfeilsten Shawls auf nicht weniger als 110 Fr. kommt.
– A. Dieß betraͤgt jedoch nicht einmal 25 Proc., und ist mithin
nicht bedeutend.
Fr. Und doch scheint es, daß seit Aushebung des
Verbotes der Einfuhr indischer Shawls nur sehr wenige dergleichen
eingefuͤhrt wurden? – A. Ich sah ihrer viele, denn die Schmuggelei
derselben ist sehr leicht.
Fr. Ist Ihre Fabrikation im Fortschreiten begriffen?
– A. Ich kann nicht mehr weiter gehen; denn ich habe bereits alle
moͤglichen Ersparungen gemacht, und auch der Arbeitslohn ist so niedrig,
daß der Arbeiter mit genauer Muͤhe dabei zu leben hat. Die
Wollenpuzerinnen verdienen taͤglich 15 bis 20 Sous, die Tagarbeiterinnen
30 Sous, die Wollenkaͤmmer 2 Fr. 50 C. bis 3 Fr., und die Spinner 4 bis 5
Fr.
Fr. Bestehen außer der Ihrigen auch noch andere
Fabriken, und wie hoch schlagen Sie deren Production an? – A. Es gibt
außer der meinigen noch mehrere andere Fabriken, die jedoch zusammen nicht mehr
fabriciren, als ich.
Fr. Haben Sie sonst noch etwas zu bemerken? –
A. Ich muß noch ein Mal an eine Revision des Tarifes der gekaͤmmten
Wollen erinnern, damit uns der Schuz werde, dessen wir beduͤrfen; wenn
dieß auch gegenwaͤrtig nicht so dringend scheinen mag, so wird es dennoch
bei den Anstrengungen, welche Rußland macht, um sich diesen Industriezweig
anzueignen, schon binnen einem Jahre sich als hoͤchst nothwendig zeigen.
Gegenwaͤrtig ist unsere Fabrikation noch auf Paris allein
beschraͤnkt, wo sie geschaffen und mit außerordentlichen Opfern groß
gezogen wurde. Wir koͤnnen den Rohstoff, den wir verarbeiten, nur von den
Maͤrkten von Moskau, Mukarieff und Orenburg beziehen; so wie uns Rußland
den Zutritt zu diesen verweigerte, muͤßten wir zu fabriciren
aufhoͤren. Endlich glaube ich, daß die Regierung, nachdem sie die Einfuhr
der indischen Shawls gegen einen Zoll erlaubt hat, uns bei der Ausfuhr der
glatten sowohl als der broschirten Caschemir-Wollenzeuge eine
Praͤmie bewilligen sollte, gleichwie sie dieß bei den uͤbrigen
Wollenzeugen thut.
Fr. Die Praͤmie oder der Ruͤkzoll,
welcher bei der Ausfuhr der Wollenzeuge von der Regierung bezahlt wird, ist
nichts Anderes, als eine Verguͤtung des Zolles, den die rohe Wolle bei der Einfuhr
bezahlt. Wenn daher die gekaͤmmte Wolle oder die Caschemirfloke, wie Sie
selbst zugestanden, bei der Einfuhr gar keinen oder nur einen hoͤchst
unbedeutenden Zoll zahlen, so kann wohl von keinem Ruͤkzolle die Rede
seyn. – A. Da die Caschemirshawls zu unserem Nachtheile
eingefuͤhrt werden, so glaube ich, daß der Staatsschaz uns wohl das zum
Besten geben koͤnnte, was bei dieser Einfuhr gezahlt wird. Es schiene mir
sehr billig, wenn man auf diese Weise uns in den Stand zu sezen trachtete, auf
den fremden Maͤrkten Concurrenz zu halten.
12. Aussagen des Hrn.
Cunin-Gridaine, Tuchfabrikanten in Sedan, und Abgeordneten der
dortigen Berathungskammer.
Fr. Wie groß ist das Capital, welches in Sedan in den
Tuchfabriken stekt? – A. Das Capital, welches in Gebaͤuden,
Wasserwerken und Maschinen stekt, kann zu 70 bis 80 Mill. Franken angeschlagen
werden. Die Masse der Geschaͤfte betraͤgt von 18 bis zu 20 Mill.
Fr., und zu deren Betrieb ist ein beinahe gleiches Capital erforderlich. Es
erklaͤrt sich dieß durch die zehn- bis zwoͤlfmonatlichen
Credite, welche wir geben, und die allerdings von großem Belange sind; denn
wuͤrden wir unsere Capitalien schneller wieder zuruͤk bekommen, so
koͤnnten wir unseren Fabriken mehr Thaͤtigkeit geben, und
wohlfeiler fabriciren. Diese Bemerkung bezieht sich insbesondere nur auf Sedan;
denn Elbeuf verkauft gewoͤhnlich auf drei Monate Zeit. Was den
gegenwaͤrtigen Werth unserer Fabriken betrifft, so laͤßt sich
dieser nicht wohl schaͤzen; da sie jedoch 15 bis 20 Jahre lang bestehen,
und da im Durchschnitte jaͤhrlich 4 bis 5 Proc. amortisirt oder
geloͤscht werden mußten, so glaube ich, daß auf diese Weise eine
Reduction von 50 Proc. eingetreten seyn muß. Die Tilgung muͤßte sogar
noch groͤßer seyn, wenn sie in jenen Jahren, die nicht nur keine Gewinne,
sondern vielmehr Verluste brachten, haͤtte Statt finden koͤnnen.
Ich muß bemerken, daß die jaͤhrliche Tilgung hauptsaͤchlich durch
die Erneuerung der Maschinen, so wie auch durch die schnelle Einfuͤhrung
der an ihnen angebrachten Verbesserungen beeintraͤchtigt wird. Sie wissen
uͤbrigens, daß die Fabriken nur einen relativen und in so fern
guͤltigen Werth haben, als Thaͤtigkeit in denselben herrscht. Ich
erlaube mir bei dieser Gelegenheit eine Thatsache anzufuͤhren. Einer
unserer Fabrikanten, der den ersten Rang in Sedan behauptete, und ein
Vermoͤgen von 4 bis 5 Mill. Fr. besaß, hatte in eine einzige Fabrik 1 1/2
Mill. Fr. gestekt. Diese Fabrik wurde, nachdem der Eigenthuͤmer fallirt
hatte, im J. 1831, also in der unguͤnstigsten Zeitperiode, verkauft, und
von dem Syndikate der Generaleinnehmer, welches eine Hypothekenschuld von
300,000 Fr. darauf hatte, fuͤr diese niedrige Summe erstanden! Sie sehen
hieraus, wie das urspruͤngliche Capital beinahe ganz vernichtet wurde. Es
befinden sich zwar, was die Amortisirung oder Tilgung ihres Capitales betrifft,
nicht alle Fabriken unter gleichen Umstaͤnden; allein ich glaube, daß die
Tilgung heut zu Tage dennoch zu 50 Proc. angenommen werden koͤnne. Es
liegt im Interesse des Fabrikanten, so viel als moͤglich zu tilgen; denn
thut man dieß nicht, so fordert man von einem vermeintlichen Capitale ein
Interesse; man fabricirt zu hoͤheren Preisen, kann nur schwer Concurrenz
halten, und findet sich in falscher Lage.
Fr. Wie groß sind die Capitalien Ihrer Fabrik, die,
wie wir wissen, die groͤßte in Sedan ist, und wie viel fabriciren Sie in
derselben? – A. Ich gab fuͤr Maschinen und Bauten gegen 700,000 Fr.
aus; allein ich habe von dem urspruͤnglichen Material viel getilgt, indem
ich mich an meine oben aufgestellte Regel hielt. Ich mache jaͤhrlich
fuͤr mehr dann 2 Mill. Fr. Geschaͤfte, und brauche hiezu ein
beinahe eben so großes Betriebscapital. Von den 28 bis 30,000 Stuͤken
Tuch, welche Sedan jaͤhrlich erzeugt, fabricire ich 2800 bis 3000
Stuͤke, jedes zu 32 bis 34 Ellen und zu 22 Kilogr. Gewicht.
Fr. Woher beziehen Sie die Wollen und zu welchen
Preisen? – A. Drei Viertel unserer Fabrikate bestehen aus
franzoͤsischer Wolle; der Rest wird aus deutscher, d.h. schlesischer,
saͤchsischer und maͤhrischer Wolle erzeugt. Die
Mitteltuͤcher fabriciren wir gegenwaͤrtig aus Wolle, welche uns
auf 10 Fr. zu stehen kommt, waͤhrend wir sie im Jahre 1831 nur zu 5 Fr.
bezahlten. Die mittelfeinen Wollen sind naͤmlich seither bedeutend im
Preise gestiegen, waͤhrend die feinen Sorten beinahe von gleichem Preise
blieben.
Fr. Welchen Einfluß uͤbte Ihrer Ansicht nach
der auf die fremden Wollen gelegte Zoll von 30 Proc.? – A. Nach meiner
Ueberzeugung brachte dieser Zoll eine sehr nachtheilige Wirkung hervor; denn wir
verloren, und die Landwirthschaft gewann nichts dabei. Unsere Ausfuhr nach
Deutschland und nach Spanien litt darunter Schaden, indem das Verbot daselbst
Fabriken hervorrief. Daß auch die Landwirthschaft nicht den erwarteten Vortheil
daraus zog, ergibt sich aus einer Vergleichung der Preise. Im Jahre 1831 war der
mittlere Preis der rohen Wolle ungeachtet des Zolles von 30 Proc. 18 Fr.; im
Jahre 1833 stieg er unter dem Schuze desselben Zolles bis auf 34 Fr. Ich bin
hienach uͤberzeugt, daß die Schwankungen im Preise unserer
inlaͤndischen Wolle nicht dem Zolle von 30 Proc. zugeschrieben werden
koͤnnen; der Bedarf der Fabriken ist es vielmehr, der die Preise des
Rohstoffes regulirt, und diesem allein ist das eingetretene Steigen desselben
beizumessen. Es haben hienach bei uns mehrere Ursachen zur Vertheuerung der
Wolle mitgewirkt; naͤmlich die Organisation der Nationalgarden, die
Vermehrung der Armee, die Anschaffung von Bettdeken fuͤr die
Spitaͤler und die Cholera, welche den Verbrauch an Wolle verzehnfachte.
Uebrigens ziehe ich hieraus noch keineswegs den Schluß, daß der Landwirth des
auf die Wolle gelegten Zolles ganz entbehren kann; im Gegentheile wuͤrde
ich die gaͤnzliche Aufhebung fuͤr eine demselben sehr nachteilige
Maßregel halten. Denn wenn dieser Zoll auch die Menge der inlaͤndischen
Wolle nicht im mathematischen Verhaͤltnisse seiner Groͤße
vermehrte, so muß man doch zugeben, daß wir ohne denselben mehr
auslaͤndische als franzoͤsische Wolle verarbeiten wuͤrden.
Ich verlange daher nicht, daß der Schuzzoll, welcher zu Gunsten unserer
inlaͤndischen Wolle besteht, ganz aufgehoben werde, indem der ohnedieß
schon von vielen Plagen heimgesuchte Landmann hiedurch empfindlich leiden
wuͤrde; ich wollte hier bloß den Stand der Dinge so zeigen, wie er
ist.
Fr. Sie billigen aber doch die Herabsezung dieses
Zolles, welche in neuerer Zeit verordnet ward? – A. Allerdings; auch hege
ich die Ueberzeugung, daß der Akerbau hiebei nicht zu Schaden kommen wird, denn
diese leichte Ermaͤßigung beugt einem weiteren Steigen der Tuchpreise
vor, durch welches der Verbrauch an Tuͤchern, folglich der Verdienst der
Arbeiter, und mithin auch wieder der Absaz der Lebensmittel geschmaͤlert
worden waͤre. Ich glaube sogar, daß der Zoll mit Schonung und Klugheit
noch mehr ermaͤßigt werden koͤnnte, und erlaube mir hier meine
Ansicht ganz auszusprechen. Die Landwirthschaft ist in Frankreich, was die
Wollenerzeugung betrifft, gegenwaͤrtig im Stillstande oder gar im
Ruͤkschreiten; in Deutschland hingegen hat man Wollen, welche
vorzuͤglicher sind, als die unseligen, indem man sie auf jede
moͤgliche Weise zu verbessern bemuͤht war. Unsere Landwirthe waren
durch die niedrigen Wollenpreise, die eine Zeit uͤber Statt fanden,
entmuthigt, mehr auf die Quantitaͤt bedacht, und darunter litt
natuͤrlich die Qualitaͤt, so daß wir die Schwierigkeiten, die uns
diese schlechtere Wolle veranlaßt, nur dadurch zu beseitigen vermoͤgen,
daß wir mehr Zeit und Geld auf den Appret verwenden. Die Englaͤnder
verarbeiten hauptsaͤchlich saͤchsische, maͤhrische und
schlesische Wollen, welche sehr elastisch und sehr markig sind, und nicht so
viel Appret brauchen. Waͤren die deutschen Wollen mit gar keinem Zolle
belegt, so wuͤrden wir eine sehr große Menge davon arbeiten, und da dieß
allerdings unserer Landwirthschaft zum Nachtheil gereichen wuͤrde, so
gehe ich nicht hierauf ein.
Fr. Welchen Theil des Werthes Ihrer Tuͤcher
bildet denn die Wolle? – A. Im Durchschnitte die Haͤlfte; jedoch
ist dieß nach der Qualitaͤt des Tuches verschieden. In der Denkschrift,
welche die Stadt Sedan bekannt machte, ist der Werth der Wollengewebe in allen
ihren Transformationen auf 400 Mill. geschaͤzt, wovon 250 Mill. auf die
Tuͤcher und 150 Mill. auf die uͤbrigen Wollenzeuge kommen. An
gewissen Tuͤchern kommt nun der Rohstoff mit zwei Dritthellen und der
Arbeitslohn mit einem Drittheil in Anschlag; an den feinen Tuͤchern von
Louviers und Sedan betraͤgt der Arbeitslohn etwas mehr, als der Rohstoff;
und an gewissen Artikeln der Mode und der Phantasie betraͤgt der
Arbeitslohn gar 2/3 des Werthes.
Fr. Sie schaͤzen also den Werth aller
Wollenzeuge, welche gegenwaͤrtig in Frankreich fabricirt werden, auf 400
Mill.? – A. Es fehlt uns ungluͤklicher Weise noch immer eine gute
Statistik, und daher koͤnnte die mathematische Richtigkeit meiner Angabe
in Zweifel gezogen werden; uͤbrigens halte ich sie fuͤr so genau,
als es gegenwaͤrtig moͤglich ist. Die Elemente, welche mir dieses
Resultat gaben, sind folgende. Frankreich zaͤhlt 35 Mill. Schafe, deren
Fließ im Durchschnitte zu 6 Fr. geschaͤzt werden kann; dieß gibt also
einen Betrag von 210 Mill. Fremde Wolle wird fuͤr 20 Mill. Fr.
eingefuͤhrt, so daß die Wolle einen Betrag von 230 Mill. Fr. ausmacht.
Rechnet man nun hiezu noch 170 Mill. fuͤr Arbeitslohn, so gibt dieß die
angegebenen 400 Mill. Zur Bestaͤtigung dieser Angabe dient auch noch
folgende Berechnung. Frankreich zaͤhlt 33 Mill. Einwohner, von denen man,
da noch nie so viel Wollenzeug getragen wurde, als heut zu Tage, annehmen kann,
daß jeder fuͤr 12 Fr. Wollenzeug verbraucht. Dieß allein gaͤbe
schon eine Summe von 396 Mill. Fr., abgesehen von den 28 Mill., welche an
verschiedenen Wollenstoffen ausgefuͤhrt werden.
Fr. Koͤnnen Sie uns vergleichende
Aufschluͤsse uͤber die Preise der franzoͤsischen und der
auslaͤndischen Wollen geben? – A. Ein solcher Vergleich ist sehr
schwer anzustellen; wenn wir die Wolle roh nehmen, so ist der Unterschied enorm,
und nehmen wir sie gewaschen, so ist der Vergleich noch schwieriger. Die Wolle
erleidet beim franzoͤsischen Waschen in der Fabrik einen neuen Verlust
von 12 bis 15 Proc. Die deutsche Wolle kommt so unrein zu uns, daß sie bis zur
vollkommenen Reinigung 33 Proc. verliert. Deutsche und franzoͤsische
Wolle auf gleiche Reinheit gebracht, und in moͤglich gleicher
Qualitaͤt zusammengestellt und verglichen, ergibt als Resultat: daß die deutsche
Wolle nach Frankreich gestellt und den Zoll mit in Anschlag gebracht,
hoͤher kommt, als franzoͤsische.
Fr. Man sagte uns, im Laufe der Untersuchung, daß
eine der nachtheiligsten Folgen des Zolles darin bestehe, daß er die
Schwankungen im Preise vermehrt. Der Schuz scheint auch in umgekehrtem
Verhaͤltnisse mit dem Schuzbedarfe der Landwirthschaft zu stehen; der
Zoll steigt naͤmlich im Verhaͤltnisse des Werthes der Wolle, und
hieraus folgt: daß, wenn die Wolle theuer ist, das Steigen des Zolles die
Einfuhr fremder Wolle, und mithin die Ausgleichung des Preises hindert; ist die
Wolle hingegen wohlfeil, so sinkt der Zoll verhaͤltnißmaͤßig,
waͤhrend der Landmann doch gerade unter diesen Verhaͤltnissen
eines groͤßeren Schuzes beduͤrfte. – A. Ich kann diese
Folgerung nicht zugeben; ich seze zwar nicht voraus, daß die Wollenpreise in
Frankreich und im Auslande immer verhaͤltnißmaͤßig gleich sind;
allein es kann auch nicht wohl seyn, daß die Wolle in Frankreich sehr theuer
ist, waͤhrend sie in Deutschland sehr niedrig im Preise steht.
Fr. Es ist offenbar, daß die natuͤrlichen
Handelsbewegungen, abgesehen von dem Unterschiede, der durch die Zoͤlle
bedingt ist, das Gleichgewicht der Preise herzustellen suchen. Allein
vergleichen Sie das Zollsystem, welches bei der Wolle befolgt wird, mit jenem,
welches beim Getreide in Anwendung gebracht ist, so ergibt sich, daß der Zoll
des Getreides in dem Maße sinkt, in welchem dessen Preis steigt, waͤhrend
bei der Wolle das Umgekehrte Statt findet. Glauben Sie nicht, daß ein nach dem
Werthe bestimmter Zoll die Graͤnzen der Schwankungen in den Wollenpreisen
beschraͤnken wuͤrde? – A. Ich glaube nicht, daß dieß zu dem
fraglichen Resultate fuͤhren wuͤrde, und meiner Ansicht nach
findet zwischen den gewaͤhlten Vergleichspunkten auch gar keine
Identitaͤt Statt. Der Werth des Rohstoffes regulirt nicht immer den Preis
des Tuches; sondern derselbe haͤngt hauptsaͤchlich davon ab, ob
die Umstaͤnde, unter denen der Verkauf geschieht, gut oder schlecht sind.
Diese Umstaͤnde sind allmaͤchtig. Der Kaͤufer
kuͤmmert sich nicht, aus welchen Gruͤnden der Preis der Wolle
waͤhrend der Fabrikation fiel; man muß hier dem Geseze nachgeben, welches
die Concurrenz dictirt. Ich erlaube mir als Beweis hiefuͤr nur die
gegenwaͤrtigen Umstaͤnde anzufuͤhren, wo die Abnehmer
Anforderungen machen, die wirklich unvernuͤnftig sind, und wo sie dessen
ungeachtet den Sieg davon tragen. Man muß mit Verlust oder wenigstens ohne
Gewinn verkaufen, bloß um seine Kundschaften nicht zu verlieren und den Gang der
Fabrik nicht in Stoken zu bringen, und sich mit einer besseren Zukunft
vertroͤsten. Uebrigens ist auch noch zu bemerken, daß das Sinken der
Wollenpreise oft nur scheinbar ist; indem eine mit mehr Fett beladene Wolle beim
Waschen mehr verliert, und also im Grunde oft eben so hoch kommt.
Fr. Um wie viel erhoͤht der Zoll, womit das
Oehl, der Indigo und andere Farbstoffe belegt sind, den Preis Ihrer Fabrikate?
– A. Ich glaube, daß man dieß zu 1 bis 2 Proc. des Werthes anschlagen
kann.
Fr. Welche Triebkraͤfte haben Sie? –
Wir besizen in Sedan 18 Dampfmaschinen und 30 Wasserwerke, die jedoch nicht
ausschließlich zur Fabrikation der Sedaner Tuͤcher verwendet werden,
sondern von denen ein Theil auch fuͤr Rheims und Rethel arbeitet. Als
Brennmaterial bedienen wir uns der Steinkohlen von Charleroy und
Luͤttich, wovon uns der Hectoliter mit Einschluß der Mauth auf 4 Fr. 20
C. zu stehen kommt. Der Zoll betraͤgt 1 Fr. 50 C. fuͤr 500 Kilogr.
Wir beziehen nicht Steinkohle von erster Qualitaͤt, welche fett ist; sondern sogenannte
flammende Kohle (houille flambante), wovon wir die
Tonne oder 10 Hectoliter an Ort und Stelle mit 11 bis 12 Fr. bezahlen. Ich
selbst verbrauche taͤglich 4000 Kil.; ganz Sedan mag taͤglich
40,000 Kil. verbrennen. Da ich jaͤhrlich fuͤr 55,000 Fr.
Steinkohlen verbrauche, und jaͤhrlich fuͤr mehr als 2 Mill. Fr.
Geschaͤfte mache, so kommen also die Kosten des Brennmateriales auf 2 1/2
bis 3 Proc.; dieselbe Berechnung duͤrste auch fuͤr unsere
uͤbrigen Fabriken gelten.
Fr. Sind Ihre Maschinen eben so gut, wie jene, deren
man sich im Auslande bedient? – A. Meine Dampfmaschinen sind
saͤmmtlich aus der Fabrik der HH. Coqueril in
Luͤttich; sie arbeiten mit minderem Druke, und verbrauchen daher etwas
mehr Brennmaterial als die Hochdrukdampfmaschinen; allein sie bringen auch keine
Gefahr. Ich glaube nicht, daß es in Sedan auch nur zwei Dampfmaschinen gibt, die
in Frankreich gebaut wurden. Die Maschinenfabrikation hat zwar bei uns in
Frankreich sehr große Fortschritte gemacht; allein dessen ungeachtet erhellt von
selbst, daß aus einer Fabrik wie die Coqueril'sche
dennoch vollkommenere Maschinen hervorgehen muͤssen, als aus einer
Anstalt, welche in ihren Fabrikationsmitteln noch beschraͤnkt ist. In
allen großen Fabriken sind fuͤr jede einzelne Arbeit eigene Individuen
bestellt, und aus dieser Vertheilung der Arbeiten ergibt sich eine
Vollkommenheit, welche man sich an den Maschinen um jeden Preis zu verschaffen
suchen muß. Wir werden es zwar bei uns in Frankreich eben so weit bringen,
allein einige Zeit ist hiezu immer noch erforderlich.
Fr. Wie viele Arbeiter haben Sie; wie bezahlen Sie
sie, und welche Schwankungen fanden in dem Arbeitslohne innerhalb einer
bestimmten Anzahl von Jahren Statt? – A. Die Fabrikation von Sedan
beschaͤftigt 11 bis 12,000 Individuen, wovon gegen 1200 in meinem
Geschaͤfte arbeiten. Der Arbeitslohn der Maͤnner betraͤgt
im Durchschnitte 2 bis 2 1/4 Fr.; jener der Weiber 1 bis 1 1/4 Fr., und jener
der Kinder 75 Cent. Dabei ist der Tag zu 15 Stunden Arbeit gerechnet. Der
Arbeitslohn erfuhr entweder gar keine oder nur sehr unbedeutende Schwankungen;
denn wir koͤnnen hierin keine Veraͤnderungen vornehmen, ohne
unsere Arbeiter in eine sehr mißliche Lage zu versezen; wenn daher auch die
Fabrikation etwas stokte, wenn der Gewinn auch aus was immer fuͤr
Gruͤnden vermindert wurde, so wurde der Lohn der Arbeiter dadurch doch
nur unmerklich beeintraͤchtigt. Unsere Arbeiter sind deßhalb auch in
einer sehr schoͤnen Lage, und besonders wenn sie in der Stadt wohnen, gut
genaͤhrt, gut gekleidet und gut logirt, so daß man sie am Sonntage kaum
von ihren Vorstaͤnden wegkennt. Vergleicht man den gegenwaͤrtigen
Zustand der Arbeiter mit jenem vor 25 bis 30 Jahren, so wird man einen
ungeheuren Unterschied finden, und sich uͤberzeugen, daß sich derselbe
sowohl in moralischer Hinsicht, als in Hinsicht auf Gesundheit bedeutend
verbessert hat. Die Scrophelkrankheit ist hoͤchst selten geworden, weil
unsere Leute jezt gut genaͤhrt und gut logirt sind. Kurz in allen diesen
Dingen bemerkt man ein Voranschreiten der Civilisation, welches jedoch auch
Beduͤrfnisse erzeugt, zu deren Befriedigung der Arbeiter eines
angemessenen Arbeitslohnes bedarf. Zwischen dem Arbeitslohne, der bei uns, und
jenem, der in Belgien gezahlt wird, ist ein großer Unterschied, indem die
Belgier als Stuͤkler Kinder verwenden, die sich kaum aufrecht zu halten
vermoͤgen, und welche nur 3 bis 4 Sous des Tages verdienen. Wir verwenden
keine so jungen Kinder, sondern wir schiken sie zur Schule, und lassen sie
kraͤftiger und verstaͤndiger werden, ehe wir ihnen Arbeit geben.
Ich machte vor 4
Jahren eine Reise nach Belgien eigens um zu erforschen, warum die Belgier
wohlfeiler fabriciren, als wir; und ich habe unter Anderem hiebei gefunden, daß
in Belgien der Arbeitslohn viel niedriger und der Arbeiter nicht so
gluͤklich ist, als bei uns. Ich sah daselbst oͤfter drei Familien
in ein einziges Zimmer zusammengedraͤngt, und aus einer Schuͤssel
essen; die Maͤnner trugen selbst im Winter nur Kleider aus
Baumwoll- oder Leinenzeugen. Unter solchen Umstaͤnden wird es
nicht Wunder nehmen, wenn ein Arbeiter, der sich bei uns 35 Sous verdient, in
Belgien nur 18 bis 20 Sous Lohn hat. Will man, daß auch wir hierauf
zuruͤkkommen, und in der Civilisation Ausschritte machen sollen?
Unmoͤglich! Wir koͤnnten auch den Arbeitslohn nicht antasten, ohne
in allen Fabrikstaͤdten Frankreichs allgemeine Gaͤhrung zu
veranlassen. Ich glaube, daß zwischen dem franzoͤsischen und dem
belgischen Arbeitslohne ein Unterschied von 35 bis 40 Proc. bestehe, und um
diesen Anschlag gehoͤrig wuͤrdigen zu koͤnnen, darf man
nicht vergessen, was oben von der Classification unserer Arbeiter im Vergleiche
mit jenen Belgiens gesagt worden. Bei allem dem machen unsere Arbeiter keine
Ersparnisse, sondern sie vermehren nur ihr Mobiliar. Wir haben zwar eine
Sparcasse, allein die Arbeiter haben einen Widerwillen dagegen. Ich erkundigte
mich bei meinen Leuten, woher denn dieß kaͤme, und erhielt zur Antwort:
daß man, wenn sie Ersparnisse machen wuͤrden, ihren Lohn bald zu hoch
finden und herabsezen wuͤrde. Ich suchte ihnen dieß auszureden, allein es
gelang mir nicht, sie zu uͤberzeugen. Mit der Zeit wird aber, wie ich
hoffe, auch dieses Vorurtheil verschwinden.
(Fortsezung folgt.)